BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Friedrich Hölderlin

1770 - 1843

 

Übersetzungen

aus dem Griechischen bis 1800

 

Homers Iliade

 

Erster Gesang

Die zweite Rhapsodie

 

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Homers Iliade

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Erster Gesang

 

Muse, besinge den verderblichen Zorn des Peliden, Achilles, welcher tausend Mühen machte den Griechen, welcher viele tapfere Heldenseelen hin in den Hades sandte, und sie den Hunden zum Raube gab, und allen Vögeln. Jupiters Wille wurde erfüllt! – Von da an, als der Beherrscher der Männer, der Atride, und der edle Achill sich im Streit entzweiten. –

Wer aber unter den Göttern brachte die beede in einen Hader zusammen? Latonas und Jupiters Sohn! Er zürnte über den König und erregte eine böse Krankheit über das Heer – es fielen die Völker, weil der Atride den Priester Chryses beschimpft hatte. Dieser kam zu den schnellen Schiffen der Griechen, seine Tochter zu lösen, und brachte unermeßliche Geschenke, er trug in den Händen den Hauptschmuk des weithinschießenden Apolls, mit dem güldenen Scepter, und bat die Griechen alle – besonders die Atriden, die zwei Führer der Völker:

Ihr Atriden, und ihr andere wohlbewafnete Griechen! Es sollen euch geben die Götter, die die Olympische Size bewohnen – daß ihr zerstöret des Priamus Stadt, dann glüklich ins Vaterland kehret! Löset mir meine liebe Tochter, und nimmt die Geschenke; ehret Jupiters Sohn, den weithinschießenden Apoll.

Alle Griechen sprachen hierauf gut, man müsse den Priester ehren, und die reiche Geschenke annehmen. Aber dem Atriden Agamemnon gefiels in seinem Herzen nicht, sondern er schikt' ihn übel hinweg, mit dieser harten Rede.

Alter! lasse dich nimmer bei den hohlen Schiffen finden – daß du dich jezt aufhieltest, oder nachher wieder kämest. Es möchte dich sonst nichts nüzen das Scepter und der Hauptschmuk des Gottes. Sie geb' ich nicht los, biß sie das Alter überfällt in unserm Hause zu Argos, ferne vom Vaterlande, da soll sie die Spindel drehen, und mein Bette mit mir theilen. Aber gehe, reize mich nicht, daß du unverlezt davon komst.

Er sprachs – es fürchtete sich der Greis, und gehorchte der Rede. Schweigend gieng er hinab zum Ufer des starkrauschenden Meers, vieles bat da, einsam wandelnd, der Greis den König Apollo, welchen gebahr die schöngelokte Latona.

Höre mich, Smintheus du mit dem silbernen Bogen, der du den Chryses beschüzest, und die berühmte Zilla, und gewaltig in Tenedus herrschest. Hab' ich dir jemals den schönen Tempel mit Kränzen behänget – jemals fette Seitenstüke von Ochsen und Gaisen dir verbrandt, so gewähre mir diese Bitte: Laß sie die Danaer büßen, meine Tränen durch deine Pfeile.

Also betete er, ihn erhörte Phoebus Apollo, stieg von den Spizen des Himmels mit zürnendem Herzen herunter. Auf den Schultern trug er den Bogen, den wohlverwahrten Köcher. Auf den Schultern des Zürnenden rauschten, die Pfeile, wie er sich bewegte. Der Nacht gleich wandelte Phoebus. Abgesondert von den Schiffen saß er jezt, und schoß den Pfeil ab. Fürchterlich tönte das Geräusch des silbernen Bogens. Die Mäuler fiel er zuerst an, und die fertige Hunde. Aber hernach warf er auf die Griechen den tödtlichen Pfeil vom Geschosse, und brandten beständig die häufige Scheiterhaufen der Todten. Neun Tage stürzten die Pfeile des Gottes aufs Heer, am zehnten berief Achilles das Volk in eine Versammlung. Es hatt' es ihm die weißarmigte Juno ins Herz gegeben, dann sie sorgt' um die Griechen, als sie die sterbende sah. Als sie nun aufgerufen worden waren, kamen sie zusammen. Der schnellfüßige Achill stund auf vor ihnen und sprach: Atride! ich glaube wir sind jezt genug herumgeirret, und müssen jezt wieder zurük ins Vaterland kehren – wann wir entfliehen wollen dem Tod, da Krieg die Achäer, mit Pest verbunden uns aufreibt. Aber wolan laßt uns einen Wahrsager, oder einen Priester fragen, oder einen Traumausleger: dann auch der Traum ist vom Jupiter. Dieser sage, warum so zürne Phoebus Apollo, ob er über ein versäumtes Gelübde oder eine nicht gebrachte Hekatombe sich beklagt, ob er vieleicht das Fett von vollkommenen Gaisen und Lämmern nehmen wolle, und uns von der Pest befreien.

So sprach er, und sezte sich. Hierauf stund der Thestoride Kalchas, der beste unter den Zeichendeutern auf. Er wußte das gegenwärtige, das künftige, und das vergangne, und führte mit seiner Wahrsagerkunst die Schiffe der Griechen nach Ilion. Es hatte Phoebus Apollo sie ihm gegeben. Dieser redte offenen Herzens mit ihnen und sprach: Achill! Freund Jupiters! du befielst mir zu reden, zu erklären den Zorn Apolls, des weithinschießenden Königs. Ich rede also: aber versprich du mir, und schwöre mir, gewiß mir beizustehen mit Worten und Händen. Dann ich fürchte sehr, es werde ein Mann zürnen, der viel über alle Argiver vermag, und dem die Achäer gehorchen. Dann der König ist mächtig, wann er über einem geringen Mann zürnet. Dann unterdrükt er gleich den Zorn den nemlichen Tag, so nährt er hernach den Groll in seinem Busen, bis er ihn gekühlt hat. Du aber rede, ob du mich beschüzen wollest.

Ihm erwiederte so der schnelle Läufer Achilles –

Fasse Muth, und sage den Götterspruch welchen du kennest. Dann ich schwöre bei Apoll, dem Freund Jupiters, zu welchem du bettend die Göttersprüche offenbarest den Danaern, niemand soll, so lang' ich lebe, so lange mein Auge licht ist auf Erden, niemand unter den Danaern allen, soll bei den hohlen Schiffen gewaltige Hände gegen dich brauchen, selbst wann du den Agamemnon nenntest, welcher jezt im Heere der mächtigste zu sein sich rühmet.

Dann faßte der untadeliche Wahrsager Muth und sprach: nicht über ein versäumtes Gelübde beschwert sich Apoll, nicht um einer Hekatombe willen, sondern wegen dem Priester, den Agamemnon beschimpfte, weil er die Tochter nicht losgab, nicht die Geschenke annahm. Darum sandte die Mühen der weithinschiesende, und er wird sie ferner senden, er wird von der Pest nicht abzieh'n seine gewaltige Hände, außer man gebe dem lieben Vater das schwarzaugigte Mädchen zurük, ohne Lösgeld, ohne Geschenke, und bringe eine heilige Hekatombe, zum Chryses: dann können wir ihn versöhnen, können wir ihn erweichen.

So sprach er, und sezte sich nieder, auf dieses erhub sich der Atride, der Held, Agamemnon der mächtige Herrscher. Bitter war er und voll von Zorn die schwarze Seele; es glich sein Auge dem leuchtenden Feuer. Grimmig blikt' er zuerst auf Kalchas hin und begann:

Unglüksdeuter, du sagtest noch nie mir etwas erfreuliches – Unglük wahrzusagen, ist deine beständige Freude. Nie noch sagtest du ein gutes Wort, und nie erfültest du eines. Jezt verkündest als Götterspruch unter den Danaern, wie wann darum uns der weithinschießende sende die Mühen, weil ich des Mädchens Chryseis reichliche Lösegeschenke nicht nehmen wollte: weil ich sie gerne zu Hause habe; dann sie ist mir lieber als Klytämnestra, mein junges Weib – dann sie weichet nicht an Gestalt, am Geist, am Herzen, in den Geschäften. Aber auch so geb' ich sie zurük, wann dieses besser ist; dann ich will lieber, daß das Volk gesund ist, als daß es sterbe. Aber schnell bereitet mir ein Geschenk, daß ich nicht der einzige bin unter den Griechen, welcher ohne Geschenk ist, welches nicht taugt. Dann das sehet ihr alle – mein Geschenk kommt jezt anders wo hin.

Ihm erwiedert' hierauf der schnelle Läufer, der edle Achilles: Atride, der du vor allen geizest nach Ehre, vor allen, nach Haabe! wie können die starkbeseelte Griechen, dir ein Geschenk geben? wir wissen nicht, wo vieles beisammen läge: sondern was wir aus den Städten erbeuteten, ist vertheilet, und es taugt nicht, daß dieses die Völker wieder bringen auf einen Hauffen zusammen. Schike du diese dem Gott. Die Achäer werdens dir drei und vierfach vergelten, wenn einst Jupiter es schiken wird daß wir die Stadt, die veste Troja verheeren.

