BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Wilhelm Waiblinger

1804 - 1830

 

Das Abenteuer von der Sohle oder

Wie es einem deutschen Poeten

auf dem Kapitol ergangen

Mitteilungen eines Anonymus

durch W. Waiblinger

 

1828

 

Text:

Wilhelm Waiblinger,

Mein flüchtiges Glück. Eine Auswahl

Hrsg.: W. Hartwig, Berlin/DDR 1974

Erstdruck: Google

 

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Wilhelm Waiblinger (rechts) in Rom, Karikatur von Carl Johan Lindström um 1828

(Deutsches Literaturarchiv Marbach)

 

Es ist sonderbar gegangen mit dem Stückchen Selbstbiographie, welches ich hier den Lesern über die Alpen hinüber schicke, ich selbst für meine Person hätte nimmermehr daran gedacht, es gar drucken zu lassen, indem es der Deutungen manche zuläßt und Angriffe auf manches, besonders aber auf des Selbstbiographen Persönlichkeit enthält, welche bloß in meinem Tagebuche, aber in keinem öffentlichen Blatte gemacht werden dürfen. Es sind der Mißgünstigen gar zu viele in Deutschland und Italien, welche, wie ich glaube, mit Wut über die Fußreiter aufs Kapitol herfallen, und wenn sie den Namen des Poeten wüßten, sich in die Faust lachen, ihn wacker durchziehen würden, und viele sprächen wohl gar von Sündenschuld, göttlicher Providenz und wären schadenfroh über die Maßen. Allein es ging folgendermaßen zu. Der Poet, ich nenne ein für allemal seinen Namen nicht, denn das hat er mir verboten, der Poet kam einen Morgen zu mir und gab mir im Ton der Entrüstung das befragliche Blatt. Ich las und wollte mich totlachen. „Armer Schelm“, rief ich, „was hast du zu erdulden! Zu allen deinen Leiden auch noch dieses! Aber es ist zum Sterben lustig!“ — „Lustig“, schrie er, „lustig? es ist vielmehr entsetzlich! Es muß bekannt werden, ganz Deutschland soll es wissen, alle Poeten sollen ein Beispiel daran nehmen, alle Mäzenasse in Unmut entbrennen, alle Harpaxe sich hinter die Ohren kratzen, alle Buchhändler beschämt werden. Es muß gedruckt sein, gedruckt, und mit einem Wort, du sollst es drucken lassen.“

„Aber“, versetzte ich, noch immer lachend, „ums Himmels willen, willst du dich dergestalt vor dem ganzen Lesepublikum prostituieren?“

„Ich mich prostituieren?“ rief der wütende Dichter. „Was kann ich dafür, daß mir das schreckliche Malheur widerfahren, daß ich nicht in eigner Equipage herumfahre, daß ich dem Schuhmacher meinen Pegasus so teuer abkaufen muß. — O ganz andere, nicht ich, sind prostituiert! Schlechterdings soll's bekannt werden als ein Beitrag zur Geschichte deutscher Literatur! Nur nicht mit meinem Namen, ich will unbekannt bleiben! Es soll im allgemeinen etwas sagen, und die Wahrheit ist allgemein! Gib mir das Wort, mich nie zu verraten, geh es, wie es wolle; und laß es hinauswandern und laß sie wissen drüben im Vaterland, alle, die in Kanzeleien, Konsistorien, Kammern, am Schreibtisch, Rezensententisch, im Museum, an der Toilette, auf dem Kanapee, hinter dem Ofen sitzen, laß sie in Gottes Namen wissen, wie das undankbare Vaterland einen Poeten auf dem Kapitol stehen läßt.“

