BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Walter Benjamin

1892 - 1940

 

Einbahnstraße

 

1928

 

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HALTEPLATZ FÜR NICHT

MEHR ALS 3 DROSCHKEN

 

 

Ich stand an einer Stelle zehn Minuten und wartete auf einen Omnibus. „L'Intran . . . Paris-Soir . . . La Liberté“ rief hinter mir ununterbrochen mit unverändertem Tonfall eine Zeitungsfrau. „L'Intran . . . Paris-Soir . . . La Liberté“ – – eine Zuchthauszelle von dreieckigem Grundriß. Ich sah vor mir, wie leer es in den Winkeln aussah.

 

Ich sah imTraum „ein verrufenes Haus“. „Ein Hotel, in dem ein Tier verwöhnt ist. Es trinken fast alle nur verwöhntes Tierwasser.“ Ich träumte in diesen Worten und fuhr sofort wieder auf. Vor übergroßer Ermüdung hatte ich im erhellten Zimmer mich in Kleidern aufs Bett geworfen und war sogleich, für einige Sekunden, eingeschlafen.

 

Es gibt in Mietskasernen eine Musik von so todestrauriger Ausgelassenheit, daß man nicht glauben will, sie sei für [50] den, der spielt: es ist Musik für die möblierten Zimmer, wo einer Sonntags in Gedanken sitzt, die bald mit diesen Noten sich garnieren wie eine Schüssel überreifes Obst mit welken Blättern.