Ihm erwiederte so Agamemnon der Herrscher. Nicht so trügrisch, göttergleicher Achilles, wann du gleich stark bist – du hintergehest mich nicht, ich lasse mich nicht überreden. Oder wilst du, daß du das Geschenk haben solst, und ich soll so dürftig dastehn? befiehlst du mir, sie zurükzugeben? Ja, wann mir die starkbeseelte Achäer ein Geschenk geben, und bereiten es nach meinem Gefallen, daß ich nicht gegen dem Mädchen verliere. Aber geben sie nichts, so nehm' ich mit eigener Faust deines, oder geh zum Ajax, und nehme sein Geschenk, oder bring ich dem Ulysses seines hinweg. Aber der wird zürnen, zu welchem ich komme. Aber davon besprechen wir uns hernach wieder. Jezt zur That, jezt stoßen wir ein schwarzes Schiff in die See, sammlen geschikte Ruderknechte, und legen eine Hekatombe, und bringen die schöne Chryseis hinein. Ein verständiger Mann werde der Führer – Ajax oder Idomeneus, oder der edle Ulysses, oder du, Pelide, vor allen Männern fürchterlich – den weithinschießenden uns zu versühnen, mit heiligen Opfern.

Mit grimmigem Blik auf ihn begann der schnellfüßige Achill – o du! unverschämter! du gewinnsüchtiger! Wie sollte einer von den Achäern gerne deinen Worten gehorchen? Eine Fahrdt zu machen, oder tapfer zu streiten mit Männern? Dann ich bin nicht um der kriegrischen Trojaner willen hieher gekommen – sie sind von meiner Seite nicht schuldig. Dann noch niemals haben sie mir die Ochsen hinweggeführt, niemals die Rosse, niemals haben sie noch in der fruchtbaren, männerernährenden Phthia Früchte verderbt: dann viele schättichte Berge sind darzwischen, darzwischen rauschende Meere. Aber mit dir, du Unverschämter sind wir gegangen, dich zu vergnügen, an den Trojanern Menelaus Ehre zu rächen, und deine, du schamloser. Aber das achtest du nicht, das kümmert dich nicht. Ja du drohest mir selbst mein Geschenke zu nehmen, über welchem ich viele Mühen gedultig ertrug, das mir die Söhne der Griechen verehrten. Wann die Achäer einst die vestgebaute Stadt der Trojaner werden zerstöret haben, wird mein Geschenke nicht gleich sein deinem Geschenke. Aber das meiste hat meine Faust im stürmischen Kriege gethan und wenn einst die Theilung beginnet, hast du viel ein größres Geschenk – ich komme mit wenigem – doch mir werth – zu den Schiffen, wann ich mich müde gefochten habe im Krieg. Jezt aber gehe ich nach Phthia, indem es viel besser ist, mit den krummen Schiffen nach Hause zu fahren, ich denke, du werdest, da du mich beschimpft hast nicht Reichthum noch Haabe dir sammlen.

Ihm erwiedert hierauf Agamemnon der Männer Beherrscher. Fliehe du nur, wann so das Verlangen dich treibt: ich bitte dich nicht, zu bleiben bei mir: bei mir sind andre noch, welche mich ehren, zuvorderst der weise Jupiter. Du bist mir der verhaßteste unter edlen Königen, dann du trachtest nach ewigem Streit, und ewigen Kriegen, und ewigen Schlachten. Bist du sehr tapfer, so hat diß irgend ein Gott dir gegeben. Gehe nach Haus mit deinen Schiffen, und deinen Gefährten, herrsche über die Myrmidonen, ich kümmre mich nichts um dich. Wann du zürnest, acht' ich es nicht, ich drohe dir also. Weil mir Phoebus Apoll die Chryseis nimmt, schik' ich sie ihm mit meinem Schiff und meinen Gefährten – aber selbst will ich in dein Zelt gehn, und deine Beute, die schöne Briseis nehmen, daß du erkennest, um wie viel ich mächtiger bin, als du, und kein andrer es wage, solche Worte mir zu sagen, und sich mit mir zu messen.

Er sprachs: aber trübe Gedanken keimten in dem Peliden, es wankte sein Herz in der rauhen Brust auf zweien Seiten – hier – das scharfe Schwerdt zu ziehn, hinwegzustoßen, die ihn umgaben, und den Atriden zu tödten – dort – zu zähmen den Grimm, zu bändigen den Unmuth. Wie er dieses so im Sinn und Geist überdachte, und das große Schwerdt aus der Scheide zog, so kam Athene vom Himmel: sie hatte gesandt die weißarmichte Juno, welche beide im Herzen liebte, und schüzte : Jene stand von hinten, und faßte den Peliden an seinen goldenen Loken. Ihm allein erschien sie, der andern keiner erblikte sie – Achilles staunte, und wandte sich um, und plözlich erkannt' er Pallas Athene, ihr Blik war furchtbar – er rief ihr diese geflügelte Worte zu.

Tochter des schüzenden Jupiters, warum bist du hieher gekommen? Daß du sehest die Schande Agamemnons, des Atriden?

Aber sagen will ich dir, erfüllet wird es gewiß! Schnell wird einst sein Stolz ihn bringen in seiner Seele Verderben.

Ihm erwiederte so die Göttin mit blauen Augen Athene. Dein Zürnen zu stillen, bist du anders gehorsam, bin ich vom Himmel gekommen; gesandt hat mich die weisarmigte Göttin Juno, welche euch beede liebt in der Seele, und schüzet. Nun! so lasse dein Zürnen, es ziehe deine Hand nicht das Schwerdt! Aber mit Worten magst du ihn schelten – wie sie dir fallen. Dann ich sage diß – und erfült wird dieses werden – dreimal so reiche Geschenke bekommest du um dieser Beschimpfung willen: aber gehorche – und laß ab!

Ihr erwiederte so der schnelle Läufer Achilles – Göttin, ich muß – bin ich schon in der Seele so heftig ergrimmt – doch muß ich deinen Worten gehorchen: dann dieses ist besser. Wer den Göttern gehorcht, den hören die Götter am ersten.

Sprachs und legt' auf den silbernen Griff die gewältige Faust, und stieß schnell das große Schwerdt in die Scheide, und widersezte sich den Befehlen Minervas nicht: und diese stieg zum Olympos auf, in des schüzenden Jupiters Wohnungen, zu den übrigen Göttern.

Harte Worte sagte hierauf der Pelide zu Atreus Sohn, und noch nicht ließ er sein Zürnen – Trunkenbold, mit hündischen Augen, mit eines Hirsches Muth – niemals wagest du es, mit den Völkern in den Krieg dich zu wapnen, niemals zu gehn in den Hinterhalt mit den Tapfersten der Achäer – das scheint dir derTodt zu sein. (Da denkst du müssest du sterben.) Freilich ist es leichter, im weiten Heer der Achäer jedem, welcher wider dich spricht, die Geschenke zu nehmen. König, welcher sein Volk frißt, welcher über nichtswürdige herrschet, – dann sonst wärest du gewiß zum leztenmal gewaltthätig gewesen. Aber ich sage dir und schwöre dazu den furchtbaren Eidschwur: Hier bei diesem Zepter, welcher jezt nimmer Blätter zeuget, und Zweige, seit er den Rumpf auf den Bergen gelassen, und nimmermehr grünt; es hat ihm das Erz die Rinde geschält, und die Blätter, iezt tragen's die Söhne der Griechen, in ihren Händen die Richter, welche die Rechte des Jupiters schüzen – er wird schwer dir werden, dieser Eidschwur – Ja! die Söhne der Griechen werden den Achill einst missen – du aber wirst, grämst du dich noch so sehr, ihnen nicht helfen können, wann viele unter dem Menschenwürger Hektor fallen und sterben – und du wirst Gram in der Brust – dich ärgern, daß du den tapfersten der Achäer zu wenig geehrt hast.

So sprach Peleus Sohn, und warf den Zepter zur Erde, welcher mit güldenen Nägeln geschmükt war, und sezte sich hin. Der Atride zürnte von der andern Seite. Aber es stand auf vor ihnen der lieblichredende Nestor, der beredte Pylische Redner, von welches Munde die Rede süßer als Honig träufte, welchem schon zwei Lebenszeiten der deutlichredenden Menschen abgestorben waren, welche zugleich mit ihm lebten, gebohren in dem heiligen Pylus – und jezt beherrscht' er das dritte.

Dieser redete redlichen Sinnes also mit ihnen.

Götter! solch ein Jammer kommt über die Länder der Griechen! Ja! er mag sich freuen, Priamus mag sich freuen und seine Söhne! Statlich mögen die andre Trojer in der Seele sich freuen, wann sie erfahren diß alles, wie ihr unter euch Streit habt, ihr, in der Danaer Rath, in der Danaer Schlachten die erste. Aber gehorchet; dann beede seid ihr jünger als ich bin. Dann schon ehmals lebt' ich mit größeren Männern als ihr seid, und sie verachteten nie mich. Dann so sah ich noch keine Männer, solche werd' ich nie seh'n, wie Perithous war, und Dryas, der Völkerbeherrscher, Cäneas, Exadius, und der göttergleiche Polyphemus, und Theseus der Aegäer, den Unsterblichen ähnlich. Diese waren die Tapferste unter den erdebewohnenden Menschen. Sie waren die tapferste, und stritten mit den starken Centauren, den Bergebewohnern, und machten sie nieder fürchterlich.

