BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Friedrich Hölderlin

1770 - 1843

 

Briefe

 

1785

Hölderlin an die Mutter, Johanna Christina Gok

 

Johanna Christiana Gok, geborene Heyn

und verwitwete Hölderlin (1748 - 1828)

war die Mutter Friedrich Hölderlins.

 

 

Textgrundlage:

Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke, Bd. 6, Briefe.

Hrsg. von Friedrich Beißner, Stuttgart: Cotta, 1959

 

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20. Dezember 1785

Liebste Mamma!

 

Wann dißmal mein Brief etwas verworrener ist als sonst, so müssen Sie eben denken, mein Kopf sei auch von Weinachtsgeschäfften eingenommen, wie der Ihrige – doch differiren sie ein wenig: meine sind, ohne das heutige Laxier, Plane auf die Rede, die ich am Johannistage bei der Vesper halte, Tausend Entwürffe zu Gedichten, die ich in denen Cessationen, (vier Wochen, wo man bloß für sich schafft) machen will, und machen muß, (NB. auch lateinische) ganze Paquete von Briefen, die ich, ob schon das N.Jahr wenig dazu beiträgt, schreiben muß, z.E. HE. Helffer, HE. Klemm, HE. Bilfinger, nach Altona, und was die Sachen als sind, und die Ihrige sind, – was sie eben sind. Was die Besuche in den Weinachten betrifft, so bin ich eher so frei, Sie hieher einzuladen, weil mich das Geschäfft am Johannistage, wie gesagt, nicht leicht abkommen läßt. Die 1. Geschwisterige werden sich wieder recht freuen; aber, im Vertrauen gesagt, mir ists halb und halb bange, wie sie von mir beschenkt werden sollen. Ich überlasse es Ihnen, liebste Mamma, wanns ja so ein wenig unter uns beim alten bleiben soll, so ziehen Sies mir ab, und schenkens ihnen in meinem Nahmen. Der 1. Frau Grosmamma mein Compliment, und ich wolle Ihr auch ein WeinachtsGeschenk machen – – – ich wolle dem 1. Gott mit rechter Christtags-Freude danken, daß er Sie mir auch dieses beynahe vollendte Jahr wieder so gesund erhalten habe. Onerachtet meines Laxiers bin ich doch im übrigen recht wohl. Bei mir ists zwar nicht zu spät, wie bei Ihnen, doch weiß ich eben nichts mehr zu schreiben, als daß ich bin meiner liebsten Mamma gehorsamster Sohn

Hölderlin.

 

Hier schike ich etwas, die Weinachtsgeschäffte zu zerstreuen: wann Sies ja nicht selbst lesen wollen, so lassen Sie sichs nur wenigstens von dem 1. Geschw. vorlesen, es wird Ihnen recht wohl gefallen. Schiken Sies nur, so bald als möglich zurük. Die andern Theile sollen auch folgen. Auch die Bouteille bitte ich mir zu schiken, sie war entlehnt. HE. Harpprecht von Nellingen hat mich gestern besucht und mich um den 4ten Theil vom brittischen Museo gebetten.