BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Jean Paul

1763 - 1825

 

Grönländische Prozesse,

oder Satirische Skizzen

 

Zweite Auflage 1821

 

Text:

Jean Paul's sämmtliche Werke

Erste Lieferung. Fünfter Band

Berlin, bei G. Reimer, 1826

Seite V - XVIII

 

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Vorrede zur zweiten Auflage.

 

Endlich wird auch mein ältestes Werkchen verjüngt und neu aufgelegt. Bei dieser Gelegenheit lernt' ich dasselbe, da ich es seit mehr als anderthalb Vierteljahrhunderten nicht angesehen, wieder kennen und las es völlig durch unter dem Verbessern. Ich schrieb es achtzehn Jahre nach – meiner eignen Geburt. Da nun der Leser von einem Schriftsteller, dessen Vollmond mehrmal in ihre Zimmer geschimmert, auch gerne das erste Viertel beschauen will: so lass' ich dieses denn hier wieder aufgehen, so eckig und zackig und ausgebrochen auch immer das Viertel vor der Welt hangen möge. Es ist des Lesers Schuld selber, daß er nach dem ersten Viertel eines Autors so neugierig, ja noch viel gieriger als nach dessen letztem oder abnehmendem Lichte ausläuft – womit doch jeder von uns täglich dienen kann, und wirklich dient –; und sogar das dünne Neulicht der schriftstellerischen Knabenzeit möcht' er gern (er verspricht sich viel Licht über manches) zu sehen bekommen.

Einige Vorworte aus meiner künftigen Lebensbeschreibung – wenn sie anders noch auf das Papier gelangt – scheinen zum Würdigen und Entschuldigen dieser Jugendarbeit nöthig und erlaubt zu sein. Der Verfasser schrieb sie in seinem neunzehnten Jahre als Student in Leipzig nieder. In seinem achtzehnten hatte er nach Erasmus eine zweite Lobrede der Narrheit gemacht, welche, da sie selber sich unter keine Presse einzudrängen vermochte, ihre besten Stellen den „grönländischen Prozessen“ zum Drucke abtreten mußte – was alles zehnmal ausführlicher in der möglichen Selberlebens-Beschreibung vorkommen kann.

Erasmus Lobrede, Popens Dunziade und Youngs Satiren waren seine satirischen Musen und Bonnen und Hausfranzösinnen, bei welchen er im Komischen etwas thun wollte. Jetzo sieht er freilich ein, daß man nur zwischen ernster Bitterkeit und freiem Scherz, zwischen Juvenal-Persius und zwischen Horaz, oder Aristophanes, oder Swift oder Sterne oder Shakspeare, welche alle mit ihrem Komischen dem Iuvenal-Persius entgegenstehen, ausschließend zu wählen und sich zu entscheiden habe, indem die widerspenstige Hin- und Hermischung des Spottzorns mit der Lust, der Bußpredigt mit dem Lustspiel immer nur entweder eine falsche sich selbet aufreibende Ironie, oder eine eben solche Strafrede und folglich beides auf einmal gebären kann. Verschrieben sich aber die satirischen Musterbilder lateinisch und englisch so gewaltig: wie mögen nicht erst satirische „Skizzen“ sich vergreifen? – Nun wer fragt, der hält ja hier die Antwort in der Hand.

Doch weiset, darf ich sagen, das zweite Bändchen schon mehr ächte Farben der Ironie vor, nicht blos, weil es mehr über Schriftstellerei, wo jeder junge Mensch zu Hause ist, sich lustig machen will, sondern auch – und vorzüglich – weil es ein halbes Jahr später geschrieben wurde. Aber man sieht, wie der Mensch sich bessert, zumal ein junger.

Inzwischen dürfte an diesen Aushängebogen der Jugend das Alter als Korrektor nur die groben Errata oder Druckfehler verbessern, aber es durfte nicht das ganze Werk umdrucken, nicht baskervillische Lettern, anstatt der Mönchschrift erwählen, noch das Neueste an die Stelle des Aeltesten setzen. Der Leser will, wie ein Geschäftmann, in die Reisepässe oder Schuldscheine der Jugend nicht späteres hereinkorrigiert sehen; sie sollen als Dokumente gelten.