Zu diesen kam ich aus Pylus, fern aus dem Apischen Lande, und lebte mit ihnen: dann sie hatten mich zu sich geruffen. Nach meinen Kräften stritt ich: mit ihnen aber würde keiner der Sterblichen, welche jezt die Erde bewohnen, sich in Streit wagen. Diese merkten auf meinen Rath, und gehorchten meiner Rede. Aber gehorcht auch ihr, dann es ist besser. Beraube du diesen, bist du schon ein Mann, nicht seines Mädchens, sondern lass' ihm sein Geschenk, wies ihm zuerst die Söhne der Griechen gaben. Und auch du Pelide, suche nie mehr feindseelig den König aufzubringen, dann kein zeptertragender König hat jemals gleiche Ehre erlangt, welchem Jupiter eine Zierde gegeben hat. Wenn du tapfer bist, und deine Mutter, eine Göttin dich gebahr, so ist dieser mächtiger, weil er über mehrere herrschet. Du Atride, laß ab vom Zürnen, aber auch den Achill bitt ich zu dämpfen den Zorn, welcher allen Achäern im beschwerlichen Krieg eine starke Vormauer ist.

Ihm erwiederte so Agamemnon, der Herscher: Greis, du hast diß warlich recht gesagt: aber dieser Mann will über allen der erste sein, herrschen will er über alle, und königlich stehn über allen, allen befehlen – und ich – mich wird er vermutlich nicht überreden. Wann ihm ein kriegrisches Herz die unsterbliche Götter gegeben haben, haben sie ihm darum erlaubt, schändliche Worte zu reden?

Diesem erwiederte stammelnd vor Zorn, der edle Achilles. Furchtsam und feig – so müßte man warlich mich nennen, gab' ich dir alles zu, was du sagst. Dieses must du andern befehlen, nicht mir – dann ich glaube, ich werde mich noch nie unter dich gegeben haben. Aber ein anderes sag' ich dir, behalt' es wohl im Gedächtnisse. Mit der Faust werd ich nie um das Mädchen, weder mit dir, noch andern streiten, beraubt ihr mich dieses Geschenkes – Aber was ich sonst beim schnellen schwärzlichen Schiffe habe, soltest du mir nicht ohne meinen Willen hinwegnehmen. Aber führe es ab, versuch' es, daß auch diese es sehen, wie dir plözlich dein schwarzes Blut an meinem Spieße herabtrieft.

Also stritten diese mit widrigen Worten: sie ließen auseinandergehen die Versammlung bei den Schiffen der Griechen. Aber der Pelide gieng zu den Zelten und Schiffen mit Menoetiades, und seinen Freunden hinweg. Aber es stieß der Atride ein schnelles Schiff in die See, wählte zwanzig Rudrer, und legte dem Gott die Hekatombe hinein und führte die schönwangigte Chryseis hin, – als Führer stieg ein der kluge Ulysses.

Jezt waren sie hineingestiegen, und seegelten fort auf den Bahnen des Meeres. Der Atride befahl, daß die Völker sich reinigen sollten, diese reinigten sich, und warfen den Unrath ins Meer. Dem Apollo brachten sie aber volkommne Hekatomben, von Ochsen und Gaisen, am Ufer des unfruchtbaren Meeres. Das Fett stieg auf zum Himmel, umwölkt vom Rauch. Da sie diß im Heer verrichteten, ließ Agamemnon noch nicht ab vom Streit, den er zuerst dem Achilles gedroht hatte, sondern er sprach zu Talthybius und Eurybates, welche seine Herolde, und treue Diener waren: Geht ins Zelt des Sohnes Peleus Achilles, nimmt an der Hand die schöne Briseis und führt sie hinweg. Gibt er sie nicht, so werd ich selbst sie nehmen, kommend mit mehreren, und schwerer wird dann diß ihm sein.

Also sprechend, sandt' er sie fort, und sezte noch eine harte Rede hinzu. Aber die beede giengen ungern hin zum Ufer des nichtserzeugenden Meeres; kamen hin zu den Zelten und Schiffen der Myrmidonen, und fanden ihn sizend am Zelt, am schwärzlichen Schiff – aber Achill freute sich nicht als er sie erblikte. Ehrfurchtsvoll, voll Achtung gegen den König blieben sie stehn, nichts rieften sie hin zu ihm, nichts redeten sie. Aber er wußte ihres Herzens Gedanken, und rief.

Seid gegrüßt, Herolde, Jupiters Botten, Botten der Menschen, trettet näher herzu, ihr habt mich nicht beleidigt, sondern Agamemnon, welcher euch schikt, um des Mädchens Briseis willen.

Aber gehe, edler Patroklus, und führe das Mädchen heraus, gieb sie ihnen, sie wegzubringen; diese beede aber sollen mir zeugen, vor den seeligen Göttern, vor den sterblichen Menschen, und vor dem tyrannischen König; wann einst wieder meiner nötig sein würde, abzuwenden von andern ein drükendes Unglük – – ha! alles opfert er auf in seiner verderblichen Seele, vor und nach weiß er nichts zu denken, wie die Achäer gesund bei den Schiffen im Feld sind. Er sprachs: Patroklus gehorchte dem lieben Freund, führte die schöne Briseis heraus aus dem Zelt, und gab sie hin: die beede aber giengen zurük zu den Schiffen der Griechen. Ungern gieng das Mädchen mit ihnen. Aber Achilles gieng mit Tränen hinweg ins Einsame, und sezte sich von den Freunden, an dem Gestade des grauen Meeres, und sähe hinaus auf die schwarze Gewässer. Vieles sagte mit ausgestrekten Händen, er zu seiner lieben Mutter.       Mutter! wann du mich ob gleich fürs kurze Leben gebarest, solte mir Jupiter Ehre geben, Ehre der Himmelsbewohner, der Donnrer in der Höhe. Jezt hat er mich nicht ein wenig geehrt. Dann der Atride, ja der Atride Agamemnon, der Menge Beherrscher, hat mich beschimpft, dann hinweg hat er mein Geschenke genommen, und behält es.       Sprachs mit Tränen – es hörte ihn die erhabene Mutter – welche in den Tiefen des Meers beim alten Vater sizt; und schnell stand sie auf vom grauen Meere, wie ein Nebel, sezte sich neben ihn, wie er so weinte, streichelte ihn mit der Hand, und grüßte ihn und nannt' ihn beim Nahmen –

Sohn, was weinst du? welcher Kummer hat deine Seele eingenommen , rede! verbirg es nicht! auf daß wir beede es wissen. Seufzend erwiederte ihr, der schnelle Läufer Achilles: Du weists – was soll ich dir alles erzählen, da du es weist?

Wir kamen nach Thebe, Eetions heiliger Stadt, wir zerstörten sie, und alles nahmen wir weg. Dieses theilten die Griechen billig untereinander, und wählten die schöne Chryseis dem Atriden. Da kam des fernhin treffenden Phoebus Priester Chryses zu den schnellen Schiffen der erzumpanzerten Griechen, seine Tochter zu lösen, und bracht' unermeßliche Lösegeschenke, und trug in den Händen den Hauptschmuk des fernhin treffenden Phoebus, mit einem güldenen Zepter und flehte zu allen Achäern, zu den Atriden vor allen, den zwei Beherrschern der Völker. Da sprachen alle Achäer für ihn, – man müsse den Priester ehren, und nehmen die unermeßliche Lösegeschenke. Aber dem Atriden Agamemnon gefiel es nicht, seine Brust sträubte sich dagegen, und übel schikt' er ihn weg, und sagte dazu noch beißende Worte. Zürnend gieng der Alte hinweg – Ihn hörte Apollo, zu welchem er flehte, denn es liebte vor vielen den Priester Apollo. Ein verderblicher Pfeil kam unter die Griechen, – nach einander starben die Völker dahin, die Pfeile des Gottes stürzen überallhin aufs weite Lager der Griechen. Uns verkündete aber ein kundiger Seher die Göttersprüche Apollos. Plözlich befahl ich der erste, den Gott zu versöhnen. Da überfiel den Atriden ein Grim – und plözlich fuhr er auf, und drohte ein Wort, das auch vollendet wurde. Nun schiken das Mädchen die schwarzaugigte Griechen im schnellen Schiffe zu Chryses, und bringen Geschenke dem König; aber soeben kamen Herolde in mein Gezelt und führten hinweg das Mädchen Briseis, mir beigelegt von den Söhnen der Griechen. Aber, ists dir möglich, so hilf du deinem Sohne, o Göttin, gehe hin in Olymp, Kronion zu bitten, wann du jemals Jupiters Herz mit Worten, oder mit thätiger Hülfe erfreutest. Dann ich hörte dich oft in den Hütten des Vaters dich rühmen, wie du den wolkenverdunklenden Jupiter, du die Einzige von den Unsterblichen ihn von einem bittern Übel befreitest, als ihn binden wolten die andere Himmelsbewohner, – Juno – Posidaon – und Pallas Athene.

Da kamst du, o Göttin, und rettetest ihn von den Banden. Dann plözlich beriefst du in fernen Olymp den hunderthändigen Riesen, welchen Briareus die Götter nennen, die Menschen Aegäon, denn dieser war stärker, als sein Vater. Dieser sezte sich hin zu Kronion, sich seines Ruhmes erfreuend. Diesen fürchten die seeligen Götter, und trachteten nimmer Kronion zu binden. Dessen erinnre du ihn, und sez dich zu ihm, sein Knie umfassend, ob er nicht möchte die Trojer mit seiner Hülfe verstärken, und die Achäer, wann ihrer viele gefallen, ins Meer zurük, in die Schiffe vertreiben, daß alle büßen des Königes Schuld, daß seine Schuld Agamemnon, der mächtige Herrscher erkenne, wie er den tapfersten der Achäer entehrt hat.

