BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Georg Herwegh

1817 - 1875

 

Gedichte eines Lebendigen:

Mit einer Dedikation an den Verstorbenen

 

I. Teil 1841

 

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An den Verstorbenen.

(1841)

O Ritter, toter Ritter,

Leg deine Lanze ein!

Sie soll in tausend Splitter

Von mir zertrümmert sein.

5

Heran auf deinem Rappen,

Du bist ein arger Schalk,

Trotz Knappen und trotz Wappen,

Trotz Falk und Katafalk!

 

Ich steh nicht bei dem Trosse,

10

Der räuchernd vor Dir schweigt,

Weil du ein Herz für Rosse

Und fürs Kamel gezeigt;

Baschkire oder Mandschu –

Was schiert mich Deine Welt?

15

Ich schleudre meinen Handschuh

Dir in Dein ödes Zelt.

 

Dem Reich der Mamelucken

Weissagst Du Auferstehn

Und sähest ohne Zucken

20

Dein Vaterland vergehn;

Doch wiegtest unter Palmen

Du Dein Prophetenhaupt,

Wenn nicht aus unsern Halmen

Du erst dein Gold geraubt?

 

25

Du steuerst nun so lange

Im Weltmeer aus und ein,

Und ward es nie Dir bange,

Daß Du so klein, so klein?

Ist er Dir nie erschienen,

30

Der Fürst von Ithaka,

Wenn Deine Sündermienen

In seinem Reich er sah?

 

Und sprach er nie mit Grollen:

«Fort aus dem freien Meer!

35

Wirf nicht in seinen Schollen

Dein Lügenkorn umher!

Zieh heim an Deine Pleiße,

Zieh heim an Deine Spree;

Nicht jede Fürstenreise

40

Ist eine Odyssee.»

 

Wohl ist er unerreichbar

Der göttliche Ulyß,

Doch Du bist ihm vergleichbar

Am wenigsten gewiß.

45

Im Saus nicht und im Brause

Hat er die Zeit verdehnt,

Er hat sich stets nach Hause

Zu Weib und Volk gesehnt.

 

Für Deines Volkes Rechte

50

Wie fochtest Du so schlecht!

Du standest im Gefechte –

Ja, für das Türkenrecht;

Du stirbst auch auf dem Schilde,

Ja, auf dem Wappenschild;

55

Klag nicht, daß Deine Gilde

Fortan bei uns nichts gilt!

 

Den Marmor bringt Carrara

Noch nicht für den hervor,

An den der Niagara

60

Den Donner selbst verlor,

Der nur in alle Fernen

Zu seiner Schmach gereist,

Und noch vor Gottes Sternen

Auf seine Sternchen weist.

 

65

O Ritter, schlechter Ritter,

Leg Deine Lanze ein!

Sie soll in tausend Splitter

Von mir zertrümmert sein.

Laß ab, laß ab und spähe

70

Nicht nach der Wüste Sand!

Ich setze in der Nähe

Dich in Dein Vaterland. 

 

 

Leicht Gepäck.

(1840)

Ich bin ein freier Mann und singe

Mich wohl in keine Fürstengruft,

Und alles, was ich mir erringe,

Ist Gottes liebe Himmelsluft.

5

Ich habe keine stolze Feste,

Von der man Länder übersieht,

Ich wohn' ein Vogel nur im Neste,

Mein ganzer Reichtum ist mein Lied.

 

Ich durfte nur, wie andre, wollen,

10

Und wär' nicht leer davongeeilt,

Wenn jährlich man im Staat die Rollen

Den treuen Knechten ausgeteilt;

Allein ich hab nie zugegriffen,

So oft man mich herbei beschied,

15

Ich habe fort und fort gepfiffen,

Mein ganzer Reichtum ist mein Lied.

 

Der Lord zapft Gold aus seiner Tonne

Und ich aus meiner höchstens Wein;

Mein einzig Gold die Morgensonne,

20

Mein Silber all der Mondenschein!

Färbt sich mein Leben herbstlich gelber,

Kein Erbe, der zum Tod mir riet;

Denn meine Münzen prägt ich selber;

Mein ganzer Reichtum ist mein Lied.

 

25

Gern sing ich abends zu dem Reigen,

Vor Thronen spiel ich niemals auf;

Ich lernte Berge wohl ersteigen,

Paläste komm ich nicht hinauf;

Indes aus Moder, Sturz und Wettern

30

Sein golden Los sich mancher zieht,

Spiel ich mit leichten Rosenblättern;

Mein ganzer Reichtum ist mein Lied.

 

Nach dir, nach dir steht mein Verlangen,

O schönes Kind, o wärst du mein!

35

Doch du willst Bänder, du willst Spangen,

Und ich soll dienen gehen? Nein!

Ich will die Freiheit nicht verkaufen,

Und wie ich die Paläste mied,

Laß ich getrost die Liebe laufen;

40

Mein ganzer Reichtum sei mein Lied.

 

 

Der letzte Krieg.

(1841)

Wer seine Hände falten kann,

Bet um ein gutes Schwert,

Um einen Helden, einen Mann,

Den Gottes Zorn bewehrt!

5

Ein Kampf muß uns noch werden

Und drin der schönste Sieg,

Der letzte Kampf auf Erden,

Der letzte heilige Krieg!

 

Herbei, herbei, ihr Völker all,

10

Um euer Schlachtpanier!

Die Freiheit ist jetzt Feldmarschall,

Und Vorwärts heißen wir.

Der Zeiger weist die Stunde,

O flieg, mein Polen, flieg,

15

Mit jedem Stern im Bunde,

Voran zum heiligen Krieg!

 

Ja! vorwärts, bis der Morgen blinkt,

Ja! vorwärts, frisch und froh!

Vorwärts, bis hinter uns versinkt

20

Die Brut des Pharao!

Er wird auch für uns sprechen,

Der Herr, der für uns schwieg,

Und unsre Ketten brechen

Im letzten heiligen Krieg.

 

25

O walle hin, du Opferbrand,

Hin über Land und Meer,

Und schling ein einig Feuerband

Um alle Völker her;

So wird er uns beschieden,

30

Der große, große Sieg,

Der ewige Völkerfrieden, –

Frisch auf zum heiligen Krieg!

