BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Karl Simrock

1802 - 1876

 

Das Nibelungenlied

 

Zweiunddreißigstes Abenteuer

 

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Wie Blödel mit Dankwart in der Herberge stritt.

 

2025

Blödels Recken standen | gerüstet allzumal.

In tausend Halsbergen | erreichten sie den Saal,

Wo Dankwart mit den Knechten | an den Tischen saß.

Da hob sich unter Helden | der allergrimmigste Haß.

2026

Als der Degen Blödel | vor die Tische gieng,

Dankwart der Marschall | ihn freundlich empfieng:

«Willkommen hier im Hause, | mein Herr Blödelein:

Mich wundert euer Kommen: | sagt, was soll die Märe sein?»

2027

«Du brauchst mich nicht zu grüßen,» | sprach da Blödelein,

«Denn dieses mein Kommen | muß dein Ende sein

Um Hagen deinen Bruder, | der Siegfrieden schlug.

Des entgiltst du bei den Heunen | und andre Helden genug.»

2028

«Nicht doch, mein Herr Blödel,» | sprach da Dankwart,

«So möchte sehr uns reuen | zu Hofe diese Fahrt.

Ich war ein Kind, als Siegfried | Leben ließ und Leib:

Nicht weiß ich, was mir wolle | dem König Etzel sein Weib.»

2029

«Ich weiß dir von der Märe | nicht mehr zu sagen;

Es thatens deine Freunde, | Gunther und Hagen.

Nun wehrt euch, ihr Armen, | ihr könnt nicht länger leben,

Ihr müßt mit dem Tode | hier ein Pfand Kriemhilden geben.»

2030

«Wollt ihrs nicht laßen?» | sprach da Dankwart,

«So gereut mich meines Flehens: | hätt ich das gespart!»

Der schnelle kühne Degen | von dem Tische sprang,

Eine scharfe Waffe zog er, | die war gewaltig und lang.

2031

Damit schlug er Blödeln | einen schwinden Schwertesschlag,

Daß ihm das Haupt im Helme | vor den Füßen lag.

«Das sei die Morgengabe,» | sprach der schnelle Degen,

«Zu Nudungens Witwe, | die du mit Minne solltest pflegen.

2032

«Vermähle man sie morgen | einem andern Mann:

Will er den Brautschatz, | wird ihm wie dir gethan.»

Ein getreuer Heune | hatt ihm das hinterbracht,

Wie die Königstochter | auf ihr Verderben gedacht.

2033

Da sahen Blödels Mannen, | ihr Herr sei erschlagen;

Das wollten sie den Gästen | länger nicht vertragen.

Mit aufgehobnen Schwertern | auf die Knappen ein

Drangen sie mit Ingrimm: | das muste Manchen gereun.

2034

Laut rief da Dankwart | all die Knappen an:

«Ihr seht wohl, edle Knechte, | es ist um uns gethan,

Nun wehrt euch, ihr Armen, | wie euch zwingt die Noth,

Daß ihr ohen Schanden | erliegt in wehrlichem Tod.»

2035

Die nicht Schwerter hatten, | die griffen vor die Bank, |

Vom Boden aufzuheben | manchen Schemel lang.

Die Burgundenknechte | wollten nichts vertragen:

Mit schweren Stühlen sah man | starker Beulen viel geschlagen.

2036

Wie grimm die armen Knappen | sich wehrten in dem Strauß!

Sie trieben zu dem Hause | die Gewaffneten hinaus:

Fünfhundert oder drüber | erlagen drin dem Tod.

Da war das Ingesinde | vom Blute naß und auch roth.

2037

Diese schwere Botschaft | drang in kurzer Zeit

Zu König Etzels Recken: | ihnen wars grimmig leid,

Daß mit seinen Mannen | Blödel den Tod gewann;

Das hatte Hagens Bruder | mit den Knechten gethan.

2038

Eh es vernahm der König, | stand schon ein Heunenheer

In hohem Zorn gerüstet, | zweitausend oder mehr.

Sie giengen zu den Knechten, | es muste nun so sein,

Und ließen des Gesindes | darin nicht Einen gedeihn.

2039

Die Ungetreuen brachten | vors Haus ein mächtig Heer.

Die landlosen Knechte | standen wohl zu Wehr.

Was half da Kraft und Kühnheit? | sie fanden doch den Tod.