Ihm erwiederte Thetis so – eine Zähre weinend –

O mein Sohn, was hab ich dich zum Unglük gebährend erzogen, o! ich wünschte so sehr, du köntest ohne Tränen und Harm in den Schiffen verweilen, denn deiner Tage sind wenig, nicht lange dein Leben, und so bist du dem Ende so nahe, doch, doch elender als alle – zu diesem Loos hab ich dich in den Hütten gebohren! – Hin zum blizenden Jupiter will ich gehn, in den schneeerfüllten Olymp, und jene Worte ihm sagen, ob er vieleicht sich gewinnen läßt. Aber bleibe du nun in den fertigseeglenden Schiffen, und zürne den Griechen, und entferne dich vom Krieg. Denn Kronion ist gestern aufs Mahl über den Ocean hin zu redlichen Aediopiern gegangen, und alle Götter mit ihm. Aber am zwölften Tage kehrt er zurük in den Himmel, dann geh' ich zum ehernen Hause Kronions, falle hin auf die Knie vor ihm, – ich will, ich muß ihn gewinnen.

Sprach, und stieg in die Höhe, aber Achillen verließ sie daselbst voll Harms in der Brust ums schöngegürtete Mädchen, welcher sie ihn troz seines Sträubens beraubten.       Aber Ulysses kam zu Chryses, brachte die heilige Hekatombe. Wie sie nun angelangt waren im tieffen Hafen, zogen sie die Seegel zusammen, und legten sie hin ins schwarze Schiff, und ließen schnell mit Tauen den Mastbaum herab, und brachten ihn weg in seinen Behälter. Mit Rudern trieben sie näher ans Land das Schiff, und warfen die Anker, und banden es an mit haltbaren Tauen. Sprangen darauf hinaus ans Ufer des Meeres, brachten hinaus die Hekatombe dem fernhintreffenden Phoebus. Auch Chryseis stieg heraus aus dem meerdurchwandernden Schiffe, und der kluge Ulysses führte sie an den Altar, gab sie dem lieben Vater in die Hände, und sprach:

Chryses, mich schikt Agamemnon der Männerbeherscher, dir das Mädchen zu bringen, zu opfern die heilige Hekatombe Apollon, wegen den Danaern, daß wir den König versöhnen, welcher jezt über die Griechen seufzervolle Kümmernisse schikt.

Sprachs, und gab sie ihm hin in die Hände. Der Alte nahm sein Mädchen mit Freuden zurük: die Griechen stellten eilends dem Gott die statliche Hekatombe, nach der Ordnung um den wohlgebauten Altar. Dann wusch jeder die Hände, dann hoben sie das Opfermehl auf. Aber große Dinge bettete Chryses für sie mit aufgehobenen Händen.

Höre mich, du mit dem silbernen Bogen, der du den Chryses beschüzest, und die berühmte Zilla, und mächtig zu Tenedus herrschest! ehmals schon hast du mein Bitten gehört, hast mich geehrt, hast Unglük geschiket über die Griechen. O so gewähre auch mir diese Bitte – Nehme sie wieder vom Volke der Griechen, die quälende Seuche.

Also bettete er. Ihn hörte Phoebus Apollo. Aber als das Gebett zu Ende war, und hingeleget das Opfermehl, zogen sie erst dem Opferthier das Genike zurük, und schlachteten es, und zogen die Haut ab, breiteten auseinander die Seitenstüke, und dekten diese mit Fett, machten dieses gedoppelt, und legten rauhe Stüke darüber. Dann verbrandt es der Alte auf gespaltenem Holz, und weihte den schwärzlichen Wein ein, und neben ihm hatten Jünglinge fünfzinkichte Spieße in den Händen.

Aber als die Seitenstüke verbrandt waren, und sie die Eingeweide gekostet hatten, schnitten sie auch das übrige klein, und stekten es an die Spieße, brateten es nach der Art, und zogen alles ab. Aber als sie die Handlung vollendet, und bereitet hatten das Mahl, speisten sie, und die herrliche Speise befriedigte jegliche Gierde. Aber als sie die Liebe zu Trank und Speise gestilt hatten; füllten noch die Knaben die Pokale bis oben an, und theilten sie unter alle, in der Runde herum die Pokale. Den ganzen Tag versöhneten sie den Gott mit Gesang, schöne Päane sangen sie, die Knaben der Griechen, sangen das Lob des Fernhintreffenden – und er hört es mit Wohlgefallen. Aber als die Sonne hinuntergieng, und Dunkel hereinbrach, so schliefen sie bei den Hintertheilen der Schiffe.

Aber als er erschien der Rosenfinger der Tochter der Sonne, Auroras, da fuhren sie dann wieder zurük, ins weite Lager der Griechen, und einen günstigen Wind sandt ihnen der fernhintreffende Phoebus.

Sie aber richteten den Mastbaum auf, und breiteten die weiße Seegel auseinander, es schwelte der Wind das mitlere Seegel, und laut ertönte, wann es gieng, das Schiff, an seinem Boden die purpurne Welle. Das Schiff gieng, seine Bahn zurüklegend, einher auf der Welle. Aber als sie gekommen waren ins weite Lager der Griechen, zogen sie ihr schwarzes Schiff aufs feste Land, hoch über den Sand, und breiteten aus die lange Taue. Sie aber wurden zerstreut in den Gezelten und Schiffen. Aber weilend in seinen fertigseegelnden Schiffen Zürnte der edle Pelide, der schnelle Läufer Achilles. Niemals gesellt' er sich zu der ehrenvollen Versammlung, niemals gieng er in Krieg – er blieb, es quälte sein Herz sich – Im Verlangen nach Streitergeschrei, und Schlachtengetümmel. Aber als von dort an der zwölfte Morgen heraufkam, Kehrten zusammen zurük in Olymp die unsterbliche Götter – Zevs an der Spize! und Thetis vergaß ihn nicht den Auftrag ihres Sohns, sie machte sich auf von der Welle des Meeres, stieg am Morgen hinauf in den weiten Olympus, fand den weithinsehenden Jupiter ferne von andern sizend auf dem höchsten Gipfel des hügelvollen Olympus. Sezte sich neben ihn hin, mit der linken sein Knie umfassend, mit der rechten unter dem Kinn ihn streichelnd, und bittend sprach sie zu Jupiter, zu König Kronion:

Vater Zevs, hab ich jemals dich mit Worten oder mit thätiger Hülfe erfreut, so gewähre mir diese Bitte: Ehre meinen Sohn, dessen Lebensdauer so kurz noch ist; ihn hat Agamemnon, der König der Männer beschimpft; dann er hat sein Geschenk ihm räubrisch weggeführt , und behält es. Aber ehre du ihn, du Himmelsbewohner, weisester Jupiter. Gieb so lange den Trojern Sieg, biß die Achäer meinen Sohn achten, und ihm Ehre bringen.

Sie sprachs: der wolkenerregende Jupiter erwiederte ihr aber nichts, sondern saß lange still. Thetis aber hielt immer seine Knie, drang immer in ihn, und sagte zum zweitenmal wieder: Nun, versprich es mir, zuverlässig, und winke mir zu, oder schlage mir es ab (dann Furcht ist nicht in dir): daß ich wohl wisse, wie ich vor allen die verachtetste Göttin bin.

Ihr erwiederte tiefaufseufzend der wolkenerregende Jupiter. Warlich verderbliche Werke, du wilst mich mit deinem Gerede der Juno gehässig machen, wann sie mich reizet mit schändlichen Worten. Dann sie zanket immer mit mir, auch ohne Sache, bei den unsterblichen Göttern, und sagt, ich steh' in der Schlacht den Trojern bei. Aber gehe du jezt wieder zurük, damit dich Juno nicht bemerkt; diß aber auszuführen, soll mir angelegen sein. Und wolan, ich winke dir zu, mit dem Haupt, damit du gewis bist. Dann dieses ist bei den Unsterblichen mein gröstes Zeichen, ist unwiederruflich, ist untrüglich, was ich mit dem Winken des Haupts vergewissere, muß geschehen. Jupiter sprachs, und winkte mit seinen gelblichen Wimpern – es wankten am unsterblichen Haupt die ambrosischen Haare des Königs – und er erschütterte den großen Olympus.

Die Beeden trennten sich, nachdem sie sich beratschlagt hatten. Sie gieng darauf ins tiefe Meer vom schimmernden Himmel, Zevs in sein Haus. Die Götter alle zusammen stunden von ihren Sizen auf vor ihrem Vater. Keiner wagte es, ruhig zu bleiben, als er dahergieng, sondern es stunden alle vor ihm.

Er saß hierauf auf einem Thron. Juno wußte es wohl von ihm, sie hatte gesehen die Tochter des alten Meergotts, die silbergefüßte Thetis über Rathschlägen sich mit ihm besprechen. Plözlich redete sie mit Worten des Schimpfes den Jupiter Kronion an. Trügrischer, wer unter den Göttern, hat sich mit dir beratschlagt? Immer ist es dir lieb, getrennet von mir, heimliche Dinge zu brüten, und darüber zu reden; niemals wagst du es offenherzig, ein Wort zu sagen, welches du denkest.