 

 

Der sterbende Trompeter.

(1840)

Der Teufel, daß ich daniedersank!

Wie werden die polnischen Lanzen,

Wie werden die Schwerter bei anderem Klang

Den Schlachtenreigen nun tanzen?

 

5

Wohl stand ich so oft, wohl stand ich so oft,

Umbraust von grimmigen Wettern,

Und habe gehofft und habe gehofft,

In befreiete Lüfte zu schmettern;

 

Ich habe gehofft, wenn der blutige Tod

10

Auf sausenden Kugeln geflogen,

Gehofft, wenn er donnernd um mich gedroht,

Gehofft und hab mich betrogen.

 

Daß die Seele leichter von hinnen zieht,

Kameraden, seid jetzo beschworen!

15

Nehmt meine Trompete und blast mir das Lied:

«Noch ist Polen nicht verloren!»

 

Und blast mir das Lied, sonst nichts, sonst nichts,

Und laßt es mich sterbend noch hauchen!

Dann gebt sie mir wieder; am Tag des Gerichts

20

Werd ich die Trompete ja brauchen.

 

Denn wenn Gott den Toten auf Erden ruft,

Wenn er will aus den Gräbern sie schrecken,

Da muß er zuerst aus ihrer Gruft

Doch die Trompeter erwecken.

 

25

Das wird ein Tag der Freude, juchhei!

Wie spreng ich den drückenden Rasen,

Um allen Völkern der Erde herbei

Dann gegen die Russen zu blasen!

 

 

Reiterlied.

(1841)

Die bange Nacht ist nun herum,

Wir reiten still, wir reiten stumm

Und reiten ins Verderben.

Wie weht so scharf der Morgenwind!

5

Frau Wirtin, noch ein Glas geschwind

Vorm Sterben, vorm Sterben.

 

Du junges Gras, was stehst so grün?

Mußt bald wie lauter Röslein blühn,

Mein Blut ja soll dich färben.

10

Den ersten Schluck, ans Schwert die Hand.

Den trink ich, für das Vaterland

Zu sterben, zu sterben.

 

Und schnell den zweiten hinterdrein,

Und der soll für die Freiheit sein,

15

Der zweite Schluck vom Herben!

Dies Restchen – nun, wem bring ich's gleich?

Dies Restchen dir, o Römisch Reich,

Zum Sterben, zum Sterben!

 

Dem Liebchen – doch das Glas ist leer,

20

Die Kugel saust, es blitzt der Speer;

Bringt meinem Kind die Scherben!

Auf! in den Feind wie Wetterschlag!

O Reiterlust, am frühen Tag

Zu sterben, zu sterben!

 

 

Rheinweinlied.

(Oktober 1840)

Wo solch ein Feuer noch gedeiht

Und solch ein Wein noch Flammen speit,

Da lassen wir in Ewigkeit

Uns nimmermehr vertreiben.

5

Stoßt an! Stoßt an! Der Rhein,

Und wär's nur um den Wein,

Der Rhein soll deutsch verbleiben.

 

Herab die Büchsen von der Wand,

Die alten Schläger in die Hand,

10

Sobald der Feind dem welschen Land

Den Rhein will einverleiben!

Haut, Brüder, mutig drein!

Der alte Vater Rhein,

Der Rhein soll deutsch verbleiben.

 

15

Das Recht' und Link', das Link' und Recht',

Wie klingt es falsch, wie klingt es schlecht!

Kein Tropfen soll, ein feiger Knecht,

Des Franzmanns Mühlen treiben.

Stoßt an! Stoßt an! Der Rhein,

20

Und wär's nur um den Wein,

Der Rhein soll deutsch verbleiben.

 

Der ist sein Rebenblut nicht wert,

Das deutsche Weib, den deutschen Herd,

Der nicht auch freudig schwingt sein Schwert,

25

Die Feinde aufzureiben.

Frisch in die Schlacht hinein!

Hinein für unsern Rhein!

Der Rhein soll deutsch verbleiben.

 

O edler Saft, o lauter Gold,

30

Du bist kein ekler Sklavensold!

Und wenn ihr Franken kommen wollt,

So laßt vorher euch schreiben:

Hurra! Hurra! Der Rhein,

Und wär's nur um den Wein,

35

Der Rhein soll deutsch verbleiben.

 

 

Das freie Wort.

(1841)

Sie sollen alle singen

Nach ihres Herzens Lust;

Doch mir soll fürder klingen

Ein Lied nur aus der Brust:

5

Ein Lied, um dich zu preisen,

Du Nibelungenhort,

Du Brot und Stein der Weisen,

Du freies Wort!

 

Habt ihr es nicht gelesen:

10

Das Wort war vor dem Rhein?

Im Anfang ist's gewesen

Und soll drum ewig sein.

Und eh ihr Einen Schläger

Erhebt zum Völkermord,

15

Sucht unsern Bannerträger,

Das freie Wort!

 

Ihr habet zugeschworen

So treu dem Vaterland,

Doch ihr seid all verloren

20

Und haltet nimmer stand,

Solang in West und Osten,

Solang in Süd und Nord

Das beste Schwert muß rosten,

Das freie Wort!

 

25

Ach! es will finster werden,

Wohl finster überall,

Doch ist die Nacht auf Erden

Ja für die Nachtigall.

Heraus denn aus der Wolke,

30

Die, Sänger, euch umflort;

Erst predigt eurem Volke

Das freie Wort!

 

Laßt eure Adler fliegen,

Ihr Fürsten, in die Welt

35

Und sie nicht müßig liegen

Auf eurem Wappenfeld!

O jagt einmal die Raben

Aus unsern Landen fort,

Und sprecht: Ihr sollt es haben;

40

Das freie Wort!

 

 

Der beste Berg.

(1841)

Es ist ein Berg auf Erden,

Der Gutenberg genannt,

Der soll besungen werden

Wohl auf und ab im Land.

 

5

Er heget keine Feste,

Er pfleget keinen Wein,

Und wird doch stets der beste

Von allen Bergen sein.

