BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Jean Paul

1763 - 1825

 

Grönländische Prozesse,

oder Satirische Skizzen

 

Erstes Bändgen

 

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I.

Ueber die Schriftstellerei.

Ein Opusculum posthumum 1).

 

Eine Priesterin der Venus, die ihre lezten Reize auf den weichen Altären ihrer Göttin geopfert, und deren Schönheit kein Käufer der Wollust eines verstohlnen Wunsches mehr würdigt, ist darum noch nicht auf dem Wege, gegen die alte Schande den Ruhm der Besserung einzutauschen, und auf den sichtbaren Wink der neuen Häslichkeit den Dienst des Vergnügens zu verlassen. Vielmehr wiederholt ihr Geist die Rolle des Körpers: denn sie wird aus einer Schülerin der Liebe die Lehrerin derselben, aus einer Hure eine Kuplerin; sie nährt sich von den Lastern, die sie nur lehren und nicht thun kan, sie beschaut ihr voriges Glük in der gelehrigen Wollust ihrer Eleven, und erleichtert sich dadurch das schmerzliche Andenken ihres iezigen Unwerths. – Eben so ich. Das Misvergnügen, nicht mehr schreiben zu können, lindere ich mir durch das Vergnügen, es andere zu lehren. Nämlich: ich widmete vor vielen Jahren meine rechte Hand mit allen ihren Muskeln dem weltberühmten Apollo; und gewis ich konte ihm kein wichtigeres Glied meines Körpers widmen. Denn schon der lere Raum in meinem Kopfe und Magen versprach der gelehrten Welt eine Feder, so unerschöpflich an Dinte, als das Krüglein iener Witwe an Öhl; und in einer lang anhaltenden Theurung war ich auf dem Wege, ein Polyhistor, wenigstens ein Polygraph zu werden. Allein o die verwünschte Gicht! die alle Muskeln des Genies lähmt, und die Schöpfer der Unsterblichkeit, diese Werkzeuge der Begattung mit den Musen, diese fruchtbaren Staubfäden, ich meine die fünf Finger, in einen schmerzlichen Krampf zusammenzieht! Denn kurz: an dieser Gicht starb meine Unsterblichkeit, weil keine neue Lorbern meinen erkämpften Ruhm behaupteten, und ich wurde eher vergessen als geheilt. Allein ob mir nun gleich iezt das Alter die hergestellte Gesundheit verleidet; obgleich die Überreste des vorigen Übels noch immer der gelehrten Republik die Flechsen meines Arms entziehen; so will ich doch durch eine neue Anstrengung meine verloschenen Gedanken zu einem Buche anfachen, und mit meiner Hand, ehe sie verweset, mir Lorbern pflanzen. Der Invalide lehrt exerziren, und ich lehre in diesem Werkgen, wie gesagt, schreiben. Das heist, ich entwikle die Ursachen der Autorschaft, als da sind Hunger, (aber nicht Sättigung,) Trunkenheit, (aber nicht Durst,) Jugend, Liebe u.s.w. Das heist, ich abstrahire aus den vortreflichsten neuen Schriftstellern die Erfordernisse eines guten Buchs z. B. die Schwulst u. so ferner. Ich habe meistens die schönen Wissenschaften im Auge, die Gemeinweide alles litterarischen Viehes, den Spielplaz der schriftstellerischen Jugend. –

Dem leiblichen Hunger der Schriftsteller verdankt das Publikum seine geistliche Sättigung. Einige Ärzte leiten aus dem Magen alle Krankheiten her; ich wollte aus demselben noch leichter den Ursprung der meisten Schriften erklären, und zeigen, daß weniger der Nervensaft des Gehirns als die unbefriedigte Galle des Magens an der Erzeugung eines Buchs arbeiten. Ein überfülter Magen schikt dem Kopfe alle Folgen der Überladung, nämlich Faulheit und Dumheit zu; warum solte ein lerer nicht das Dachstübgen der Sele besser erleuchten, warum sie nicht mit der Heiterkeit und dem Verstande begeistern können, durch deren Hülfe seinen Bedürfnissen abgeholfen wird? – Der Magen sezt einen Gelehrten, der seinen Körper nicht so wie seine Sele mit Luft und Wind nähren kan, in ein gelehrtes Feuer, und die von unten aufgestiegnen Dünste erhellen durch ihre Entzündung das ganze Ideengebiete des Autors so sehr, daß er lauter neue Wahrheiten sieht und dem Drange endlich weicht, sie durch die Presse mitzutheilen. Daher begünstigt eine Theurung die Erfindungskraft der gelehrten Republik ganz ungemein und ein Miswachs des Getraides verspricht eine reichliche Ernte von Büchern. Daher gleichen diese Stüzen des menschlichen Wissens den Thieren, bei denen nur der Hunger die Geschiklichkeit ihrer Kehle in Athem sezt; und die gepriesne Stimme der Wahrheit ist oft nichts als das verstärkte Knurren des unbefriedigten Unterleibs. Gleich der Höle des Äolus beunruhigt der Magen die Welt mit vier bekanten Hauptwinden. Das gelehrte Handwerk scheint auch folgender Sitte zu ähnlichen. In Scandino (im Gebiete des Herzogs von Modena) macht sich das Volk diese Lustbarkeit. Man behängt mit allerlei Eswaren den Gipfel eines Pappelbaums, den man von seiner Rinde und seinen Ästen entblöst. Nach den Lokspeisen seines Gipfels klettern die Bauernkerle, die erst nach vielen vergeblichen Versuchen ihr Ziel ersteigen und sich ihrer Belohnung bemächtigen. Eben so hängt an dem Lorberbaum nicht mehr der Reiz des Ruhms, sondern der Köder der Nahrung, nach welcher die schreiblustige Hand des Autors oft vergeblich hascht, und die sich endlich dem Besieger des schlüpfrigen Stams und dem Ersteiger des Gipfels überliefert. Jedem, auch noch so philosophischen Magen ist der längst verspottete horror vacui eingepflanzt – obwohl nicht allen Köpfen –; was Wunder, wenn die verlegne Sele stat Almosen zu samlen, Varianten, Lieder, Bemerkungen samlet, wenn sie von den Büchern, aber nicht von den Menschen bettelt, wenn sie, gleich verarmten Vätern, sich von dem Erwerbe ihrer geistlichen Kinder nährt, und wenn der Magen die Finger anreizet, nach der Unsterblichkeit zur Verlängerung des Lebens zu greifen? – Was Wunder frag ich: kein Wunder nämlich ists. Und wie sollte es auch, da der Eigennuz alle Wesen beselet? Er kämpfet in dem Heerführer um die blutige Beute, mit welcher das menschenfreundliche Kriegsrecht den Überwinder belohnet, und um den Ruhm, der erst durch ermordete Krieger athmet; er rüstet den ungekrönten Räuber mit Verachtung gegen die Drohung des Gesezes aus, und thut in ihm für den Strik, was er in andern für den Lorber thut. Er verlängert in der Feder des Advokaten Buchstaben, Perioden und Prozesse, und spielet durch die Künste des mit Aktenstaub bedekten Gewissens die rechtliche Uneinigkeit der Klienten auf ihre Enkel. Er angelt im Verliebten mit poetischen Schwüren nach Wollust und Geld, und krächzet aus dem feisten Abte die Lobrede der himlischen Nahrung. Kurz, er fesselt den ganzen vielfarbigen Haufen von Absichten an Eine Kette. Und nur dem Schriftsteller wolte man eine grössere Uneigennüzigkeit ansinnen, als die, sich mit ihrer Larve zu verschönern; nur er sollte sich an die prahlhaften Versprechungen der Vorreden zu binden haben? O so würde die Welt arm an Büchern und reich an Betlern sein; anstat der geistlichen Kinder würden ihre Väter sterben und die Weitschweifigkeit nur christliche Predigten vergrössern, und dicke Quartanten und dicke Bäuche seltner werden. Die vortreflichen heiligen Reden, die nun auf den Kanzeln, in den geheimen Gemächern und in den Kramläden ihre Bestimmung erfüllen, wären gleich anderm Ungeziefer, unbekant unter der Perüke ihres Verfassers gestorben, dem leren Raume der kritischen Zeitungen hätten Muster zu seiner Ausfüllung gefehlet; und die geistreichen Romane wären ungeboren geblieben, die nun den Geist der feinern Liebe durch modische Zoten bis zu der Köchin und dem Kutscher verbreiten, die die Langeweile von dem Golde verscheuchen, und die ermattete Wollust mit gedrukter Lokspeise anködern, die den deutschen Magen mit Eicheln und Konfituren blähen, ohne ihn zu nähren und die Dumheit aller lesenden Stände mit blumichtem Futter mästen. Diesem Hunger verdanken wir die Anstrengung, mit welcher der Dichter seine poetische Pfeife auf Unkosten seiner Lunge bläst, gleich gewissen Derwischen in Ägypten, die mit einem Stos in ihr Horn ihr Almosen fordern, oder den stummen Betlern, die durch ein tönendes Glökgen die Freigebigkeit um eine Gabe ansprechen. Diesem Hunger verdanken wir die Geschiklichkeit, mit welcher der Philosoph auf metaphysischen Seilen tanzt, auf den Beutel der mildthätigen Bewunderung hoffend, und mit welcher seine Ideen, gleich dem Rauche, in die Höhe wirbeln, wo, so viel er weis, neben dem Korbe sokratischer Abstrakzionen auch der sinlichere Brodkorb hängt. Ja diesem Hunger verdanken wir die Wahrheits- und Menschenliebe des Schriftstellers: denn nichts ist natürlicher, als daß die stechenden Säfte des Magens, die Uneigennüzigkeit aus ihrem Schlafe aufspornen, und daß ein Herz vol süsser Menschenliebe zu einem Magen vol bitterer Galle sich schlage. Ich habe selbst einen vortreflichen Schriftsteller gekant, dessen uneigennüzige Fruchtbarkeit an rührenden Bruchstükken das Publikum einem Stokke nagender Würmer in seinem Unterleibe zu verdanken hatte, welche unaufhörlich Ideen an den Magen abluden, der sie darauf durch die Nerven an das Gehirn und endlich an die Sele verschikte. Auf diese Weise waren die Feinde der Musen seine Musen; auf diese Weise vertraten verachtete Thiere bei diesen Meisterstüken des menschlichen Herzens die Stelle der Hebamme, eben so lokken in Arabien die Stiche eines gewissen Insekts aus der Esche das süsse Manna heraus, und eben so verbessern auf der Insel Malta gewisse Maden den Feigenbaum und zeitigen seine Früchte. – Wie sehr überbietet das Werk seinen Schöpfer; wie klein ist das Loch, woraus man oft Quartanten spinnt! – Allein eben dieses versöhnet mich mit dem scheinbar ungerechten Schiksale der Schriftsteller, die durch gedrukte Lügen dem verdienstvollen Beutel eines dummen Gönners ein erzwungenes Almosen abschmeicheln müssen. Denn der weise Apollo wuste zu gut, daß nur hungrige Jagdhunde am besten iagen, nüchterne Läufer am geschwindesten laufen, daß ein zaundürrer Pegasus länger als ein schweres Reitpferd bei Athem bleibe, daß man aus dem Kieselstein das Feuer herausschlagen, und aus dem gepolsterten Stuhle den Staub herausklopfen müsse – Darum stattete er seine Lieblinge mit Armuth aus, verbesserte ihre Sele auf Kosten ihres Körpers und gab ihnen wenig zu leben, damit sie ewig lebten.

Der Gedanke der Unsterblichkeit verzukkert also dem Schriftsteller sein ieziges bitteres Leben. Dies bringt mich auf die Betrachtung, daß Autoren nicht nur für ihren Magen, sondern auch für ihre Ohren schreiben, und Lorbern brechen, nicht nur um damit den Geschmak einer Rindfleischsuppe zu verbessern, sondern auch um sie um die Schläfe zu winden. Und dieser Endzwek ist auch erreichbarer als der vorige. Denn das Publikum bezahlt weniger karg als der Verleger, weil dieser die Belohnung in Geld und ienes sie in Wind auszahlt. Übrigens steht der kritische Ablas iedem für Geld, künftige Gegendienste u. s. w. feil, wie ich weiter unten von den Rezensenten zeigen werde, ieder wunderliche Heilige wird zum Gegenstande der Anbetung kanonisirt, und es giebt iezt der Unsterblichen eine solche Menge, daß man nur die neuesten kent und die übrigen schon vergessen hat. Die heutigen Journale, die Archive des schriftstellerischen Ruhms, sind daher nichts als eine Zusammenhäufung von Abbildungen der besten, deutschen Köpfe und ihrer Gaben, die endlich vom Ruhme der Kritiker selbst gekrönt wird – eben so ist ein Thurm in Ispahan, der aus lauter Ziegenköpfen, deren Hörner auswärts stehen, gebauet ist, und dessen Spize der Kopf des Baumeisters macht. – Hat dich der Zirkel deiner Bekannten einmal mit Bewunderung umräuchert, ein Klubb bartloser Rezensenten zum Erben des Nachruhms erkohren, oder gar ein Trup Nachahmer zum Führer einer gehörnten Herde ausgeblökt, und, was am meisten ist, ein Schok Weiber für den Kizel ihrer Thränendrüsen mit der Verewigung beschenkt: so glaube fest, dein Name sei der Zeit gewachsen, so troze dem Tadel unbekanter Klugen, so verachte die sichtbaren Zeichen deiner nahen Sterblichkeit, so füttere durch deine Fruchtbarkeit die gefrässige Vergessenheit sat, damit sie wenigstens etliche deiner Geburten verschone, und widerkäue in Gedanken deinen Ruhm, das Urtheil einer klügern Nachwelt hoffend, um deinen Muth in Verbreitung des Unsinns zu stärken, gleich der pythischen Priesterin, die sich durch gekäute Lorbern zur Raserei in heiligen Versen, erhob. Zwar hindert der unächte Kritiker die Beruhigung deines Ehrgeizes, durch unnüze Drohungen; allein im Grunde hindert er sie nur so lange, als das vorübergehende Gefühl deiner Schwäche ihm beifält, als dein Stolz ihn nicht widerlegt. Doch wil ich einige Perioden hin durch seine Sprache reden, um ihn hernach in der deinigen besser zu widerlegen. „Stolze Insekten, spricht dieser Herold der deutschen Schande, die ihr euch im warmen Stral der Abendsonne ein ewiges Leben träumt, oder auf dem Kothe, eure Wiege und eure Nahrung, den spielenden Glanz eurer Fliegeldekken bewundert, wie leicht kan euch der nächste Frost zerstöhren! Die heutigen Gözen des Tags riechen nach dem Weihrauch ihrer Verehrer; aber wie die Hunde bei verändertem Wetter stinken, so wird die kleinste Verbesserung des Geschmaks sie in den Abscheu der deutschen Nase verwandeln, und gleich einem Lichte wird ihr Ruhm kleiner werden, ie länger er glänzet. An diesem Ruhme werden sich die Zähne künftiger Mäuse wezen, und die Würmer – der Nachtrab des Todes – werden die gepriesnen unsterblichen Produkte noch früher als ihren sterblichen Schöpfer verdauen. Die Behältnisse des iezigen poetischen Feuers werden die Tobakspfeifen der Nachwelt anzünden, und den Pfeffer des Enkels umkleiden. Vorausgesezt, daß noch ein so später Tod sie verewigt, vorausgesezt, daß die Nachwelt sie durch die Spezereien der Rezensenten als Mumien, oder durch den scharfen Spiritus der Satire als seltne Misgeburten überkomt. Die Zeit wird dan die Flekken dieser Bücher, wie des Seehunds seine, vergrössern, und iedes Jahr ihnen in einer neuen Runzel das Zeichen seines vorigen Daseins zurük lassen. Die iezt streichenden Almanachs und übrigen Poetereien werden, gleich den streichenden Heringen, durch das Fortschwimmen im Flusse der Zeit immer magrer werden, die hinrauschenden Jahre den Kleister modischer Verschönerung abspülen, und die Sense der Zeit die iezigen Blümgen wegmähen.“ 2) So sagt der Kritiker; natürlich, daß ihm kein Autor glaubt, weil ieder blos sich glaubt. Wie leicht läst sich das Zischen der Misbilligung, über die Stimme des eignen Beifals und über die Hofnung eines bessern Urtheils verschmerzen! Und diese Hofnung ist nicht ungegründet. Denn die billigere Nachwelt wird unfehlbar dem Verdienste der heutigen Autoren die iezige Verachtung mit doppelter Bewunderung vergüten, und diese vortreflichen Schriftsteller werden erst unsterblich werden, wenn sie gestorben sind. So schwellen in Persien die todten Körper auf; so stinkt der Same des Korianders auf der Pflanze, und gewint nach der Trennung von derselben Wohlgeruch. Erst im Grabe werden sie dem Feuer ihres Genies freien Wirkungslauf lassen können, wie die Bomben erst in die Erde fallen, ehe sie die feurigen Werkzeuge des Todes um sich schleudern; erst aus ihren modernden Köpfen wird der Lorber, gleich den Haren, hervorspriessen, eben so grünet das Mos auf den faulenden Köpfen der hölzernen Esel vor den Stadthoren. Wie der weisse Schleim, womit der Wurm in der Perlenmuschel die Öfnungen seiner Schale stopfet, nach und nach zur Perle reift, ebenso wird der Nervensaft der oftgedachten Schriftsteller, der für schlechte Zwekke und oft blos für die Verbesserung zerrissener Kleider verschwendet wird, mit der Zeit in den glänzenden Gegenstand der künftigen Bewunderung sich verwandeln und zu den aufgereihten Perlen der übrigen Genies sich fügen. Denn vielleicht, daß das Geschlecht der Kenner nicht ausstirbt, die nur Bücher, welche die Würmer angefressen, schmakhaft finden – und so fehlt den Produkten der heutigen Autoren zur Unsterblichkeit nichts als eine lange Vergeßenheit und die Zähne der Würmer; wie die Produkte des Rindviehes, die Käse, sich durch Alter und Milben dem Gaumen empfehlen. Auch die Wilden finden faulende Fische am wohlschmekkendsten. Ja noch mehr, künftige Kritiker werden die Geburten der iezigen Köpfe zu Lehrern ihren Zeitverwandten distilliren, wie der Chemiker aus verfaultem Urin leuchtenden Phosphor schaft; und ihre Dinte wird die vermoderten Reliquien der Genieinsekten zum neuen Leben erwekken, wie aus einer mit Rindsblut besprizten Krebsasche neue Krebse auferstehen. 3) Von der Kunst solcher Kritiker hat also die heutige scheinbare Dumheit nach ihrem Tode die Verwandlung in Weisheit zu gewarten – eben so schuf sich Virgil aus einem toden Ochsen einen ganzen Schwarm von Bienen, eben so macht man aus dem wässerichten Gehirn des Potfisches Lichter – Gesezt aber auch, euer Ruhm hinkte eurer Schande auf zu langsamen Stunden nach; gesezt alle Eingänge zum Tempel der Ehre wären verschlossen, so steht doch jedem noch diese Hinterthüre offen. Denn nämlich, obgleich der Parnas durch die Umgrabung und Umwühlung von tausend schriftstellerischen Händen, unendlich an Fruchtbarkeit gewinnen mus; so ist doch ausgemacht, daß ihm durch die Verwesung aller dieser Glieder eine noch grössere zuwachsen müsse, wie man an einigen Orten die Weinberge nicht ohne Nuzen mit Ochsenklauen düngt. Wenn nun der Tod des Schriftstellers der Literatur frommet, so komt er auch dem Ruhme desselben zu statten – und so nährt die Verwesung seinen Lorber, so wurzelt auf seinem Grabe seine Unsterblichkeit. – Auf diese Weise ist jeder Schriftsteller seiner Verewigung versichert, und die Menge seiner Tadler beweist nur seine Untadelhaftigkeit, und ihr Sieg über das Leben seines Ruhms seine Vorzüge: denn je mehr Träger, desto vornehmer die Leiche. – Ja jede Schande sezt Ehre voraus; wer hängt, ist über die Erde erhaben. Und oft macht diese Schande berühmt und gros; eben so lassen die Rezensenten das Tadelhafte einer Schrift mit grössern Buchstaben drukken, eben so wird eine Mutter durch eine Misgeburt und ein Verbrecher durch den Pranger bekant. – Zu den obigen Gründen für die Verewigung der heutigen Schriftsteller fält mir eben ein Beyspiel aus den neuern Zeiten ein. Nämlich: wer hätte sich ie die Möglichkeit träumen lassen, daß Dichter des dreizehnten Jahrhunderts dem geschmakvollen Gaumen des achtzehnten behagen können, wer je den Minnesängern ihre iezige Auferstehung weissagen mögen? Und doch hat der Geschmak unter Friedrich und Joseph, die bestäubten Musen unter den schwäbischen Kaisern geplündert. Dieser lobenswürdige Fleis nun, der in den Bibliotheken, den litterarischen Gottesäkkern, nach altem Unrath scharret, wird auch auf unsere Nachkommen erben. Dann werden die künftigen Freunde des grauen Unsins, die jezigen Freunde desselben belohnen und zweite A-Z werden die poetischen Reliquien unserer Zeit für den Geschmak ihres Publikums verbessern, und sie von den verstorbenen Schönheiten säubern, – eben so kämte D. Kunastrokius Eselsschwänze klar, und rupfte die tauben Hare mit den Zähnen aus. 4)