Ihr erwiedert hierauf der Vater der Menschen und Götter: Juno, hoffe nicht all meine Reden zu wissen, sie fielen zu schwer dir aufs Herz, indem du ein Weib bist. Aber wo es sich schikt, daß du es hörest, soll es niemand unter Göttern, niemand unter den Menschen vor dir wissen. Was ich aber entfernt von den Göttern überdenke, frage du da nicht jegliches aus und forsche nicht immer nach jedem. Ihm erwiedert hierauf die erhabene, grosaugigte Juno: Grausamer Jupiter, welch ein Wort hast du gesagt? Schon seit langer Zeit frag' ich dich nichts, und forsche nichts aus. Und ruhig berathschlägst du, über welches du willt. Jezt aber fürcht ich sehr, die silbergefüßte Thetis habe mit dir geredt, die Tochter des alten Meergotts. Dann sie war den Morgen bei dir, und ergriff deine Knie. Und ich glaube, du hast ihr Gewisheit zugewunken, den Achill zu ehren , und viele zu verderben bei den Schiffen der Griechen. Ihr erwiederte so der Wolkenerweker Kronion. Böses Weib, immer argwöhnst du, und nichts kann ich vor dir geheim halten. Doch kanst du nichts vornehmen, und du wirst dich nur immer mehr von meinem Herzen entfernen; und das wird dir unangenehm sein. Wenn es aber so ist, so wirds mir lieb sein. Aber size still, und gehorche meiner Rede; (daß nicht eine Zeit komme) wo sie dir nichts nüzen, alle Götter, so viel im Olymp sind, wann sie nahe kommen, indem ich die unüberwindliche Hände an dich lege. Er sprachs, und es fürchtete sich die erhabene, grosaugigte Juno, und saß stillschweigend, und zwang ihr liebes Herz. Es seufzten in Jupiters Hause die himmlische Götter. Aber der Künstler Vulkan beginnte vor ihnen zu sprechen – und sagte seiner lieben Mutter der weisarmigten Juno angenehme Dinge.

Warlich verderbliche, unerträgliche Dinge, wann ihr zwei um sterblicher willen euch so zanket, und unter den Göttern einen Aufruhr erregt; das köstliche Mahl wird nicht angenehm sein, indem das unangenehme siegt. Ich ermahne die Mutter, ob sie es schon selbst weißt, dem Vater Jupiter angenehme Dinge zu sagen, damit der Vater nicht wieder zanket, und uns das Mahl verderbet, dann wann der blizende Himmelsbewohner (alles) von den Sizen werffen will, (so kann er) dann er ist der allermächtigste. Aber besänftige ihn mit schmeichelnden Worten, und plözlich wird er uns gnädig sein, des Himmels Bewohner. Er sprachs – und nahm ein Kelchglas mit zwei Handheben hervor, und gab es der lieben Mutter in die Hände, und sprach zu ihr also.

Sei getrost, meine Mutter, und halte dich zurük in deinem Kummer, daß ich dich nicht, so lieb du bist, vor meinen Augen geprügelt sehen muß – so sehr ich mich grämte, vermögt' ich doch nichts zu helfen. Dann schwer ists, sich Jupitern zu widersezen. Dann als ich schon anderswo beistehen wolte, stürzt' er mich, an den Füßen schleudernd, vom götlichen Size. Den ganzen Tag fiel ich, mit der untergehenden Sonne fiel ich auf Lemnus, nur wenig Seele war noch in mir, und die Sintier schafften mich gefalnen hinweg.

Er sprachs, und es lächelte, die weißarmigte Göttin Juno. Lächelnd nahm sie in ihre Hand das Kelchglas des Sohnes. Aber er schenkt' in der Rechten den andern Göttern den Wein, indem er den süßen Nektar vom Becher goß. Ein unaufhörlich Gelächter entstand unter den seeligen Göttern, wann sie den Vulkan durch die Wohnungen hinken sahn. So speisten sie den ganzen Tag bis zu Sonnenuntergang, und das Herz begehrte nichts mehr bei einer solchen Speise, und bei der schönen Zither, die Apollo hatte, und bei den Musen, die mit ihrer schönen Stimme abwechslend sangen. Aber nachdem das schimmernde Licht der Sonne hinuntergegangen war, gieng ein jeder in sein Haus, und legte sich, wo der Künstler, der hinkende Vulkan einem jeden mit seinem erfahrnen Geist ein Haus bereitet hatte. Auch Jupiter, der blizende Himmelsbewohner, gieng in sein Bette, wo er immer schlief, wann ihn der süße Schlaf überfiel, da stieg er hinauf, und schlief, und neben ihm Juno, die einen güldnen Thron hatte.

 

 

Die zweite Rhapsodie

 

Nun schliefen die andere Götter, und kriegende Ritter die ganze Nacht, aber über Jupitern kam er nicht, der angenehme Schlaf, sondern er überdachte in seinem Sinn, wie er ehren möchte den Achilles, und viele verderben bei den Schiffen der Griechen. Diß aber schien ihm nach seinen Gedanken der beste Anschlag, zu schiken den täuschenden Traum zum Atriden Agamemnon. Er rief ihm, und sagte zu ihm die geflügelte Worte:       Gehe, täuschender Traum, zu den schnellen Schiffen der Griechen – hin ins Gezelt des Atriden Agamemnon, alles genau zu vollbringen, was ich befehle.

Befiehl ihm zu wapnen mit aller Macht die krausgelokte Achäer. Dann jezt werd' er erobern, die Stadt mit weiten Gassen, die Stadt der Trojaner. Dann die Himmelsbewohner denken nun nimmer zweierlei – Juno habe mit Bitten sie alle umgewandt – es nähern sich den Trojern Gefahren.

Jupiter sprachs – es gieng der Traum nachdem er die Worte gehöret. Eilig kam er zu den schnellen Schiffen der Griechen. Kam zum Atriden Agamemnon – traff ihn schlafend im Zelt, der ambrosische Schlaf umfloß ihn. Er stellte sich über seinem Haupt, in Gestalt des Sohnes des Neleus, des Nestors, den Agamemnon am meisten ehrte unter den Alten. Diesem gleichend rief ihm zu der götliche Traum. Schläfst du, des edeln Atreus Sohn, des Pferdebezwingers? Es geziemt sich nicht, daß ein planvoller Mann die ganze Nacht schlafe, ein Mann, welchem die Völker anvertraut sind, welcher der Sorgen so viele hat. Höre mich jezt aber gleich – ich bin ein Botte Kronions, welcher, indem er allein ist, sich sehr deiner annimmt, sehr gnädig für dich sorgt; Er hat dir befohlen mit aller Macht die krausgelokte Achäer zu wapnen – dann jezt werdest du erobern die Stadt mit weiten Gassen, die Stadt der Trojaner; dann die unsterbliche Himmelsbewohner denken nimmer zweierlei; Juno hat sie alle mit Bitten umgewandt – es nähern sich den Trojern Gefahren von Jupiter. Aber behalt' es in deinem Sinn, daß nicht Vergessenheit über dich komme, wann dich der süße Schlaf verlassen hat.       So sprach er und schied – den Agamemnon verließ er daselbst – Dinge überdenkend in seinem Sinn, die nicht erfült werden solten. Dann er sprach, er werde an selbigem Tag erobern des Priamus Stadt, – der Thor! – er wußte nicht, was Zevs schmiedete. Mühen und Jammergeächze wolt' er bringen durch harte Schlachten über die Trojer und Danaer. Er stund auf vom Schlaf – es schwebten um ihn die götliche Worte. Aufrecht saß er. Einen weichen Rok zog er an. Schön und neu war der Rok. Um diesen warf er noch einen großen Mantel. Um die niedliche Füße band er schöne Sohlen. An die Schultern hieng er sein Schwerdt geschmüket mit silbernen Nägeln. Nahm dann den väterlichen Zepter, der immer unversehrt geblieben war, und gieng mit ihm zu den Schiffen der erzumpanzerten Griechen. Die Göttin Aurora war heraufgestiegen am weiten Olymp welche Jupitern das Licht verkündet, und andern Unsterblichen. Aber er befahl den hellerufenden Herolden, zu berufen in die Versammlung die krausgelokte Achäer. Es riefen die Herolde, und plözlich versammelten sich die Achäer. Zuerst ließ er bei Nestors Schif, des Pylischen Königs den Rath der grosmütigen Alten sizen, rief sie zusammen, und brachte den feinen Rathschlag vor: Höret, Freunde, es kam im Schlafe zu mir durch die ambrosische Nacht ein götlicher Traum – ganz ähnlich war er dem edeln Nestor an Gestalt, an Größe und Angesicht. Er stund über meinem Haupt, und sprach zu mir diese Worte :

Schläfst du des edeln Atreus Sohn, des Pferdebezwingers? Es geziemt sich nicht, daß ein planvoller Mann die ganze Nacht schlafe, ein Mann, welchem die Völker anvertraut sind, welcher der Sorgen so viele hat. Aber höre mich jezt gleich: ich bin ein Botte Kronions, welcher, indem er allein, sich sehr deiner annimmt, sehr gnädig für dich sorgt. Er hat dir befohlen, zu wapnen mit Macht die krausgelokte Achäer: dann jezt werdest du erobern die Stadt mit weiten Gassen, die Stadt der Trojaner. Dann die unsterbliche Himmelsbewohner denken nimmer zweierlei. Juno hat sie alle mit Bitten umgewandt. Es nähern sich den Trojern Gefahren von Zevs gesandt. Aber behalte du es in deinem Sinn. So hatt' er gesprochen, und flog davon. Aber mich verließ der süße Schlaf. Aber laßt sehen, ob wir die Söhne der Griechen zur Schlacht bringen können. Zuerst will ich sie mit Worten versuchen, wie es recht ist, und will ihnen befehlen, mit den vielrudrichten Schiffen zu fliehen, ihr aber haltet ein jeder auf andere Art mit Worten sie zurük.