 

Es ist ein Berg auf Erden,

10

Der steht zu Mainz am Rhein,

Mit trutzigen Gebärden

Schaut er ins Land hinein.

 

Da schaut er, was wir treiben,

Vom Rheine bis ans Meer,

15

Da liest er, was wir schreiben

Im weiten Land umher.

 

Zu lang war dem Kyffhäuser

Des Rotbarts Todesnacht,

Da ist für seinen Kaiser

20

Der gute Berg erwacht.

 

Zuschanden heißt er werden

Der Raben schwarzes Werk,

Der beste Berg auf Erden,

Das ist der Gutenberg.

 

 

Gutenbergslied III.

(Juni 1840)

Aus Hütten einzig kommt das Heil der Welt,

Im härnen Mantel predigt der Prophete –

So ward auch Blei, und nicht das Gold, bestellt,

Daß tausendzüngig jede Wahrheit rede.

5

Ein böser Geist der Tiefe haust im Gold,

Es ist ein Knecht und gibt sich gern in Sold;

Wie Porzia, faßt das Beste man in Blei,

Und reimt man drauf, so reimt man immer: Frei!

Das schwere Blei wird in des Meisters Hand

10

Der Elfengeister luftiges Gewand;

Er läßt es nicht als Todeskugel fliegen,

Er führet es als Wort von Sieg zu Siegen,

Und wo die beste Waffe fehlt von Erz,

Da trifft ein Wort des rechten Mannes Herz;

15

Er zittert nicht vor des Tyrannen Miene –

Was will die Flocke gegen die Lawine?

Kein Zensor fällt der Wahrheit in die Zügel,

Er hat nur Federn, doch die Wahrheit Flügel.

 

 

Die Jungen und die Alten.

(1840)

«Du bist jung, du sollst nicht sprechen!

Du bist jung, wir sind die Alten!

Laß die Wogen erst sich brechen

Und die Gluten erst erkalten!

 

5

Du bist jung, dein Tun ist eitel!

Du bist jung und unerfahren!

Du bist jung, kränz deinen Scheitel

Erst mit unsern weißen Haaren!

 

Lern, mein Lieber, erst entsagen,

10

Laß die Flammen erst verrauchen,

Laß dich erst in Ketten schlagen,

Dann vielleicht kann man dich brauchen!»

 

Kluge Herren! Die Gefangnen

Möchten ihresgleichen schauen;

15

Doch, ihr Hüter des Vergangnen,

Wer soll denn die Zukunft bauen?

 

Sprecht, was sind euch denn verblieben

Außer uns, für wackre Stützen?

Wer soll eure Töchter lieben?

20

Wer soll eure Häuser schützen?

 

Schmäht mir nicht die blonden Locken,

Nicht die stürmische Gebärde!

Schön sind eure Silberflocken,

Doch dem  G o l d  gehört die Erde.

 

25

Schmähet, schmäht mir nicht die Jugend,

Wie sie auch sich laut verkündigt!

O wie oft hat eure Tugend

An der Menschheit still gesündigt!

 

 

Protest.

(1841)

Solang ich noch ein Protestant,

Will ich auch protestieren,

Und jeder deutsche Musikant

Soll's weiter musizieren!

5

Singt alle Welt: Der  f r e i e  Rhein!

So sing doch ich: Ihr Herren, nein!

Der Rhein, der Rhein könnt freier sein –

So will ich protestieren.

 

10

Kaum war die Taufe abgetan,

Ich kroch noch auf den Vieren,

Da fing ich schon voll Glaubens an,

Mit Macht zu protestieren,

Und protestiere fort und fort,

15

O Wort, o Wind, o Wind, o Wort,

O selig sind, die hier und dort,

Die ewig protestieren.

 

Nur eins ist not, dran halt' ich fest

Und will es nit verlieren,

20

Das ist mein christlicher Protest,

Mein christlich Protestieren.

Was geht mich all das Wasser an

Vom Rheine bis zum Ozean?

Sind keine freien Männer dran,

25

So will ich protestieren.

 

Von nun an bis in Ewigkeit

Soll euch der Name zieren:

Solang ihr Protestanten seid,

Müßt ihr auch protestieren.

30

Und singt die Welt: Der  f r e i e  Rhein!

So singet: Ach! Ihr Herren, nein!

Der Rhein, der Rhein könnt freier sein,

Wir müssen protestieren.

 

 

Aufruf.

(1841)

Reißt die Kreuze aus der Erden!

Alle sollen Schwerter werden,

Gott im Himmel wird's verzeihen.

Laßt, o laßt das Verseschweißen!

5

Auf den Amboß legt das Eisen!

Heiland soll das Eisen sein.

 

Eure Tannen, eure Eichen –

Habt die grünen Fragezeichen

Deutscher Freiheit ihr gewahrt?

10

Nein, sie soll nicht untergehen!

Doch ihr fröhlich Auferstehen

Kostet eine Höllenfahrt.

 

Deutsche, glaubet euren Sehern,

Unsre Tage werden ehern,

15

Unsre Zukunft klirrt in Erz;

Schwarzer Tod ist unser Sold nur,

Unser Gold ein Abendgold nur,

Unser Rot ein blutend Herz!

 

Reißt die Kreuze aus der Erden!

20

Alle sollen Schwerter werden,

Gott im Himmel wird's verzeihn.

Hört er unsre Feuer brausen

Und sein heilig Eisen sausen,

Spricht er wohl den Segen drein.

 

25

Vor der Freiheit sei kein Frieden,

Sei dem Mann kein Weib beschieden

Und kein golden Korn dem Feld;

Vor der Freiheit, vor dem Siege

Seh kein Säugling aus der Wiege

30

Frohen Blickes in die Welt!

 

In den Städten sei nur Trauern,

Bis die Freiheit von den Mauern

Schwingt die Fahnen in das Land;

Bis du, Rhein, durch  f r e i e  Bogen

35

Donnerst, laß die letzten Wogen

Fluchend knirschen in den Sand.

 

Reißt die Kreuze aus der Erden!

Alle sollen Schwerter werden,

Gott im Himmel wird's verzeihn.

40

Gen Tyrannen und Philister!

Auch das Schwert hat seine Priester,

Und wir wollen Priester sein!

