BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Ludwig Uhland

1787 - 1862

 

Gedichte

 

Auswahl

 

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Gedichte 1841 bis 1861

 

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Abendtanz

(1842)

 

Abends in der Maienzeit

Klang der Reigen hell und weit,

Klang zum Hügel, drunter tief,

Vielbeweint, ein Mädchen schlief.

 

5

Weckt im Grab die Schläferin;

Halb noch träumend, horcht sie hin,

Hebt sich, ordnet ihr Gewand,

Knüpft das weiße Schleifenband,

 

Nimmt die welken Blumen ab,

10

Bricht sich andre frisch vom Grab,

Weiß nicht, daß in ihrem Kranz

Schnell erstirbt der Blumenglanz.

 

Eilt zur Linde, schwebt im Kreis,

Alle glühend,  s i e  nur Eis,

15

Saite springt und Sang wird stumm,

Ganz zerstoben um und um.

 

Alles stille,  s i e  allein,

Dämmerglocke tönt herein,

Fern erlischt das Abendrot,

20

Armes Mädchen! tot ist tot.

 

 

Preußischer Landtag

(1847)

 

Es hat ein Berg geboren,

Lang hat's in ihm gegoren,

Die Wehen waren bitter:

Was bringt er denn heraus?

5

Er bringt uns eine Maus,

Dazu dreihundert Ritter.

 

 

In der Paulskirche

(1849)

 

1.

Ach und Weh im ganzen Land:

Ist uns noch kein Haupt geboren? -

Nein! es ist ein Übelstand:

Deutschland hat den Kopf verloren.

 

2.

Schlagen das Haupt wir ab des unseligen erblichen Kaisers,

Flugs, wie der Hydra, stehn sieben der Häupter am Platz.

 

 

Auf den Tod eines Kindes

(1859)

 

Du kamst, du gingst mit leiser Spur,

Ein flücht'ger Gast im Erdenland;

Woher? wohin? Wir wissen nur:

Aus Gottes Hand in Gottes Hand.

 

 

Morgens

(1861)

 

Morgenluft so rein und kühl,

Labsal, tauend allem Volke,

Wirst du dich am Abend schwül

Türmen zur Gewitterwolke?