Er trete daher in dieses Buch nur als in ein buntfarbiges Stufenkabinet von lauter Gleichnissen freilich von mehr Glimmer als Schimmer hinein; es ist aber schwer auszuhalten vor Aehnlichkeiten, nämlich im Buche selber; denn hinten in der ihm beigehefteten Vorrede gehts ohnehin nicht; es ist solche, da sie Hippeln in der seinigen hinten zum Buche über die Ehe von weitem (und in der That weit genug) nachahmen will, von der Beschaffenheit, daß ein Leser der in ihr als einer ordentlichen deutschen Vorrede lustwandeln will, wie auf einer platten glatten Wiese, nicht nur von einem Periodenpunkte zum andern auf ein Radeblumengebüsch von Gleichnis stößt und tritt, sondern auch zwischen jedem Komma etwas geblümtes und Blühendes zu überwinden und durchzutreten hat.

Doch ist es natürlich, wie alles in der Natur, – sie ausgenommen –; denn der Jüngling will in seine erste Schrift alle seine Jahre, vom ersten bis zum Druckjahre überfüllt hineinpressen und ausdrücken; als blieb' ihm keine zweite, zwanzigste mehr übrig, wo er nur wenige nächste Jahre auszusprechen hat. Er schreibt wie ein Lapidarschriftsteller, das ganze Werkchen mit lauter Anfang- und Kapital- und Versallettern; noch lieber thät' ers in lauter Sonntag-Buchstaben – „Junge Kiele haben Blut“ schreibt mit so vielem Recht und Verstand eben der Jüngling in der hintern Vorrede seines Buchs, dem ich in dieser vordern das Wort rede; denn erst später verwandelt der reifende Kiel das Blut in eine sogenannte Seele und läßt sich vom Federmesser der Kritik geschickt zum Schreiben zuschneiden und den Ueberftuß nehmen. Dann tritt jene Bildersparende Einfachheit hervor, wodurch gegenwärtiger Verfasser sein Jetzt von seinem Sonst auszuzeichnen sucht, ganz unbekümmert darüber, daß er auf diese Weise immer eine neue Außenseite nach der andern auf eine alte deckt, dem Erdkörper ähnlich, der nach Cuvier vierzehn Oberflächen auf einander hat, wovon die letzte, auf der ich schreibe, die blühendste ist.

Indeß wollen wir, ich und Leser, nicht gar zu strenge über irgend einen Stil, z. B. über einen sprudelnden, ja nicht einmal über einen trocknen herfahren. Jeder eigenthümliche ist gut, sobald er ein einsamer bleibt und kein allgemeiner wird; denn selber der reinste und vollendete – wenn ein Mensch, sogar ein Platon, Cieero, Göthe, Rousseau, einen schreiben könnte – dürfte nicht der allgemeine und einzige werden und alle Büchersäle füllen, von der alten Welt bis in die neue hinab, oder wir würden vor Uebersättigung verhungern und abmagern; so wie ein Menschengeschlecht dessen Völker und Zeiten aus lauter frommen Herrnhutern und Spenern oder Antoninen oder Luthern bestände, zuletzt etwas von der matten Langeweile und trägen Vorrückung darbieten würde, welche Herder immer an den Epopeen erlebte und an der Messiade wohl jeder. Nur Unähnlichkeit bis zur kriegerischen Gährung entwickelt, treibt und sproßt; ein einziges Element gäbe keine Blüte, kaum sich selber.

Läßt man überhaupt eine lyrische, dithyrambische, tragische Fülle zu, warum denn nicht auch einmal eine witzige, wie ein Hamann und Hippel oder in den Lehrlingen derselben, welche freilich mehr Zahl als Werth nachahmen können? Darf die Prose nicht auch ihre Spielarten haben? Nur werde freilich nicht jedes Buch in solchem Stile geschrieben – wie doch ein Nachahmer thut – so wenig als jedes solches verboten. – Dabei wird es ein Vortheil für Entwicklung, wenn dem Leser, zumal dem deutschen, ein tapfres Springen von Aehnlichkeiten zu Aehnlichkeiten über immer breitere Gräben angesonnen wird; er gewinnt durch Springe den Kraft-Ueberschuß zu den Schritten und Tänzen, so wie Sterne durch die gewichtige Schöpfung seines Tristram Shandy sich zur leichten zierlichen seiner empfindsamen Reisen schulete, weil eben die Mehrkraft im Hinterhalte gleichsam das Schwungbret für den Tanz der Grazie unterlegt; und Horaz verdankte der Gewaltanspannung für seine Oden gewis die Vorschule für den Spielzauber seiner Sermonen und seines Lehrgedichts. – Uebermaß spannt wenigstens und zersprengt zuweilen; aber Schwäche, wie in der Gottschedischen Adelungschen Schule, dreht die Saite nur herab, bis sie gar nicht mehr klingt.