 

 

Frühlingslied.

(1841)

Noch ein Lied dem deutschen Bürger,

Noch ein echtes Maienlied!

Frühling sei es keinem Würger,

Der sein Volk zum Staube zieht;

5

Frühling jedem bis zum Tod,

Frühling nie für den Despot!

Selbst der Himmel, warm und rein,

Der des Freien Brust erweitert,

Eine Klippe, dran er scheitert,

10

Mög' er jedem Wütrich sein.

 

Alle Blumen sollen flüstern:

«Seht ihr, seht ihr den Tyrann?

Bleib in deinem Reich, dem düstern,

In der Hölle, finstrer Mann!

15

Willst du noch des Weihrauchs mehr?

Unser Kelch ist für dich leer,

Fort! Du taugst nicht an das Licht!

Weiche ferne, du Verräter,

Du verstehst den freien Äther

20

Und die Frühlingsfreiheit nicht!»

 

Jede Biene dünk' Tarantel,

Jeder Rose Purpurkleid

Ihm ein Karbonarimantel,

Drin ein Dolch für ihn bereit!

25

Jeglich Säuseln, das er hört,

Ihm sein Volk, das sich empört;

Keine Freude und kein Scherz,

Keine Wonne soll ihm blühen,

Und von keiner Sonne glühen

30

Je ihm sein sibirisch Herz!

 

Nächtlich mit Entsetzen dreh er

Sich im sternenlosen Nichts,

Und von allen Engeln seh er

Nur den Engel des Gerichts;

35

Jeder Schlag der Nachtigall

Kling ihm wie Posaunenschall,

Der ihn vor den Ew'gen ruft;

Und der Lerche jubelnd Schmettern,

Wie der Blitz von tausend Wettern

40

Treff' es ihn aus blauer Luft.

 

Jeder Blütenbaum am Wege

Streu aufs Haupt ihm Silberschnee,

Einen eis'gen Panzer lege

Um sein Schiff ihm jeder See;

45

Wo er immer landen mag,

Flieh erschreckt der goldne Tag;

In der öden, kahlen Flur

Soll sich seine Seele spiegeln,

Ihm ein Buch mit tausend Siegeln

50

Sei im Lenze die Natur.

 

Ja, o Lenz, sei für die Dichter,

Für die Völker Lenz allein!

Für Tyrannen sollst du Richter,

Für Tyrannen Rächer sein.

55

Schreib auf jedes grüne Blatt:

Ich bin eurer herzlich satt,

Eurer schnöden Tyrannei!

Frei sind meiner Blumen Düfte,

Meine Wolken, meine Lüfte,

60

Auch die Menschen seien frei!

 

 

Der Freiheit eine Gasse!

(1841)

Vorm Feinde stand in Reih und Glied

Das Volk um seine Fahnen,

Da rief Herr Struthahn Winkelried:

«Ich will den Weg euch bahnen!

5

Dir, Gott, befehl ich Weib und Kind,

Die ich auf Erden lasse –»

Und also sprengt' er pfeilgeschwind

Der Freiheit eine Gasse.

 

Das war ein Ritter noch mit Fug,

10

Der wie ein heiß Gewitter

Die Knechte vor sich niederschlug –

O wär ich solch ein Ritter,

Auf stolzem Roß von schnellem Huf,

In schimmerndem Kürasse,

15

Zu sterben mit dem Donnerruf:

Der Freiheit eine Gasse !

 

Doch zittert nicht! Ich bin allein,

Allein mit meinem Grimme;

Wie könnt ich euch gefährlich sein

20

Mit meiner schwachen Stimme?

Dem Herrscher bildet sein Spalier,

Wie sonst, des Volkes Masse,

Und niemand, niemand ruft mit mir:

Der Freiheit eine Gasse !

 

25

Ihr Deutschen ebnet Berg und Tal

Für eure Feuerwagen,

Man sieht auf Straßen ohne Zahl

Euch durch die Länder jagen;

Auch dieser Dampf ist Opferdampf –

30

Glaubt nicht, daß ich ihn hasse –

Doch bahnet erst in Streit und Kampf

Der Freiheit eine Gasse!

 

Wenn alle Welt den Mut verlor,

Die Fehde zu beginnen,

35

Tritt du, mein Volk, den Völkern vor,

Laß du dein Herzblut rinnen!

Gib uns den Mann, der das Panier

Der neuen Zeit erfasse,

Und durch Europa brechen wir

40

Der Freiheit eine Gasse!

 

 

Vive le roi!

Frei nach Hégésippe Moreau

(1840)

Vive le roi! . . . . Wie haben Trugpropheten

Mit diesem Lügenwunsch ihn doch berauscht!

Wie gierig haben stets bei seinen Fêten

Furcht, Interesse, Eitelkeit gelauscht!

5

Ich mag den Herren ihre Kreuze gönnen,

Wenn ich sie so zu Hofe traben seh,

Und steh beiseit, um rufen noch zu können:

Vive la liberté!

 

Vive le roi! . . . . So hatten Höflingsweise

10

Dem Hochmut eines Erdengotts gefrönt;

Wie ward ihr lauter Jubel doch so leise

Als drauf der Leoniden Ruf ertönt!

O heil'ger Ruf, der noch in unsern Tagen

So prächtig klingt wie bei Thermopylä!

15

Auch unsre Fahne soll als Wahlspruch tragen:

Vive la liberté!

 

Vive le roi! . . . . Wie oft mußt das erschallen

Von unsern Burgen, wenn am eignen Herd

In ihres Fürsten Namen die Vasallen

20

Erwürgte unsrer gnäd'gen Herren Schwert!

Noch heben nächtlich sie beim Mondenschimmer

Die blut'gen Klingen fluchend in die Höh,

Doch lächelnd schreibt derWandrer auf dieTrümmer:

Vive la liberté!

 

25

Vive le roi! . . . . Ha! so erstickt der Sklave

Der Rache Ruf im eitelen Refrain;

Daß ja das ew'ge Kind recht ruhig schlafe,

Seht ihr, so wiegt man einen Fürsten ein!

Doch bricht das Wetter aus, so lang beschworen,

30

Ist er verlassen, ohne Schmeichler – Weh!