Allein nicht alle schreiben, um Ehre zu erhalten; einige auch, um sie andern zu nehmen. Von diesen nun, die der Neid zu ungerechtem Tadel begeistert, deren Ehrgeize fremde Schande schmeichelt, und die man kurz unter den Namen der Rezensenten befasset, von diesen weiter unten!

Das dichterische Feuer steht dem Schriftsteller nicht immer zu Gebote, und das Genie fällt eben so oft in Ohnmacht, als ein Frauenzimmer. – Dieser Ermattung nun helfen verschiedene künstliche Reizungen ab. Der Schöpferkraft des Weins verdanken wir manchen gereimten Unsin, und dem Schaume desselben manche Venus. Die Poeten und die Hunde nämlich verliehren ihren Verstand auf entgegengesezte Arten. Der Mangel an Getränken macht die Hunde närrisch, wütend oder dichterisch; allein nur der Überflus daran spricht den Dichter von seinem Verstande los, und spornet ihn über die träge Vernunft hinweg. Diese Hize des Weins stört den Unsin der Phantasie aus seinem Winterschlafe, und wekt die buntschekkigte Brut der Träume aus ihrem Schlummer; – aus allen Winkeln des Gehirns kriechen verborgene Einfälle hervor, jede Ähnlichkeit, jede die Stammutter einer Familie von Metaphern, samlet ihre unähnlichen Kinder um sich, und gleich einer wandernden Mäusefamilie, hängt sich ein Bild an den Schwanz des andern; – alle Saiten des hohlen Kopfes tönen zu einem gleichzeitigen Misklang, das Gedächtnis wirft seine gestohlnen Schäze aus, und wie Heu durch die Nässe, erhizt sich der zusammengeraubte Haufen von verwelkten Blumen durch das Getränke. Nur auf diese Weise kan der Parnas mit einem Bedlam weteifern, nur durch das Einsaugen einer solchen Lauge kan der Unsin zu einer pindarischen Höhe aufschiessen. Darum waren auch alle geflekte Thiere dem Bacchus heilig; – wenn man nämlich das buntaustapezierte Gehirn eines Musensohns mit einem vielfarbigen Thierfelle vergleichen darf. Daher ist begreiflich, warum Bacchus seinen Hörnerschmuk bald an- bald ablegte; vorausgesezt, daß durch das vorige die Ebbe und Fluth des dichterischen Unsins begreiflich geworden. – Daher verehre ich neben den huldreichen Mäzenen, deren Verdienste der Magen dem Schriftsteller in die Feder sagt, niemand mehr als die Spinnen. Denn eben diese beschüzen mit ihren Geweben die Trauben vor den gefräßigen Mükken, und bewachen den Wein, den die Gönner an die Poeten verschenken. Auf diese Weise hängt an der Fruchtbarkeit des Hintern der Spinnen die Fruchtbarkeit genieartiger Köpfe; auf diese Weise nuzen dem Parnas unter allen Spinnen die natürlichen am meisten. – Daher verehre ich neben den huldreichen Mäzenen auch die Esel. Denn die Näscherei eines Esels veranlaste die Beschneidung der Weinstökke. Dafür errichteten ihm die Nauplier in Argien ein steinernes Ebenbild; und das hölzerne Ebenbild desselben von den Stadtthoren möcht' ich fast der Dankbarkeit der Dichter anempfehlen, da noch über dieses seine langen Beine ihr Ätherleben füglich abbilden. – Allein der Wein ist ein zu kostbares Mittel der Begeisterung, er ist öfter der Endzwek als der Vater der Verse, und manches Weinlied hat der Durst gemacht. Auch verraucht für die vorgesezte Anstrengung des Vielschreibers sein Einflus zu bald, den oft überdies die darauf folgende Lerheit im Kopfe, auf dem Papiere und in der Börse verbittert. Mit Vorbeigehung des edlen Gerstensaftes, und der übrigen Getränke, deren Einflus auf den langsamen Nervensaft schon durch gedrukte Zeugnisse verewiget worden, komm' ich daher auf die äussere Hize, die das Blut reichlicher nach dem Kopfe treibt, und der geistigen Fischerin einen reichen Fischzug von Ideen verspricht. Die Sonnenhize wekt nicht blos schlafende Fliegen, sondern auch schlafende Ideen aus ihrer Erstattung, und vereiniget in dem Kopfe wie in der Atmosphäre Dünste zu Blizen. Ihre Wärme zeitigt Früchte und Bücher, und leitet den Nervengeist nach dem Kopfe, wie den Saft der Erde nach den Gipfel des Baums. Zu Rom sollen in den Monaten der grösten Hize die meisten Mordthaten geschehen. Wenigstens aus den Lenden des Maies mag bei uns manches Almanachsgedicht entspringen. Dazu ist im Mai die Hochzeit der Natur; und die Jungferschaft der Musen wird doch nicht allein den Begierden des Dichters trozen und seine Verse überleben wollen? Der Hundsstern ists, unter dessen Wuth der Hund in gefährlichen Geifer und der Dichter in nüzliche Verse ausbricht, und der beide an die Menschen hezt. Im Winter ist ein warmer Ofen der Vice-Apollo. Er schmelzet unähnliche Begriffe in einem Vers zusammen, und nährt unbefiederte und dem Ei der dunkeln Idee kaum entschlüpfte Hirngeburten mit dem beschleunigten Zuflus gestohlner Ideen – so nistet die Schubuteule an den heissesten Orten, wo die Sonnenhize das Aas für ihre Jungen in Brei auflöset. – – Aber o ihr Stüzen des deutschen Wizes, wendet nie an die Begeisterung zu viele Kosten, und schwizt und trinkt nie zu oft, oder zu sehr, damit ihr beides lange könnet; sonst würdet ihr euer theures Loben der Verewigung aufopfern, sonst würde der Pegasus gleich dem gezähmten Krokodil, seinen Reiter verschlingen. –

Wer solte wohl glauben, daß Krankheit zum Bücherschreiben eine Ursache, wenigstens eine Veranlassung werden könne? Oder vielmehr, wer solte es nicht glauben, da Apollo sowohl der Gott der Ärzte als der Musen, und also auch der Krankheiten wie der Bücher ist? – Einem kranken Körper ist die Sele die gröste Unthätigkeit schuldig, und sie mus ihn aller der Anstrengung überheben, die der rükkehrenden Gesundheit den Weg vertreten könte. Daher ist der Ruhe des Pazienten ausser dem Schlafe nichts bessers vorzuschlagen als das Bücherschreiben. Diese Arbeit entzieht den Geist allen Gedanken, ia sogar der Ermüdung lebhafter Träume und schränkt seine ganze Anstrengung auf die Handhabung einer leichten Feder ein. Diesem Nichtdenken sind wir daher manche Kunst zu denken schuldig: denn ohne Logik läst sich nichts leichter schreiben als eine – Logik. Und das Krankenbet mag die Wiege von manchen vortreflichen Betrachtungen gewesen sein, die Kranke für andere Kranke in den Druk gegeben, und die darum auch nicht für den gesunden Verstand geschrieben sind. Ja die Krankheit arbeitet oft selbst an dem Buche. Der Druk etlicher geprester Winde im Unterleib vermag das ganze Gebäude des Optimismus umzustürzen; ein verschleimter Magen trägt blühende Deklamazioneu gegen den Luxus, und gesalznes Blut würzt die Satire mit beissendem Wiz. Wie Gewächse zwischen Steinen besser gedeihen, so wuchs mancher Lorber durch die Steine in der Harnblase, um einige Zolle höher, und eine übelabgelaufene Aderlas versah einmal alle Almanachs des deutschen Reichs mit rührenden Elegien: so fliesset das Gummi aus den Bäumen, nach gemachten Einschnitten. Ich rechne zu meiner Glükseligkeit die Nachbarschaft eines Musensohns, der auf der Spize eines Parnasses von fünf Stokwerken weilet, und den Bachus und Venus mit der Schwindsucht beschenket haben. Wie die Zugvögel, kehret seine Krankheit im Frühlinge mit sichtbaren Äusserungen und mit ihr sein trauriger Gesang zurük. Sobald das Blut seinen Speichel färbt, so wimmert seine genieartige Lunge in youngischer Melodie. So verkündigen die blutigen Fleken im weissen Kothe der Stubennachtigal, die Ankunft ihres Gesangs. – Bücher sind oft nichts als Symptomen eines kranken Geistes. Predigten schreiben, heiss' ich, den Durchfall haben; dichten, das Fieber haben; epigrammatisiren, die Kräze haben, und rezensiren, die Gelbsucht haben. Nur das einzige Chiragra ist die Feindin der Musen und bindet der Schöpferin geistiger Meisterstükke die Finger. Des vortreflichen furor poeticus, oder der Tolheit, der heutigen Melpomene, wird weiter unten gedacht werden. –

