BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Rudolf Diesel

1858 - 1913

 

Die Entstehung des Dieselmotors

 

1913

 

______________________________________________________________________________

 

 

 

A. Betriebs- und Konstruktionsfragen.

 

Nasse Luftpumpe.

 

Oktober 1898. Versuch mit nassem Luftpumpenbetrieb zu dem Zweck, event. die Nachkühlung der Einblaseluft und die starke Erhitzung der Luftpumpe zu vermeiden. Die Luftpumpe war bekanntlich damals noch einstufig (siehe S. 60). Es wurde während des Betriebes ein feiner Nebel von zerstäubtem Wasser durch die Saugleitung mit eingesaugt. Weder im Luftpumpendiagramm noch in der Temperatur der Pumpe zeigten sich merkliche Änderungen; da der Zweck, die Nachkühlung zu vermeiden, nicht erreicht wurde, mußte die Sache aufgegeben werden.

 

 

Kochendes Mantelwasser.

 

Oktober 1898. Versuch, mit kochendem Kühlwasser im Mantel des Verbrennungs­zylinders zu arbeiten derart, daß fast alles Wasser verdampft und nur [95] ein ganz feiner Wasserstrahl mit dem Dampf abgeht zur Sicherheit, daß der Mantel stets voll Wasser ist. Es zeigen sich keinerlei nachteilige Folgen im Betrieb, alles bleibt normal. Dieser Versuch war mit Rücksicht auf die Anwendung des Motors für transportable Maschinen zum Zwecke der äußersten Verminderung der mitzunehmenden Kühlwassermenge durchge­führt worden.

 

 

Volumetrischer Wirkungsgrad.

 

September 1899. Es wurden der volumetrische Wirkungsgrad des Verbrennungs­zylinders und die Auspufftemperaturen bei verschiedenen Betriebsverhältnissen festge­stellt. Die Ergebnisse sind in Fig. 45 zusammengestellt und dürften auch heute noch zutreffend sein. [96]

 

Düsenmundstücke.

 

Die auf S. 69 erwähnten Streubrenner hatten sich für Lampenpetroleum im Dauer­betrieb ausgezeichnet bewährt, bei den Versuchen mit schwereren Ölen aber verstopften sie sich mehr oder weniger rasch, und es entstand das Bedürfnis, den Brennstoff durch weniger feine Löcher einzublasen.

Im Laufe der Versuchsjahre waren, wie schon mehrfach erwähnt, immer wieder Versuche mit kalibrierten Düsenplatten gemacht worden (siehe S. 21, 34, 42), bei welchen der Brennstoff durch ein einziges größeres zentrales Düsenloch eingeblasen wurde. Diese Versuche wurden nun im Hinblick auf die Anwendung schwerer Öle von neuem systematisch aufgenommen, und zwar mit dem Brenner nach Fig. 46.

 

 

Eine 2 mm-Düsenplatte ergab dabei nur halbe Leistung, 2,5 mm-Düsenplatte gab beinahe, aber doch nicht ganz, volle Leistung. Die Verbrennung ist wenig verschieden von derjenigen des Streubrenners, das Düsenloch bleibt aber rein, dagegen besetzt sich der vorgelagerte Prallkonus mit Kohle. Bei 4 mm-Düsenloch bleibt auch der Prallkonus spiegelblank und ohne jeden Kohleansatz. Bei 5 mm-Düsenloch Ergebnisse wesentlich ungünstiger als mit dem Streubrenner. Eine Düsenplatte von 4,5 mm mit verlängerter Mündung nach Fig. 47 ergibt ebenfalls ungünstigere Resultate, Mit diesen neuen Brennern ist die frühere volle Leistung bei reinem Auspuff nicht erreicht worden, auch nicht beim Gegenversuch mit Lampenpetroleum.

Später stellte sich heraus, daß lediglich der Prallkonus hieran schuld war, da dieser die nach allen Richtungen radial abgelenkten Brennstoffstrahlen in den oberen Regionen, also in der Nähe des Deckels, festhielt und deren Mischung mit den dem Kolben folgenden Luftschichten verhinderte. Später wurde der Prallkonus fallen gelassen und der Brennstoff durch die kalibrierte Düsenplatte [97] stumpf auf den glatten Kolbenboden geschleudert, was dann bis heute typisch blieb. Am 1. April 1898 findet sich die Journalbemerkung: „Bestes Mundstück, einfache Düsenplatte; wegen der großen Einfachheit derselben soll nicht mehr davon abgegangen werden.“ Dies wurde im Herbst 1898 allen Dieselmotorfirmen mitgeteilt.