Dann donnert ihm vernichtend in die Ohren:

Vive la liberté!

 

 

Vive la république!

Beim Alpenglühen gedichtet.

(1840)

Berg an Berg und Brand an Brand

Lodern hier zusammen;

Welch ein Glühen! – ha! so stand

Ilion einst in Flammen.

5

Ein versinkend Königshaus

Raucht vor meinem Blicke,

Und ich ruf ins Land hinaus:

Vive la république!

 

Heil'ge Gluten, reiner Schnee,

10

Golden Freiheitkissen,

Abendglanzumstrahlter See,

Schluchten, wild zerrissen –

Daß im Schweizerlandrevier

Sich kein Nacken bücke!

15

Kaiser ist der Bürger hier;

Vive la république!

 

Eine Phalanx stehet fest,

Fest und ohne Wanken,

Und an euren Alpen meßt

20

Euere Gedanken!

Eurer Berge Kette nur

Ward euch vom Geschicke;

Auf die Kette schrieb Natur:

Vive la république!

 

25

Blumen um die Schläfe her

Steigen eure Höhen,

Frisch, wie Venus aus dem Meer,

Auf aus euren Seen;

Daß aus deinem Jungfernkranz

30

Man kein Röschen knicke,

Schweizerin, hüt ihn wohl beim Tanz!

Vive la république !

 

Auf die Felsen wollte Gott

Seine Kirchen bauen;

35

Vor dem Felsen soll dem Spott

Seiner Feinde grauen!

Zwischen hier und zwischen dort

Gibt's nur Eine Brücke:

Freiheit, o du Felsenwort!

40

Vive la république!

 

 

Dem deutschen Volk.

(1841)

Deutschland, o zerrissen Herz,

Das zu Ende bald geschlagen,

Nur um dich noch will ich klagen

Und in einer Brust von Erz

5

Schweigend meinen kleinen Schmerz,

Meinen kleinen Jammer tragen,

Vaterland, um dich nur klagen.

 

Lustig grünt dein Nadelholz,

Lustig rauschen deine Eichen;

10

In den neununddreißig Reichen

Fehlt ein einzig Körnchen Golds:

Freier Bürger hoher Stolz

Fehlt im Lande sondergleichen,

In den neununddreißig Reichen.

 

15

Wenn ein Sänger für dich focht,

Wenn ein Mann ein Schwert geschwungen,

Hast du scheu nur mitgesungen,

Hast du schüchtern mitgepocht;

Und man hat dich unterjocht,

20

Hat dich in den Staub gezwungen,

Weil du gar so still gesungen.

 

Ihr beweinet's und bereut's –

Und das nennt ihr deutsche Treue?

Laßt die Tränen, laßt die Reue,

25

Soll nicht einst der Enkel Teuts

Sterben an der Zwietracht Kreuz,

Kämpf und handle, Volk, aufs neue,

Denn der Teufel ist die Reue!

 

Tritt in deiner Fürsten Reihn!

30

Sprich: Die neununddreißig Lappen

Sollen wieder besser klappen

Und Ein Heldenpurpur sein;

Ein Reich wie Ein Sonnenschein!

Ein Herz, Ein Volk und Ein Wappen!

35

Helf uns Gott – so soll es klappen!

 

 

Das Lied vom Hasse.

(1841)

Wohlauf, wohlauf, über Berg und Fluß

Dem Morgenrot entgegen,

Dem treuen Weib den letzten Kuß,

Und dann zum treuen Degen!

5

Bis unsre Hand in Asche stiebt,

Soll sie vom Schwert nicht lassen;

Wir haben lang genug geliebt

Und wollen endlich hassen!

 

Die Liebe kann uns helfen nicht,

10

Die Liebe nicht erretten;

Halt du, o Haß, dein Jüngst Gericht,

Brich du, o Haß, die Ketten!

Und wo es noch Tyrannen gibt,

Die laßt uns keck erfassen;

15

Wir haben lang genug geliebt

Und wollen endlich hassen!

 

Wer noch ein Herz besitzt, dem soll's

Im Hasse nur sich rühren;

Allüberall ist dürres Holz,

20

Um unsre Glut zu schüren.

Die ihr der Freiheit noch verbliebt,

Singt durch die deutschen Straßen:

«Ihr habet lang genug geliebt,

O lernet endlich hassen!»

 

25

Bekämpfet sie ohn Unterlaß,

Die Tyrannei auf Erden,

Und heiliger wird unser Haß

Als unsre Liebe werden.

Bis unsre Hand in Asche stiebt,

30

Soll sie vom Schwert nicht lassen;

Wir haben lang genug geliebt

Und wollen endlich hassen!

 

 

Gesang der Jungen

bei der Amnestierung der Alten.

(1841)

Wie Wogendonner vom fernen Meer,

Wie Wetter und Sturm im Lenze,

So brauset der Tag, der junge, daher,

Und die alten Kerker, sie werden leer –

5

Kredenze, mein Liebchen, kredenze! –

Doch weiß ich noch manch einen wackeren Mann,

Der drein mit Ehren kommen kann.

Gott schütze dich, Liebchen!

 

Ihr habt die Erlösung so nahe gedacht,

10

Ihr Brüder, ihr lustigen Zecher;

Ihr glaubtet zu fallen in blutiger Schlacht;

In den Kerkern wird uns Quartier gemacht –

Den Becher, mein Liebchen, den Becher! –

Die Alten heraus und die Jungen hinein!

15

Wie sollte der Weltlauf anders sein?

Gott schütze dich, Liebchen!

 

Es gehet auf Erden wieder um

Der Teufel mit wildem Gebrülle;

Die deutsche Lippe bleibet nicht stumm,

20

Der Deutsche schützet sein Heiligtum –

O fülle, mein Liebchen, o fülle! –

Der Himmel will's, und das Herz gebeut's:

Wir sprechen wie Männer und tragen das Kreuz.

Gott schütze dich, Liebchen!