Was jedoch der Neun und funfzigjährige an dem Neunzehnjährigen in diesem Werkchen ausgeschnitten, so wie angeflickt, geht nicht das Ganze und Eigenthümliche an, das oft dem Funfziger zur Aergernis stehen bleiben mußte. Unähnliche Gleichnisse und viele plump ironische Wendungen mußten sich hinwegbegeben. Am meisten wurde in dem Briefe an einen Edelmann über den Adelstolz das gar zu grobkörnige graue Salz, wenigstens klar zerrieben, oder gegen weißes vertauscht. –

Aus dem täglichen Umgang mit den brittischen Satirikern, wie Pope und Swift, blieb dem Jüngling eine Derbheit des Ausdrucks, besonders in Bezug auf das Geschlecht zurück, welche, als sie vergriffen war, keine zweite Auflage erleben durfte. Im zierlichen Pope kommt das Wort whore (H–) vielleicht öfter vor, als im vielbändigen Shakspeare. Eben die Engländer verführten den guten unschuldigen Friedrich Richter, der erst zwanzig Jahre später in Berlin die erste Oeffentliche zu Gesicht bekam – eine schöne einsame Dame die ihm ein Freund bei ihrem Alleinnachhausegehen aus dem Theater von Weitem zeigte – diese verleiteten ihn, daß er seine Leser auf der Schwelle seines ersten Werks in ein Haus, worein er selber noch bis diese Stunde nie geblickt, in einem Gleichnisse einführt, wie jeder finden kann, der die Vorrede überschlägt und die erste Periode und Vergleichung dieses gleichnisreichen Buches ansieht; inzwischen ein närrischer nachschreibender Kauz von Schreiber! –

Aber einen andern Fehler ließ der Neunundfunfzigjährige unversüßt im Buche stehen, ob er gleich seinem ganzen Herzen zuwider ist; und zwar denselben, der auch in der Seele des Neunzehnjährigen nicht war – nämlich die Bitterkeit. In vollen zwei Bändchen fand keine milde Zeile der Liebe ein Plätzchen. Im Briefe vollends über die Weiber, schilt ordentlich ein grauer Geschlecht-Vorstand oder Curator sexus, und gibt jedes Rosenmädchen für ein Rosendornenmädchen aus, und drückt allen fünf klugen Jungfrauen seine satirischen fünf Wundenmale auf. Und so etwas that und schrieb ein Neunzehnjähriger? Einer, der in solcher Blütenzeit vielmehr Herz und Auge ganz voll haben sollte von trunkner Liebe für Alle – der wie die Athener, vorläufig alle Gottheiten anbeten sollte, bevor er endlich zum Altar der unbekannten gekommen, wo er bekehrt verharrt – und der als zarter Jüngling vor Delikatesse kaum den Muth haben dürfte, eine stark zu lobpreisen, weil man nach dem Aberglauben durch das Zeigen mit Fingern nach den Sternen die Engel beleidigt, geschweige aber alle auszulachen – kurz einer schrieb so satirisch über die Weiber, der in solchem Alter – zumal wenn man seinen spätem Hesperus und Titan und andere Romane erwägt – sich nichts Schöners, Besseres, Hulderes hätte denken sollen, als ein Weib? – Beim Himmel, das that ich auch, und es gab wenige Schauspielerinnen auf der Leipziger Bühne, oder (dreht' ich mich um) in den Logenhalbzirkeln, welche ich damals nicht geheirathet hätte, wenn ich ihrer Ruhe gefährlich gewesen wäre, anstatt gleichgültig. – Aber die rechte Satire kommt so wenig aus dem Herzen, als die rechte Empfindung aus dem Kopfe; und I. I. Rousseau vereinigt gegen die Weiber die eine und die andere mit gleicher Stärke in seiner Heloise. Uebrigens wird gerade der Jüngling, der überall lyrisch ist wie das Alter dramatisch, weil für ihn das Ideal noch am Horizonte dieser Welt zu stehen scheint, anstatt für die Alten schon in den Gesichtkreis der zweiten entrückt, dieser wird sowol Flecken als Lichter der Menschen zu breit sehen, wie reizkranken Augen schwarze Punkte und helle Punkte vorflattern, wenn sie gen Himmel, oder auf glänzende Gegenstände schauen, hingegen nicht, wenn sie niederwärts und auf Nahes blicken. – Im Spätalter entzaubern zugleich die Mängel und bezaubern die Reize schwächer.