So sprach er und sezte sich. Dann stund auf Nestor, der König des sandigten Pylus, welcher wohlmeinend mit ihnen also redte.       Freunde, Führer und Fürsten der Griechen! Hätte ein andrer der Griechen den Traum vorgebracht, so sagten wir, es wäre Erdichtung, und würden abgeneigter. So hat ihn aber der Mann gesehen, welcher als der höchste im Lager verehrt wird. Aber laßt sehen, ob wir die Söhne der Griechen zur Schlacht bringen können.

So rief er und beginnte aus der Versammlung zu gehen. Die zeptertragende Könige aber stunden auf, und gehorchten dem Hirten der Völker. Die Völker wurden versammelt.

Wie Haufen unzähliger Bienen, wann vom hohlen Felsen immer neue kommen, und wie Trauben um die Frühlingsblumen fliegen, diese fliegen haufenweise da, und jene dort – so kamen die Völker in Menge von den Schiffen und den Gezelten, neben dem tiefen Ufer haufenweis in die Versammlung. Die Sage zündete sich unter ihnen an, die Bottin Jupiters trieb sie zu gehen. Sie wurden versammelt. Die Versammlung lärmte durcheinander, die Erde erbebte unter den Völkern, wann sie sich sezten. Es war eine Menge von Leuten. Neun Herolde hielten sie rufend zurük – sie sollten das Geschrei enden, und die edle Könige hören. –.       Eifrig sezte sich nun das Volk, und ließ sich auf den Sizen zurükhalten, und machte des Lärmes ein Ende. Da stund Agamemnon der Herrscher auf, in seinen Händen den Zepter, welchen der Künstler Vulkan gemacht hatte. Vulkan gab es dem König Kronion; Kronion gabs dem Botten, dem Argustödter; Merkur, der König gab es dem pferdezähmenden Pelops; Pelops gabs dem Hirten der Völker, Atreus; Atreus hinterließ es sterbend dem lämmerreichen Thyestes; Thyestes hinterließ es wieder dem Agamemnon, es zu tragen, und über alle Inseln, und über ganz Argos zu herrschen. Hingebeuget auf dieses, sprach er die geflügelte Worte: Freunde, Danaer Helden, Verehrer des Mars! Zevs hat mich in schweren, schweren Kummer verstrikt. Der harte! Er hat mir versprochen , hat mir zugewunken, ich werde Ilium zerstören, und dann so erst wieder nach Haus ziehn. Jezt aber hat er verderblichen Trug beschlossen, und befiehlt mir, ruhmlos nach Argos zu gehn, nachdem ich so viel Volk verlohren habe. So beliebts dem gewaltigen Jupiter, welcher vieler Städte Gipfel zerstört hat, und noch zerstören wird. Dann er ist der allermächtigste. Schändlich ists aber, wenns unsre Enkel erfahren – das so große, unzählige Volk der Achäer habe umsonst einen unvollendeten Krieg gekriegt, mit einer geringeren Macht – ohne das auszuführen, was sie vor hatten. Dann wann wir Achäer mit den Trojanern einen treuen Bund schlössen, uns beede zählen zu lassen, und aus Troja, so viel der Einwohner sind, herausgenommen würden, und wir Achäer in Dekaden eingetheilt würden, und aus den Trojanern jedesmal einen Mann zum Weinschenken uns wählten. Vielen Dekaden würde noch ein Weinschenke mangeln. Um so viel mehr, sag ich, sind der Söhne der Griechen, als der Trojaner, welche in der Stadt wohnen. Aber es sind viele Hülfsvölker, kriegrische Männer aus vielen Städten da, die mich gewaltig aufhalten, und so oft ichs beschließe, mich hindern, Iliums wohlgebaute Mauern zu schleifen. Neun Jahre des großen Jupiters sind vorüber. Verfault ist das Holz der Schiffe, zerrissen sind die Taue. Unsre Weiber und kleine Kinder sizen wartend zu Haus. Wir aber vollenden es nicht das Werk um dessentwillen wir hieher gekommen sind. Aber wie ich sage, laßt uns alle gehorchen. Lasset uns mit den Schiffen ins liebe Vaterland fliehn. Wir werden Troja nimmer erobern, die Stadt mit weiten Gassen.

Er sprachs: und erregte die Herzen in derer Brust, welche unter der Menge waren, die den Rathschlag nicht gehört hatten. Die Versammlung wurde bewegt, wie große Woogen des Ikarischen Meers, welches der Ost und der Südsturm, gestürzt aus Vater Jupiters Wolken bewegt – Wie der Zephyr das tiefe Saatfeld bewegt, wann er gierig und ungestüm hin auf die Ähren stürzt, so wurde die ganze Versammlung bewegt. Mit Geschrei liefen sie bei den Schiffen zusammen. Unter ihren Füßen stieg der aufgeregte Staub auf. Sie riefen einander zu, sich an die Schiffe zu machen, und sie in die weite See zu ziehen. Sie reinigten die Schifskanäle aus. Ihr Geschrei von der Rükkehr kam gen Himmel. Sie nahmen die Stüzen von den Schiffen. Damals wären die Griechen in eine zu frühzeitige Rükkunft gerathen, wann nicht Juno zu Minerva folgende Worte gesprochen hätte :

Unbeflekte Tochter des Gottes mit flammendem Schilde! Werden also die Griechen nach Haus, dem lieben Vaterland auf die weite Flächen des Meeres fliehen? und nach ihrem Wunsch dem Priamus und den Trojanern Helena von Argos zurüklassen? um welcher willen der Griechen so viele bei Troja fielen, vom lieben Vaterland ferne? aber gehe du jezt zum Heer der erzumpanzerten Griechen, und halte jeglichen Mann mit deinen lieblichen Worten zurük, und laß sie die auf beiden Seiten mit Rudern versehene Schiffe nicht ins Meer ziehen. Sie sprachs: es gehorchte die blauaugigte Göttin Minerva, sprang von den Spizen des Himmels, und kam eilig zu den schnellen Schiffen der Griechen. Sie fand daselbst den an Verstand dem Jupiter gleichen Ulysses. Er stand und machte sich nicht an die mit Rudern wohlversehene schwarze Schiffe, denn Kummer war über seine Seele gekommen. Die blauaugigte Minerva stellte sich nah an ihn und sprach: Edler Laertiade, planvoller Ulysses, werdet ihr also auf die vielrudrichte Schiffe gehen, und nach Haus zurük, ins liebe Vaterland fliehen? werdet ihr dem Priamus und den Trojanern nach ihrem Wunsch die Helena von Argos zurüklassen? um welcher willen der Griechen so viele bei Troja fielen, vom lieben Vaterland ferne. Aber gehe du jezt zu den schnellen Schiffen der Griechen, und ruhe nicht, und halte jeglichen Mann mit lieblichen Worten zurüke, und laß sie die auf beiden Seiten rudrichte Schiffe nicht ins Meer ziehn.       Sie sprachs: er vernahm die Stimme der rufenden Göttin, warf den Mantel von sich, und gieng eilig. Ihn trug sein Herold Eurybates von Ithaka, welcher ihm folgte. Er begegnete dem Atriden Agamemnon, da nahm er den unversehrten väterlichen Scepter von ihm, und gieng damit zu den Schiffen der erzumpanzerten Griechen. Traf er auf einen König und mächtigen Mann, so hielt er ihn mit lieblichen Worten zurük: Edler, es ziemt sich nicht, daß du dich fürchtest, wie ein schlechter Mann – sondern du must dich ruhig halten, und andere Völker zum Bleiben bewegen. Dann du weist noch nicht, was des Atriden Wille ist. Jezt versucht er die Söhne der Griechen, und plözlich kann er sie straffen. Nicht wir alle haben gehört, was er im Rathe gesprochen. Daß er nur nicht zürne, und Übel bringe über die Söhne der Griechen. Eines edeln Königes Eifer ist stark, Jupiter gab ihm die Ehre, und seine Vorsicht beschüzt ihn. Sah er aber einen vom Pöbel, und fand ihn schreiend: so schlug er ihn mit dem Zepter, und sprach zu ihm in den zürnenden Worten.       Mann! halte dich still, und höre andrer Befehle, welche mächtiger sind als du: du bist unkriegrisch und feig, warst noch nie in der Zahl der Krieger oder des Rathes. Wir Griechen müssen nie all zusammen herrschen wollen. Vielherrschaft ist nichts. Einer muß Herr sein, Einer König, welchem des schlauen Kronos Sohn den Zepter gegeben, und die Geseze, daß er mit ihnen regiere. Diese befehlende Worte rief er durchs Heer. Dieses wandelte wieder in die Versammlung zusammen, mit Geräusch von den Schiffen und Zelten, wie wann eine Welle des lautaufrauschenden Meeres am grosen Ufer ertönt, und das Meer wiederhallt. Alle andere hatten sich niedergesezt, und ließen sich auf ihren Sizen zurükhalten. Nur Thersites lärmte, ein unverschämter Schwäzer der viele unordentliche Reden im Kopf hatte, wann ihms einfiel, mit seinem Geschwäze die Fürsten zu reizen, weil er glaubte, ein Lachen damit den Griechen zu bereiten. Er war von allen der häßlichste Mann, die unter Ilium kamen. Mit schielenden Augen, hinkendem Fuß, krummen Schultern, die über die Brust hervorhiengen, mit spizem Kopfe, auf dem eine kahle Loke emporstand. Über alles verhaßt war er Achillen, und Ulyssen, dann auf diese beide schimpfte der Schwäzer. Damals auch sagt' er mit Schreien dem großen Atriden spizige Worte. Die Griechen waren fürchterlich auf ihn ergrimmt, und dachten in ihrem Herzen auf Rache. Aber er schimpfte mit tollem Geschrei auf Agamemnon mit folgenden Worten.