Ich erwiderte, erschöpft beinahe vor Gelächter: „Glaubst du denn, daß deine Geschichte wirklich so ganz neu und einzig in ihrer Art ist? Oh, denke dir das nicht! Stelle dir die Unzahl der Poeten und Poetinnen in unseren Tagen vor, welche das kranke Vaterland mit ihren Spezereiwaren, Abführungspillen, Vomitiven, tragischen Cremor tartari, Zuckerküchelchen, vergoldeten leeren Nüssen, Eau de parnasse und unzähligen Tropfen versorgen, weil ihnen der Magen schon so arg verdorben ist, daß er keine gesunde, derbe, frische Kost mehr ertragen kann! Glaubst du, daß diese alle vom Apollo und seinem Finanzministerium versorgt, pensioniert und besoldet seien? Wieviele kleine Dienstchen gibt es in einem so großen und unruhigen Staat, in einer so tumultuarischen Aristokratie, wie die deutsche Literatur ist? Laufbuben, Kanzeleidiener, Kopisten, Platzbedienten, Stubenausfeger, Einheizer, Stiefelputzer, Spione, Polizeidiener, Nachtwächter, Leichen­ansager, Perückenmacher und Barbiere zum Ausbreiten der Lügen und hundert andere Pöstchen, mit denen der Pöbel abgespeist wird und mit denen seine kommune Natur auch zufrieden ist. Aber gibt es nicht auch viele Subjekte, die dem Auge des Fürsten oder der Aristokraten entgangen, weil sie nicht feil sind und eher einen Zepter als in niedriger Sklaverei den Besen führen wollen, um den großen und kleinen Herren auf dem Parnaß den Unrat wegzuputzen! So etwa Marquis Posas, die von einem glücklichen Reiche träumen und zu stolz sind, um dem wirklichen die Art Dienste zu weihen, die es verlangt! die lieber in unbekannter ehrenvoller Stille als in gerühmter Schmach, in Armut und Freiheit als in Reichtum und Fron leben wollen? Und glaubst du nicht, daß diesen eigensinnigen Geistern schon andere Dinge widerfahren sind als dir gestern auf dem Kapitol?“ — Solches und anderes sagte ich ihm, um ihm den Druck seines Malheurs auszureden, aber ich redete in den Wind und mußt es ihm endlich versprechen. So hört es denn, Leser von aller Art, ihr Mißgünstigen, denen ich ein Dorn im Auge bin oder die ihr mich nicht leiden mögt, laßt es unsern Poeten nicht fühlen, daß er sein Abenteuer durch mich euch bekannt macht! Lacht, wie ich auch gelacht habe, und nehmt euch daraus, was ihr könnt und was sich euch von Räsonnements aufdrängt! Ihr Reichen, die ihr die Fülle habt und Mittel und Gelegenheit, Kunst und Wissenschaft in ihren Pflegesöhnen zu beschützen, greift in euer zeitiges Herz oder in euren Beutel, was ganz dasselbe ist, und sucht in Zukunft durch eure Vermittelung dererlei, für einen so heiligen Ort wie das Kapitol, für die Ehre der Menschheit und besonders des Vaterlandes, mehr noch als für die Subjekte selbst, die leiden müssen, so tief erniedrigende Auftritte zu verhüten!

 

 

„Ach, ums Himmels willen!“ war mein erstes Wort, als ich heute früh erwachte. Mein Freund Scaramuzza, der auf meinem Zimmer sich bereits rasierte, sah mich erschrocken an, und es fehlte wenig, so hätte er sich empfindlich ins Kinn geschnitten. „Du beginnst deinen Tag“, sagte er, „mit einem hübschen Augurium. Was fährt dir denn schon durch den Kopf, daß du seufzest, als ob du heute noch eine Stunde vor Ave Maria das Cavaletto vor allen römischen Künstlern bekommen und in drei Tagen auf dem Korso in effigie auf dem Pranger paradieren solltest?“ — „O Freund“, rief ich, „warum sollte es nicht mein erster Gedanke sein, was gestern abend mein letzter war und was mich peinigend ins milde Reich der Träume hinüber begleitete.“ — „Ich weiß nicht, was du hast, es scheint mir, als wärest du reif für die Longara!“ — „Ach nein, noch nicht! O ums Himmels willen!“ — „Du bist nicht bei Trost? Was fällt dir ein?“ — „Was mir einfällt? Oh, mir fällt ein schrecklicher Gedanke ein! Ich muß heut einen Besuch machen!“ — „Und sonst nichts, du bist ein Narr!“ — „Das ist gleich gesagt, ein Narr! Aber du weißt nicht, was das für lange Auftritte kosten wird.“ — „Und warum denn!“ — „Du fragst blöde, stelle dir vor, ich muß mich in Putz begeben!“ — „Und das ist alles?“ — „Alles, leider! o das ist soviel als wenn man ein altes römisches Ruinenstiick modern anweißen, mit Jalousieläden und einem Wetterableiter dekorieren wollte!“ — „Aber sage mir denn bei Gott und allen Heiligen, warum?“ — „Kurzsichtiger Mensch, warum? Wo werde ich ein weißes Halstuch, wo ein Chilet, wo Chapeau und Vatermörder, wo all das Zeug finden, das ich nötig habe? Und wer wird mich anziehen? Du bist im Vatikan, und die Padrona hat ein zu wüstes Gesicht, als daß ich's so lange vor mir leiden möchte, bis sie mir den Walter-Scott-Knoten ins Halstuch geknüpft! O Scaramuzza! es fällt mir manchmal so ein, es wäre doch gut, wenn ich eine Frau hätte, ich meine, alsdann hätte ich doch nicht mehr so viel zu denken, und meine Frau müßte im Gedächtnis behalten, wieviel ich Tücher in die Wäsche gebe. O Lieber, verlaß mich nicht in dieser Not, stehe mir bei und hilf mir mit deiner Geschicklichkeit und deinem Wissen! Ich will dich dafür geduldig anhören, wenn du pfeifst und singst einen ganzen Abend lang, und wenn du mir vorliesest und ich schlafe, so will ich dir dennoch aufmerksam zuhören!“ — „Du bist ein Unverschämter!“ — „Nein, mein lieber Checchino, höre mich an, ich will eine ganze Komödie von Goldoni aushalten.“

„Wann hast du denn diesen so wichtigen Besuch zu machen?“ — „Ach, heute abend, Checchino, so um dreiundzwanzig Uhr muß ich mich ankleiden!“ — „Und wohin gehst du dann?“ —„Zum Herrn von X. aufs Kapitol! Du weißt, es ist der vorzüglichste Herr und der humanste auf der Welt! Aber das Zeremoniell, und es ist wegen den andern! Er, glaub ich, nahm es gleichgültig! Aber die andern, wie würden sie die Nasen rümpfen, wie auf mich herabblicken, du kennst sie ja, wie sie sind. Die Vornehmen selbst sind oft zehnmal weniger zeremoniell als die, welche ihnen den Hof machen.“ — „Nun, ich komme bis dahin aus dem Vatikan zurück.“ — „O du Parmegianer Engel, o idolo del mio cuore, nume adorato! Ist's wahr, daß du mich in dieser grenzenlosen Bedrängnis verlassen willst?“ — Er versprach's und ließ mich allein. Nun war ich zufrieden.