Iuvenilia der Satire sind gewöhnlich Iuvenilia wie Stolbergs Jamben. Deshalb blühen in diesem Jugendwerkchen lauter bescheidene Veilchen, welche, gleich denen des Frühlings, Purgierkräfte haben, wie überhaupt Lenzblumen dunkelfarbig und giftartig sind. Allein es verlangte ja der Leser selber die Veilchen, als jugendliche Ueberbleibsel eines Romanschreibers, den er nie anders gekannt als mild, und als die Liebe selber. Inzwischen wird doch immer dieses Satirenbuch nichts Schlimmeres vorstellen, als die Reliquie von einer petrarchischen Katze – zumal da es von ihr die Funken des Felles und Auges und das Krallen hat – wie man in Padua noch das Gerippe der Katze vorzeigt, mit welcher der verliebte Petrarka zu spielen pflegte.

So ists aber eben recht; der Jüngling-Dichter soll lieben, bewundern, beten, weinen und innigst sein; aber nicht sogleich in ungebundner Rede, geschweige in gebundner. Die Empfindung verschließe ihr Heiligthum Jahrzehnte lang dem Korkzieher der Dicht-Feder; sie verdichtet sich eingesiegelt, und verraucht nicht auf dem luftigen Weltmärkte. So wuchs bei dem Verfasser hinter dem lustigen Schein der Ernst der Empfindung ungestört; daher konnte sie sechs oder sieben Jahre später schon nicht mehr ihre Gefangenschaft aushalten, sondern eroberte sich „in der Auswahl aus des Teufels Papieren“ kleine Spatzierräume unter dem Namen „ernsthafte Anhänge“ bis endlich der Satire so viel Boden abgerungen wurde, daß diese auf dem Pantheon des Titans nur ein kleines Pflug- und Storchenrad als Nest zu ihrem Radschlagen und Klappern fand. Ja es kann eine Zeit eintreten, wo der Verfasser Werke liefert, in denen ganz und gar kein Spaß vorkommt; welche Zeit zunächst an die letzte gränzen würde, worin er, da Mensch wie Mode-Zeit sich im Kreise und folglich der ernste Greis sich wieder zum Spiel-Kinde zurück dreht, nichts Aecht-Ernstes mehr vorbringt, sondern unerwartet viel Scherz – was zum Glück noch fern abliegt.

Irgend einem künftigen fränkischen Plutarch, der gern mit dem östreichischen wettrennen, ja den Freiherrn von Hormayer wo möglich überholen möchte – was aber wol in ächtem Aristokratismus nicht jeder vermöchte – thu' ich vielleicht hier Vorschub, wenn ich die Nachrichten mittheile, daß ich im Mai 1781 mich in Leipzig im Körnerschen Kaffeehause zur Rose als Student setzte und Ein Jahr später die Grönländischen Prozeßakten *) fertigte, gerade als ich noch so viel Geld als Vorschuß übrig hatte, um damit unter dem Prozessieren auszureichen, bis der Aktenstock an die Fakultät der Welt abgesandt, und das Bezahlen der Parteien richterlich festgesetzt worden. Aber leider wollte kein Verleger in Leipzig die Kosten der Akteninrotulierung und Versendung verlegen; und der arme Armenadvokat – ich war nämlich selber der Arme, für den ich advozierte – zog in mehr als einem Buchladen seinen Aktenstock aus der Tasche heraus, und steckte ihn, wie einen Degen, wieder in die Scheide. –

Während dieses schriftstellerischen Umganges nahm der Winter mit seiner und – meiner Armuth zu. Das junge Büchelchen mußte jetzo seine Geburtstadt verlassen, und ohne mich, den Vater, reisen, und zwar nach Berlin zum alten Buchhändler Friedrich Voß. Während der Reise stand der Vater viel von dem aus, was man im gemeinen Leben ungeheizte Oefen und ungesättigte Mägen nennt.