 

25

Vom hohen Turme schauet ein Aar –

Denk mein, Feinliebchen, o denke! –

Dort ruhet mein Arm, dort bleichet mein Haar;

Doch über drei Tage und über ein Jahr –

Schenk ein, mein Liebchen, o schenke! –

30

Da läuten die Völker zum heiligen Sturm,

Wir leeren die Gläser und steigen vom Turm!

Gott  g r ü ß e  dich, Liebchen!

 

 

An die deutschen Dichter.

(1840)

Seid stolz! es klingt kein Gold der Welt

Wie eurer Saiten Gold;

Es ist kein Fürst so hoch gestellt,

Daß ihr ihm dienen sollt!

5

Trotz Erz und Marmor stürb er doch,

Wenn ihr ihn sterben ließet;

Der schönste Purpur ist annoch

Das Blut, das ihr als Lied vergießet!

 

Der Ruhm der Herrscher wird verweht –

10

Lobpreis ihn, wer da will!

Man jagt und spornt ihn, doch er steht

Mit ihrem Herzen still.

O laßt sie donnern fort und fort!

An ihrem Grab verhallt es.

15

Ihr Dichter, sprecht ein grollend Wort,

Und zu dem ew'gen Gotte schallt es!

 

Es hat dem Vogel in dem Nest

Der Himmel nie gewankt;

Er dünkt die Mächtigen nur fest,

20

Solang der Thron nicht schwankt!

Palast und Purpur hin und her,

Ob Glanz sie überschütte –

Seid stolz, seid stolz, ihr seid ja mehr;

Seid ihr nicht Könige der Hütte?

 

25

Blitzt ewig nicht der Tau im Feld

Gleich wie der Diamant?

Ist nicht ob dieser ganzen Welt

Ein Baldachin gespannt?

Wiegt nicht die Rebe, die hinauf

30

An einem Strohdach gleitet,

Den unfruchtbaren Efeu auf,

Der sich um Zwingherrnburgen breitet?

 

Hoch, Sänger, schlage euer Herz,

Wie Lerchen in der Luft!

35

Es ruht sich besser allerwärts

Als in der Fürstengruft.

Ein Liebchen, das die Treue bricht,

Ist überall zu finden;

Verschmähet mir die Ringe nicht,

40

Doch laßt euch nie an Ketten binden!

 

Dem Volke nur seid zugetan,

Jauchzt ihm voran zur Schlacht,

Und liegt's verwundet auf dem Plan,

So pfleget sein und wacht!

45

Und so man ihm den letzten Rest

Der Freiheit will verkümmern,

So haltet nur am Schwerte fest

Und laßt die Harfen uns zertrümmern!

 

 

Schlechter Trost.

(1840)

Du wirst ein schöner Leben schauen,

Und ewig, ewig bleibt es dein;

Man wird dir goldne Schlösser bauen,

Nur – mußt du erst gestorben sein!

 

5

Du wirst bis zu den Sternen dringen

Und stellen dich in ihre Reihn,

Von Welten dich zu Welten schwingen,

Nur – mußt du erst gestorben sein.

 

Du wirst, ein freier Brutus, wallen

10

Mit Brutussen noch im Verein,

All' deine Ketten werden fallen,

Nur – mußt du erst gestorben sein.

 

Wenn Sünder in der Hölle braten,

So gehest du zum Himmel ein;

15

Du wirst geküßt und nicht verraten,

Nur – mußt du erst gestorben sein. – –

 

Ob ihm der Ost die Segel blähe,

Was hilft's dem morschen, lecken Kahn?

Was hilft dem Fink die Sonnennähe,

20

Den tot ein Adler trägt hinan?

  

 

Strophen aus der Fremde.

(1839)

 

I

Auf dem Berge.

Da wären sie, der Erde höchste Spitzen!

Doch wo ist der, der einst an sie geglaubt?

Das Auge sieht die Sonne näher blitzen,

Doch arm und sonnenlos ist dieses Haupt.

 

5

Ich sehe die granitnen Säulen ragen,

Und endlos wölbt das Blau sich drüber hin;

Doch will das Herz mir tief beklommen schlagen

Wie unter einem Königsbaldachin.

 

Hier wollte ich als frommer Parse beten,

10

Hier singen nach der Sterne reinem Takt,

Hier mit der Donnerstimme des Propheten

Gotttrunken jauchzen in den Katarakt.

 

Ich wollte – ja, ich habe mich vermessen –

In diesen Bergen suchen mir mein Glück;

15

Ich wollte, ach! und konnte nicht vergessen

Die Welt, die ich im Tale ließ zurück.

 

Oh, wie verlangt mich nach dem Staub der Straßen,

Dem Druck der Not da unten allzumal!

Wie nach den Feinden selbst, die ich verlassen,

20

Und nach der Menschheit vollster, tiefster Qual!

 

Ihr glänzt umsonst, ihr Purpurwolkenstreifen,

Und ladet mich, gleich sel'gen Engeln, ein;

Ich kann den Himmel hier mit Händen greifen

Und möcht' doch lieber auf der Erde sein. 

 

 

II

[Vertont von Franz Liszt]

Ich möchte hingehn wie das Abendrot

Und wie der Tag in seinen letzten Gluten –

O leichter, sanfter, ungefühlter Tod! –

Mich in den Schoß des Ewigen verbluten.

 

5

Ich möchte hingehn wie der heitre Stern,

Im vollsten Glanz, in ungeschwächtem Blinken;

So stille und so schmerzlos möchte gern

Ich in des Himmels blaue Tiefen sinken.

 

Ich möchte hingehn wie der Blume Duft,

10

Der freudig sich dem schönen Kelch entringet

Und auf dem Fittich blütenschwangrer Luft

Als Weihrauch auf des Herren Altar schwinget.

 

Ich möchte hingehn wie der Tau im Tal,

Wenn durstig ihm des Morgens Feuer winken;

15

O wollte Gott, wie ihn der Sonnenstrahl,

Auch meine lebensmüde Seele trinken!

 

Ich möchte hingehn wie der bange Ton,

Der aus den Saiten einer Harfe dringet,

Und, kaum dem irdischen Metall entflohn,

20

Ein Wohllaut in des Schöpfers Brust erklinget.