Der Tag zerfloß mir im süßesten Genuß der Muse. Noch erfüllt von den Wonnen der Sabinergebirge und meines verborgenen Elysiums, träumt ich mich in etlichen Liedern, die ich schrieb, wieder in jene Fernen hinüber und baute mir dort unter dem Schatten von Limonien und Feigen eine Hütte, wo ich nicht allein, wie bisher auf diesen unglücklichen Wanderungen durchs wilde Leben, sondern mit einem Wesen lebte, in dem sich die ganze Milde und Schönheit des hesperischen Himmels, die ganze Fülle und aller Reiz italienischer Natur abspiegelte. Schon hab ich meine Lieder geendet und bleibe noch lange versunken und vertieft in diesem unendlichen Rausche und Wogen von Gedanken und Empfindungen, ins Meer dieses überschwenglichen Glücks, das ich träumend und dichtend genieße, als mein Freund mich weckt, indem er mit gewaltigem Geräusch in mein Zimmer hereinkommt.

„Eccome qua“, ruft er, „hast du alles gerüstet?“ — „Was gerüstet?“ — „Cospetto di baco, du erfreust mich! Wo ist Hemde, Halstuch, Chilet, wo —“ — „Hemd, Halstuch, Chilet?“ — „Ich glaube, du schläfst noch?“ — „Mein Kind, ich schlafe nicht! Aber was willst du denn von mir?“ — „Was ich von dir will? Wirst du denn die Visite nicht machen?“ — „Ach ja, mir fällt ein, ich wollte eine Visite auf dem Kapitol machen, ich wollte es heute früh! Aber sieh, ich denke nun, daß ich's auch morgen tun könnte, wenn das Wetter günstiger ist. Es ist so ein weiter Weg dahin, und es ist auch schon zu spät!“ — „Zu spät? Eine Stunde früher, als du gehn wolltest, das beste Wetter auf der Welt, aber du der nachlässigste und trägste Mensch!“ — „Du hast recht, ich bin zuweilen etwas träg, besonders wenn's ans Putzen und Anziehen geht, aber siehe, Freund, ich bin nun auch nicht gestimmt, ich bin zu sehr in Gedanken, ich könnte eine zu schlechte Figur machen — es wird mir wohl besser sein, wenn ich ein andermal gehe.“ — „Aber der Herr von X. reist ab!“ — „Es ist wahr, daß er abreist, es fällt mir nun auch ein, allein was machen wir?“ — „Bist du doch wie von Leim! Du ziehst dich augenblicklich an und machst die Visite.“ — „Aber lieber, lieber Freund, bedenke.“ — „Hier ist nichts zu bedenken! Schnell, hast du einen weißen Hemdekragen?“ — „Nein, Freund!“ — „Laß sehen.“ Damit machte sich mein lieber Hausgenosse an die Kommode und suchte nach. „Ei“, rief er, „du hast ja Hemd und Hemdkragen!“ — „Desto besser, Scaramuzza, so brauchst du mir nichts zu borgen.“

Nun ging's an ein Bürsten und Falten und Steifen und Legen, daß mir noch die Pein davon im Herzen geblieben. Das Hemde hatte den Knopf verloren, und der Freund fragte nach der Tuchnadel. „Bester Freund“, antwortete ich, „du fragst nach etwas, was nicht vorhanden ist, ich wollte mir eine kaufen, aber sie sagten mir, ich würde sie doch nur verlieren, und so hab ich's unterbleiben lassen. Jedoch wird die Padrona der Stecknadeln genug haben, und so eine ist, denk ich, gut genug für mich.“ Die Padrona brachte in der Tat auch eine herbei, und sie wurde sofort von meinem servierenden Freund angeheftet und mit vieler Kunst verborgen. Nun ging's ans Halstuch. Das erste wollte ihm nicht gefallen. „Das ist ja voll Tintenflecken“, behauptete er, „und es wird Mühe kosten, die Seiten zu verbergen, wo es durch deine Unreinlichkeit beschmutzt ist!“ — „Nenne nicht Unreinlichkeit, mein Teurer, was sich mir von irdischem Stoff in der Stunde der Begeisterung an meine Kleider und an alle meine Umgebungen ansetzt. Es ist das bloß ein sympathetisches —“ — „Schweige und gib ein anderes Halstuch, denn das ist unbrauchbar.“ — Zum Glück fand er ein anderes und besseres, und so wurd es mir um den Hals gedreht und gewunden, daß ich ausrief: „O Lieber, soll denn das durchaus meine letzte Stunde sein? willst du ein Assasinium an mir verüben und mich erdrosseln?“ Aber da war keine Hülfe. Kaum war es angeknüpft, als mein Amicus ausrief: „O du hast dich ja nicht rasieren lassen! so kannst du nicht auftreten, ich muß dir das Halstuch wieder abnehmen.“