Die ewige Jugend der Musen adelt die Jugend ihrer Söhne, junge Schriftsteller sind daher die besten. Dasselbe Vermögen, welches den Jüngling bald zum Vater vaterloser Kinder macht, berechtigt ihn zur Erzeugung anonymischer Bücher, und die Akademie erlaubt ihm die erste Schändung der Musen und der Mädgen. Seine Bedürfnisse, seine Fähigkeiten lokken ihn zum Gebrauch der Feder. Seine Bedürfnisse – denn an dem Orte, wo die Gelehrsamkeit zu Hause und im Schlafrok ist, wo die Weisheit mit Stok und Degen, in jeder Gasse ein Logis für sich und ihre bezahlenden Freunde gemiethet und wo der Katheder blos das Echo klingender Goldstükke ist, an diesem Orte kauft sich der Jüngling den Verstand seiner Lehrer um einen Preis, den der Wert der Sache nicht immer unterschreibt, an diesem Orte mus man daher das Publikum zu lehren anfangen, damit man selbst lerne und Bücher schreiben, um welche kaufen zu können, wie einige Wilden gegen ihre Kinder Weiber einhandeln. Mit dem Lohn gedrukter Epigrammen befriedigt man den Harkräusler und die Arbeit der innern Seite des Kopfs bezahlt die Zierde seiner äussern; zusammengeflikte Verse flikken den Rok, schmuziger Spas wäscht die Hemden und mit einem verdorbnen Allerlei erschreibt man sich ein Schaltjahr von Braten. Man singt da die Liebe, um sie bezahlen zu können. Übrigens hascht der Jüngling auch nach Luft, dem Elemente des Ruhms: daher lispelt er durch die Feder – das Sprachrohr der Fama – dem Ohre der Welt d. h. etlicher Bekannten seine Grösse zu. Sein Ehrgeiz weidet sich an der Verwunderung seiner Freunde, und wuchert gierig die gefälligen Mienen ein, die sie an seine Grösse verschwenden. Man stelle sich vor, wenn er, dieser Weltschöpfer in nuce, nun sechs Monate im Schweisse seines Angesichts Bilder, die ihm gleich sind, geschaffen und vom siebenten selige Ruhe erwartet; wenn alle Figuren seiner Gallerie in bunten Kleksen schimmern, für die er auf Kosten der Zukunft alle Muschelschalen seines Farbekästgens ausgeleret; wenn er seinem Kinde einen Pathen und sich das Pathengeld erbettelt hat – man stelle sich vor, sag' ich, mit welcher Wollust er dann das schön gebundne Buch – die vergoldete Nus ohne Kern – seinem Vater überschikken mag, der aus Vergnügen, den ersten geistigen Enkel, die erste Kraft der Muskeln seines Sohnes, zwischen den Fingern zu halten, das fruchtbare Feld mit Goldkoth, dem Exkremente des Glükkes, düngt. Freilich mus er in der Vorrede seinen Eigennuz mit einer menschenfreundlichen Larve zieren, und seine Absichten mit etlichen Lügen beschönigen. Denn die Liebe zu den Menschen, nicht zu den Huren; der Erwerb etlicher von Edlen geweinten Thränen, nicht des Weins; das volle Herz, nicht der lere Magen; die Befriedigung seiner bittenden Freunde, nicht der ungeduldigen Gläubiger – gaben ihm seinen Kiel in die Hand. Auch die Wahrheitsliebe ist die Mutter seiner Bücher. Diese nöthigt ihn zur mühsamen Unternehmung, der ganzen Welt den Star zu stechen, und bestraft sogar seine Zurükhaltung mit empfindlichen Gewissensbissen; so büsset oft eine Frau die Zurükhaltung ihrer überflüßigen Milch mit gefährlichen Krankheiten. Und da die Wahrheit sich mehr zu schwachen als starken Köpfen hält, wie ihr Thier, die Eule, nur in eingefalnen Gebäuden nistet, da sie gerne von der Menge zu einem Einzigen flüchtet, da sie troz dem emsigen Schweisse, den Müßigen in den Kopf und in die Feder fliegt, warum solte der glükliche Jüngling von seiner Vertraulichkeit mit derselben, nicht den besten Gebrauch machen? nicht den Denker durch die Resultate seines Nichtdenkens aufhelfen, nicht den Haufen irrender Köpfe vermittelst seiner Dinte mit Einsicht taufen und nicht mit den Geschenken des Zufals oder eines Augenbliks, der Armuth des vergeblichen Fleisses steuern? – Dies wohl erwogen, wird man daher den Zorn jedes Schriftstellers rechtfertigen, dessen Behauptungen man blos mit Einwürfen empfängt, dessen Wahrheitsliebe man blos mit Wahrheitsliebe vergilt; wird seine Hartnäkkigkeit gut heissen, gegen die blosse Gründe wenig verfangen, und seine Antipathie gegen Belehrung seinem Eifer, zu belehren, anrechnen! – Aber auch die Fähigkeiten des Jünglings schaffen ihn zum Schriftsteller. Er ist zu unwissend, um jemand anders als das ganze Publikum unterrichten zu können, und stolz genug dem Tadel Unverbesserlichkeit entgegen zu sezen, und für den Ruhm der Originalität jede Thorheit zu wagen. Zu dem Romane besizt er alle Anlagen und allen erforderlichen Mangel an Menschenkentnis, und sein hiziges Blut verspricht vortrefliche Tiraden im Trauerspiele. Unbekant mit der Kritik feilt er nie von seinen Werken den Stempel der schlechten Natur hinweg, aber verbessert dafür in Rezensionen fremde Produkte. Zu allen diesem komt noch das wichtigste, seine Liebe. Seine Hure ist seine Muse und wie die Propheten des alten Testaments zum Besten der israelitischen Kirche hurten, so hurt er zum Besten der gelehrten Republik. Die Liebe veranlagt und begeistert ihn zum Gesange; der Vogel singt vor der Begattung, die Musik geht vor dem Schauspiele vorher und die bessern Theile des Holzes rauchen, ehe die schlechtem brennen. Nur der ideenlere Kopf des Jünglings freilich fängt, gleich ungeschmierten Rädern, am leichtesten Feuer: denn hohe Zimmer sind nicht gut zu heizen. Und eben dieser Vorzug bestimt ihn zum Autor. Ja da Reden und Thun sich wie Kopf und Fus verhalten, da das Pedal gröber klingt als das Manual, da die Haut der Fussolen dikker als die der Hände ist, und man nicht den Fusboden, nur die Dekke des Zimmers mit Gemählden verschönert, so kan er in der Schule der büffon'schen Liebe die platonische lernen, kan vermittelst seiner Verse, des gedämpftern Wiederhalles der gröbern Wollust, die Thränendrüsen des Publikums mit dem weinerlichen Durchfal anstekken, und, gleich den Türken, die nach Russel's Bericht, vor dem Gebet ihre Nothdurft verrichten, die Hurerei mit der Empfindsamkeit krönen. Auf diese Weise erscheint er, gleich einer gewissen Schwalbe, im Fluge grösser als in der Ruhe, und die vielfarbige Blume seines Wizes verdankt einer Wurzel, die sich vom Miste nährt, ihren Ursprung und ihren Unterhalt. Bei jedem Anfluge von Studenten, die den Schos ihrer Väter verlassen haben, wünsch' ich daher der Litteratur zu ihrer künftigen Fruchtbarkeit Glük – so weissaget der Bauer aus dem Absprunge der Zweige von den Tannen, die Fruchtbarkeit des künftigen Jahres.

Zur Jugend geselt sich ein würdiger Kollege, das Alter. Nur der Name und die Gestalt veranlagt die Unähnlichkeit beider. Denn dieses hat nur vergessen, was jene noch nicht gelernt, dieses steht an der Vorderthüre, jene an der Hinterthüre der Kindheit; die Hare dieses haben die Farbe der Zeit, und die Hare jener sind gepudert, die Feder ist bei diesem Krüke, bei jener Stekkenpferd. Ein alter Schriftsteller ist daher ein guter, er hat die zwo nöthigsten Eigenschaften, Schwäche und Stolz. Von der Bescheidenheit sprechen ihn seine Jahre los, und er hat das Recht, jeden für einen Esel zu halten, der kein grauer ist. Darum darf auch das Alter zensiren, so wie die Jugend rezensirt. Da auf seiner Nase die Augen seiner Augen sizen, so kan die Wahrheit diesen seinen vier Schlusarten – dem logischen Postzug – wohl nicht entgehen, und mit der Krükke des Gesichts, wenn ich die Brille so nennen darf, kan er doch einen Protheus einholen. Wenn daher aus seinem Kopfe, in welchen schon tausend Bücher eingegangen, und aus welchem keines ohne das Zol an das Gedächtnis, wieder herausgegangen, wenn aus diesem Kopfe ein eignes komt, so wird es natürlich ein gutes sein, wird sich durch die gestohlnen Lappen andrer Bücher empfehlen und mit dem Reichthum des Gedächtnisses die Schwäche des Verstandes bemänteln – eben so schäzt man in Norwegen die sogenanten Käsekästen, in welchen man die Käse aufbewahret, nach ihrem Alter: denn je älter sie sind, desto zahlreicher sind die alten Brokken, die immer von den vorigen Käsen zurükgeblieben, und die jeden neuen schmakhafter machen – Sezt man zu diesem allen, daß sich im Alter alle Thätigkeit vom ganzen Körper in die Zunge zurükzieht, daß die Erweiterung des Mundes mit der Anrükkung des Ende des Lebens wächst, wie die Gedärme imer weiter werden, je mehr sie sich dem Hintern nähern, daß die Geschwäzigkeit mit der Dumheit weteifere, wie man das Maul weit aufreist, eh' sich die nikkenden Augen zum Schlafe zuschliessen, sezt man dieses zu dem vorigen hinzu, so ist aus den scheinbaren Gebrechen des Alters sein Recht an die Führung der Feder, erwiesen. Denn durch eben diese schäzbare Geschwäzigkeit stopft man ganze Alphabete vol Buchstaben und Worte. Da die Jahre, so viel ich bemerkt, die Liebe grosser Genies zu den Musen nur noch mehr entflammen, wie das Alter die Brunst der Hengstesel vermehren sol, da Bücher aus alten Köpfen wie Schwämme aus faulen Bäumen, entspringen, und es schwer ist aufhören zu schreiben, wenn man lange geschrieben, so ist es auch billig, daß Dinte so lange aus der Feder des Schriftstellers fliesse, als der Sand in dem Stundenglase des Todes, und daß er noch mit dem Ende seines Lebens seine Mitbrüder geissele, wie man aus dem stachlichten Schweife der Roche eine Peitsche macht. – Das jugendliche Gesicht der Muse kan sich so gut mit seinen Runzeln vermählen, als die Venus mit dem hinkenden Vulkan. –

So nach mus man wohl viel schreiben? Allerdings, da man von Aufgange bis zum Untergange des Lebens schreiben kan. Lieber Freund, wie die Katholiken schon Jahrhunderte lang mit der Milch der Maria schachern, so kanst du es mit deiner Dinte wenigstens etliche Jahrzehnte, oder kanst mit deinem Unsin, wie der Dalai Lama mit seinen Exkrementen, wol gar dein Lebelang handeln. Jedes Jahr müssen wo möglich alle neun Musen, der Schöpfungskraft deiner herkulischen Lenden fröhnen, und keines müsse ungetrübt von deiner Dinte das Meer der Ewigkeit erreichen! Wirft doch auch der Hirsch jährlich die hölzernen Geburten seines Kopfes ab, entledigt sich doch die Schlange jährlich ihrer alten Haut! Doch in der Vielschreiberei nimt es unser Deutschland mit jedem Volke auf! Es besizt Köpfe, die an ihren errungenen Lorberkränzen ihre Jahre herrechnen, wie man das Alter der Ochsen aus der Anzahl der Ringe ihrer Hörner bestimt. – Köpfe, die sich wie die Masern jährlich, ja oft sechsmonatlich, beim Publikum einfinden – es besizt schriftstellerische Finger, die an Buchstaben so fruchtbar wie an Nägeln sind, und Autoren, die Feinde des leren Raumes, mit ihrer eignen Lerheit das Papier beflekken, und gleich den Sinesen schwarz für die Freudenfarbe und weis für die Trauerfarbe halten; Autoren, deren Werkstat angemessene, zugeschnittene und gemachte Bücher zugleich füllen. So vertragen sich an demselben Zitronenbaum Blüte, halbreife und ganz reife Früchte, so wirft nach dem Opptian die Häsin einen zeitigen Jungen, trägt zu gleicher Zeit im Uterus einen ohne Hare, und einen ungebildeten. – Aber zu was Ende diese Vielschreiberei? welche Frage! als wenn man sich nicht mit aufgethürmten Büchern den Thron des Ruhms erbauen müste! als wenn die Fruchtbarkeit auf dem Parnas nicht eben so viel Ehre wie im alten Testamente brächte! als wenn nicht die Autoren, gleich den isländischen Weibern, am längsten lebten, die die meisten Kinder gebohren! Übrigens kam die obige Frage gewis nicht aus dem Magen! – Der Vielschreiberei redet auch folgendes Verfahren das Wort. Die Begierde des Buchhändlers, die Welt mit Wahrheit aufzuhellen, plündert die Studierstuben verstorbener grosser Schriftsteller, und durchstankert ihre Pulte, um mit ihren zurükgelassenen Exkrementen, die der Name ihres Verfassers in Konfekt veredelt, das hungrige Publikum abzuspeisen – so durchsucht man im Königreiche Monsul oder Murfili, nach Marko Polo's Bericht, 5) die Nester ausgeflogener Adler, um in dem Kothe derselben Diamanten zu finden; so glaubte man sonst, der Harn des scharfsichtigen Luchses verwandle sich in Edelgestein. Warum solte nun nicht ein lebender Schriftsteller mit seinem eignen Unrathe diese Begierde nach Unrath sättigen? warum solte er seinen Überflus der allgemeinen Hungersnoth entziehen? warum solte er nicht mit seiner Fruchtbarkeit dem Magen des Publikums die Exkremente der Todten ersezen?

Ein anders ist die Frage: wie schreibt man viel? Durch die Beantwortung derselben werd ich der genauern Bestimmung der schriftstellerischen Eigenschaften immer näher kommen, wozu ich durch das Vorige fast blos ausgeholet habe. Wer seiner Faust die nöthige Fruchtbarkeit erleichtern wil, mache es so! Alle Gedanken, die seine ersten Produkte verschönerten, lasse er in den lezten unter einer neuen Verkleidung eine neue Rolle spielen, und streiche ihnen, wie alten Hüten, den Schein der Neuheit an. Alle Ideen, die ihm der Zufal ins Gehirn wirft, die dem ersten Augenblikke des Erwachens aufstossen, die den Vortrup der nächtlichen Träume machen, die in der Hize der Unterredung aufschiessen, die er der gesellschaftlichen Vertraulichkeit, oder der zufälligen Lesung eines halben Wisches abstiehlt, die der nothwendige Müßiggang auf dem geheimen Gemach, erzeugt, oder die endlich kaum aus der Dunkelheit entsprungen, das ergreifende Gedächtnis täuschen, wie die dem Ei entschlüpften Rebhüner sogleich ihre Geburtsstelle verlassen – alle diese Ideen beschenk' er mit einem papiernen Körper, und belebe sie mit Dinte, scharre sie auf einem Haufen zusammen, und schiebe sie auf irgend einem Karren zu Markte. Wird man so das leise Auftreten jedes Gedanken belauschen, so jeden in ein Buch zu meinen übrigen Geselschaftern sperren, so vom Gehirn jeden Ansaz eines Einfals abkrazen, so durch Worte jeden Frosch zu einem Ochsen aufblasen: so wird aus jeder troknen Materie ein Oktavband, aus jedem Steine werden Kinder, hervorspringen; so wird jeder Kopf der Stamvater einer verschwisterten Bibliothek werden, und mit seiner Fruchtbarkeit einen eignen Schrank ausfüllen, so wird der Zahn des Autors keine Feder mer verwüsten, und seine Hand die kleine Stirne nimmer reiben, wie die Fische ihren Bauch an dem Sande reiben, um ihre Eier leichter zu gebähren! –

Stehlen ist der Puls der Vielschreiberei. Die gelehrte Republik schäzt, wie Sparta, die Vorzüge der Diebe, die ihre langen Finger unter irgend einem Handschuh zu verstekken wissen, und die Journale winden um die Schläfe derselben schöne Kränze, stat daß die peinliche Halsgerichtsordnung Karl's des fünften ihren Hals mit einem Strik zuschnürt. – Einige Thiere haben in ihren Winterhäusern zwo Kammern, deren eine die eingesamlete Speise, und die andere ihren Auswurf aufbehält. In der Studierstube eines ächten Gelehrten sind daher fremde und eigne Werke, Exzerpten oder Speisekammern, und eigne Papiere, die Behältnisse der verdauten Exzerpten oder geheime Gemächer. Der uneigennüzige Trieb dieser schöpferischen Abschreiber, zum Besten der Menschheit, das unter ihrem Namen drukken zu lassen, was anfangs nur unter dem Namen des Verfassers gedrukt wurde, die Billigkeit dieser Menschenfreunde, ihren Unterhalt nicht aus fremden Kästen, sondern nur aus fremden Büchern zu mausen, schleicht nun auf verschiednen Wegen zu ihrem Zwekke, vermumt in verschiedne Gestalten ihr glänzendes Verdienst. Der eine löthet die disiecta membra poetarum mit eignen Reimen in ein horazisches humano capiti cervicem pictor equinam etc. zusammen, schnizt sich aus Eichen ein hölzernes Musen- und Stekkenpferdgen, wie man aus zertrümmerten im Herkulan gefundenen Pferden von vergoldetem Erzt einen neuen Gaul zusammengos, und opfert weiblichen Nasen die wohlriechenden Extrakte, die er, gleich dem Parazelsus 6) aus poetischen Auswürfen distilliret, und zum Beweis der Wirklichkeit des deutschen Zibeths, der Welt mittheilt. Ein andrer, durch irgend einen grausamen Spiegel mit seiner Kleinheit bekant, flieht ein so mühseliges Handwerk, begnügt sich mit der Beraubung eines einzigen, reitet durch seine Pymäenlenden bewogen, wie Gulliver auf den Brustwarzen eines jungen Mädgen von Broebdignak, so auf denen einer einzigen Muse, oder schneidet höchstens einem fremden Pegasus den Schwanz ab, stekt ihn zwischen seine kindischen Beine, und rudert damit auf die Ewigkeit zu. „Der Eiche Splitter sind der Sträuche Donnerkeile.“ Eben so reicht der Raub von etlichen ihrer Blätter zur Bekränzung seines zwergartigen Kopfes hin. – Der eine maskirt sich gleich den bei ihren Diebstälen vermumten Dieben in England, in Namenlosigkeit, und raubt fremden Honig, gegen die Stacheln seiner Besizer mit Bienenkappe und Handschuh versehen; ein anderer verhült seinen Eigennuz in Uneigennüzigkeit, stiehlt dem Schweisse seine Frucht, um sie dem Publikum mitzutheilen, und bereichert sich aus süsser Menschenliebe durch anderer Verarmung, so bestreichen nach Pokokke's Bericht, die ägyptischen Diebe ihren nakten Leib mit Öhle, um bei ihren nächtlichen Thaten nicht ergriffen zu werden. Einige mausen dem Autor nichts als das Buch, welches sie dafür mit einer eignen Vorrede, und auch einem eignen Register ausstatten, d. h. mit einem bessern Kopfe und einem bessern Schwanze verschönern, eben so schaffet Scheuchzer das sogenante Einhorn, indem er dem Bilde des Pferdes einen Eselsschwanz und ein Horn auf der Stirne, anmahlet. Andere fischen im Zirkel freundschaftlicher Vertraulichkeit, nach entfalnen Gedanken grosser Männer, schwazen mit der List des Fuchses in der Fabel, andern einen Käse ab, und verwahren im Gedächtniß die aufgelesene Frucht eines fremden Mundes, für ihre neueste Schrift, so verschlukt der Dieb Edelgesteine in der Hofnung, sie in seinen Exkrementen wieder von sich zu geben. Ja oft bestiehlt der Schüler den Lehrer, lügt der Welt seine erborgte Grösse vor, bis diese vor der grössern ihres eigentlichen Besitzers, wie vor der Sonne, der mit ihren Strahlen prangende Mond, erblast, oder verwahrt seinen Raub bis zum Tode des Eigenthümers, um ihn hernach durch eigne Zusäze unkentlich zu machen: so säugte einmal eine Wölfin den Son eines Gottes, den Romulus. Einige unsterbliche Autoren verschlechtert ihren Diebstahl zu ihrem Eigenthum, und prägen auf Silber ihr langöhrichtes Ebenbild; andere wollen den Zeugen ihrer Armut mit unnüzem Reichthum verdächtig machen, und verbrämen den gestohlnen Kastorhut mit eignen abgeführten Tressen. – Darum ist oft der Verfasser schlechter als sein Buch, und das Kind dem Vater so unähnlich, darum verstummen oft in Gesellschaft die Unterhalter einer ganzen Lesewelt – eben so geniest man nicht das Krokodil, sondern nur seine Eier. Daher schreibt sich das Buntfärbige mancher Schriften: denn eigentlich genommen, sind die Kazen, die Originale der gelehrten Diebe, nach dem Urtheile der neuesten Naturforscher, höchstens zweifärbig. –