 

 

Der Prallkonus wurde dann auch versuchsweise auf den Kolben selbst gesetzt nach Fig. 48, so daß der Brennstoff dem Kolben folgen konnte, doch ergab sich daraus kein besonderer Vorteil.

 

 

Zerstäuber.

 

Dezember 1898. Versuche zum Ersatz des Zerstäubersiebes. Die bisherigen Versuche waren bekanntlich mit dem Siebzerstäuber gemacht (siehe S. 71).

 

 

Fig. 49 a zeigt einen solchen Zerstäuber in größerem Maßstab als die früheren Figuren.

Die Figur zeigt, daß die Nadel sich in einer Metallhülse bewegt; der untere Teil dieser Hülse ist mit einem feinen Sieb aus vernickeltem Stahldraht (damals gab es noch keinen Nickelstahl) umwickelt oder mit ausgestanzten Ringen aus dem gleichen Gewebe aufgefüllt. Das Drahtgewebe ist oben und unten festgehalten zwischen zwei Metallscheiben, die mit einer größeren Anzahl von Kerben oder feinen Löchern durchbrochen sind. Der durch den Brennstoffkanal eintretende flüssige Brennstoff fließt durch die Kerben der oberen Scheibe auf das Drahtgewebe, wo er sich wie in einem Schwamme verteilt. Die durch den Luftkanal eintretende Einblaseluft treibt dann bei der Eröffnung der Nadel den Brennstoff heftig durch das Drahtgewebe hindurch, wo er außerordentlich fein zerstäubt wird und in Form feinsten Nebels durch die untere gekerbte Scheibe und dann durch die Düsenplatte hindurch in das Innere des Zylinders eindringt.

Es wird nun zunächst das Zerstäubersieb einfach weggelassen; der Motor geht ganz gut bei gutem Auspuff, aber die Diagramme zeigen explosionsartige Verbrennung.

Hierauf wird statt des Zerstäubers eine einfache Metallhülse nach Fig. 49b eingebaut, so daß der Brennstoff durch den so gebildeten hohen Spalt von ¼ mm Weite zur Düse tritt; die Resultate sind nicht befriedigend. Weitere Versuche finden statt mit einem Zerstäuber nach Fig. 49c, bei welchem die Nadel von einem zylindrischen Mantel umgeben ist, welcher unten eine Anzahl feiner radialer Löcher [98] [99] besitzt; beim Öffnen der Nadel zerstäubt der Luftstrahl die zahlreichen feinen radialen Petroleumstrahlen und bläst sie in den Zylinder. Dieser Apparat gibt mangelhafte Mischung und Zerstäubung, unsicheren Anlauf und zu große Empfindlichkeit hinsichtlich der Abmessung der Querschnitte. Immer noch Sieb das Beste.

Endlich wird ein Zerstäuber nach Fig. 49d probiert, der aus einer Anzahl in gewissen Abständen übereinanderliegender, eingekerbter Scheiben besteht, durch welche der flüssige Brennstoff labyrintartig hindurchgedrängt und im Zickzack geführt wird; später wurden die gekerbten Scheiben durch Scheiben mit einem Kranz kleiner gebohrter Löcher ersetzt, eine Zerstäuberform, die typisch geblieben ist. Zwischen diesen verschiedenen Versuchen wurde immer wieder das Drahtsieb probiert, welches sich immer als bestes Zerstäubungsmittel bewährte, aber leider nicht genügend dauerhaft war.

 

 

Seitliche Einblasung.

 

August 1899. Einblasung quer zur Zylinderachse. Dieser Versuch wurde hauptsächlich im Hinblick auf den Bau von horizontalen Maschinen durchgeführt, da bei vertikalen Maschinen ein Anlaß dazu nicht vorlag.

 

 

Die horizontale Nadel nach Fig. 50 wurde seitlich in eine Bohrung des Zylinder­flansches eingeschraubt, welche früher zur Aufnahme des Sicherheitsventils [100] und dann auch des Überströmventils bei den Selbsteinblasungsversuchen gedient hatte (vgl. Fig. 23).