Aber jetzt in der Todesangst begann ich: „Ich beschwöre dich, bei dem Heiligsten, was du kennst, bei allem, was im Himmel und auf Erden ist, ich beschwöre dich bei dem ersten Bart, den du dir abnahmst, laß mich ungeschoren!“

Diese vehemente Bitte machte Eindruck und erweckte Teilnahme, denn ich hatte mit einer humanen Seele zu tun. Die Weste wurde jetzt gesucht, aber vergebens. Die Padrona kam herbei, um Hülfe zu leisten. Nach langem Forschen ward sie glücklich entdeckt, sie war von meinem Dante breitgedrückt. Wiewohl das geübte Auge meines Garderobe­serviteur da und dort Stellen entdecken wollte, welche mit vieler Wahrscheinlichkeit vermuten lassen, daß besagte gelbe Werthersche Weste dem Dichter schon mehreremal am Leib gelegen, während er begeistert war, so wurde doch dahin abgestimmt, daß er sie wohl tragen könne und daß sie zum übrigen Kostüm ohne weiteres passe. Jetzt aber kam ein wichtiger Punkt, ich meine die Modesten. Hier hatte man soviel auszusetzen, daß man schlechterdings sie für untauglich erklärte und nach andern suchte. Allein die übrigen waren teils nicht gewaschen, zwei Paar hatte sich der Dichter gekauft, und als er sie anzog, waren sie um einen Schuh zu kurz, und die schwarzen Winter- und Galahosen sahen schamrot aus, nicht über ihr Alter, sondern über ihre Strapazen und den unordentlichen Herren. Dennoch blieb nach reifem Überdenken nichts übrig, als mit denen, die ich am Leibe hatte oder lieber gar als Sansculotte den Besuch zu machen. Das erstere wurde vorgezogen und dabei als ein wichtiger Grund angeführt, daß es der Nacht zugehe und bis ich vorgelassen werde, bereits Lichter angezündet seien. Die Padrona jedoch bemerkte am linken Fuß noch ein kleines Loch von etliche Zoll, was sie vermeinte, vorher zunähen zu müssen, und es fiel mir ein, daß mir's auch vor einigen Wochen in den Sabinergebirgen eine Frau bemerkte. Ich gestattete ihr also, meinen Fuß auf einen Sessel stellend, es pünktlich zuzunähen, während ich meinem Freund sagte: „Wahrlich, nun bringt mir dieser kleinliche Umstand wieder das ganze Bild jenes Zauberlebens zurück, das sich in jenen nicht dichterischen Tagen in und außer mir bewegte, ich spann mir in jenen arkadischen Bergen ein Gedicht aus, das, wenn es zustande kommen sollte, gewiß an Leben, Frische und Wahrheit alle übertreffen sollte, die von seiner Art Italien bereichert; denn mich bedünkt, man kann noch etwas ganz Neues, Niegesagtes für dieses Land tun, man kann es noch in einem großen Lebensgemälde darstellen, in welchem nach Shakespeares Weise auch das Pöbelhafte seine Stelle finden müßte, man könnte sich dadurch aufs ruhmvollste auszeichnen, sich einen bleibenden Namen erwerben, und es wäre eine würdige Vorarbeitung in Betreff der Selbstüberwindung auf die dramatische Laufbahn, ja denke dir, daß ich schon den Plan gemacht, daß ich meine ganze Fabel bis aufs einzelnste ausgesponnen, eine Fabel, die an sich schon auf jedem Boden interessierte und die noch dazu Gelegenheit gibt, italienische Eigentümlichkeit in Natur und Leben aufs vollkommenste anschaulich zu machen — ja mein Lieber, ich darf nur beginnen — hier ist die Skizze, die ich dir ins Deutsche übersetzen will.“ Damit eilt ich an den Tisch und wollte eben ein Buch aufschlagen, als die Padrona in ein Zetergeschrei und der Freund in ein Gelächter ausbrach, das meine Eitelkeit zuerst auf meinen politischen Plan setzte. Allein ich merkte bald den unwürdigen Grund dieses Geschreies, indem die Frau nach ihrer Nadel rief und ich mich erinnerte, daß ich im Begriff war, meine Hosen von ihr flicken zu lassen. Ich mußte also nachgeben, wiewohl ich versprach, jene skizzierte Komposition nach abgelegter Visite ins Italienische zu übersetzen, und es entstand nun, nachdem das kleine, von den Sabinergesträuchen vierzig Miglien von hier zustande gebrachte Loch aufs anmutigste zugeflickt war, die ernsthafte Frage, was ich zu meiner Fußbekleidung wählen müsse. Es wurde also nachgesehen, und man fand zwei Paar Stiefel vor, welche seit Jahr und Tag übrigens, und wenn mir recht, in Genua oder Florenz vor grauer Zeit so unbrauchbar und wüst geworden als meine Padrona.