Viel zu schreiben, mus man wenig verbessern. Jeder ächte Skribent wird mir beifallen und die Schädlichkeit der Kritik gestehen. Dieses Ungeheuer nährt sich von den Schoskindern der Schriftsteller und fordert jede geistige Erstgeburt zum Opfer – doch ist, nebenher anzumerken, hiervon die Erstgeburt des Esels, wie im alten Testamente, zum Troste der heutigen Autoren ausgenommen. – Die Kritik polirt, aber auf Kosten der Grösse. Sie ist der Stimhammer der poetischen Instrumente; aber wer weis nicht, daß das Stimmen die meisten Saiten kostet? Der Kam kämmet die Hare in Ordnung; aber er reisset ihrer auch genug aus. Und dazu wird sich wohl kein heutiger Autor verstehen; denn erstlich weis er ja, daß sein Produkt für die Verbesserung zu gut gelungen, und daß sein Kind für eine nachfolgende Erziehung zu vollkommen geboren ist. Spottend einer schädlichen Ängstlichkeit, die sich in Kritik verstellt, schüzet so ein Meister die Werke des ersten Augenbliks gegen die Verbesserung des Fleisses, und entzieht so gar sichtbare Unebenheiten der kritischen Feile. Je grösser er ist, das heist, je grösser er sich zu sein dünkt, destomehr verschmäht er die Vollendung, desto weniger verhunzt er die Fehler der ersten Hand durch die Arbeit der lezten. Denn in der Unvolkommenheit seines Werks selbst verräth sich die Volkommenheit desselben; je sichtbarer die Flekken auf der Perlenmuschel; desto grösser die Perlen darinnen. Die Regeln fesseln nur Geistesarme, wie der Churfürst von der Pfalz Betler zu Leibeigenen machen kan; und durch die Befolgung derselben verliehrt sich der Anschein von Originalität in kahle Regelmäßigkeit. Politur zeugt von Schwäche, so widerspricht nach dem Talmud die glatte Haut eines Mannes dem Versprechen seines Geschlechts, und Rauheit ist Schönheit, wie die Mahler alle Engel mänlichen Geschlechts mahlen. Da übrigens die heutigen Skribenten so sehr nach dem Natürlichen und Ungekünstelten haschen, wie ich weiter unten bei Erwähnung ihres vortreflichsten Talentes, der Schwülstigkeit, zeigen werde, da sie die Sichtbarkeit der ängstlichen Kritik so viele Werke verstellen und meistens den Schorstein über das Haus hervorragen sehen, so ist ihnen der Has gegen jede Verbesserung nicht zur verübeln. Zwar behaupten einige, eben der Kunst verdanke man die Natur, und jene sei da am grösten, wo sie am verborgensten ist – nur klaren Saiten sähe man die Schwingung nicht an, und wer sich gewaschen, müsse sich freilich hernach abtroknen – und endlich die Kritik sei nie die Muse selbst, sondern nur ihre Hebamme, gehe nur als ein leuchtender aber kalter Mond nach dem Untergange der blendenden und heisen Sonne auf, und wie die Gothen sich zweimal, trunken und nüchtern, berathschlugen, so gälte sie nur in Geselschaft des Enthusiasmus. Allein alles dieses trift die heutigen Autoren gar nicht. Denn der Gebrauch der Kritik würde ihre Werke nicht verbessern, sondern vernichten, welche, gleich dem Blei, nur in der Hize glänzen, und erkaltet sich mit einer widrigen Farbe überziehen, ja da diese vortreflichen Köpfe sich nie zu Lesung einer aristotelischen Poetik herablassen, so mus ihre eigne ungebildete Kritik ihre Arbeit nur noch mehr verschlechtern: so beschmuzt der Grönländer sein Gesicht, indem er es mit seinem Speichel wäscht – Auch weis jeder, daß grosse Schriftsteller sich durch die kurze Bearbeitung ihrer Werke von den kleinen auszeichnen, die einem einzigen Buche ein halbes Leben widmen, wie umgekehrt grosse Thiere länger als kleine brüten und tragen. – Zweitens – ich sagte oben erstlich – liebt jeder Vater das Misgeschöpf seiner Lenden, und stat eine Misgeburt gleich den Wilden zu töden, komt er schwachen Kindern durch väterliche Zärtlichkeit zu Hülfe wie die grönländischen Mütter die ihrigen durch lekken zu stärken vermeinen. Gegen einen solchen Kindermord sträubt sich der erste Naturtrieb aller Wesen, ich meine der – Hunger im väterlichen Magen, der Gedanke an die verminderte Bogenzahl. Sezt zu diesem noch die Kränklichkeit der meisten schriftstellerischen Produkte und ihren baldigen Tod, wird man da noch den Dolch der Kritik zur Verstümlung oder gar zur Ermordung derselben auffordern wollen? Sol der Vulkan den Würmern die Nahrung vor den Zähnen wegnehmen? Sol der Vater den Henker seiner Kinder spielen? sol er dem Zahne der Zeit mit seinen eignen Zähnen vorkäuen? Ach last doch dem Schriftsteller die Liebe gegen eine Schande, die so bald stirbt, und zwingt ihn nicht zur Ermordung eines so hinfälligen Ruhms! Nie wafne er die zärtliche Hand gegen das Kind, das sie gezeugt; nie vergehe sein Kunstwerk unter dem Meisel, der es gebildet; und nie fliesse aus der Spize seiner Feder, wie aus dem Schwanze gewisser Schlangen, die giftige Dinte, die die neugebohrne Zeile hinrichtet! –

Aber nicht nur eignem, sondern auch fremdem Tadel, opfert der echte Skribent keine Zeile auf. Er billigt das Lob einer Rezension, aber er kehrt sich an keine Misbilligung. Und wie solt er auch? Fält er das Urtheil über seinen eignen Werth doch allein mit der Unparteilichkeit, deren der Neid den Kunstrichter unfähig macht; hat er doch allein die Augen, seine geschafne Schönheiten zu sehen; ist er doch allein der beste Leser, wie der beste Schriftsteller, allein der Pygmalion, der sich in sein steinernes Geschöpf verliebt! Darum schmeichelt er seinen entdekten Mängeln, wie die Hunde ihre Gebrechen lekken; darum sumset er um die Ohren seines Tadlers die Strafe einer langweiligen Widerlegung, und sticht ihn mit Epigrammen in den Strumpf, eben so schossen die Thrazier Pfeile gegen den Donner; darum nähret Zurechtweisung seinen Zorn und sein beunruhigter Stolz erscheint in verstärkten Glanze, wie umgerührte Dinte schwärzer wird. Sehr billig ist er, wenn er den Tadel verzeiht, ohne ihn zu benuzen; wenn er den Fehler betastet und ihn sizen läst, wie manche den Hut berühren, ohne ihn abzunehmen. Auf gleiche Weise trozt seine Unverbesserlichkeit der Satire. Da er weis, daß das Kleid der Satire oft gerade dem Endzwekke entgegenwirkt, den nur der Körper derselben erreicht, daß ihre Form Thorheiten veranlagt und nur ihr Inneres Thorheiten verhindert, wie die Körner der gelben Distel (Argemona Mexicana) laxiren und die Blätter derselben verstopfen; so freuet er sich ihres beissenden Wizes und seiner Fehlerlosigkeit zugleich, dichtet dem andern die verlachten Fehler an, und das Kind geisselt mit der Ruthe des Vaters seine Spielkameraden. –

So mus ein rechter Schriftsteller wohl stolz sein? Ja! das mus er. Auch ragt blos durch den Stolz der deutsche Parnas über den eiteln französischen hervor, und ihm verdanken wir die gehofte Bewunderung der Nachwelt. „Gesegnet sei der Man, der den Stolz erfand. Der Stolz ist der Mantel, der alle Grillen bedekt, eine Speise für den Hungrigen, ein Trank für den Durstigen, eine Wagschale, die den Schäfer dem Könige, und den Dumkopf dem Klugen gleich macht, kurz eine algemeine Münze, für die man alle Dinge kaufen kan.“ So könt' ein zweiter Sancho Pansa den Stolz loben, wie der erste so den Schlaf lobte. Und gewis mit Recht. Stolz ist die Mitgabe des Dichters; Wärme dehnet die Luft aus. Gewöhnlich fürchtet sich jeder Esel vor dem Schatten seiner Ohren 7) allein die Musensöhne spiegeln mit inniger Wollust ihre Gehörwerkzeuge – die Früchte eines unfruchtbaren Kopfes, die Pilzen auf dem Miste – in dem blinkenden Thaue und dem murmelnden Bache ab. Solche grosse Köpfe machen ihre Zunge zu ihrer eignen Schmeichlerin, wie das Rindvieh sich gerne lekt; aber nur das Rindvieh, nicht der Poet schadet dadurch seiner Mastung. Freilich, da das Rindvieh jenes Lekken unterläst, sobald man es mit seinem Kothe beschmiert, so solte man denken, daß kritische Peitschenhiebe jene Unsterbliche aus dem Traum von eigner Grösse wekken, daß eignes Lob an fremden Tadel scheitern und und Stolz an der Satire wie der Pfau an Brennesseln sterben müsse. Allein weit gefehlt! Vielmehr befruchtet den Stolz satirische Galle; er gleicht gewissen Früchten, die von jeder unsanften Berührung aufschwellen. Zum Ersaz des verweigerten Weihrauchs, schmeichelt er seiner Nase mit dem Opferdufte seines Unterleibs, und freuet sich der wohlriechenden Blähung. Unicuique stercus suum bene olet. Einem jezigen Tadel sezt der Schriftsteller das Andenken eines vorigen Lobes entgegen. Ich glaube daher, daß die litterarischen Gözen des vorigen Jahrzehends die Abgötterei des jezigen über die Erinnerung ihrer vergangenen Ehre leicht verschmerzen, daß sie jede Wunde von Geiselhieben mit wohlriechendem Balsam aus den Büchsen des vergangenen Jahrzehends leicht salben und so wie man Tabak gegen den Gestank nimt, sich den bittern Theil des Lebens mit seinem süssern leicht verzukkern können. Eben so riecht der Fuchs an den nelkenartigriechenden Flekken seines Schwanzes, seine Krankheit hinweg. Aus diesem allen erhellet, daß der Stolz früher als der Lorber keime, oder ihn mit seiner Fülle erstikke, daß der Stolz den Schriftsteller zum Schriftsteller mache, ja daß er mit dem Verdienste in umgekehrtem Verhältnisse stehen müsse. Denn wer geschwinde fährt, glaubt, daß ihm alles entgegenkomme und er nur stillestehe; dahingegen der Schwindelnde sich zu bewegen vermeinet, ungeachtet er auf einer Stelle bleibt. Daraus folgere ich, daß die Bescheidenheit wenige heutige Autoren, und der Stolz die meisten kleide; daraus folgere ich, daß wir den Gipfel der schriftstellerischen Volkommenheit erstiegen haben: denn nur auf hohen Bergen schwellen lere Blasen auf.

Diesen Stolz rechtfertigt die Unwissenheit der iezigen Skribenten, die der Nachwelt noch laute Bewunderung abnöthigen wird. Daß ich hier von den Dichtern rede, wird man von selbst wissen. Durch Einzwängung des Bauches stumpfen einige den Stachel des Hungers – umgekehrt wissen grosse Köpfe ihren Trieb nach Ideen durch Aufgeblasenheit zufrieden zu stellen, und befestigen sich durch die Einbildung, alles zu wissen, in dem Vorsaze, nichts zu lernen. Daher erweitern sie ihre Kentnisse durch die Lesung ihrer eignen Schriften, so tränkt sich die Kamelziege mit ihrem eignen Speichel, so frist der Straus seine Exkremente. – Diese Unwissenheit vervolkomnen sie durch verschiedene Studien. Der eine bereichert seine Menschenkentnis durch Umgang mit den Büchern, und bestiehlt, gleich den Richtern, die Diebe und die Armen. Ein andrer sammelt Nachlese in Journalen, wie einige aus den Akten die Jurisprudenz erlernen. Um die Alten in der Grundsprache zitiren zu können, liest er sie in Übersezungen, oder stiehlt, noch besser, seine Zitazion aus einer fremden Zitazion. Ein andrer füttert seine Unwissenheit mit Dikzionären, den Registern der Gelehrsamkeit; eben so fieng iene Klapperschlange eine Wasserraze bei dem Schwanze zu fressen an. 8) Einige speisen den Kopf mit dem Herzen ab, und befruchten die Dumheit mit Thränen, die, wie der Wiesenfuchsschwanz, in sumpfigen Örtern am besten gedeiht. Andern erlaubt die Schöpfung eigner Werke die Durchlesung fremder nicht, und ihre Bestimmung das Publikum zu unterrichten, raubt ihnen die Zeit sich selbst zu unterrichten. Und wozu eine solche Unwissenheit? Dazu; daß man nicht natürliche Fähigkeiten in eine unnüze Spreu von vernünftigen Gedanken vergräbt. An der kalten Gelehrsamkeit stirbt das Genie; es wächst am besten durch Mangel an Nahrung, so wurden die Kinder der Sparter grösser, ie weniger ihre Eltern ihnen zu essen gaben. Darum verachten genielose Köpfe alle Gelehrsamkeit, auf die Ankunft ihres Genies laurend; eben so zündet man an einigen Orten die nächtlichen Laternen nicht an, weil man auf das Aufgehen des Mondes harret, und darauf oft bis zum Aufgehen der Sonne harret. – Dazu; daß man nicht durch immerwährendes Forschen die Quelle der Wahrheiten erschöpfe. Unsere vortreflichen Köpfe mit eben so vortreflichen Herzen versehen, vernachläßigen ihre Gabe, alles zu durchdringen, zum Besten der Nachwelt, die ihnen iede übriggelassene Endekkung Dank wissen wird. Darum zieh ich dem nichtmodischen Tiefsinne den neumodischen Seichtsin vor, und schäze an dem leztern die größern Verdienste um den Parnas. So verbessert ein Ochs die Weide, indem sie ein Pferd verschlechtert. Denn dieses mähet sein Futter bis an die Wurzel hinweg, da iener, vermöge seines Mauls, nur die obersten Spizen des Grases frisset. – Dazu; daß man dem Pöbel nicht gleich wird. Dieser drängt sich zur Gelehrsamkeit, darum verläst sie der Adepte; die unsterblichen Söhne der von Pope besungenen Gotheit erlösen die Welt von der Gelehrsamkeit und predigen durch ihre Wunder die Unwissenheit. So verkleiden in Mexiko bei der Mitternachtsmesse zu Weihnachten, die Mönche sich in Teufel und die Laien in Engel. Dafür haben sie, wie die Schnekken, ihr geistiges Auge in ihren geistigen Fühlhörnern, und ihr verfeinertes Gefühl erleichtert ihnen die Aufspürung der Wahrheit in dunkeln Örtern; eben so sind die Schnäbel der Kraniche mit Fühlspizen begabt, damit sie ihre Nahrung im Schlamme leichter finden. Denken ist nicht mehr Mode, aber wohl fühlen; und wie der körperliche Stuzer mit halbgeschlossenem Auge den Gegenstand seiner Affektazion anblinzelt, so drükt der geistige die Augen zu, um besser zu sehen, und erzweifelt sich Gewisheit. Wie sehr unterscheidet er sich von dem dummen Haufen, der Zweifel mit Gelehrsamkeit und Tiefsin mit Gefühl verbindet. Und endlich nuzet die Unwissenheit am meisten der Versemacherei. In Japan sol ein Orden von Blinden sein, die sich auf die Musik vorzüglich legen, da sich die unsrigen auf harmonische Verse legen. Den Nuzen der Dumheit predigen unzählige Almanache, worinnen unzählige Beispiele den Unsin durch Wohlklang schminken, wo Dissonanzen der Begriffe in Konsonanzen der Worte zerfliessen, wo der kleinste Gedanke wie sonst die kleinsten Insekten, auf den meisten poetischen Füssen fortzappelt, wo den Sin kurzes Silbenmas verstümlet oder langes ausdehnet, wie Prokrustes die Beine seiner Gäste für kurze Betten verkürzte, und für lange verlängerte. Diese Volkommenheit einer gedankenlosen Harmonie, war nur den neuesten Dichtern aufgehoben: denn nur Eselsknochen gaben sonst die tönendsten Flöten; da hingegen in Hallers und Withofs Versen der gedankenreiche Flus sich mit Mühe durch sein Bette windet, da in alten Dichtern die Knochen der übeln Versifikazion das Mark der Gedanken umschliessen. – Nur ein leres Fas klingt sonor. Freilich oft daß diese Nebenbuhler ihres vielstimmigen, vierfüssigen Ebenbildes nur für ihre eignen Ohren yanen. Ferner fliegt der grosse Dichter gleich den Fledermäusen, am liebsten in der Finsternis. Je kleiner sein Kopf, desto grösser seine Flügel, und ohne Kopf kan er noch mit den Musen Beilager halten, wie einige Insekten sich ohne Kopf begatten. In den dunkelsten Hainen lauschet die gröste Begeisterung, und eine entzündete Einbildung giebt dem schweren Unsin dythrambischen Flug, wie das entzündete Pulver schwere Kanonen forttreibt. Dunkle Körper werden am leichtesten warm, und ein Dichter gleicht dem Hofmeister Alexanders, der in der Sonne fror und im Schatten schwizte. Darum weissag' ich meiner geliebten Nazion ein künftiges Volk von Pindaren, wenn den Verstand Landes zu verweisen noch ieder so fortfährt, sein Scherbgen zu geben. – – Der Äther ist das Vaterland des Dichters; darum verschmäht er die Kentnis einer schmuzigen Erde. Sein Flug geht über alle menschliche Köpfe hinweg, und er schwebt zu hoch, Menschen zu sehen, oder von ihnen gesehen zu werden. Wie die Geier hoch nisten, um nach einer alten Sage leichter von der Luft geschwängert zu werden, so ist Luft der Parnas und die Muse der Dichter. – Auch schaft Unwissenheit Originalität, wie natürlich. Es gehen mehrere Wege zum Häslichen als zum Schönen; darum kan man, durch keinen Wegweiser des Schönen verdorben, zu ienem leichter unbetretene Wege entdekken als zu diesem. Ein Kopf, in welchem Fieberhize die Dunkelheit bebrütet, in welchem der schwerfällige Verstand am Fette der Einbildung erstikt, ein solcher verspricht eine unerhörte Originalität. Eben so sollen von dem Nelkensamen, den man in Son- und Mondfinsternissen säet, dunkle und wunderliche Farben fallen. Ich wundere mich daher alzeit, warum Deutschland noch so wenig Originale hat. – Da es das Amt eines Dichters mit sich bringt, seine Lesewelt grillenmäsig in den Schlaf zu singen, so ist ihm auch darum Lerheit des Kopfes unentbehrlich; der Mohnkopf, dessen Körner den Schlummer anködern, ist der lerste aller Köpfe, seine Nebenbuhler ausgenommen – Darum könte auch ein langsamers Thier die Stelle des Musenpferdes einnehmen, und dan hätten die Amerikaner Recht, die einmal den Reiter und sein Thier für ein Ding hielten.

