BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Karl Abraham

1877 - 1925

 

Amenhotep IV. (Echnaton)

Psychoanalytische Beiträge zum

Verständnis seiner Persönlichkeit und

des monotheistishen Aton-Kultes

 

1912

 

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Carl Furtmüller:

Karl Abraham, Amenhotep IV. (Echnaton).

 

In dem anregend geschriebenen Aufsatz wird ein Bild des Lebens und der Persönlichkeit Amenhoteps IV. entworfen, der im 14. Jahrh. v. Chr. lebte und dessen Regierung vor allem gekennzeichnet ist durch den Versuch einer religiösen Umwälzung (Ersetzung des Amonkultes durch eine Atonreligion), durch die Gründung einer neuen Hauptstadt und durch das Aufkommen neuer Strömungen in Architektur und bildender Kunst. Abraham fasst ihn als hochbegabten Menschen mit neurotischen Zügen auf und sucht in seinem ganzen Wirken die Kampfeinstellung gegen den verstorbenen Vater nachzuweisen. In der psychologischen Erklärung dieser Feindschaft gegen den Vater hält sich Abraham nicht frei von Widersprüchen. Einmal geschieht sie nach dem Schema des Ödipuskomplexes: Liebe zur Mutter, daher Eifersucht gegen den Vater, dann wird wieder gerade die besondere Anhänglichkeit an den Vater in den Vordergrund geschoben und der Kampf gegen ihn als ein Versuch aufgefasst, sich von dieser Abhängigkeit zu befreien. Aber das Vorhandensein dieser feindlichen Einstellung weiss er durch eine Reihe ansprechender Deutungen wahrscheinlich zu machen. In der Abschätzung der Bedeutung dieser individual-psychologischen Tatsache schiesst er freilich weit übers Ziel. Alle religiösen, ethischen, ästhetischen und politischen Wandlungen der Epoche werden aus ihrem historischen Zusammenhang losgelöst und auf den Vaterkomplex Echnatons als eigentliche Wurzel zurückgeführt.

 

Quelle: Zentralblatt für Psychoanalyse 3, Heft 9, S. 553 (1913)