BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Hans Beimler

1895 - 1936

 

Im Mörderlager Dachau

 

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„Den Beimler ham ma ... in Dachau sehen wir uns wieder“!

 

Nachdem es den Faschisten in Bayern ohne Widerstand der Held-Stützel-Schäf[f]er-Regierung – und leider auch ohne nennenswerten Widerstand seitens der Arbeiterschaft – gelungen war, am 9. März 1933 die ganze Macht an sich zu reißen, setzte selbstverständlich mit gesteigerten Kräften eine unerhörte Verfolgungskampagne gegen die Kommunistische Partei ein. Bereits am 10. März gab der derzeitige Innenminister Wagner – seines Zeichens verkappter Bergwerksdirektor – an alle Polizei- und Gendarmeriestationen durch Funkspruch die Anweisung, daß „sofort alle kommunistischen und Reichsbanner­funktionäre, soweit sie zu erreichen sind, in Haft genommen werden müssen“. Soweit die bayrischen Städte München, Nürnberg, Augsburg usw. in Frage kamen, war der Erfolg der einsetzenden Verhaftungsaktionen nicht allzu groß, denn „die meisten Vögel waren ausgeflogen“. Soweit Kommunisten in Frage kamen, waren sie ja schon seit dem 30. Januar, dem Tag der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler, fast vollkommen illegal. Soweit es anging, die noch vorhandenen Möglichkeiten einer „legalen“ Vorbereitung der Reichstagswahl zum 5. März auszunützen, wurden diese aufs engste mit der illegalen Arbeit verbunden. Das Parteibüro durfte weder wichtiges Material enthalten noch durften die Sekretäre und Bezirksleitungsmitglieder darin arbeiten. Wie notwendig diese Maßnahmen waren, zeigte sich durch Dutzende Haussuchungen der Stützel-Polizei und die Schließung der Büros aller revolutionären Organisationen und der „Neuen Zeitung“ am 25. Februar. Ein Sekretär, der die Weisungen nicht beachtet hatte, wurde in Haft genommen und sitzt seitdem im Gefängnis bzw. Konzentrationslager Dachau.

Im übrigen ist es der Polizei bis zu meiner Verhaftung am 11.April nicht gelungen, die Leitung der Partei nennenswert zu schwächen. Die Verhaftung des für den Literaturvertrieb verantwortlichen Genossen machte selbstverständlich die Einsetzung eines anderen notwendig. So wurde die Verbindung mit einem Parteifunktionär aufgenommen, der von der Leitung als Ersatz vorgesehen war, um diesem die nötigen Instruktionen zu geben. Entgegen meinem Prinzip und dem aller anderen Mitglieder des Sekretariats hatte ich statt der Nacht den Nachmittag des 11. April als den Zeitpunkt des Zusammentreffens festgelegt. Wie verabredet, erschienen die zwei bestellten Genossen pünktlich, und nach kurzer Aussprache wurde ein Genosse wieder weggeschickt. Nach etwa vier bis fünf Minuten wollte ich mich auch von dem noch anwesenden Genossen trennen. Im gleichen Augenblick hielt plötzlich ein Auto, sechs Kriminalbeamte, das heißt SS in Zivilkleidung, sprangen aus dem Wagen und verhafteten mich und den noch anwesenden Genossen. An Ort und Stelle untersuchte je ein Polizist unsere Taschen, wobei uns die anderen vier mit Pistolen in den Händen umringten. Nachdem die Untersuchung vollkommen ergebnislos verlaufen war, fragte ich, was denn eigentlich los sei – worauf mich einer von diesen „Helden“ mit „halt's Maul“ in den Wagen stieß. Nachdem man noch das Fahrrad des mitverhafteten Genossen an der Rückwand des Autos festgebunden hatte, wurden wir ins Polizeipräsidium gebracht.

Kaum hatten sich die Tore des Polizeipräsidiums „Ettstraße“ hinter uns geschlossen, verbreiteten die Polizisten, die uns verhaftet hatten, wie ein Lauffeuer die Nachricht von meiner Verhaftung: „Den Beimler ham ma, den Beimler ham ma!“ In wenigen Minuten waren wir von SA und SS umringt; sie überschütteten uns, vor allem mich, mit allen möglichen Beschimpfungen: „Na Bürscherl, jetzt haben wir dich!“ „In Dachau sehen wir uns wieder!“ „Jetzt ist's aus mit der Weltrevolution!“ „Du Hetzer!“ und andere mehr. Alles war sichtlich erfreut über den „Fang“, den sie gemacht hatten. Ein SA-Mann sprang vom Hochparterre aus dem Fenster, um mich zu sehen und seiner „Freude“ Ausdruck zu verleihen. Nun ging's hinauf zu der im ersten Stock untergebrachten politischen Abteilung „6/A“.