Ha! nun komm' ich zu dir, langohrichte Muse des heutigen Affengeschlechts, buntfärbige Nachahmung! die du ieden leren Kopf in das Echo des Genies und Deutschland in den Resonanzboden Europens verwandelst; die du die quakkenden Sänger des Schlams zu Nebenbuhlern grösserer Kehlen erhebst, und, wie die Ägypter, in Pferdemist Hünereier, tagtäglich in den warmen Geschenken vergötterter Mägen dichterische Brut zum hungrigen Leben ausbrütest, um mit iugendlichen Zungen die Trommelfelle der deutschen Ohren zu rühren. Bald bläsest du einen flekkigten Frosch zu einem Young auf – nun klappert der arme Poet in seinen Versen mit Todengebeinen, und vergräbt wie ein Hund ieden Knochen in sein Lied, den ihm der Tod von seinem Tische zuwirft, nun schwärzt er sein Papier mit der Farbe einer aus Galäpfel und Vitriol gemachten Traurigkeit, nun trägt er seine Wünsche gen Himmel, allein um sie auf der Erde zu befriedigen, wie der Adler die Auster, die Bewohnerin des Schlams hoch in die Lüfte hebt, um ihre Wiege in ihr Grab zu verwandeln, und nun wiederholt sein lerer Magen von der brittischen Schmähschrift auf die leibliche Nahrung. Bald foltern andre, durch dich erhizt, die Ohren mit Hexametern, und machen Golgatha zum Parnas; wie Mükken um den Kronenleuchter, so summen sie um den Kronenleuchter der Schöpfung, um das Sternenheer herum, schikken in die flammenden Nägel am Himmel, Kolonien von Gevattern und Freunden, und privilegiren die Venus zum Aufenthalte künftiger Huren und zum himlischen Bordel, und spielen durch den Silberklang ihrer Instrumente den Edeln Mitleiden für ihre verstumten Beutel ins Herz – auf ihren Köpfen wachsen, wie auf den Häuptern gemahlter Heiligen, Lichtstralen stat der Hare, in ihren wässerichten Versen schwimmen lichthelle Engel so häufig, wie schimmernde Heringe in der Nordsee, und verschönern das unfärbige Element, wie Heere von Insekten das nächtliche Meer, mit zitterndem Glanze. Oft müde des Flugs, krähen sie auf ihrem Miste blos ihren Nazionalnamen den horchenden Kapaunen ins Ohr; nicht selten lobpreiset ihre schwindsüchtige Lunge die beharte Brust eines Barden, und die verwelkten, nicht ganz fleischernen Waden des Enkels trozen auf die unerschöpflichen Lenden der Vorältern. Doch schaffen warme Abende aus schlechten Ausdünstungen der Erde nicht blos Sternschnuppen, die in einer scheinbaren Ähnlichkeit mit den Sternen, schimmern, und deren Glanz an seiner Vergrösserung stirbt, sondern auch Irlichter, die auf poetischen Füssen nur im kotigen Sumpfe tanzen, mit ihrer Gegenwart nur ihren Geburtsort – das Grab von tausend Äsern – beglänzen. Diese Gözen des Pöbels buhlen mit ihrer Sakpfeife nur um den stampfenden Beifal bäurischer Füsse, stekken gleich der bekanten symbolischen Schlange, den Schwanz der Geselschaft in das Maul derselben, stehlen der Beredsamkeit des uneinigen Markts die Schönheiten ihres originellen Verses, und schmücken, gleich dem Indianer, der seine Zimmer mit Kuhmist tünchet, das schöne Papier modischer Bücher mit den Exkrementen eines pöbelhaften Wizes. Zu solchen Zungen schlagen sich weinerliche Augen. Daher grunzen Zoten in liebevollen Versen, daher fliest die Hefen der Natur in empfindsamen Sylbenmaßen, und ein par Reime vermählen die platonische Liebe mit der thierischen. Dieser Nachahmer ist ein aufgedunsenes Geschöpf, aus Unsin zusammengeknätet, mit Thränen eingemacht und in Geniehize gebakken; ein Sänger des Monds, der wie Hunde gegen eben dieses Himmelslicht heulet, der in den Lorberkranz den geraubten iungfräulichen flicht, der die Hurerei zum Christenthum, und zum Altar das Wollustbet einweihet, der sein Gehirn in seinem feurigen Herzen pulverisirt, wie iener Tyran den Bauch eines glühenden Ochsen mit Menschenopfern fülte. Dort speien die geöfneten Gefängnisse der Kritik zur Vergessenheit verdamte Missethäter aus, und geben den Parnas dem Tummeln einer ungefesselten Schwäche Preis. Nun sperret der Wiz ungleiche Dinge in ein Gleichnis zusammen, umzäunet stössige Bilder mit Einem Komma, yanet aus dem Halse desselben Esels dissonirende Metaphern, schneidet aus einer Ähnlichkeit eine lange Allegorie, wie iener aus einer Kühhaut Karthagos Umris zu, und bemahlet Seifenblasen von Gedanken mit allen Farben des Regenbogens. Nun vervolkomt sich das Theater zum Tolhaus und die Raserei krönt der Selbstmord. Nun gattet sich im Dialog des Trauerspiels Pöbelsprache mit Odenton, und auf derselben Zunge umarmen sich die Schwänke des Biergasts und der Gesang des Seraphs, wie Taschenspieler aus demselben Fasse Wein und Wasser zapfen. Der Speichel der Dichtkunst löset der unberedten Leidenschaft die Zunge, und die poetische Feder impfet dem stummen Schmerze rhetorischen Auswuchs ein. Den griechischen Kothurn verdrängt der Pferdefus des Teufels, den man den Füssen des Bösewichts anschnallet, oder der Flügel des Engels, der auf heiligen Rükken wächst. Der tragische Mord schreiet um die Gerechtigkeit der Melpomene, deren Arsenal ein einziger Abend erschöpft, und das Schwerd der Auflösung des Knotens mähet das Leben derer hinweg, die fünf Akte alt wurden. Dieses ist, dieses war dein Werk, himlische Nachahmung, die du auf Affengesichtern das Genie parodierst, die du die Kehle des Papagais zur menschlichen Rede und die Gurgel des Krokodils zur menschlichen Klage umstimmst, die du den Musensohn mit der Narheit begeisterst, um die er bei den Musen immer und bei dem Weine oft, vergeblich bettelt! Und mehr als dieses wird dein künftiges Werk sein! Doch ich erwache aus meiner Begeisterung, um mit kältern Blute über die heutige Nachahmungssucht zu reden. Die Gewohnheit der Nachahmer, bei der Erscheinung eines Genies iede vorige Schönheit als etwas Häsliches zu verschreien, und seinem Ruhme den Ruhm der Vorgänger aufzuopfern, wie die alten Mexikaner zur Ehre der neuen Sonne alle Gefässe zerschlugen und alles Feuer auslöschten, das die verstorbene Sonne beschienen. 9) Diese Gewohnheit verdient unsern Beifal. Denn eben dadurch gerathen kältere Zuschauer in Enthusiasmus für den neuen Got, eben dadurch macht man die Hände des Beifals wund, so daß das übertriebene Klatschen in Pochen übergeht, so daß der kalte Winter des Tadels den im Sommer des Lobs gemästeten Abgot bis zur Magerkeit abzehrt. Freilich empört die aufwärmende Nachahmung unsern Ekel sogar für wahre Schönheiten; eben so ermüdet der Knabe unsere Augen, der uns vermittelst eines Spiegels unaufhörlich mit dem Sonnenlichte blendet. Doch mus ich zur Ehre der meisten Nachahmer gestehen, daß sie weniger Schönheiten als Fehler aufwärmen, daß sie, zu dum um nach ihrer eignen Melodie Thoren zu sein, daher mit fremden Kälbern pflügen. Denn sie glauben durch Fehler grosser Köpfe ihre eignen Fehler zu schminken; eben so vertrieb man sonst mit dem Kothe des Löwen die Flekken im Gesichte. Aber wer weis nicht, daß man einige Augenblikke nicht mehr sieht, wenn man lange in die Sonne gesehen; daß die Ausdünstung des Lichts ieden nahen Gegenstand schwärze; daß schales Wasser durch die Vereinigung mit zischendem Spiritus trüber werde; daß das glänzende Silber des spanischen Rohres die Hand seines Besizers schwärze? Freilich weis dieses ieder; aber was schadet es dem Ruhme der Nachahmer? Liebt doch das Publikum den Nebenbuhler schöner Fehler, und freuet sich der Frucht des düngenden Mistes, wie man das Schwein troz seiner schmuzigen Nahrung geniest; trozen doch diese Laquaien des Genies mit dem prangenden Silber ihres Bordenhuts dem verstektern Golde ihres Hern, dessen Glanz eine Börse verschleiert; läst doch der Verlust der gestohlnen Schönheiten den Nachahmern alzeit das Verdienst der eignen Wässrigkeit, wie der verflogene Geist des angezündeten Brandteweins allemal seinen Körper, das schale Wasser, hinterläst; und schlüpfen sie doch endlich zwischen den Beinen ihres Originals zum Thore der Ewigkeit hinein, oder werden doch diese Buben einige Augenblikke von der Kutsche eines vornehmen Mannes gefahren, an die sie sich von hinten angehängt! – Und dies lezte auch darum, weil die meisten heutigen Nachahmer schon als eigne Originale gelten können. Da diese vortreflichen Köpfe bewiesen haben, daß das Genie nur mit dem Maule, höchstens auf einem Blatte pfeife, mitlerweile das Nichtgenie sich erst eine Flöte kaufe; daß das Genie blos den Finger in den Hals stekke, um zu vomiren, mitlerweile das Nichtgenie sich erst ein Vomitiv bei dem Batteur hole, so kan man auch die ganze Sipschaft des Sterne zu den Originalen rechnen, die ohne Regeln schlecht sind, und ohne Pillen den Durchfall haben. Ja dieser Sucht die Neuern nachzuahmen, verdanken wir den Abscheu die Alten nachzuahmen. Wie man doch sonst harten Stahl an alter Eleganz scharf und glänzend schlif! Wie doch sonst das griechische Genie das deutsche in Fesseln leitete, die Musen des rauhern Norden bei den Musen des Paradieses des Geschmaks in die Schule giengen, und die alten Genies Natur den neuern lehrten! Da man hingegen iezt nach brittischen Pfeifen tanzt, die neuen Ketten zu Ordensketten wählt, und aus Liebe zur Natur die Simplizität verbant! Welcher Fortschritt; wie würdig in einer Lobrede auf die Deutschen zu stehen! –

Die griechische Natur ist von einer gröbern verdrängt worden, der ich schon oben gedacht. Nämlich weil die heutigen Autoren Freunde der Natur sind, so ziehen sie die schlechte ieder andern vor, sezen ihre Schönheiten ihren Fehlern, und bäurische Naivität bäurischen Zoten nach. Diese Skribenten haben zwar die schönere Seite der Natur in ihrer Gewalt, aber sie gleichen den alten Göttern, die sich, nach einigen, den Menschen nur von hinten zeigten. Vielleicht auch, daß alle ihre Vorzüge sich in den Fokus desienigen Orts zusammen gedränget, wo das Bisamthier mit wohlriechenden Reizen pranget. Ihre kleinen Augen bemerken im Bade einer Pfüze folgende Volkommenheiten; erstlich, daß ihr Badegast sich durch diese Wiedertaufe von den reinlichen Franzosen unterscheide, zweytens daß er dadurch ein empfindsames Herz an den Tag lege, und drittens in dem schmuzigen Elemente seine Mitgesellen Reinlichkeit lehren könne. Das lezte zuerst. Denn freilich wie können die Gelehrten die Denkungsart des gemeinen Pöbels anders verbessern, als daß sie die ihrige verschlechtern, anders ihn Geschmak lehren, als daß sie ihn den seinigen lehren, wie der Zorn des Vaters den Zorn an dem Sohne bestraft? Auf diese Weise ist der gelehrte Hals darum das gedämpftere Echo des pöbelhaften Wizes, um das Grunzen desselben zu einem sanftere Tone zu bilden. Zweitens verräth eine unsitliche Zunge ein züchtiges empfindsames Herz. Bei den meisten Völkern waschen sich Leidtragende weiche Leute nicht, und nicht blos in Indien gehen Heilige und Begeisterte nakt. Und endlich unterscheidet diese Unsitlichkeit von den Franzosen, deren Übersezer sogar die zu natürlichen Stellen der Alten ihrem strengen Wohlstande aufopfern; eben so läst ein französischer Philosoph die Menschen ohne Hintern wieder auferstehen. Daher drükken unsere Diktatoren des Geschmaks ihre Gedanken in unreiner Sprache aus, wie man sonst vom Wiedehopf sagte, daß er für seine Junge ein Nest in Menschenkoth baue, und zu gros für hohen Flug üben sie ihre Schwingfedern im Sinken; eben so kan das fliegende Eichhorn (sciurus volans L.) nur niederwärts fliegen. Auch sollen einige den schamlosen Ausdruk zu besserer Bekämpfung der Kunstrichter anwenden, d. h. sie beschneiden sich die Nägel nicht, um ein feindliches Gesicht damit tiefer zu verwunden. – Nur Schade freilich, daß die Unverschämtheit der heutigen Autoren mehr affektirt als natürlich ist, daß sie sich mit Unverschämtheit, wie die Weiber mit einer gekauften Schamröthe, nur schminken. Denn gewis sind wilde Schweine besser als zahme. Doch hoff' ich von der Zukunft, daß auch gelehrte Esel nicht mehr reinlich sein, und lange Ohren sich unter demselben Lorber mit einem langen Rüssel gatten werden.