 

Du wirst nicht hingehn wie das Abendrot,

Du wirst nicht stille wie der Stern versinken,

Du stirbst nicht einer Blume leichten Tod,

Kein Morgenstrahl wird deine Seele trinken.

 

25

Wohl wirst du hingehn, hingehn ohne Spur,

Doch wird das Elend deine Kraft erst schwächen;

Sanft stirbt es einzig sich in der Natur,

Das arme Menschenherz muß stückweis brechen.

 

 

Jacta alea est!

(1841)

 

Wiewohl mein fromme Mutter weint,

Da ich die Sach hätt g'fangen an:

Gott woll sie trösten, es muß gahn,

Und sollt es brechen auch vor'm End;

Will's Gott, so mag's nit werden g'wendt,

Darum will brauchen Füß und Händ.

Ich hab's gewagt.

(U. Hutten)

Ich hab's gewagt! und meine Fehde,

Sie währe fort;

Ich hab's gewagt! so steh ich Rede

Für Manneswort.

5

Und vor des Thrones Stufen,

Wenn ihr nach meinem Rechte fragt,

Will ich mit Hutten rufen:

Ich hab's gewagt!

 

Von gestern ist mein Brief und Siegel,

10

Mein Pergament;

Ich weiß, daß außer meinem Spiegel

Mich niemand kennt.

Ihr laßt die Dämmrung gelten,

Bevor der helle Morgen tagt –

15

Wohlan – wer will  m i c h  schelten?

Ich hab's gewagt!

 

Ja, gibt der greise Knecht die Zölle

Dem Laster frei,

Dann sei der  J u g e n d  Glut die Hölle

20

Der Tyrannei.

Schaut her, die ihr am Alten

Euch euer Leben müde tragt,

Werft euer Haupt in Falten:

Ich hab's gewagt!

 

25

Ich sah in manch gepriesnem Tempel

Die Unnatur,

Auf manch erlauchter Stirn den Stempel

Des Kain nur;

Und ich ward ungeduldig,

30

Daß alles zagt und niemand klagt,

Ich donnerte ein: «Schuldig!»

Ich hab's gewagt!

 

Ich sah viel feige Riesen strecken

Zu Boden sich,

35

Manch übermütig Zwerglein recken

Sich fürchterlich;

Ich lacht und sprach: O Zwerge,

Ob ihr auch aus dem Kote ragt,

Ihr seid drum keine Berge!

40

Ich hab's gewagt!

 

Ich sah im Hohepriesterkleide

Die Unvernunft,

Gleich Rohr zerbrechen ihre Eide

Die Henkerzunft;

45

Ich sah von schnöden Hunden

Der Freiheit Edelwild gejagt

Und wusch ihm still die Wunden:

Ich hab's gewagt!

 

Dürft' ich an einer Marmorsäule

50

Ein Simson stehn,

In meiner Faust Herakles' Keule

Zum Schwunge drehn,

Wenn die Paläste brechen –

O Gott, was hast du mir's versagt? –

55

Zu den Despoten sprechen:

Ich hab's gewagt!

 

 

An den König von Preussen.

1840/41

Einst hat ein beßrer Mann gewagt,

Mit seinem Lied vor dich zu treten;

Du kennst ihn, der so unverzagt

Die Tyrannei bei dir verklagt

5

Und dich um deinen Schutz gebeten;

Um Schutz für jenes arme Land,

Das blutend vor dem Himmel stand

Und keine, keine Hilfe fand

Als die Verzweiflung der Poeten.

 

10

O lebt' Er noch, er würde heut

Dich aus dem süßen Schlummer stören,

Ob alle Welt dir Weihrauch streut

Und jeden Siegerkranz dir beut,

S e i n  stolzes Herz würd sich empören.

15

Er spräch dem falschen Jubel hohn

Und nahte zornig deinem Thron;

Tot ist der Vater, und der Sohn,

Der Mächtige, er müßt ihn hören.

 

Doch  P l a t e n  schläft am fernen Meer,

20

Und Polen ist durch uns verloren;

In Ehrfurcht tret ich zu dir her,

Wirf nach dem Dichter nicht den Speer,

Weil eine Hütte ihn geboren,

Weil er vor dir, dem Fürst, den Mut

25

Zu flehn hat für dein eigen Gut,

Zu flehen für dein eigen Blut,

Fürs deutsche Volk, dem du geschworen!

 

Sieh, wie die Jugend sich verzehrt

In Gluten eines Meleager,

30

Wie sie nach Kampt und Tat begehrt –

O drück in ihre Hand ein Schwert,

Führ aus den Städten sie ins Lager!

Und frage nicht,  w o  Feinde sind;

Die Feinde kommen mit dem Wind:

35

Behüt uns vor dem Frankenkind

Und vor dem Zaren, deinem Schwager!

 

Die Sehnsucht Deutschlands steht nach dir

Fest, wie nach Norden blickt die Nadel;

O Fürst, entfalte dein Panier;

40

Noch ist es Zeit, noch folgen wir,

Noch soll verstummen jeder Tadel!

Fürwahr, fürwahr, du tust nicht recht,

Wenn du ein moderndes Geschlecht,

Wenn du zu Würden hebst den Knecht;

45

Nur wer ein Adler, sei von Adel!

 

Laß, was den Würmern längst verfiel,

In Frieden bei den Würmern liegen;

Dir ward ein weiter, höher Ziel,

Dir ward ein schöner Ritterspiel,

50

Als krumme Lanzen grad zu biegen.

Sei in des Herren Hand ein Blitz,

Schlag in der Feinde schnöden Witz,

Schon tagt ein neues Austerlitz,

Mögst  d u  in seiner Sonne siegen!

 

55

Das ratlos auseinander irrt,

Mein Volk soll dir entgegenflammen;

Steh' auf und sprich: «Ich bin der Hirt,

Der Eine Hirt, der Eine Wirt,

Und Herz und Haupt, sie sind beisammen!»

60

Das West und Ost, das Nord und Süd –

Wir sind der vielen Worte müd;

Du weißt, wonach der Deutsche glüht, –

Wirst  d u  auch lächeln und  v e r d a m m e n ?

 

Der Fischer Petrus breitet aus

65

Aufs neue seine falschen Netze;

Wohlan, beginn mit ihm den Strauß,

Damit nicht einst im deutschen Haus

Noch gelten römische Gesetze!