Da klopfte endlich an der kalten Stube – möchte doch die Selberlebensbeschreibung dieß alles recht ausführlich aus einander erzählen! das Schreiben an, welches rapportierte, daß der ehrwürdige Buchhändler Voß, der Verleger und Freund Lessings und Hippels, meine beißige Erstgeburt mit Liebe in sein Handel-Werbhaus aufnehme, und sie so ausrüsten werde, daß sie zur Ostermesse in Leipzig zu den andern gelehrten Kreistruppen und enfans perdus stoßen könne. – Was er denn redlich, wenigstens zu meinem Vortheil gehalten. Denn Beute, Gefangne, oder sonst Geldes werth wird ihm die Erstgeburt schwerlich viel nach Hause geschickt haben, zumal da sie selber bald wieder mit Eil-Krebsmärschen nach Hause ging, und da lieber eingezogen ihren Werbeplatz, den Laden, hütete, als wild in Deutschland umherschwärmte. Die Rezensenten im Allgemeinen ließen sie schweigend passieren; nur Einer in Leipzig – erinnere ich mich noch – warf, als die Erstgeburt unter seinem Baum wegging, auf dem er saß und literarische Wache hielt, der warf, wie Affen es auf den Bäumen gern thun gegen die Vorbeigehenden, viel von seinem Unrath auf sie.

Jetzt ist schon eher zu hoffen, daß auf den kritischen Erkenntnis-Bäumen höfliche schöngezeichnete Schlangen sitzen, welche einem treuen Ophiten und Verehrer wie ich, wenn nicht den Apfel der Schönheit, doch den der Selberkenntnis reichen.

Und nun Vorredens genug für Andere, wenn auch gar nicht für mich; denn wenn ein Mensch sich selber zu loben anfängt, mag er nicht gern aufhören – so wie die längste Epistel im ganzen Jahre diejenige ist, wo Paulus sich von den Gemeinden das nöthige Lob ertheilt – jede Vorrede ist aber eben ein hergebrachtes Selbstlob bis sogar auf den Selbsttadel darin, welcher doch keine andere Blöße einräumt, als nur die schöne des Gesichts, des Busens, und ähnlicher Zier.

Gleich wol bring' ich noch ein paar Worte vor. Wohlwollende Leser sind gewis mehr darüber erfreut als verdrießlich, als ich hier des besonderen Werthes, welchen diese grönländischen Prozesse für mich haben, gedenke, in so fern sie ein Gedächtnismal der Freundschaft sind, an welchen sonst andere Prozesse eben nicht erinnern. Nämlich ich, und Friedrich von Oertel aus Hof waren Gymnasium-, Universitäts-und Jugendfreunde – und sind's nach so vielen Jahren noch, hoffe ich, ob gleich einer von uns schon lange gestorben ist. Der kränkliche, aber reiche Jüngling machet von dem Buche des kerngesunden, aber armen Freundes in seinen von akademischen Arbeiten überladenen Vormitternächten eine Abschrift für den Druck, weil der Verfasser, wie jeder angehende, ungeachtet seiner netten Hand, in Aengsten stand, er schreibe nicht leserlich genug für den Setzer, indeß ein alter Autor immer umgekehrt voraussetzt, er schmiere lesbar für Jeden. Was wäre denn aber an einer Million Druckfehler gelegen gewesen? – Jetzo wundere ich mich nur über mein Einwilligen in ein so langes Aufopfern. – Aber es war eben die Zeit der ersten Freundschaft; in dieser nimmt man ohne Berechnung alles an, weil man eben so ohne Berechnung alles hergibt. – Du schönste göttliche Zeit! – Aber nicht ganz bist du in die Ewigkeit entflohen, wohin du gehörst, sondern du hast noch jedem einige Stunden zurückgelassen! – Und in diesen kann und will ich den Spätfreund so lieben, als wär' er ein Jugendfreund, und an meinen so sehr früh dahin gegangenen Oertel denken.

 

Baireuth, den 30. Mai 1821.

Jean Paul Fr. Richter.

 

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*) Hinten in der zweiten Vorrede wird der Titel des Buchs dadurch erklärt und gerechtfertigt, daß die Grönländer, die nichts so lieben als Scherz und Schnupftaback, (fast allegorisch) ihre Streitigkeiten durch gegenseitiges Satirisieren abmachen.