Zu diesem Geschmak an der Natur gesellet sich die Schwülstigkeit, der Bastart des Erhabnen, deren ebenfalls oben schon gedacht worden. – Im sechzehnten Jahrhunderte liebte man Zwerge; im achtzehnten Riesen – vor nicht langer Zeit trug man kleine und iezt trägt man grosse Hüte; kurz die französischen Deutschen sind zu brittischen gereift. Alle Federn huldigen der Schwulst, das heist, man gallopirt Berg auf Berg ab, man schminkt wie die Wilden den ganzen Körper stat der Wange, und zieret gleich einigen Indianerinnen Finger und Fuszähen mit Ringen; d. h. man schlägt unfähig zu gehen, gleich dem Paradiesvogel, seine Wohnung in den Lüften auf, und weilet, wie Simon Stylites, jahrelang auf einer Säule; d. h. man treibt das Wasser zu einer Höhe, wo es sich in Regen zersplittert, und prangt wie ein Betler Son- und Werkeltage mit demselben Rokke; d. h. man berauscht sich vom Morgen an bis an den Abend, und singet ohne zu reden. Alles nun so mit gleichen Farben zu schmükken, das Kleine eben so erhaben wie das Grosse zu schildern, die Wahrheit mit Zierathen wie ienes Mädgen im Kapitol mit Schilden zu erdrükken und die Natur in die Kunst zu verschleiern, dieses ist freilich kein geringes Werk unsrer schöngeisterischen Fäuste. So ein grosser Glanz, so ein unregelmässiger Lauf steht nicht in den Kräften einer kranken Phantasie; eben so hält niemand als Bartholin die flammenden und regellosen Kometen für Geschwüre des Himmels. So eine Mannichfaltigkeit zeugt von Reichthum, wie ein banquerotirter Kaufmann in Schotland buntfärbige Kleider zu tragen verurtheilt wird. Ein hiziges Genie gebiert zwar eben, wie ein kalter Schriftsteller, lauter kalte und wässerige Gedanken; allein stat sie mit diesem in einer simpeln Sprache aufzutischen, zwingt sie das Genie in verstümmelte Perioden zusammen, und ballet gedankenlose Weitläuftigkeit in ein einziges undeutsches Komma – eben so härtet der Sommer wie der Winter das Wasser der Wolken zu Eis, aber dieser bildet die Dünste zu leichten Schnee und iener giest sie in Hagel – die Flintenkugeln der abfeuernden Atmosphäre – um. Freilich schlägt der Hagel stärker und vergeht geschwinder! – Da ferner unsere Näscherei nur nach überflüssigen Wize hakt, so nähern wir uns zwar unserm Falle, erreichen aber auch unser Ziel. Denn die Zeit führet den Geschmak erst auf den Gipfel des Parnasses, eh' sie ihn von da herunterstürzt, und Wizelei kündigt den Überflus und das Ende unsrer Kräfte an, wie die vor den Augen herumfahrende Funken Zeichen der Volblütigkeit und des nahen Schlagflusses sind.

Noch einiges von den Versemännern! Alle iunge wählen die Almanachs zu den Prangern ihrer vortreflichen Ohren, und da die ersten Kinder die stärksten, die ersten Kupferabdrükke die besten sind, wie auch die erste Schlange die klügste und der Teufel als Jüngling noch ein Engel war, so gestatten iene Almanachs, denen die Ausfüllung der bestimten Bogen den geringsten Kummer macht, mit Recht ieder unversuchten Kehle die Freiheit, sich zum Vergnügen des Publikums hören zu lassen. Dazu gewinnen sie dadurch an Mannigfaltigkeit, die ihnen so sehr am Herzen liegen mus, angesehen in allen Kalendern Regen mit Schnee, Frost mit Hize, Nebel mit Thau, Donner mit Hagel abwechselt und Almanachs einer Wäschstange gleichen, an welcher feine und grobe Hemde, Hosen und Unterrökke zugleich getroknet werden, oder einem Gasthofe, wo der Fuhrman Käs für seinen Hunger und Stroh für seinen Schlaf, und der vergoldete Herr für beides die Vorsorge des Luxus findet, und endlich einem Findelhause, das die Schande vornehmer und schlechter Huren aufbewahret, und welches der Stuzer wie der Bediente durch fruchtbare Wollust bevölkert. Und wer weis übrigens nicht, daß Almanachs Weihnachtsgeschenke für grosse Leute sind, die damit wie die Kinder mit dem ihrigen nur eine kurze Zeit spielen? Darum füllet man auch die kleinen leren Pläze der Duodezblättergen mit Epigrammen, wie mit spizigen Steinen aus; mit Epigrammen, die in Reimen sumsen ohne Stachel wie die Bremsen, und deren Worte doppelter Sin belebt, aus welchen der Wiz wie aus Besessenen, die bösen Geister (schiklichere Bewohner der Schweine) austreibt; mit Epigrammen, deren wässerige Bestandtheile Mangel an Lebhaftigkeit zu einem wizigen Eiszapfen gehärtet hat, dessen Spize die kleinste Berührung aufthauet; mit Epigrammen, deren pralerischen Zorn der Flederwisch beschämet, den sie gleich ienem Knaben in einem Lustspiele des Kinderfreunds, aus der prächtigen Scheide ziehen, und die mit schönem Titel, mittelmäsiger Mitte und schlechtem Ende dem spanischen Rohre gleichen, dessen obern Theil Silber krönet, dessen Mitte ausgestorben, und das mit einem abgestumpften Stachel endet. Und ihre Anzahl macht der deutschen Fruchtbarkeit Ehre, und verspricht dem Wize die baldige Ankunft des goldnen Alters, auch troz dem Vorurtheil, daß es übles Wetter bedeute, wenn die Flöhe viel stechen. Ferner sinken auf den Fittigen des Neuiahr-Schnees schöne Idyllen herab, die das Zwittergeschlecht zwischen Natur und Kunst ausmachen, in denen Dichter auf städtische Pracht ländliche Zierathen wie die Damen auf die Schöpfung des Friseurs papierne Blumen, pfropfen. Auch diese Gewohnheit der Dichter wie vornehme Leute bald in der Stadt bald auf dem Lande zu wohnen ist nüzlich; und wenn die Hunde auf dem Parnas Gras stat des Fleisches fressen, so bedeutet dieses nicht schlechtes, sondern schönes Wetter. – Am meisten werden die Almanachs durch die Enkel des Anakreons – die Zukkerbekker des Parnasses – zu den Archiven des deutschen Genies erhoben. Die grosse Gabe, das Blut des einen Reimes nach der Liebesglut des andern zu stimmen und Damons Lust mit Daphnens Brust zu reimen, den Amor gesunde Herzen jagen und erlegen, aus schwarzer Dinte die Venus wiedergeboren werden und sie in einer zephyrnen Sänfte ans Land tragen zu lassen, ohne ihre Kammerjungfern, die Grazien, zu vergessen, kurz die Gabe die verwelkten Reize der Einbildungskraft vor dem Nachttische der Mythologie aufzufrischen, ist nur den Männern gegeben, die ihr Geschlecht troz ihrer Gestalt und ihres Namens ausgezogen haben. Denn nur Kastraten singen klar! Denn nur in den todten Löwen legten jene Bienen alten Testaments ihren Honig, und kleine Einbildungskraft verrichtet die Dienste des fehlenden Verstandes, wie man auf einer Paste des Jupiter Muskarius den Bart desselben durch die Flügel einer Fliege abgebildet sieht. Ein anakreontisches Gedicht ohne Gedanken heist eines ohne Fehler, ein Tropfen Verstand hingegen versäuert die ganze Süßigkeit. Der beste Beweis der Ächtheit eines solchen Gedichts ist, wenn es auf der Kapelle des Verstandes verfliegt; eben so erwies sonst dem Apotheker das Verfliegen des Bisams auf einem glühenden Eisen, seine Güte. Daher auch grosse Dichter für den Wohlklang erst den Sin zuschneiden, wie der Komponist den Text auf Kosten des Verstandes der Melodie anpasset, und durch kluge Wiederholung der Reime, der Worte und ganzer Verse die zufällige Anhäufung der Gedanken vermeiden. Solche wässerige Verse dringen aber auch am leichtesten durch weibliche Hirnschalen, wie nur dünne Dinte durch Papier durchschlägt. Noch ist anzumerken, daß sich in Almanachen die Leichensermonen auf verstorbene Dichter finden; der Soldat schiest und der Dichter bläst bei dem Tode seines Kameraden – Hab ich so viel Gutes von den Almanachen gesagt, so lasse man mich doch auch noch einiges Gute von den besten derselben, von dem Almanache der Belletristen sagen, dessen Titel auf die Ähnlichkeit mit einem schlechtem, um Aufsehen bettelt. Mit welcher feiner Kritik tadelt sein Herr Verfasser an Haller's Gedichten das Wässerige, worein der philosophische Geist des Dichters leicht verfallen konnte, und zählet den Meister Klas zu Wezels Produkten und spricht den kästnerischen Epigrammen alles poetische Verdienst ab, angesehen sie ihm nur das zu haben scheinen, was gute haben; mit welcher Unpartheilichkeit entdekt er den Unwerth Herder's, den zu loben noch neulich ein Kunstrichter im göttingischen Magazin sich verleiten lies, und erzählt die Geschichte des Streits zwischen Platnern und Wezeln, so daß er selbst Augenzeugen eines bessern belehret, und wie nachahmungswürdig ergiest sich sein menschenfreundliches Herz in Beschuldigungen der Toden etc. etc. etc.! Solche Schönheiten verblenden den Leser für geringere; daher ich auch die Vortreflichkeit seiner spashaften Schreibart und die Feinheit seines scheinbar – pöbelhaften Wizes nicht entdekken können. Übrigens verleidet einem schlechtes Fleisch die schlechte Brühe. Niemand vermisset im geheimen Gemache die Tapeten. Kein Kranker ist zur Beobachtung der Wohlanständigkeit verbunden. Die Schwalbe bauet für ihre Jungen, die sie mit Spinnen und Mükken aufzieht, nur ein Haus von Koth. –

Die Zeichnung der Karaktere in Schauspielen und Romanen spricht die jezigen Schriftsteller zu Meistern. Unerschöpflich sind sie in der Mannichfaltigkeit derselben. Sie mahlen nämlich nicht weniger als zwei Arten von Menschen, Heilige und Bösewichter, die, wie man weis, nur in den Köpfen der Dichter existiren. So sind im Damenbrete zweierlei Steine, schwarze und weisse. Die Menge der Heiligen macht Romane und Klöster zugleich berühmt, und jeder erstaunt über den Pinsel, der unsichtbaren Engeln ein Kleid von Luft anstreichen konte. Steigt aus dem Dintenfasse gar ein Seraph hervor, wie aus dem Mere eine Venus, so ist das Buch unsterblich. Denn je mehrere Stralen ein Meerstern hat, desto theurer ist er. Doch sizt unsern Mahlern auch der Teufel, und stat ihn gleich Luthern mit der Dinte von der Wand zu verscheuchen, zeichnen sie ihn hurtig damit ab und schmükken Nachttische mit seinem Schattenris. Und sie treffen ihn auch. Mit so schönen Hörnern, mit so schönem Schwanz, mit so schönen Pferdefüssen! – Überhaupt verleiht sein schwarzes Ansehen der ganzen Dichtung Leben und höllische Wärme, so schmükt oft das schwarze Bild eines Mohren das Fuhrwerk des Winters und erwärmet uns im Grimme des Frosts durch die Erinnerung an das heisse Äthiopien. Auch die Mahler aus der höllischen Schule schäzt man nach Verdienst: denn die schwarze Farbe ist die Leibfarbe der jezigen Mode, wie alte Bürger in alten Städten an Festtägen schwarz gehen. Unsere übrigen Pygmalione flikken ihre buntfärbigen Geschöpfe aus schönen Redensarten und rhetorischen Figuren der Almanache zusammen, gleich den Leuten, die aus verschiedenen Schmetterlingsflügeln Männergen zusammenpappen, oder den Mexikanern, die durch Zusammensezung verschiedenfarbiger Federn Gestalten erschaffen, die die Täuschung des Pinsels überbieten und die Wahrheit der Natur erreichen. – Jemehr ferner ein Musensohn die geschikte Grausamkeit eines Henkers in seiner Gewalt hat, desto mehr bemächtigt er sich unserer Thränendrüsen und unserer Bewunderung. Die heutigen Autoren dreschen durch die Schläge des Unglüks aus ihren Helden die vortreflichsten Gesinnungen heraus, und wissen der Vernunft durch Elend endlich den Sieg über die Leidenschaft zuzuschanzen; wie die Tartarn die Pferdemilch so lange schlagen, bis die groben Theile zu Boden sinken und die feinern, die Bestandtheile der Butter, oben bleiben. Andere predigen in Deklamazionen die Grösse ihres Helden, die sie darauf durch Unglük auf die Probe sezen, um sie in neuen Deklamazionen glänzen zu lassen; so schlägt man die aufgeblasene Schweinsblase mit den Händen und erweitert sie dadurch zu Annehmung mehrerer Luft. – Sogar stählerne Herzen können unsere Dichter durch fremde Leiden heis klopfen. Freilich verstehen nur sie die Kunst, den Bedienten wie den Herrn in sanfte Empfindsamkeit aufzulösen, alles in die Liverei der Traurigkeit zu kleiden, und den Einflus des Standsunterschieds auf die Gesinnungen zu vernichten. Das Schachspiel der Isländer hat so stat der Läufer Bischöffe. Nur unsere Dichter schneiden die Traurigkeit vollkommen nach dem Unglükke zu, und lassen bald um ein Würmgen den Degen, bald um einen Vater nur die Knopflöcher trauern. Ferner in alten Meisterstükken erinnert blos die Natur an das Genie des Dichters; aber unsre Dichter hüllen sich nie in eine Löwenhaut ein, ohne ihre grossen und daher hungrigen Gehörwerkzeuge um das Futter des Lobs betteln zu lassen. Unsere Dichter mahlen nie ihre Helden, sondern nur sich, blasen immer Leidenschaften zu Flammen an, die den Einflus ihrer Lunge voraussezen, und verrathen gleich gewissen Betrügern, die Menschheit des verkleideten Engels oder Teufels durch die menschliche Stimme. Wie vortreflich! Denn obgleich der Spiegel schlecht ist, der mehr sich oder seine Folie als die umgebenden Gegenstände sehn läst, obgleich das Klavier schlecht ist, dessen Tasten sich mehr als die Saiten hören lassen, obgleich der Taschenspieler schlecht ist, dessen langsame Hände die Täuschung seiner Kunst vernichten: so thut doch dieses der Ehre unserer Dichter keinen Eintrag; sie gleichen vielmehr den Spinnen, deren fruchtbarer Hintere ihren Weg durch zurükgelassene Fäden bezeichnet; sie machen die Zunge ihres Helden zur Lobrednerin ihrer Fruchtbarkeit. – Nichts ist unsern Scharfrichtern der Melpomene geläufiger als das Hinrichten und gleich der Feder der Ärzte, mordet die ihrige nach verschiedenen Methoden; als da sind, den Delinquenten an Seufzern sterben zu lassen, ihn durch Wehmuth auszumergeln, ihm durch einen Zufal das Lebenslicht auszublasen. Etliche läst man erfrieren; ein anderer mus sich mit dem natürlichen Tode begnügen. Die meisten läst man am hizigen Fieber erbleichen, weil es den Pazienten auch ausserdem noch zu Rasereien veranlast, nach welchen das vernünftige Publikum sehr begierig ist und die man daher mit Gedankenstrichen bordiert, durch die Presse verewigt. Freilich nur den Personen, deren Name das Buch betittelt, erlaubt man den edeln Selbstmord; freilich nur diesen darf man die Selengrösse andichten, die bei den vielfältigen Stichen der Grillen, wie der Hund bei den Stichen der Flöhe gegen ihre eigne Haut ihre eignen Zähne kehrt, oder die mit der Sense des Todes den gordischen Knoten poetischer Zuschwörung der Treue auflöset. Unsere heutigen Autoren, tiefsinnige Menschenkenner, lassen ihre Selbstmörder vortrefliche Oden vor der Spize des gezükten Dolchs singen, wie die singende Nachtigal ihre Brust gegen einen Dorn hinkehren sol und das Ende ihres Helden pranget mit den längsten und vortreflichsten Tiraden, wie der Schwanz des Paradiesvogels mit den schönsten und längsten Federn. Einige Selbstmörder tragen sich blos von Romanen, Liebesbriefen und Reliquien der vorigen Freuden ein Nest zusammen, in welchem sie wie der Phönix in seinem Neste von Spezereien und Weirauch, sanft und selig verscheiden. – Ich wüste zur Abhelfung der Einförmigkeit in den Hinrichtungen noch eine ungenuzte Todesart, die gewis allen Edlen Thränen genug abzapfen würde. Kupido schiest ganze Alphabete durch mit seinen Pfeilen; warum vergiftet man aber nicht wie die Indier diese Pfeile? Freilich geben die meisten ihren Geist an der Liebe auf; aber warum nur an der figürlichen, warum nicht an der unfigürlichen? Und sol immer nur Mangel an Liebesgenus, nie Überflus daran hinrichten? Doch der Aufnahme dieser rührenden Todesart schadet ihre Ähnlichkeit mit dem Namen eines verhaßten Volks. So nach müste man zur Wiederholung des Todes bei derselben Person greifen und nach dem Beispiel der Wiedergeburt einen Wiedertod erfinden.

