BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Jean Paul

1763 - 1825

 

Grönländische Prozesse,

oder Satirische Skizzen

 

Zweite Auflage 1821

 

Text:

Jean Paul's sämmtliche Werke

Erste Lieferung. Fünfter Band

Berlin, bei G. Reimer, 1826

Seite 118 - 120

 

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Epilog zur zweiten Auflage.

 

O wie leicht und froh ist mir, daß ich meine Jugendsünden in zwei Oktav-Bändchen endlich auf immer begangen und in einer verbesserten Auflage abgebüßt! Aber einmal mußte beides sein. Sündigen wie Verbessern. Die erste Leiterstaffel ist als erdnächste immer die schmuzigste. Zwischen diesem 1783 erschienenen Bändchen und den 1789 gelieferten Teufels-Papieren liegen, kaum vier Jahre (denn der Lauf eines Haarsterns in die Sonnennähe der Druckpresse kostet auch Jahre); gleich wol hat diese Olympiade die Milchzähne einer schwachbißigen Ironie, die sie durch Lachen mehr vorzeigte als ansetzte, durch das zweite Zahnen meist fortgetrieben, so daß sie noch jetzo für die Hunde, und Schneidezähne der Teufels-Papiere nichts aufzuwenden brauchte als einige Tropfen Zahntinktur aus dem Dintenfaße.

Aber so viel bleibt gewiß, ein Buch auszubessern– immer nur zu vielen kleinen Ganzen sich von neuem anzuspannen – ein richtiges Wort einzuschieben, das nicht die Flut der Begeisterung zuführt, sondern das man am Ufer derselben mühsam zu finden hat, und vollends ein Buch alter Jugend, das seinen späteren Brüdern durch die Zeit eines langen Erkrankens ganz unähnlich geworden, ein altes Buch so zu punktieren (wie die Wundärzte das Abzapfen des Wassersüchtigen nennen), daß ihm nicht wie die Menschen, mit dem Wasser zugleich das Lebenslicht ausgeht . . . wahrlich viel froher wollte ich statt dessen ein ganzes Trauerspiel machen, als hier gewissermaßen den Helden von einem.

Bleibe aber, geneigter Leser, mir fort geneigt, wenn dich die übrig gebliebenen Seiten in diesem Bändchen noch halb so ärgern, wie mich die durchstrichenen, und zürne nicht über das neue Auflegen; denn irgend ein Sammler oder ein Nachdrucker hätte doch wahrscheinlich – wenigstens nach meinem Ableben – die ganzen Prozeßakten ohne meine Revision wie sie sind wieder aus dem Buchladen gelassen, mit allen den Fehlern, die ich so zornig ausstrich, und zwar sie auf so lange Jahre verewigt, als sich die erträglichern gesündern Werke konservieren: Himmel, dieß wäre kaum im Himmel auszuhalten.

Ich weiß daher nicht genug von Glück zu sagen, daß ich nie mehr in den Fall kommen kann, mit Jugendwerken aufzutreten, und folglich mit großen Umarbeitungen derselben hinterher. Vielmehr sind – dieß erkennt niemand dankbarer und froher als ich – die Werke vom 30sten Jahre bis zum 50sten ja 60sten einander so ähnlich in ächtem Gehalt, daß das spätere Jahrzehend wenig am jüngern zu bessern braucht, und man seine älteren Jahre in Ruhe verzehren und verschreiben kann; denn je mehr Jahrzehende der Mensch lebt, desto weniger Unterschiede findet er zwischen ihnen, ausgenommen, daß sie immer kürzer werden, eben durch das Vermindern der Unterschiede; der hohe steilrechte Flug zieht, ähnlich dem Aetna's Rauch, sich nach dem Vierzigsten als ein wagrechter fort, bis er im Blau versiegt, obwol nicht versinkt. Allerdings sind verbesserte Auflagen der Vierziger, der Fünfziger von Werken hienieden denkbar, aber nur bei abgegangenen Patriarchen von Jahren, wie Methusalem bekam, der allerdings in seinem zweiten Jahrhundert das Geschreibsel seines ersten durchstreichen und verbessern, und vollends in seinem neunten recht gut die zahllosen Denk- und Dichtfehler in den Geistes-Kindern seiner vorhergehenden Jahrhunderte reformieren konnte – was leider selber die christliche Kirche ungeachtet aller ihrer Errata, Schreibfehler, Barbarismen, Solözismen, poetischen und noch mehr prosaischen Freiheiten erst that als sie schon sechszehn Jahrhunderte alt war; – von uns Neuern hingegen wird schwerlich einer, besonders Göthe über die Herausgabe seiner sämmtlichen Werke früher als nach dem jüngsten Gerichte ein letztes halten und darin die Böcke von den Lämmern scheiden.

– Aber warum will ich das Ziel meines Epilogs länger hinter andere Ziele verstecken? Eigentlich schreib' ich ihn doch mir, um von meinen Lesern, die auf den letzten Seiten meiner andern Werke immer liebend von mir geschieden, auch an der Hinterthür eines Buchs voll lauter satirischer Zänkerei mit dem alten Liebhaben entlassen zu werden. Deshalb hab' ich noch dazu die Vorrede zur zweiten Auflage vorher gemacht, damit, da der Mensch gewöhnlich beim Eintritt und dem Austritt als Gast – bei der Ankunft und der Abreise als Reisender – bei der Geburt und dem Sterben als Mensch – mehr Liebe ausgesprochen empfängt als in den Zwischenräumen, damit, sag' ich, der Leser mich zweimal im Buche, (sonst ist auch wenig zu umhalsen darin) ungeachtet der stechenden Busennadeln etwas an sich drücke, und über die feindliche Brustwehr hinweg nicht das freundschaftliche Herz dahinter übersehe. – So bleibe mir den gut, mein Leser, ob ich gleich zwei Bändchen satirischer Skizzen 1781 als Student im Körnerschen Kaffeehause in der Peterstraße zu Leipzig geschrieben.

 

Baireuth, den 23sten August 1821.

 

Jean Paul Fr. Richter.