Atride, worüber beklagst du dich? was begehrst du? Du hast eine Menge von ehernen Zelten, in den Zelten eine Menge von auserwählten Weibern, die wir Achäer zuerst dir geben, wann wir eine Stadt eingenommen haben. Oder fehlt dirs noch an Gold, das ein Trojanischer Ritter, für den Sohn ein Lösegeschenke, aus Ilium bringen soll? Für den Sohn, den ich gebunden gebracht, oder ein anderer von den Achäern? Oder begehrst du ein junges Weib, daß du mit ihr dich in der Liebe vermischest, bei welcher du alleine sizest, abgehalten von andern. Es ziemet sich nicht, daß ein Führer die Söhne der Griechen ins Unglük schwäze. O ihr Feige! o der Schande – Achäische Weiber, nicht mehr Achäische Helden! Ja! wir wollen nach Hause zurük mit den Schiffen. Ihn wollen wir hier lassen, bei Troja Beute zusammenzubringen, damit er erfährt, was er durch unsre Stüze vermag, was nicht. Auch Achilln, der um so viel, viel größer als er ist, hat er beschimpft. Denn seine Beute hat er ihm weggenommen, und zu sich gebracht, und behält sie. Aber Achill hat keinen Muth in der Brust, Achill ist träge, warlich! Atride! sonst hättest du jezt zum leztenmale geschimpfet.

So sprach Thersites, Agamemnon, den Hirten der Völker, beschimpfend. Doch plözlich stellte der große Ulyß sich neben ihn hin, sah ihn fürchterlich an, und sprach zu ihm die grimmige Worte.

Thersites! Unbesonnener Schwäzer! seis auch mit geläufiger Zunge, so halte du dich doch zurük, und bemühe dich nicht, als der einzige Fürsten zu reizen. Denn ich sage, kein schlechterer ist nicht unter allen, die den Atriden nach Ilium folgten.

Theils wann du redest, sollst du nicht Könige im Munde führen, und Schandengeschwäze vor sie bringen, und wider die Rükkehr sein. Wir wissen noch nicht gewiß, wie all diß ein Ende nehmen wird, ob wir mit Glük oder Unglük ins Vaterland zurükziehen. Theils hast du dich mit Vorwürfen an den Atriden, Agamemnon, den Hirten der Völker gemacht, daß ihm die Danaer Helden der Geschenke so viele bringen. Du bist ein Lästerer. Aber ich sage dir, und diß soll wahr werden; Seh ich noch einmal dich so toll, wie hier – so sinke dem Ulyß sein lokigtes Haupt von den Schultern, so will ich nicht Telemachus Vater heißen, wann ich dich nicht nehme, und deine Kleider dir abziehe Mantel und Rok, welche die Schaam bedeken, und zu den schnellen Schiffen mit tränenden Augen dich schike, wann ich dich in der Versammlung abgeprügelt habe, mit unbarmherzigen Streichen.

Sprachs, und schlug mit dem Zepter Rüken und Schultern. Es krümmte der Mann sich zusammen, und eine schwere Träne entsank ihm. Eine blutige Beule fuhr an dem Rüken auf, unter dem güldenen Scepter. Er sezte verwirrt sich nieder. Voller Kummer war er; häßlich sah er aus, und wischte sich von der Wange die Träne.

Und die Griechen lachten bei allem Grimme noch über ihm herzlich, sahen einander an, und sprachen unter sich also. Warlich, tausend gutes hat schon Ulysses gestiftet, war der erste noch immer bei treflichem Rathschlag, der erste in kriegrischen Waffen. Diß ist aber das beste, das er an den Griechen gethan hat, daß er den schimpfenden Lästerer in der Versammlung zurükgehalten hat.

Lange wird nicht wieder sein wilder Muth ihn dahinreißen, mit schändlichen Worten die Fürsten zu lästern – sprachen die Leute. Aber der Städtezertrümmrer Ulysses stand mit aufgehobenem Zepter. Die blauaugigte Minerva neben ihm, In eines Herolds Gestalt, und befahl dem Heere zu schweigen, Daß sie alle, die erste und lezte der Söhne der Griechen seine Rede hören mögten, und seinen Rath gutheißen. Und er redte zu ihnen in diesen heilsamen Worten:

Atride, König! es wollen die Griechen vor aller Welt dich zum tadelswürdigsten machen. Sie halten dir nicht das Wort, das sie gaben, als sie vom pferdereichen Argos hieher giengen, nicht ehr zu scheiden, ehe sie Iliums statliche Mauren zerstört hätten, dann es schmerzt, so wegzuschleichen, hat man sich so lange in Mühen getummelt. Dann wenn einer, der einen Monath lang von seiner Geliebten getrennt ist, trauert auf dem vielrudrigten Schiff, das umhergewälzt wird von den Stürmen des Winters, und von dem tobenden Meere; so ist ja diß unsers Bleibens das neunte Jahr das zurükkehrt. Ich zürne den Griechen nicht, daß sie trauren bei den krummen Schiffen. Aber doch ists schändlich, so lange zu bleiben, und leer abzuziehn. Freunde, haltet aus, und bleibt auf die Zeit, daß wir erfahren, ob Kalchas wahr oder nicht geweissagt hat. Dann uns allen ist noch im Angedenken, und ihr seid alle Zeugen, welche die Todtbringende Parzen nicht in der allzufrühen Vorzeit fortschikten, was geschah, als in Aulis versammelt wurden die Söhne der Griechen, Verderben zu bringen über Priamus und seine Trojaner. Wir opfern am Brunnen um heilige Altäre den Unsterblichen vollkommene Hekatomben – unter einem schönen Maulbeerbaum, wo ein klares Wasser floß – da geschah ein großes Zeichen. Ein auf dem Rüken geflekter fürchterlicher Drache, welchen der Olympier selbst aus der Sonne geschikt hatte, sprang auf den Altar, und fuhr an den Maulbeerbaum hin. Daselbst waren junge Sperlinge, kaum ausgebrütete Thierchen, auf hohem Laub, acht mit ihren Flügeln schlagende Jungen – neun Sperlinge, samt der Mutter der Jungen. Da fraß der Drache die zwitschernde neune. Lange war die Mutter, um ihre Jungen jammernd herumgeflogen, da nahm er die schreiende drükend am Flügel, und fraß so die Sperlinge, Jungen und Mutter. Ihn stellte Jupiter zum Zeichen. Dann des schlauen Kronos Sohn machte ihn zum Stein. Wir aber standen und wunderten uns, wie das zugehe, daß unter so schrecklichen Zeichen die Opfer zu Jupiter kämen; da verkündigte Kalchas uns den Rath der Gottheit: Warum kam diß Verstummen über euch, krausgelokte Achäer? Der weise Jupiter hat uns diß große Zeichen gegeben, das spät geschieht, das spät erfüllt wird, dessen Ruhm niemals vergehn wird. Wie der Drache die Sperlinge fraß die Jungen, die Mutter – welcher samt der Mutter neune gewesen, also werden auch wir neun Jahre kriegen, im zehnten aber Iliums statliche Mauren erobern. So verkündigte Kalchas: und erfüllt wird all diß werden. All wohlan – Bleibt alle hier, ihr wohlgepanzerte Griechen bis wir Priams mächtige Stadt erobert haben.

Er sprachs: und die Griechen machten ein großes Geräusch, (es wiedertönten fürchterlich umher die Schiffe von der Achäer Geschrei) , welche lobten die Rede des edeln Ulysses.

Aber jezt sprach Nestor zu ihnen, der Gerenische Ritter: Warlich! wir reden, gleich unmündigen Kindern, noch ungeübt in kriegrischen Dingen. Wo sind unsre Verträge geblieben, und unsere Eide – wie in Asche verwandelt sind all die Plane, und Rathschläge der Männer, und die unverbrüchliche Bünde, und Handschläge, auf welche wir einander trauten. Dann umsonst streiten wir mit Worten, und können keinen Meisterstreich auf die Bahn bringen, so lange wir auch schon hier sind. Du Atride, bleibe, wie immer, auch jezt bei unveränderlichem Vorsaz, und führe die Griechen in stürmischen Schlachten. Laß jene zwei oder drei sich abhärmen, welche sich entfernt von den Griechen, in ihrem eigenen Willen gefallen (ihr Vorhaben wird nicht erfüllt werden) Welche sagen, man solle nach Haus kehren, ehe wir wissen ob das Versprechen des mächtigen Jupiters falsch ist, oder nicht. Dann ich sage, der furchtbare Jupiter hat uns zugewunken, an dem Tage, an welchem die Argiver die meerdurchseegelnde Schiffe bestiegen, um Todt und Verderben über die Trojaner zu bringen. Blizen ließ er zur Rechten, – das Zeichen glüklichen Schiksaals! Darum eile niemand, nach Hause zu kehren, eh' er ein Trojanisches Weib beschlafen hat, um Helenas Raub und Seufzer zu rächen. Doch wann einer von uns so sehnlich wünscht, nach Hause zu kehren, nun! er mache sich an sein wohlrudrichtes, schwarzes Schiff, vor allen andern wird über ihn kommen Todt und Verderben. Aber, o König, nehme den Rath von mir, glaube einem Manne, diß mein Wort ist nicht verwerflich. Theile die Männer in Stämme, und in Curien, laß sich Kurie zu Kurie gesellen, Stämme zu Stämmen. Dann wirst du also verfahren, und dir die Achäer gehorchen, so wirst du sehen, wer unter den Führern, unter den Völkern, feig oder tapfer ist. Dann sie werden unter sich selbst streiten, du wirst sehen, ob wegen Widerstand der Götter du die Stadt nicht wirst erobern können, oder wegen der Feigheit des Heers, und der ungeübten Arme der Krieger.