Bei jenem großen Friedrich! nein,

70

Das soll doch nun und nimmer sein.

Dem Pfaffen bleibe nicht der Stein,

An dem er seine Dolche wetze.

 

Noch ist es Zeit, noch kannst du stehn

Dem hohen Ahnen an der Seite,

75

Noch kannst du treue Herzen sehn,

Die gern mit dir zum Tode gehn,

Zum Tod und Sieg im heil'gen Streite.

Du bist der Stern, auf den man schaut,

Der letzte Fürst, auf den man baut;

80

O eil dich! eh der Morgen graut,

Sind schon die Freunde in der Weite.

 

Nun schweig, du ehernes Gedicht!

Des Fürsten Mund wird bitter schmollen.

Ich weiß, man hört die Sänger nicht,

85

Man stellt die Freien vor Gericht

Und wirft sie in die Schar der Tollen.

Gleichviel – wie er auch immer schmollt,

Ich hab getan, was ich gesollt;

Und wer, wie ich, mit Gott gegrollt,

90

Darf auch mit einem König grollen.

 

 

Zuruf.

(1841)

Schaut der Sonne Auferstehn!

Strahlend blickt sie in die Runde,

Strahlend, wie zur ersten Stunde,

Und hat vieler Jahre Leid gesehn.

 

5

Wie's auch stürme, haltet stand,

Junge Herzen, unverdrossen!

Der ihn einstens ausgegossen,

Hat den Geist uns abermals gesandt.

 

Bald erschallt in Ost und West

10

Jubel, millionentönig;

Freiheit heißt der letzte König,

Und sein Reich bleibt ewig felsenfest.

 

Nimmer schwingt in unsrem Haus

Der Kosake seine Knute,

15

Unsre deutsche Zauberrute

Schlägt noch manchen goldnen Frühling aus.

 

Junge Herzen, unverzagt!

Bald erscheint der neue Täufer,

Der Messias, der die Käufer

20

Und Verkäufer aus dem Tempel jagt.

 

Und die Götter nicht allein,

Schon der Mensch wird heilig leben,

Priester nur wird's fürder geben,

Und kein Laie mehr auf Erden sein.

 

25

Doch wie Donner ist sein Gang,

Und er naht nicht unter Psalmen,

Und man streut ihm keine Palmen,

Der Messias kommt mit Schwerterklang.

 

Darum legt die Harfen ab!

30

Laßt darin die Windsbraut spielen!

Unser warten Thermopylen,

Perser – und im Schatten manch ein Grab.

 

 

Sonett II.

(1841)

Ja, ich bekenn's, die Stimme Gottes ist

Des Volkes Stimme! und wer ihr vertraut,

Der hat sein Haus auf Felsen sich gebaut,

Indes der Zorn des Herrn die Frevler frißt.

 

5

Dem Sänger Heil, der ihrer nie vergißt,

Dem nur des Volkes Schmerz vom Auge taut,

Der nicht im eignen Jammer sich beschaut

Und selbstgefällig seine Sünden mißt!

 

Doch sollt' er drum nur  W a f f e n t r ä g e r  sein,

10

Der  d i e n e n d  hinter seinem Heere steht

Und, wenn es not tut, reicht ein Schwert hinein.

 

Der nicht  v o r a n  ein Feuerzeichen, geht,

Und  S e h e r  ist wie sonst? Ich rufe: Nein!

Und dreimal: Nein! und stimme für  P r o p h e t !

 

 

Sonett XLVIII.

Hölderlin

Den Klugen leiten sicher stets die Horen,

Nur mit dem Genius spielen oft die Winde;

Daß er, so Glück wie Unglück, früher finde,

Wird er mit Schwingen in die Welt geboren.

 

5

Doch bleibt ihm treu die Gottheit zugeschworen;

Sie legt am bösen Tag dem armen Kinde

Mit weicher Hand ums Aug' des Wahnsinns Binde,

Daß es nie sehe, was das Herz verloren.

 

Die Götter haben freundlich dein gedacht,

10

Die du so fromm gehalten einst in Ehren,

Und lebend schon dich aus der Welt gebracht.

 

Nichts irdisches kann fürder dich versehren,

Und reiner, denn ein Stern zum Schoß der Nacht,

Wirst du zurück zur großen Mutter kehren.

 

 

Schlußlied.

1841

Was soll der Becher,

Ihr tobenden Zecher,

Was soll die funkelnde Flasche

In eurer Hand?

5

Es trauert in Sack und Asche

Das Vaterland.

 

Was soll, ihr Bräute,

Das Jubelgeläute?

O, heißt die Rosen erblassen

10

Am deutschen Strand!

Vom Bräutigam ist verlassen

Das Vaterland.

 

Was soll, ihr Fürsten,

Nach Kronen das Dürsten?

15

Zerreißt die goldenen Schnüre,

Das Prunkgewand!

Es frieret vor eurer Türe

Das Vaterland.

 

Was macht, ihr Pfaffen,

20

Euch also zu schaffen?

Was soll uns jetzo das Beten?

O eitler Tand,

Solang in den Staub getreten

Das Vaterland.

 

25

Weh euch, ihr Reichen,

Die nicht zu erweichen!

Ihr zählt die Rubel, die runden,

Im Sonnenbrand

Der Lazarus seine Wunden,

30

Das Vaterland.

 

Weh euch, ihr Armen!

Was heischt ihr Erbarmen?

Es liegen viel Edelsteine

Vor euch im Sand,

35

Auch meine Tränen, auch meine,

Ums Vaterland.

 

Doch  d u, o Dichter,

Bist nimmer der Richter!

Gebeut der fertigen Zungen,

40

Gebeut ihr Stand!

Dein Schwanenlied ist gesungen

Dem Vaterland.

 

 

――――――

 

Avis in Betreff

etwaiger Druckfehler.

Voll von Fehlern ist dies Buch;

Freiheit steht auf jeder Seite;

Gleichviel – gebt ihm euern Fluch

oder Segen zum Geleite!

5

Für das Sündenregister

Sorge der deutsche Philister.