Die Schuhe betreffend, so fand man ein Paar noch von gutem Leder, allein sie waren seit der Gebirgreise weder getragen noch geputzt worden, und man hatte deswegen den klassischen Boden daran zu tadeln, welcher sich dergestalt an sie angesetzt hatte, daß ich selbst sagte, die halbe Via Praenestina hange noch daran. Man machte also Gebrauch vom andern Paar, woran aber das Band zerrissen war. In dieser Not, wie schon so oft in meinem abenteuerlichen Leben, erschien unversehens eine Hülfe, die alles ins reine brachte. Scaramuzza brachte seine grauen Stivaletti, welche die vom Unglimpf der Zeit getroffenen Teile der Schuhe vollkommen bedecken und dem Auge der schadenfrohen Landsleute entziehen konnten. Allein zuvor mußte von der Padrona ein Lederriemen angenäht werden, und da dieses Geschäft fertig war, war der ganze Mann fertig. Ich befahl also der Alten, den Spiegel etwas zu reinigen, damit ich meine ganze Figur von Kopf zu Füßen in verschiedenen Bewegungen betrachten und mit dem Ideal vergleichen konnte, das ich von meiner Person und überhaupt einem Galanthomme im Kopfe habe. Es ward fast alles aufs beste angeordnet gefunden, nun der schwarze Frack angezogen und, weil er auf dem Rücken von gestern abend weiß war, durch den Freund säuberlich gebürstet. So war denn der schwere Strauß überstanden, und ich wurde ermahnt, mich auf den Weg zu machen. Wiewohl ich behauptete, daß ich mich auch auf einige Zeit vor dem Fenster vor den Nachbaren und Nachbarinnen sehn lassen müsse, um sie durch meine gänzliche Verwandlung in Verwirrung zu setzen, so schob man mich doch zur Türe hinaus, wünschte mir Glück zur Reise, und ich ging nun, wie ein aus dem Türkischen oder Taprobanischen ins feinste moderne Französisch übersetztes Heldengedicht, aus dem Hause. Nichts natürlicher, als daß ich den kleinen Umweg über den Korso machte, wo ich sehen oder gesehen werden konnte und wo ich meine Figur mit dem ersten Stutzer zu messen und zu vergleichen gesonnen war.

Sooft ich den Korso auf und ab wandle, und wenn's jahrelang geschieht, macht der Hintergrund des Kapitols und die pittoreske Masse von alter Architektur, der Turm und die Kirche Ara Coeli einen tiefen Eindruck auf mich, und ich fühle stets das Glück, das so wenige fühlen, das Glück, in Rom zu sein, mit einem Feuer von Empfindung und einer Fülle von Gedanken, die alle meine Leiden, selbst all meine wenigen kleinen Freuden aus der Seele hinwegweht. So war ich denn auch diesmal ganz dem Eindruck des Kapitols hingegeben, dem ich entgegenwandelte, ich entzückte mein Herz an der Riesensäule des Antonius und langte auf der Piazza di Venezia an. Jetzt schlug ich meinen Weg gerade der Fassade des Kapitols zu ein, schon hatte ich ums Eck gebogen, und die Treppen führten vor meinem Auge zwischen den Löwen auf, den einst mit seinen Göttern, Helden, Liktoren und Triumphatoren so viele Jahrhunderte die Welt beherrschenden Hügel hinauf. Schon gewahrte ich oben die Reiterstatue des Mark Aurel und die kolossalen Gestalten der Dioskuren und die Trophäen des Marius und die Paläste des Senators und der Konservatoren, und die alte Fassade von Ara Coeli mahnte mich melancholisch an den Tempel des Jupiters Capitolinus und jener Schar von römischen Göttern, deren halb aristokratische Regierungsform Rom größer machte als die streng theistische Monarchie, unter der es jetzt lebt. Eine Schar Mönche stieg die Treppe hinauf, wo einst die Sieger von Gallien, Spanien, Germanien, Afrika und Asien mit gefangenen Königen emporzogen, und eine Menge andächtigen Volkes rutschte auf den Knien die Treppe nach der Basilika hinauf, wo Jupiter einst gethront.

