BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Heinrich von Kleist

1777 - 1811

 

Der zerbrochne Krug,

ein Lustspiel

 

Scene: Die Gerichtsstube

 

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Sechster Auftritt.

 

Frau Marthe, Eve, Veit und Ruprecht (treten auf). –

Walter und Licht (im Hintergrunde).

 

 

Frau Marthe.

Ihr krugzertrümmerndes Gesindel, ihr!

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Ihr sollt mir büßen, ihr!

Veit.

Sei sie nur ruhig,

Frau Marth'! Es wird sich Alles hier entscheiden.

Frau Marthe.

O ja. Entscheiden. Seht doch. Den Klugschwätzer.

Den Krug mir, den zerbrochenen, entscheiden.

Wer wird mir den geschied'nen Krug entscheiden?

420

Hier wird entschieden werden, daß geschieden

Der Krug mir bleiben soll. Für so'n Schiedsurtheil

Geb' ich noch die geschied'nen Scherben nicht.

Veit.

Wenn sie sich Recht erstreiten kann, sie hört's,

Ersetz' ich ihn.

Frau Marthe.

Er mir den Krug ersetzen.

425

Wenn ich mir Recht erstreiten kann, ersetzen.

Setz' er den Krug mal hin, versuch' er's mal,

Setz' er'n mal hin auf das Gesims! Ersetzen!

[39]

Den Krug, der kein Gebein zum Stehen hat,

Zum Liegen oder Sitzen hat, ersetzen!

Veit.

430

Sie hört's! Was geifert sie? Kann man mehr thun?

Wenn Einer ihr von uns den Krug zerbrochen,

Soll sie entschädigt werden.

Frau Marthe.

Ich entschädigt!

Als ob ein Stück von meinem Hornvieh spräche.

Meint er, daß die Justiz ein Töpfer ist?

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Und kämen die Hochmögenden und bänden

Die Schürze vor, und trügen ihn zum Ofen,

Die könnten sonst was in den Krug mir thun,

Als ihn entschädigen. Entschädigen!

Ruprecht.

Laß er sie, Vater. Folg' er mir. Der Drache!

440

S' ist der zerbrochne Krug nicht, der sie wurmt,

Die Hochzeit ist es, die ein Loch bekommen,

Und mit Gewalt hier denkt sie sie zu flicken.

Ich aber setze noch den Fuß Eins drauf:

Verflucht bin ich, wenn ich die Metze nehme.

Frau Marthe.

445

Der eitle Flaps! Die Hochzeit ich hier flicken!

Die Hochzeit, nicht des Flickdraths, unzerbrochen

Nicht einen von des Kruges Scherben werth.

[40]

Und stünd' die Hochzeit blankgescheuert vor mir,

Wie noch der Krug auf dem Gesimse gestern,

450

So faßt' ich sie beim Griff jetzt mit den Händen,

Und schlüg' sie gellend ihm am Kopf entzwei,

Nicht aber hier die Scherben möcht' ich flicken!

Sie flicken!

Eve.

Ruprecht!

Ruprecht.

Fort du –!

Eve.

Liebster Ruprecht!

Ruprecht.

Mir aus den Augen!

Eve.

Ich beschwöre dich.

Ruprecht.

455

Die Lüderliche –! Ich mag nicht sagen, was.

Eve.

Laß mich ein einz'ges Wort dir heimlich –

Ruprecht.

Nichts!

Eve.

– Du gehst zum Regimente jetzt, o Ruprecht,

Wer weiß, wenn du erst die Muskete trägst,

Ob ich dich je im Leben wieder sehe.

[41]

Krieg ist's, bedenke, Krieg, in den du ziehst:

Willst du mit solchem Grolle von mir scheiden?

Ruprecht.

Groll? Nein, bewahr' mich Gott, das will ich nicht.

Gott schenk' dir so viel Wohlergehn, als er

Erübrigen kann. Doch kehrt ich aus dem Kriege

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Gesund, mit erzgegoßnem Leib zurück,

Und würd' in Huisum achtzig Jahre alt,

So sagt ich noch im Tode zu dir: Metze!

Du willst's ja selber vor Gericht beschwören.

Frau Marthe (zu Eve).

Hinweg! Was sagt' ich dir? Willst du dich noch

470

Beschimpfen lassen? Der Herr Corporal

Ist was für dich, der würd'ge Holzgebein,

Der seinen Stock im Militair geführt,

Und nicht dort der Maulaffe, der dem Stock

Jetzt seinen Rücken bieten wird. Heut ist

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Verlobung, Hochzeit, wäre Taufe heute,

Es wär' mir recht, und mein Begräbniß leid' ich,

Wenn ich dem Hochmuth erst den Kamm zertreten,

Der mir bis an die Krüge schwillet.

Eve.

Mutter!

Laßt doch den Krug! Laßt mich doch in der Stadt versuchen,

480

Ob ein geschickter Handwerksmann die Scherben,

[42]

Nicht wieder euch zur Lust zusammenfügt.

Und wär's um ihn geschehn, nehmt meine ganze

Sparbüchse hin, und kauft euch einen neuen.

Wer wollte doch um einen irdnen Krug,

485

Und stammt er von Herodes Zeiten her,

Solch einen Aufruhr, so viel Unheil stiften.

Frau Marthe.

Du sprichst, wie du's verstehst. Willst du etwa

Die Fiedel tragen, Evchen, in der Kirche

Am nächsten Sonntag reuig Buße thun?

490

Dein guter Name lag in diesem Topfe,

Und vor der Welt mit ihm ward er zerstoßen,

Wenn auch vor Gott nicht, und vor mir und dir.

Der Richter ist mein Handwerksmann, der Schergen,

Der Block ist's, Peitschenhiebe, die es braucht,

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Und auf den Scheiterhaufen das Gesindel,

Wenn's unsre Ehre weiß zu brennen gilt,

Und diesen Krug hier wieder zu glasiren.