BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Friedrich Hölderlin

1770 - 1843

 

Briefe

 

um 1825

Hölderlin an die Mutter, Johanna Christina Gock

 

Einer der vielen Briefe - fast mit dem gleichen Wortlaut, die Hölderlin aus seinem «Turmzimmer» an die Mutter schreibt. Am 11. September 1806 war er mit Gewalt von Homburg zur Behandlung in das von Johann Heinrich Ferdinand Autenrieth geleitete Universitätsklinikum nach Tübingen gebracht worden. Die Authenriethschen Therapien waren schmerzafte Zwangsbehandlungen, mit denen er bei Hölderlin «die Poesie und die Narrheit zugleich hinausjagen» wollte. Am 3. Mai 1807 wird Hölderlin als unheilbar aus der Klinik entlassen und findet Aufnahme im «Turmzimmer» beim Schreiner­meister Zimmer und seiner Frau, die ihn bis zu seinem Tode am 7. Juni 1843 betreuen werden.

 

Textgrundlage:

Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke, Bd. 6, Briefe.

Hrsg. von Friedrich Beißner, Stuttgart: Cotta, 1959

 

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Verehrungswürdigste Frau Mutter!

 

Ich schreibe Ihnen schon wieder einen Brief. Ich habe Ihnen immer vieles Gute zu wünschen. Die Empfindungen, mit denen ich dieses wünsche, sollen diesem gemäß seyn. Das Gute und das Wohlbefinden sind wichtige Gegenstände, die man nicht gern entbehrt, wenn man auf das sieht, was den Menschen das beste ist. Ich nehme mir die Freiheit, schon wieder abzubrechen. Ich nenne mich

Ihren

gehorsamsten Sohn

Hölderlin.