So mit aller Seele und allen Gedanken der Gewalt dieses nie geschwächten, immer wieder neuen Anblicks und der stürmischen Folge so herzerhebender Erinnerungen von drei Jahrhunderten hingegeben, wach ich jetzt auf und glaube mit Schrecken, im Schlaf gewandelt zu haben. Wie es uns oft träumt, daß man einen wichtigen Besuch bei vielbedeutenden Männern zu machen habe und wie man sich plötzlich vor ihnen in Pantoffeln findet, so erging mir's diesmal in der Tat. Ich hatte Not, mich zu überzeugen, daß ich nicht träume. Denn, verwundere sich alle Welt, unter meinen Füßen hörte ich ein solches Klappen, daß ich des Gedankens nicht los werden konnte, meine Pantoffeln anstatt der Schuhe angelegt zu haben. Aber, o ihr Götter des alten Kapitols! ich überzeugte mich schrecklich von der Wahrheit, daß es wirklich meine guten, besten, durch die Kamaschen von meinem Freunde bedeckten Schuhe waren, von denen sich die Sohle dermaßen losgerissen, daß sie nur noch in der Nachbarschaft der Zehen an einem Fetzen Leder hing. Voll Entsetzen hielt ich also einen Augenblick still, in mir beratschlagend, was in diesem kritischen Moment für ein Auskunfts- und Rettungsmittel gefunden werden könne. Es ist noch nicht alles verloren, sagt ich mir selbst, das beste ist, ich mache mich nun in jenes Eck, wo der Weg zum Palast des Herrn von — und zum Tarpejischen Felsen hinaufführt, und versuche daselbst, mir die verwünschte Sohle vollends ganz abzureißen. Alsdann tret ich nur desto graziöser und feiner auf, weil ich fast auf den Strümpfen gehe. Gesagt, aber — getan! Langsam, mit äußerster Vorsicht, daß mich niemand klappen hören sollte, gelangte ich in obgemeldete Ecke und begann nun daselbst mit aller ersinnlichen Heftigkeit an der Sohle zu reißen. Aber all mein Bemühen war vergeblich! Sie war so fest an dem übrigen Leder angeklebt als mein Fuß am Leibe. „Nun“, sagt ich, „warte nur, du spitzbübische, vermaledeite Sohle, dich will ich schon hinwegkriegen, ich nehme mein Messer heraus und habe dich im Moment hinweg und schmeiße dich den Tarpejischen Fels hinab, wie's auch in alten Zeiten den schlechten, verräterischen Lumpen geschah.“ Dies gesagt, such ich in meinen Taschen, aber ich finde nur Bajocchi drin, ein Schnupftuch, Tabak, eine alte Poesie, aber kein Messer. „Nun wird der Handel ernst!“ begann ich für mich hin. „O du miserables Federmesser, warum bist du zu Haus geblieben! Du, das ich doch also schone, daß ich nur alle Vierteljahr meine poetische Feder mit dir akkomodiere, du willst mir nicht einmal diesen kleinen Dienst tun! Du liegst nun vielleicht im trägen Müßiggang unter meinen Büchern und Papieren oder auf dem Kamin oder bei den Stiefeln, oder trennt meine Padrona ihre alte Haube mit dir auf, poetisches Federmesser! Ist denn keiner der Götter, Halbgötter, Heroen, Märtyrer oder Heiligen, der mir in dieser wahrhaftigen Seelenangst beistände und sich meiner erbarmte, indem er gewahrte, wie ich reiße und zerre, um die lästerliche Sohle weg zu kriegen, und wie sich bereits die Arbeit zweier Menschen und zweier Stunden, meine Hals- und Brustdekoration verschiebt und zerdrückt und wie mir schon der Schweiß auf der Stirne steht? Muß ich denn hier absolut zur Schmach und Schande des deutschen Parnasses stehen und die verdammten Menschen, die das Kapitol hinauflaufen, mit meiner Schusterarbeit belustigen? Hat nicht ein abgefeimter, witziger Kopf dich schon als Repräsentanten der deutschen Literatur karikiert und auf vielfache Bestellung gemalt? Denkst du nun gar daran, daß er jetzt nicht mehr bloß seine Schulden, sondern auch eine kleine Schuld, ich meine, eine poetische Nachkommenschaft, bezahlen muß, o um wieviel mehr wird er jetzt dir aufpassen, ob du ihm nicht einen neuen Broterwerb schaffen könntest? Wenn mein böser Dämon ihn hierher führte! Würde nicht schon morgen früh das ganze deutsche Rom um die Geschichte wissen und dich verlachen und verlästern, dich an die Wände zeichnen! Was würden sie sagen, die Maler, Architekten und die ehemaligen Servitoris, die nun als Bildhauer servieren? Ist denn hier kein Pizzicarol in der Nähe, der mir geschwind sein Wurst— oder Käsemesser leihe, hier in der Nähe, wo einst Virginius durch jene heldenmütige Tat mit dem Messer eines Macellaro die Tugend und Ehre seiner Tochter gerettet! und ist nicht auch meine in Gefahr? ich, der ich herausgeputzt bin wie der erste Paino, ich ohne Sohle! Und wann wird meine Visite angehen? die Minuten entfliehen — o Jupiter Capitolinus!“ — Mit diesem Ausruf zog ich mit aller Macht an der Sohle, aber umsonst.