Darnach in kurzer Weile | hob sich noch grimmere Noth.

2040

Nun mögt ihr Wunder hören | und Ungeheures sagen:

Neuntausend Knechte | lagen todt geschlagen,

Darüber zwölf Ritter | in Dankwartens Lehn.

Man sah ihn weltalleine | noch bei seinen Feinden stehn.

2041

Der Lärm war beschwichtigt, | das Tosen eingestellt.

Ueber die Achsel blickte | Dankwart der Held:

Er sprach: «O weh der Freunde, | die ich fallen sah!

Nun steh ich leider einsam | unter meinen Feinden da.»

2042

Die Schwerter fielen heftig | auf des Einen Leib:

Das muste bald beweinen | manches Helden Weib.

Den Schild rückt' er höher, | der Riemen ward gesenkt:

Mit rothem Blute sah man | noch manchen Harnisch getränkt.

2043

«O weh mir dieses Leides!» | sprach Aldrianens Kind.

«Nun weicht, Heunenrecken, | und laßt mich an den Wind,

Daß die Lüfte kühlen | mich sturmmüden Mann.»

Da drang er auf die Thüre | unter Schlägen herrlich an.

2044

Als der Streitmüde | aus dem Hause sprang,

Wie manches Schwert von Neuem | auf seinem Helm erklang!

Die nicht gesehen hatten | die Wunder seiner Hand,

Die sprangen da entgegen | dem aus Burgundenland.

2045

«Nun wollte Gott,» sprach Dankwart, | «daß mir ein Bote käm,

Durch den mein Bruder Hagen | Kunde vernähm,

Daß ich vor diesen Recken | steh in solcher Noth.

Der hülfe mir von hinnen | oder fände selbst den Tod.»

2046

Da sprachen Heunenrecken: | «Der Bote must Du sein,

Wenn wir todt dich tragen | vor den Bruder dein.

Dann sieht erst sein Herzeleid | Gunthers Unterthan.

Du hast dem König Etzel | hier großen Schaden gethan.»

2047

Er sprach: «Nun laßt das Dräuen | und weicht zurück von mir,

Sonst netz ich noch Manchem | mit Blut den Harnisch hier.

Ich will die Märe selber | hin zu Hofe tragen

Und will meinen Herren | meinen großen Kummer klagen.»

2048

Er verleidete so sehr sich | dem Volk in Etzels Lehn,

Daß sie ihn mit Schwertern | nicht wagten zu bestehn:

Da schoßen sie der Spere | so viel ihm in den Rand,

Er must ihn seiner Schwere | wegen laßen aus der Hand.

2049

Sie wähnten ihn zu zwingen, | weil er den Schild nicht trug;

Hei, was er tiefer Wunden | durch die Helme schlug!

Da muste vor ihm Straucheln | mancher kühne Mann,

Daß sich viel Lob und Ehre | der kühne Dankwart gewann.

2050

Von beiden Seiten sprangen | die Gegner auf ihn zu.

Wohl kam ihrer Mancher | in den Kampf zu fruh.

Da gieng er vor den Feinden, | wie ein Eberschwein

Im Walde thut vor Hunden: | wie möcht er wohl kühner sein?

2051

Sein Weg war stäts aufs Neue | genetzt mit heißem Blut. |

Wie konnte je ein Recke | allein wohl so gut

Mit so viel Feinden streiten, | als hier von ihm geschehn?

Man sah Hagens Bruder | herrlich hin zu Hofe gehn.

2052

Truchsäßen und Schenken | vernahmen Schwerterklang:

Gar mancher die Getränke | aus den Händen schwang

Oder auch die Speisen, | die man zu Hofe trug.

Da fand er vor der Stiege | noch starker Feinde genug.

2053

«Wie nun, ihr Truchsäßen?» | sprach der müde Degen,

«Nun solltet ihr die Gäste | gütlich verpflegen

Und solltet den Herren | die edle Speise tragen

Und ließet mich die Märe | meinen lieben Herren sagen.»

2054

Wer da den Muth gewonnen | und vor die Stieg ihm sprang,

Deren schlug er etlichen | so schweren Schwertesschwang,

Daß ihm aus Schreck die Andern | ließen freie Bahn.

Da hatten seine Kräfte | viel große Wunder gethan.