Noch etwas über das Schauspiel und nachher eben so viel über den Roman! – Je mehr Personen in einem Stükke, desto vortreflicher dasselbe. Denn je mehr Pferde am Wagen, desto vornehmer der Herr darinnen. Die Kunst des Theaterdichters fröhnet nur dem Auge; und was läst wohl prächtiger als die Abwechselung, die Menge der Schauspieler in demselben Stükke? Wie denn überhaupt ein guter Theaterdichter alles Verdienst des Verstandes blos dem Schauspieler überläst, und dem Organisten gleicht, der nichts als die Melodie spielt, und den Sin dazu zu singen der Gemeinde frei stelt. – Über die Einheit des Plans sind unsere guten Köpfe längst hinweg; sie lassen in der Hofnung verdoppelter Stärke, ein Schauspiel zu dem andern stossen und gewinnen durch Verdoplung des Intresse die Täuschung der Leser und der Zuschauer. So schiessen ungewisse Schüzen mit doppelten Kugeln nach dem Ziele. – Die gröste Verwikkelung der Umstände wissen sie mit einem einzigen Streiche auszuwirren, und das Unglük ihrer Helden durch eilige Vernichtung desselben zur gewissern Erzeugung des Erstaunens zu benuzen. Eine Flintenkugel geht desto besser, je fester sie im Laufe stekt. Freilich übertragen sie dem Deus ex machina, wie die kleingläubigen Jünger ihrem Meister, das ganze Wunderwerk. – – Die Holländer vergötterten einmal Tulpen wie die Ägypter Zwiebeln; unsere Mode vergöttert Romane – die Romane, die den Schwanz der Liebe zu ihrem Maule fügen; die zu Thränen und zu noch etwas mehr reizen, gleich gewissen Giften, die zugleich vomiren und purgiren; deren Lesung das Mer der Wollust empört wie das Tabakrauchen den Speichel häufiger fliessen macht; die die Vernunft bekriegen, den Dunsen gefallen und Weibern zum Pflaster gegen die Wunden der Liebe dienen, gleich den Blättern der Tolbere, (Atropa Belladonna) die den Augen schaden, den Schafen behagen und die Geschwüre einer Weiberbrust heilen. Die besten Romane sind jezt diejenigen, worinnen die Fruchtbarkeit des Verfassers hundsartig jeden Winkel einer Materie beharnet, wo er wie ein Reife nur in krummen Linien läuft, wo er wie ein Hund beim Spaziergange seines Herrn bald rük- bald vorwärts springt, und wie mancher Hund mit seinem Schwanze, mit dem mühsam erreichten Ende des Buchs noch spielet, kurz wo jeder Theil nach der Trennung vom Ganzen, wie ein ausgerissenes Bein einer Spinne, noch fortlebt. Der Tarantelstich der Originalität hat nämlich alle Füsse der phlegmatischen Deutschen zu einem ewigen Tanze begeistert. Und das zum Vortheile des Parnasses, obgleich im gemeinem Leben das Springen der Esel schlechtes Wetter bedeutet, obgleich sonst eine Kugel auf der Kegelbahn, die mit Hüpfen zum Keile irret, nicht gut geschoben heist. Denn unsere scharfsinnigen Autoren verstekken hinter immerwährende Digreßionen ihre Unbekantschaft mit der Materie. So schüzt der schiefgeworfene Stein sich nur durch Hüpfen auf dem Wasser, gegen das Sinken. Überhaupt schmiegen sich luftlere Gefässe jedem Gegenstande an, und leichte Sachen fallen in verschiedenen Absäzen. Was noch mehr ist, nur der grosse Kopf eines heutigen Autors ist der Schuzengel seiner kühnen Füsse. Die Hörner der Gemse bewahren ihre fehlspringende Füsse vor dem Abgleiten in den Abgrund. Die schlafenden Augen des Nachtwandlers leiten ihn auf seinen gefährlichen Spaziergängen und sein Leben hängt an seiner Blindheit. Die Gewohnheit Digreßionen zu machen, gleicht der Gewohnheit gewisser Geizigen, die ihren Gast zu ihren Freunden um Bewirthung betteln schikken, und sich Dank mit fremden Wohlthaten erschleichen. – Die meisten jezigen Autoren schreiben aus Has gegen alle Weitläuftigkeit, stat der Romanen Universalhistorien der Geburten in ihrem Gehirne und die vorigen Biographen eines Harlekins sind zu Biographen ganzer Familien von Narren gereift. Nun erlebt der erste Band in kurzer Zeit Urenkel, und der Sohn wirbt dem Vater Leser, wie der Sohn eines Professors dem Kollegium des seinigen Ohren und Beutel – nun findet der Gast stat des blosen Rindfleisches, worauf er geladen wurde, den ganzen Ochsen theilweise aufgetischt – nun verkauft das Jus Patronatus die Pfarre nur mit der Zulage einer Witwe von fünf Kindern – nun schwängert eine einzige Begattung mit dem Apollo die Autoren wie eine einzige die Blatläuse mit mehrern Geschlechtern. Das heiss' ich Fruchtbarkeit! Das heiss' ich Lenden, die einen ganzen Haram von Musen befriedigen! – Einige Romanschreiber ködern die Neugierde der Leser durch lange Vorenthaltung der Hauptkaraktere an und verwahren den Helden der Geschichte als ein Samenthiergen in ihrem Dintenfasse, bis er endlich durch die Feder dem zweiten Alphabete – dem Schöpfer seines Embryonenstands – anvertrauet wird, und so durch das Honorarium almählig zum Manne aufwächst. Die stolzen Autoren gleichen nämlich den stolzen Kutschern, die das vorderste Pferd am weitesten von Wagen entfernt einspannen. – Einige Freunde der Rührung erregen mit vieler Klugheit die Unzufriedenheit des Lesers, durch eine widrige Endigung der Geschichte und jeder weis ihnen für den Unwillen Dank, den die geendigte Lektüre hinterläst, wenn der Held und die Heldin ihre Liebe viele Bände hindurch gegen das Schiksal vertheidigen und zulezt ohne den Lohn ihres Elends, ohne Vereinigung sterben. So versieht mein Schneider meinen Rok mit Knöpfen und Knopflöchern, deren nähere Vereinigung aber der modische Schnit desselben verhindert. – Die Schreibart der Romane ist bekant. Die eine gleicht ungesalzner Butter, so milde und so fade! Die andere ist das Gegentheil, und riecht nach Zwang und wizigem Schweis. Ein durchgeschwiztes Kleid ist im gemeinem Leben ungesund, allein nicht im litterarischen, welches das Widerspiel des gewöhnlichen ist, wie die Türkei nach Björnstähl's Bericht das umgekehrte Europa.

Nun komm' ich auf die Scharfrichter des Ruhms, auf die Zolbedienten des Neides, auf die Schweizergarde vor dem Tempel der Ehre, auf die vortreflichen Leute, die die Fehler des Parnasses, gleich gewissen andern Leuten, die die Stadt vom Kothe reinigen, auf einem Haufen zusammenscharren, deren Tadel der verwüstenden Zeit vorgreift, deren Feder den keimenden Lorber mit fressender Dinte schwärzt, oder die den Got einer Mode mit verstelltem Beifal schminken; die vor dem Hunger zur Verläumdung geflüchtet, oder die auf dem Rükken der Missethäter ihren Unterhalt einernten, und die Schande mit dem Staubbesen züchtigen, um ihn nicht verdienen zu müssen – kurz auf die Sipschaft des Zoilus, d. h. auf die Kunstrichter. Denn obschon die Barbarei untergegangen, so verwesten doch ihre Zähne nicht, sondern verwandelten sich in Kunstrichter, die nur zu oft einander durch eine uneinige Stärke aufreiben; eben so giengen die gesäeten Zähne jenes erlegten böotischen Drachen in Krieger auf, die sich selbst besiegten. Ein unwissender Kunstrichter mag daher wohl der beste sein? Und so ist es auch. Die Priester eines gewissen Volks stechen sich die Augen aus, um von den Göttern einer nähern Vertraulichkeit gewürdigt zu werden. Daher thut ein Priester des Apols, dem er die Gegenstände seines Neids opfert, sehr wohl, wenn er sich mit Hülfe einer schamlosen Unwissenheit zur Zunge des Musengottes aufwirft. Nicht blos die bürgerliche Gerechtigkeit solte man mit verbundenen Augen mahlen – welches nebenher anzumerken noch dazu fehlerhaft ist, indem die bestochenen Hände der Gerechtigkeit vielmehr andern die Augen verbinden. – Denn auch die litterarische richtet ohne Augen mit den Händen, und man schäzt das Gewicht des Kunstrichters blos nach der Schwere seiner Faust, wie das Gewicht des Ochsens nach der Schwere seiner Vorderpfote. Stat das Urtheil von den Augen abhängen zu lassen, braucht er ja nur dem Munde des Publikums seine Schmeichelei oder Verläumdung abzustehlen, und nur die Trompete der Fama mit seiner Pfeife zu akkompagniren. Und zu was auch Augen, da man tadeln kan, was man nicht gelesen? Eine misverstandne Stelle schaft das ganze Urtheil, und nach der Vorrede schneidet man die Kritik des ganzen Buchs zu. Denn wie manche das Herz auf dem Gesichte sehen, und auf der Stirne den abbrevirten, durch die Hand der Natur aufgedrükten Galgen lesen können, den die Hand des Henkers noch nicht aufgedrükt, so können scharfsichtige Rezensenten aus der Stirne eines Buchs seinen innern Werth wahrsagen, und die Höhe des Baums an iedem seiner Schatten abmessen. Ja oft komt einem Kritiker die Rechtfertigung seines Urtheils zu theuer, für die Lesung einer langen Vorrede zu stehen; daher mus ein ohngefährer Blik in das Buch für den Beweis seines Tadels sorgen; daher verdankt er oft dem Zufal seine Rache. Denn wie Lavater in dem Daumen den ganzen Menschen sah, gleich dem Grönländer, der die Frau des ersten Menschen aus dessen Daumen entspringen läst, so saugt ein liebenswürdiger Kunstrichter aus der giftigen Blume eines süssen Gefildes seinen Tadel, so bestraft er an einer ganzen Familie die Sünde eines einzigen. – Zu was Augen, da er ferner seiner verschleimten Zunge das Urtheil überläst? Der veränderliche Körper entweder rezensirt die Sele eines andern. Denn der Thermometer unserer Begierden ist im Blute, „der Barometer der Denkungsart im Unterleibe“, und der Zeiger, ob der Verstand richtig geht, im Gehirne. Die Unsterblichkeit eines Autors gründet sich daher bald auf die Gesundheit, bald auf die Kränklichkeit eines Kritikers, und sehr oft tadeln die Winde des Unterleibs, was die Winde der Lunge (die Schnupfen) loben, der Geschmak einer Krankheit widerspricht dem Geschmak der andern, und die Dünste des Weins weisen die Dünste des Kaffees zu rechte. – Oder die veränderliche Sele rezensirt. Wer weis nun aus seinem Linnäus nicht, daß verschiednen Thieren verschiednes Futter behagt? Der eine Rezensent liebt naiven, der andere stechenden Wiz; der Ochse Salz, der Esel Disteln. – Ja wenn auch der Rezensent ohne Unverstand rezensiren wolte, darf er? „Mir für einen Kreuzer Weihrauch“ schreit ein Verleger in die kritische Bude; „und mir ein halb Loth Teufelsdrek; mein Nachbar liegt in Todesnöthen“ ein andrer. Sol da der Rezensent der Wahrheit um den Sold des Hungers dienen, und seinen Magen seiner Zunge aufopfern? Ochsengalle erregt den Appetit, warum sol sie nicht auch ihn zu stillen verbraucht werden? Man kan auch wohl einem Autor einen Kopf anloben, wenn man dafür silberne Köpfe zu gewarten hat, wie die Dankbarkeit in Italien mit silbernen Herzen die Altäre derer Heiligen behängt, die menschliche Herzen von dem Tode errettet. Und oft endigen sich ia auch die Klopffechtereien der Kritiker und der Autoren mit gegenseitiger Freundschaft, so bald nur ihre Wahrheitsliebe ihre Beutel gefüttert; so tanzte in einem auto sacramentale der Teufel mit Christo eine Sarabande, nachdem beide sich vorher mit Fäusten geschlagen. Zu was Augen, da sie niemand von einem Kritiker zu fordern berechtigt ist? Von einem iungen nämlich, welcher allein seinen Namen verdient. Nur die Hände, in denen noch die rothen Eindrükke des lehrmeisterlichen Stokkes brennen, klatschen iezt mit der kritischen Peitsche, und von diesen die sich nun kaum der empfindlichen Anspornung zum Klugwerden entzogen haben, kan niemand billigerweise Verstand fordern, obwohl eben darum der Verleger Rezensionen; höchstens brauchen sie durch wiederholte unsinnige Rezensionen das Denken zu erlernen, und durch Handeln den Kopf zu verbessern, wie die Fliegen ihre Augen mit ihren Füssen auspuzen. Auch wird kein ausgewachsener Bart sich an embryonischen Bärten rächen – wozu nun Verstand in tadelfreiem Tadel? Ein iunger Rezensent freilich, gegen dessen Vervolkommung sich noch einige angebohrne Güte stemt, und dessen Blut noch in dem Bette der Scham läuft, thut sehr wohl, wenn er dem billigern Gerüchte nicht so gerade entgegenschwimt und sein Urtheil an das allgemeine bindet, wenn er seiner Galle nur bei mittelmäsigen Schriften wilfähret und nur an diesen seine Faust ihre Muskeln üben läst; so versuchen berühmte Ärzte die gefährliche Kraft ihrer neuen Heilungsmittel an Missethätern, bis sie aus Vice-Henkern der Missethäter endlich Henker der Kranken werden. – Auch beruht auf der Unwissenheit das Vermögen des Kritikers, Fehler aufzusuchen. Jedem andern als dem scharfsichtigen Auge des Gelbsüchtigen, entgeht die allgemeine Farbe der Natur. Das Löschpapier ist grauer und schlechter als das Schreibpapier; allein eben vermöge seiner Schlechtheit saugt es die Dintenklekse auf diesem ein. „Aber ›einsaugen‹ past dieses auf den Kritiker?“ als wenn die Schlotfeger nicht selbst schwarz wären und die Färber nicht die Farbe hätten, die sie ihren Zeugen geben! als wenn Lichtpuzen (Puzscheren) durch den schwarzen Docht, den sie von dem Lichte abnehmen und in sich zusammenhäufen, nicht auch selbst geschwärzt würden! Und zu was auch endlich Augen, da sie zu den Hauptendzwekken des Kritikers zur Verläumdung und Schmeichelei entbehrlich sind? Und hierüber wil ich einiges sagen. Den Neid, diesen Bastart unsers ersten Triebes, dieses Kind des Mangels, diese Kost der Schwindsucht, erwärmet das Genie zum geiffernden Leben. Denn die Sonne schwärzt das Gesicht, und ie mehrere Lichter in einem Zimmer sind, desto mehrern Schatten wirft ein dunkler Körper. Daß aber gefühlte Schwäche leicht zum Neide reift und schwarze Dinte gelb wird, ist natürlich. Journale nun sind die Magazine des Neides, und gleichen dem Pasquin in Rom, den die Rache in ihre Geburten kleidet und die Verläumdung mit ihrem Geifer umspint; Rezensenten nun sind die Leute, die gleich gewissen Völkern zur Geburt eines Buchs weinen und zu seinem Tode lachen, die wie die Priester eine Leichenpredigt mehr als eine Taufe lieben, und mit ihren Kugeln um den Fal der meisten Kegel weteifern. Dazu mus der Kopf und das Herz zugleich helfen, und Scheingründe müssen die Verläumdung beschönigen – so verblendet die Erde als aufwallender Staub die Augen und befleckt als nasser Koth die Füsse. Wohl dan dem Rezensenten, wenn seine Dinte iede verhaste Schönheit wegfrist, wenn das Gold in seinem aqua regis und die Perle in seinem Essig zergeht! Wohl dan dem Rezensenten! Denn das Opfer seiner Feder unterliegt einer doppelten Schande, der eigenen und der fremden, und der besiegte Riese erröthet über die siegenden Zwerge, stat daß grosse Männer, durch grosse Männer fallend, wenigstens mit Ruhm fallen, die Ehre mit ihrem Besieger theilen, und durch einen schönen Untergang die trüben Wolken des verflossenen Lebens vergolden. Wohl dem Rezensenten, wenn von dem Stich einer einzigen Feder fremder Ruhm verwelkt, wenn er mit einer einzigen Wizelei das Produkt eines Genies für einen Haufen sinloser Buchstaben, deren Werth etwan auf äussern Firnis beruht, erklären kan; so verwandelt der Stich einer Schlupfwespe den Sodomsapfel in ein Behältnis schwarzen Staubs, das die Näscherei noch durch eine schöne Oberfläche täuschet. Aber freilich gräbt oft der harte Diamant in den feindlichen Hammer die Merkmale seines Widerstands; freilich gaukeln oft umsonst die luftigen Berggeister dem fleissigen Bergmanne die Veranlassung zu einer furchtsamen Verachtung des goldnen Zieles, vor. Und doch, wenn auch! Nicht iedes Verdienst ist gegen die Feinde seines Werths gewafnet, deren Schwäche der Fleis und die Anzahl verbessert. Tausend Wassertropfen hölen auch den Scheitel einer Bildsäule aus; auch Würmer können die Patente der Ewigkeit zernichten, und die Exkremente vieler Fliegen das schönste Papier beschmuzen; auch ohne die erschütternden Waffen des Elephanten, durchnagen freundschaftliche Holzwürmer den Ruhm und zerlöchern seine Feste. Zwar stirbt vielleicht innerer Werth nicht immer an der Kritik, aber doch sein äusserer Glanz; so schwärzt nach Drummond, der Bis einer Otter die Haut des Menschen, aber tödtet ihn nicht. Darum spüren einige Rezensenten am Grossen das Kleine auf, um dan darüber zu lachen, und vergiften gleich den Schlangen, die gemachte Wunde. Andre, menschenfreundlicher, verleumden blos durch Stilschweigen. Einige geiseln durch verstelltes Lob die unbemerkten Fehler, ihre Arznei schadet mehr als die Krankheit, und mehr als Gift vergiftet ihr Gegengift. Andere räuchern nur verwesten Nasen, überziehen wie die Perser, die Toden mit Honig, und bewerfen sie wie die Griechen mit Kränzen; loben als Alte Alte, und salben wie die Türken einander die Bärte. Dafür brechen iunge hofnungsvolle Dichter und Rezensenten über grauen Ruhm den Stab, trennen von weissen Haren den freundschaftlichen Lorber, wie die Kohlmeisen ihre ältern Mitbrüder tödten, und ihr Gehirn fressen, düngen mit verwestem Ruhm ihren eignen, mästen sich wie die Hyäne von aufgegrabnen Todten, und gleichen ganz den stechenden Wespen, die das Mark verstorbener Pferde gebähren sol. Und einige endlich versuchen durch Unbilligkeit zur Erwiederung derselben zu reizen, und auch oft beist die Wuth des Hundes in einen Menschen Wuth. Und vorausgesezt, daß ein unbilliger Angrif den Autor nicht zu angenehmen und lehrreichen Antworten veranlasset, wie Affen auf Kokosbäumen sich mit Kokosnüssen gegen die Steine der Indianer vertheidigen, vorausgesezt, daß die voreilige Ungerechtigkeit des Kritikers den Autor nicht ans einer unvorhergesehenen Unbekantheit reisse, wie der Honigsucher (viverrra melivora) in die Bäume, deren Honigschaz ihm unerreichbar ist, das Merkmahl ihres Werths durch seine Zähne gräbt, dies vorausgesezt, sind der Rache des Kunstrichters mehr grosse als kleine Schriftsteller vorzuschlagen. Stechfliegen stechen leichter durch einen seidnen als einen wollenen Strumpf. Und welcher Beutelschneider wird Diogenes Pera bestehlen, welcher Räuber in Diogenes Fas einbrechen? welcher Kritiker nicht den Schlangen ähnlichen wollen, die nur Frösche fangen, die sich bewegen? – Allein ein ächter Kritiker mahlt nicht nur wie der Neger, die Götter schwarz, sondern auch den Teufel weis. Denn nichts ist billiger, als schwachen Köpfen durch Lob aufzuhelfen, und ihnen durch den Posaunenton des Beifals neue Produkte abzufordern, wie Postknechte durch gefälliges Pfeifen ihren Pferden die Erleichterung der Harnblase abschmeicheln. Ein ächter Kunstrichter iauchzet da Land! Land! wo die Entfernung dem Dunst und dem Nebel Gestalten leihet. Sein Mitleiden versüsset dem Ruhme die Sterbensstunde durch Zusprache, und berauscht den Schriftsteller wie sonst die mitleidige Gerechtigkeit den Missethäter, durch Weihrauch zu einer glüklichen Fühllosigkeit für das Ende. Ja da man sonst die gehörnten Opferthiere der Götter mit Blumenkränzen krönte, warum sol er die Opfer der Kritik nicht mit Lorberkränzen zieren? – Derienige ist der vortreflichste Kunstrichter, der immer das Lob durch Tadel versalzet, der nie die Kralle darreicht, ohne ein wenig zu krazen, der gleich dem Schoshunde mit spizigen Zähnen seine gelinde Zunge verpallisadirt. Ist ia doch auch die Taube nicht ohne Galle. Bittere Magentropfen auf Zukker gegeben, lassen sich wohl einnehmen. Auch macht man die Prikken in Essig und Lorbern zugleich ein, und die Lappen gehen aus dem heissen Bad ins kalte. – Noch einige vermischte Anmerkungen über die Rezensenten! Die Menge derselben beweist, wie die Menge der Mäuse eine gesegnete Erndte. – Der Faust unserer tiefsinnigen Kunstrichter verdanken wir die Entwiklung mancher Schönheiten; denn treten nicht auch die Klauen der Ochsen bei den Orientalern das Getraide aus den Garben heraus? Und auf der andern Seite mausen die Kazen so gut wie die Eulen, und verrichten nicht oft die Murmelthiere des Savoyarden die Dienste eines Schlotfegers? Ja die Rezensenten verrichten mehr; denn ihre Wuth hat manches Genie zur Satire begeistert, und Dunsen sind wir die Dunziade schuldig, so veranlasse das Zischen der Schlangen der Gorgone die Minerva zur Erfindung der Flöte. – Kein Japaner darf einen Baum umhauen, ohne einen neuen zu pflanzen – dummer Gebrauch! Und wenn wir ihn annähmen, wer würde rezensiren? Ich lobte oben die Unwissenheit der kritischen Köpfe, aber ich hätte auch die Klugheit ihrer Handlungen und ihrer Ränke loben sollen, denn der Teufel prangt nicht blos mit Ochsenhörnern, sondern auch mit Pferdefüssen. Auf den Kritikern beruht das gute oder schlechte Schiksal des Parnasses; dies sieht man auch daraus, weil die Kritik sich erst auf den Ruinen des Genies erhebt, und der Sieg der Rezensenten erst auf die Niederlage der schönen Geister folgt. Die Knochen im Gesichte ragen erst dann hervor, wann die schönen Wangen eingefallen. Im Winter steigt der Merkurius des Wärmenmessers erst bei schlechtem Wetter. Doch lokt oft nicht der Regen, sondern nur die Ahndung desselben die Regenwürmer aus der Erde hervor. –