Ich entfernte mich also aus der Ecke, in Desperation und völliger Ratlosigkeit. Ich versuchte, einige Schritte zu machen, aber klapp, klapp, klapp, wie in einer Bürgerschen Ballade. Indem zeigte sich ein Herr im Fenster, der, wie es schien, meiner Not auf die Spur gekommen war und ein Frauenzimmer — der Himmel lasse sie nie den Pantoffel führen — auf den Balkon rief. Es war also nichts Besseres zu tun, als einige Zeit in dieser Ruhe hinzustehen und das Kapitol anzuschauen, als wenn ich's heut zum erstenmal sähe. So nach und nach, scheinbar in die Herrlichkeit des Anblicks versunken, mach ich einen, zwei, drei Schritte und werde nicht gehört. Aber nun grade klappt's entsetzlich, und ich bleibe still wie eine Statue. Das ärgste ist, daß ich um die Ecke und die Löwin zu traversieren habe und unglücklicherweise ein rechter Vasallo und Pancianera auf dem Eckstein sitzt. Mit wahrer Strategik komme ich also an diesem vorüber.

Ich suche, während ich die heißesten Wünsche und Gelübde zu den kapitolinischen Göttern schicke, die Sohle mit sympathetischer Kraft am Fuße zu halten und, denselben hoch und leicht wegschwingend, nicht an die klassischen Steine anzustoßen. Das geschieht und glückt nicht übel, außer daß der Tagedieb und Spitzbube von Pancianera mir mit einem Gesicht auf die Füße schaut, als wollte er fragen, ob denn der Karneval schon anfange.

Nun entsteht die Frage, welchen Weg soll ich einschlagen? Soll ich die Nacht erwarten und die Visite morgen machen? So stand ich lange, aufmerksam die antiken Statuen betrachtend, und endlich erschien mir ein Gedanke, der ohne weiteres durch übernatürliche Einflüsse und die Bekanntschaft mit Vater Bacchus, die jeder Dichter haben muß, oder, wie sich der Materialist und der gemeine Mann ausdrücken würden, durch ein Gefühl von Durst in mir rege geworden war. Allein die Frage nur, wie dabei kommen? Geh ich das Kapitol hinauf und auf der anderen Seite nach Campo Vaccino hinab? Das ist zu gefährlich, der bergichte Weg gibt zu viel Veranlassung zu klapp, klapp. Also bleib ich unten. Schon gut, wenn ich nur dort an der Obsthändlerin vorbei wäre und, o dort an der Ecke liegen gar ein paar Kerle auf dem Boden! Also links, und nur fein langsam, nach jedem Schritt gewartet und wieder einen Blick der Beobachtung und Verwunderung auf das Campidoglio geworfen. So komm ich herrlich durch diese Charybdis, außer daß die Zitronen- und Feigenhändlerin lachte. Ich bin nun in der engen Gasse, die gegen die Trajanssäule hinführt. Hier ist es nun freilich zu Ende mit Stehenbleiben, denn da ist nichts von Altertümern zu sehen als Kot. Allein, fällt mir ein, ich kann ja tun, als ob ich auf einen Freund warte oder auf eine Freundin, wenn ich an eine gefährliche Stelle gelange, und dieser pfiffige Einfall deuchte mir so anwendbar, daß ich alsobald stehenblieb, als ich an eine offne Bottega kam, wo eine Menge Menschen an der Tür standen. Ich schaute also herum und wartete und wartete, und als er endlich nicht kam, machte ich, die Sohle mit aller Gewalt anziehend, einen Schritt, der mich über die Tür herüberbrachte und dergestalt klappte, daß die Gesellschaft erschrak. Jetzt war's Zeit zum Aufbrechen, und ich machte Schritte zum Entsetzen, indem mich die Verzweiflung blind oder vielmehr taub machte und jeden Funken von Ehrgefühl in mir auf einige Momente erstickte. Das gab mir ein gewaltig Stück. Ich war wenigstens fünfzig bis sechzig Fuß weit vorwärts gekommen, als ich mich wieder stellte und sofort mit steigender Kunstfertigkeit in die Winkelgasse einbog, die am Abhange des Kapitols nach dem Triumphbogen des Septimius Severus führt. Ich dachte mit Schmerzen an meinen so wenig triumphähnlichen Marsch und ging die Gasse empor, wohl wissend, daß hier wenig Volk ist.

Jetzt stand ich an der Bottega eines Schuhmacher. Ich habe schon bemerkt, daß der Schuhmacher dem Vorübergehenden eher auf die Füße als ins Gesicht schaut, und diese traurige Erfahrung regte in mir den Gedanken auf, ob es nicht vielleicht besser wäre, wenn ich Mut faßte und keck in die Bottega hineinginge und mir die Sohle abschneiden ließe. Aber es war ein wichtiger Grund dagegen. Ich war nämlich entschlossen, sie mir schlechterdings nur an einem gewissen Orte abzuschneiden, und somit ermanne ich mich und gehe leise wie ein Geist, das heißt ein Geist mit Pantoffeln, vorüber. An einem abgelegenen melancholischen Eckstein versuchte ich abermals die Sohle abzureißen, und wenn der ganze Schuh draufgehen sollte, aber ich brachte nichts zustande, als daß ein Mädchen, das neugierig war, zu wissen, wer denn da unten stöhne und einen corpo del diabolo und baco nach dem andern hören ließe, mich tüchtig auslachte. Also unverrichteterdinge setzte ich die Reise fort. Schon ist's Ave Maria geworden, und die Nacht ist da. Allein diese schützt keinen Poeten in zerrissenen Schuhen vor fremden Augen und Ohren. Denn just um diese Zeit laufen die Eminentis wie besessen herum, und die Weiber sitzen alleweil vor dem Hause und säugen ihre Kinder.