Ihm erwiedert' hierauf, Agamemnon, der Herrscher, also: Ja, Alter! ja du übertrifst die Achäer in der Rede. Schikte es Jupiter, und Minerva, und Apollo, daß ich zehn solche Räthe hätte unter den Achäern, so würde sie bald fallen, des Priamus Stadt, durch unsre Hände erobert, und niedergetrümmert. Aber Lasten hat der mächtige Zevs Kronion mir auferleget, da er mich in eitlen Zank und Streit bringt. Dann Achilles und ich – wir haben gestritten, um eines Mädchens willen, gestritten mit feindlichen Worten. Ich aber fieng den Zwist an. Tretten wir aber einst zusammen, dann wird der Sturz der Trojaner nicht einen Augenblik weilen. Aber jezt kommet zum Mahl, uns zu berathschlagen über die Schlacht. Jeder schärfe die Lanze! Jeder bereite den Spieß! Jeder reiche Futter den flüchtigen Rossen! Jeder beschaue rings, mit Kriegsgedanken erfüllet den Wagen. Daß wir den ganzen Tag schlagen die stürmische Schlacht. Dann es werde nicht ein Augenblik Stillstand gemacht, außer die kommende Nacht unterbreche die tobende Krieger. Es deke Schweis an der Brust den Riemen des menschenbeschüzenden Schildes, es erlahme die Hand an der Lanze. Es deke Schweis das Roß, gejocht an den glänzenden Wagen. Und werd ich einen bemerken, dem es gelüstet, fern von der Schlacht bei den krummen Schiffen zu bleiben, dem sols nicht gelingen, zu entfliehen den Hunden und Vögeln.

Sprachs. Die Argiver erhuben hierauf ein gros Geschrei, wie die Welle am Ufer, an den weitvorragenden Fels vom stürmenden Südwind geschleudert; an den Fels, den nie die Woogen verlassen, stürme der Sturm, woher er wolle. Sie standen auf und stürzten fort, und zerstreuten sich neben den Schiffen, machten Rauch in den Zelten, und nahmen das Mahl ein. Jeder brachte seinem Gott unter den Unsterblichen Göttern ein Opfer, flehend, dem Todt zu entfliehn, und den Nöthen des Schlachttags. Aber Agamemnon, der König der Männer opferte dem furchtbaren Zevs einen fetten fünfjährigen Ochsen, dann berief er die älteste Fürsten des Heeres zusammen; unter diesen zuerst die Könige Nestor und Idomenevs, dann die zween Ajas, und Tydeus Sohn, der sechste war der in der Weisheit den Göttern gleiche Ulyß. Von selbst kam zu ihm der kriegrische Menelaus. Dann er fühlte bei sich die Mühen, die den Bruder drükten. Jezt stunden sie um den Ochsen herum, und hoben das Opfermehl auf. Unter ihnen betete Agamemnon, der Herrscher.

Zevs! du herrlichster! mächtiger! Wolkensammler! Bewohner des Aethers! Laß nicht untergehen die Sonne, nicht Finsterniß kommen, bis ich in Staub geworfen habe, Priams flammenden Pallast, und mit feindlichen Bränden zerstöret die Pforten, und an Hektors Brust den Kittel zerrissen durchbort mit dem Schwerdt, und die Menge von seinen Gesellen hingestrekt in den Staub mit den Zähnen die Erde zerraufen.

So sprach er: aber Kronion erhörte ihn nicht. Er nahm das Opfer an, aber bereitete ihnen größere Mühen. Aber nachdem sie gebettet hatten, und das Opfermehl aufgehoben, legten sie den Hals des Ochsen zurük, und schlachteten ihn, und zogen die Haut ab, und schnitten die fleischigte Stüke heraus, und dekten sie mit Fett, und so zweifach. Dann legten sie rohe Stüke darauf, und verbrandten alles mit entblätterten Bränden. Die Eingeweide stekten sie an den Spieß, und hielten sie über dem Feuer. Aber als sie die fleischigte Stüke verbrandt und die Eingeweide gekostet hatten, hakten sie das übrige in kleine Stüke, und stekten es an den Bratspieß. Brateten es nach Art, und zogen alles ab. Aber als sie das Werk vollendet hatten, und das Mahl bereitet, nahmen sie es ein, und das Herz verlangte nichts mehr bei dem treflichen Mahle. Aber als sie die Gierde nach Trank und Speise gestillet, fieng der Gerenische Ritter Nestor unter ihnen an, zu reden.       Atride! glorwürdigster! König der Männer! Agamemnon! Laß uns keine Zeit unter den Gesprächen verlieren, laß uns das Werk nicht lange aufschieben, das ein Gott in die Hände giebt. Auf! die Herolde der starkgepanzerten Achäer sollen mit ihrem Ruf das Volk bei den Schiffen versammeln. Wir aber wollen so vereint durch das weite Lager der Griechen gehen, um desto schneller zu weken die stürmische Kriegslust.

So sprach er. Es folgte dem Rath Agamemnon, der König der Männer. Befahl plözlich den lieblichredenden Herolden, zu berufen zur Schlacht die krausgelokte Achäer. Und sie riefen, und eilig versammelten sich die Achäer. Aber die edle Könige um den Atriden flogen umher, das Heer zu ordnen; unter ihnen, die blauaugigte Minerva, mit ihrem prächtigen, unversehrbaren, unverweslichen Schild, an dem hundert güldene Trotteln hiengen, alle wohlgewoben, jede eine Hekatombe werth. Mit diesem flog sie hin durchs Heer der Achäer, trieb sie an, zu gehen, erregte in jedes Herzen einen Muth, unaufhaltsam zu kriegen und zu fechten. Plözlich wurde ihnen süßer die Schlacht, als fortzuseegeln in den hohlen Schiffen, nach der lieben vaterländischen Erde.

Wie wenn unermeßliche Wälder von gefräßigen Flammen zusammenlodern auf den Spizen der Berge; daß weit umher sich Helle verbreitet. So blinkte der Schimmer des treflichen Erztes, wann sie so einhergiengen, durch Lüfte gen Himmel. Wie wann grose Heere von fliegenden Vögeln, von Gänsen, oder Granichen, oder langhalsigten Schwänen auf Asiatischen Wiesen an des Kaystrus Ausfluß hier und da umherfliegen mit jauchzendem Flügelschlag, und lärmend sich niederlassen, daß die Wiese erzittert: So stürzte die Menge der Völker von ihren Schiffen und Zelten hin ins Skamandrische Feld. Die Erde ertönte fürchterlich unter den Füßen der Männer und Rosse. Ohne Zahl, wie die Blätter und Blumen des Frühlings, stunden sie da auf des Skamanders Blumengefilden. Wie große Heere unzähliger Müken, die zur Frühlingszeit, wenn Milch die Gefäße nezt, im Schaafstall umherirren; so stunden unzählig wider die Trojaner die krausgelokte Achäer im Feld,Todt und Verderben über jene zu bringen. Wie die Gaishirten grose Heerden von Gaisen leicht unterscheiden, wann sie sich auf der Waide untereinander gemischt haben, so ordneten hier und da die Führer ihre Völker, hinzugehn in die Schlacht. Unter ihnen war Agamemnon, der Herrscher. An Blik und Miene gleich dem blizenden Jupiter, an der Stimme dem Mars, an der Brust dem Posidaon. Wie ein männlicher Farre unter dem Hornvieh mächtig vor allen einhergeht, dann er herrscht über seine versammelte Kühe; so hatte Zevs den Atriden an jenem Tag erhaben und mächtig gemacht unter vielen Helden.

Saget mir jezt, ihr Musen! die ihr des Himmels Palläste bewohnet, dann ihr seid Göttinnen, seid überall gegenwärtig, seid allwissend, wir aber hören nur die Sage, und wissen nichts, saget, wer die Führer der Danaer, und Herren gewesen. Dann die Menge der andern Krieger vermöcht' ich nicht zu sagen, und herzuerzählen, nicht, wann ich zehen Zungen, und einen zehenfachen Mund hätte, und eine unverbrechliche Stimme, und eine eiserne Brust. Wann nicht die himmlische Musen, die Töchter des mächtigen Jupiters erzählten, wie viele nach Ilion kamen. Ich nenne die Schiffe all' und die Führer der Schiffe.

 

Cataloge von den Schiffen.

 

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