Endlich einige Kleinigkeiten! Das Titelblat ist das wichtigste Blat des ganzen Buchs, denn nach dem Gesichte würdigt man die unbekantern Theile eines Menschen. Daher mus ein Schriftsteller zur Erfindung eines prächtigen Titels, sein ganzes Gehirn aufbieten und der scheinbaren Geringfügigkeit desselben ist er alle mögliche Ausschmükkung schuldig. So trägt man in Japan nur Geflügel mit vergoldeten Schnäbeln auf die Tafel. Darum aber braucht er nicht das zu leisten, was er auf den Titel verspricht – jener Mahler schrieb unter seine Figuren nicht, was sie waren, (denn das sah man ia) sondern was sie sein sollten. Und welcher vornehme Man ist nicht weniger als sein Titel? Da ferner die Schriftsteller ihre Verewigung nur von den Journalen durch die Aufbewahrung ihrer sinreichen Titel zu gewarten haben, wie die Bauern in einigen Orten die Köpfe aufgegessener Heringe an einem Faden zusammenreihen und an die Stubendekke hängen, so ist es auch darum gut, allen Wiz in den Titel, wie in eine Urne, für die Nachwelt zusammenzudrängen. – Auch das Motto ist nicht zu vergessen. Wie schön glänzt der Name eines grossen Schriftstellers, der das Motto herleiht, auf einer modischen scharfsinnigen Schrift! Eben so glänzt das Bild der Sonne auf der Stirne des götlichen Ochsen der Franken. Je weniger das Motto sich zum Buche schikt, desto mehr macht es dem Wize des Verfassers Ehre, dem auch die kleinste Ähnlichkeit nicht entgangen. Vorzüglich dem Titelblatte ernsthafter Streitschriften läst ein spashaftes Motto, aus Registern gestohlen, ungemein wohl. Eben so schimmern auf den Helmen der Helden Federn aus dem Schwanze des Pfauen. Ich würde auch zur Verschönerung eines Titelblattes das geistreiche Portrait des Verfassers selbst vorschlagen, wenn der kopierte Geist in seinen Gesichtszügen einen von dem Versuche nicht abschrekte, das Original desselben im Buche näher kennen zu lernen; so entzieht oft das ausgehängte Bild einer Misgeburt die Neugier der Zuschauer, der Betrachtung des Originals. –

Alle Schriften strozen iezt stat der Gedanken von Gedankenstrichen, die man auch Gedankenpausen nennen könte. Man durchstreicht iezt nicht mehr Wörter, aber man durchstreicht doch dafür das lere Papier. Die Guayruer lassen neben dem begrabnen Körper einen leren Plaz für den Geist und unsere grossen Köpfe neben den Worten einen für die Gedanken, und deuten den Sin, wie Heraldiker das Silber, durch leren Raum an. Man vertheuert durch eine solche Verschwendung der Dinte seine Ware, wie die Kaufleute durch Benezung die ihrige. Gedankenstriche sind Furchen ohne Samen – sind Linien, die der Chiromantist zu lesen gedenkt, und für deren Bedeutung der Zufal nicht gesorgt – sind das algebraische Zeichen der Subtrakzion – sind die Gebeine verstorbener Gedanken – sind die Schleppen oder Schwänze der Perioden, welche Schwänze auch oft den Kopf der Perioden, wie die Schwänze bekanter Vögel den Kopf der Damen zieren – sind Brükken, über die Klüfte unähnlicher Materien geschlagen – sind Mittel, unsere Bewunderung vom Genus ihres Gegenstandes zu trennen, wie iener zwischen sich und seine schöne Schlafgenossin einen Degen legte. – Ans diesem wird ieder den verschiednen Gebrauch und die Nothwendigkeit der Gedankenstriche ersehen können, und meine Gedankenstriche werden sich auch selbst loben. –

Schade, daß wir iezt nicht mehr so unsere Wörter wie unsere Kleider verstümlen. Doch läst es noch in Gedichten, wo jeder Vers gleich einem Gleichnis übel zu Fus ist, sehr schön, wenn das hölzerne Bein des Apostrophs das weggeschossene natürliche ersezt, wenn man die Füsse der Wörter in enges Sylbenmas, wie die Sineser die weiblichen Füsse in enge Schuhe, einzwängt. – Man verstümlet die Wörter nicht blos, wie die Wilden ihre Kinder, der Zierde, sondern auch der Erhabenheit wegen. Ein Wort mit den krummen Narben eines Federhiebs, wie marzialisch sieht es! –

Da man oft zwei Uhren und auf Einer Seite zwei Lokken trägt, da man Monsieur oder Herr im Briefe aus Höflichkeit verdoppelt, so wird man leicht sehen, daß die Verdoppelung der Frag- und Ausruffungszeichen nicht blos modisch, sondern auch vernünftig ist. Manche Autoren können dadurch mehr ausdrükken, als sie im Sinne haben!

Kaum brauch' ich zu erinnern, daß der Verfasser sein Buch mit schönen Kupferstichen zieren müsse, die seine schlechten Zeichnungen heben. Diese Mode errinnert mich an die Mode einiger armen Ägypter, die ihren Gözen stat der Schweine die Abbildungen der Schweine opferten. Oder daß er für schönes Papier sorgen müsse? Denn wer isset gern auf einem schmuzigen Tischtuche? Und endlich, daß er sein Kind in der möglichst kleinen Gestalt erscheinen lassen müsse. Grosoktav ist der Positiv des Wizes, Kleinoktav sein Komparativ, und Duodez gar sein Superlativ. Das Gehirn verhält sich zum Kopfe umgekehrt. Auch bemerkt Home in seiner Geschichte der Menschheit sehr gut, daß bei der Verfeinerung des Gaumens grosse Stükke Fleisch aus der Mode kommen. Der rohe Angelsachse briet oft einen ganzen Ochsen, und der feine Sineser füllet seine Schüsseln mit kleingeschnittenem Fleische an. – Ich habe nichts dawider, wenn man stat der gothischen Lettern römische wählet. Denn es beweist, daß die klassische Gelehrsamkeit unter uns noch nicht ausgestorben. –

Nun bin ich fertig; das heist, ich habe durch das Gemälde eines heutigen Autors das Gemälde eines vortreflichen gegeben, und durch Schilderung der iezigen Schreiberei, schreiben gelehrt. Freilich ist nur das Beispiel unsers Parnasses Muster. – Aber das Dakapo meiner halbgeheilten Gicht verscheucht alle Musen aus meinen Fingern, und nötigt mich zum Schlusse. Welcher gesättigte Magen liebt übrigens auch ein langes Dankgebet? Je mehr ein fallender Körper sich der Erde nähert, desto geschwinder fält er, und ich abbrevire wenigstens die Endsylben der Wörter. Kurz, Amen! –

 

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1) Der Verfasser dieses Werkgens gab vor einem halben Jahre seinen unsterblichen Geist auf. Er war Famulus eines berühmten Professors; daher er auch nichts lernte. Er würde eben darum Kollegien gelesen und Beifal gefunden haben; allein er hatte zu wenig Geld, um sich ein lateinisches M oder D zur Zierde seines Namens kaufen zu können. Was er aber hatte, fras eine langwierige Krankheit auf, deren er hier erwähnt, und die ihn bis ins Alter und in das Lazareth begleitete, wo er starb, doch nicht, ohne sich unsterblich gemacht zu haben. –. 

2) Doch wird man diese verwelkten Blümgen auch einmal für kritische Ochsen, als Heu zum Wiederkäuen brauchen können.  

3) Mit dieser Auferwekkungskraft ist der unschäzbare Verfasser des Annulus Platonis begabt, welcher annulus 1781 schreib ein tausend siebenhundert und ein und achzig herauskam, und in welchem annulus der alchymistische Unsin, wie der Papagei in dem Ringe seines Bauers sich wieget.  

4) Siehe Tristram Shandi's Leben. 1. Theil 7. Kapitel. 

5) Siehe die berlinische Samlung der besten Reisebeschreibungen 3. Band S. 255-256. 

6) Parazelsus extrahirte aus Menschenkoth ein wohlriechendes Extrakt, welches er Zibetha occidentalis nannte. 

7) Siehe den Artikel vom Esel, in Büffon's Naturgeschichte. 

8) Allerneueste Mannigfaltigkeiten. Erster Jahrgang. Erstes Quartal S. 80. 

9) Diese Wilden glaubten nämlich, alle 52 Sonneniahre endige die Sonne ihren Lauf und ihr Dasein, und eine neue trete an ihre Stelle.