Aber wo die Not am größten ist, da ist die Hülfe am nächsten. Es kömmt ein Kardinalswagen angefahren, und ich höre nicht sobald den schweren Tritt der Hengste, als ich gleichsam in Begeisterung gerate und die Straße hinrenne, als wären die Sbirren hinter mir. „Gesegnet seist du“, rief ich dem Kardinal zu, „der du vermöge deiner trefflichen, kräftig beschlagenen Rosse meine Sohle aus dem Fegefeuer rettest“, und siehe, schon ist das Paradies vor meinem Auge, sie hören mich nicht, o wie einzig, sie glauben, meine Schuhe seien so gut wie neu, ein Sprung über die Via dell'Arco pandani, und ich bin am Paradiese, wo mich St. Peter in Gestalt eines Cameriere empfängt und sich erkundigt, ob ich gedeckt haben wolle.

Mit einem Wort, ich bin in der uralten, berühmten Osteria, wo Michelangelo Buonarotti trank und heutzutage noch im Frühjahr vorzügliche Carciofoli und das ganze Jahr ein herrlicher Wein zu haben ist. Wer kann sich meine Freude denken, als der Cameriere die schwarzfunkelnde Foglietta und — ein Messer brachte! Eh ich einen Bissen genoß, schnitt ich die verhängnis- und unheilvolle Sohle ab, und sie vors Auge haltend, sprach ich voll Verachtung die Worte zu ihr: „Niedrige, elende Tochter einer Bestie! du Niedrigstes von allem, was ich werthalte, an meinem Leibe zu sein, fahre hin, du Verruchte, die einen armen Poeten im Angesicht des Kapitols, wo die fromme Vorwelt einen Petrarca krönte, in die verzweifelte Notwendigkeit versetzte, sich von Pancianeris, Vasallis, Obsthändlerinnen, Schuhflickern und dererlei Volkshefe auslachen zu lassen, die du mich heute um eine Visite gebracht, welche mich Qualen der Tortur gekostet und mein ganzes Haus und alle meine Garderobe in Bewegung gesetzt hat! die du mir den peinigendsten Traum, barfuß in der Stadt herumzulaufen, beinahe wörtlich verwirklicht hast und die du mich sicherlich wieder zum Gegenstand des Spottes und Witzes, Fürwitzes, Aberwitzes und Künstlerwitzes machen wirst, wenn anders dieser unselige, gleichsam rutschende Gang nicht im Schleier einer wohltätigen Dunkelheit bleibt! Fahre hin!“ — und damit warf ich sie voll tiefer Verachtung in eine Grube vor der Osteria. Nun befand ich mich leicht, wie es einem etwa sein mag, der in den Stock geschraubt war, auf dem Cavaletto einem müßigen Publikum seine unschuldigen Posteriora zeigen zu müssen, und nun urplötzlich aufs allerevidenteste Satisfaktion erhält! Es wurde mir deswegen unsäglich wohl, ich ließ mir den edlen, erquickenden Wein vortrefflich schmecken, und nachdem ich seltsam gestärkt war, ging ich leicht, wie der geflügelte Merkur, hinaus, um meinem Freund Scaramuzza die Botschaft meiner verunglückten Visite zu bringen. Vorher aber zog mich die Nähe des Campo Vaccino und der Triumphbogen des Septimius samt den Tempelsäulen des Donnerers, die man auf der Schwelle der Osteria erblickt, zu sehr an, als daß ich meinen Unglimpf nicht vollends ganz mit einem Spaziergang auf dem römischen Forum auslöschen und vergessen wollte. Das geschah, und der schöne Mond, der über der schwarzen Säulenkolonnade des Tempels der Concordia stand und über die wilden Trümmer am Abhang des Kapitols hereinschien, die melancholische Allee, die das Forum entlangführt und die alte Via Sacra bezeichnet, der herrliche Palatin mit dem Tempel des Romulus und den gigantischen Ruinen der Cäsarischen Paläste, die drei majestätischen Wölbungen des Friedenstempels und endlich das aufsteigende, mondhelle Bild des Kolosseums, das reichte hin, um mich dergestalt in seine Größe und Fülle zu versenken, daß ich, als ich spät nach Hause kam, vergaß, meinem Freunde das Abenteuer von der Sohle zu erzählen, daß es also somit auch den deutschen Landsleuten verborgen bleibt und nur auf diesem Wege anonym zu Nutz und Frommen derer bekannt wird, die sich daraus etwas abnehmen können.

 

 

Ich habe nur noch hinzuzusetzen, daß dem Übel bereits abgeholfen ist und daß ich dem anonymen Poeten auf das zu erwartende Honorar hin soviel geborgt habe, daß er sich bereits ein Paar Stiefel machen lassen konnte. Das noch den Lesern, die den Unglücklichen vielleicht noch in Not glauben, und den weichmütigen Seelen, die wohl gar ein Mitleid für ihn fühlen möchten, für das er sich bedanken muß.