Nach mehrtägigem Dauerbetrieb der seitlichen Einblasung mit flüssigen Brennstoffen Joumaleintragung: „Schwierigkeiten mit Zündung und Verbrennung nicht vorhanden, keine Kohlenablagerung auf dem Kolben, Brennstoffausnutzung der bisher üblichen mindestens äquivalent.“ Das alles wurde erreicht, trotzdem die Düse durch ihre abnormale Einlagerung im massiven Zylinderflansch außergewöhnlich heiß wurde. [101]

Auf Grund dieser Erfahrungen ließ der Direktor der amerikanischen Diesel- Gesellschaft, Colonel E. D. Meier, von Anfang an die Verbrennungskammer der amerikanischen Dieselmaschinen seitlich am Zylinder ausbauen und die Einblasung des Brennstoffs in diese Kammer quer zur Achse erfolgen.

Oktober 1899. Die seitliche Einblasung wurde auch mit Gasbetrieb ausprobiert, es ergaben sich keinerlei Anstände in bezug auf Zündung, ruhigen Gang, Sauberkeit im Zylinder, dagegen wurde niemals die Wärmeausnutzung der Gasversuche mit zentraler Düse erreicht, es entstand viel stärkeres Nachbrennen und sehr hohe Temperatur: der thermische Wirkungsgrad war durchschnittlich um 10–11 % geringer. Es scheint, daß das entströmende Gas die dicke Luftschicht nach der Quere nicht genügend durchdringen kann, sondern vor sich her staut, so daß ungenügende Mischung von Luft und Gas stattfindet.

 

 

Regulierung.

 

Dezember 1898. Bisher war die Regulierung des flüssigen Brennstoffes dadurch erfolgt, daß die Brennstoffpumpe mehr Petroleum ansaugte, als der Betrieb erforderte, und daß beim Druckhub des Kolbens ein Teil des angesaugten Brennstoffes durch das Saugventil (S. 17) oder ein Überlaufventil zurückströmte, das an veränderlichen Stellen vom Regulator aus geschlossen wurde (Seite 70).

Es werden nunmehr die schon früher begonnenen Versuche (s. S. 70), das empfindliche und zu Störungen geneigte Überlaufventil durch das Saugventil der Pumpe selbst zu ersetzen wieder aufgenommen aber dabei den variablen Abschluß des letzteren unter den Einfluß des Regulators zu stellen. Fig. 51 gibt ein Schema der ersten derartigen Anordnung, die von dem Konstruketur der M. F. A., Herrn Fritz Oesterlen, stammt.

 

 

Der mit dem Pumpenkolben a verbundene Arm b stößt in einem bestimmten Moment die Stange cc herunter und schließt damit das bis dahin durch Feder offen gehaltene Saugventil d. Der Moment dieses Schlusses wird vom Regulator r beeinflußt durch Verdrehen des Links- und Rechtsgewindes e. Die Konstruktion wurde dann allmählich verbessert, wobei aber immer das ursprüngliche Prinzip des Rückströmens der zu viel angesaugten Brennstoffmenge als typisch bis heute beibehalten wurde.

 

 

Hochdruckluftpumpe.

 

November 1899. Wiederaufnahme der Versuche mit der Hochdruckluftpumpe (siehe Seite 86, Fig. 41). Die jetzige Versuchsanordnung war nach Fig. 52. Die äußerst sorgfältig durchgeführten Versuche wurden in langen Serien verglichen [102] mit dem Betrieb der gewöhnlichen aus der Atmosphäre saugenden Luftpumpe (die damals noch einstufig war); sie ergaben folgendes:

 

 

 

Der Betrieb mit einer Luftpumpe, die ihre Luft vorkomprimiert aus dem Haupt­zylinder entnimmt, ist durchführbar und hat keine besonderen Schwierigkeiten. Der Vorteil besteht in den geringen Dimensionen der Pumpe, der Nachteil in der Notwen­digkeit eines gesteuerten Überströmventils  und  in  dem  Sinken  der  Motorleistung  um  5–7 %, weil die sonst von außen zugeführte Einblaseluft fehlt.

 

 

Petroleumverbrauch in beiden Fällen genau derselbe; bekanntlich hat die Maschinenfabrik Augsburg jahrelang dieses System in der Anordnung der Fig. 53 geliefert, bis sich allmählich herausstellte, daß bei den nach und nach in Gebrauch kommenden schweren Ölen und bei nicht sehr sorg­fältiger Wartung leicht Betriebsstörungen des Überströmventils und der Luftpumpen­ventile auftraten, worauf das System verlassen wurde. (Vgl. S. 86.) Andere Firmen waren in der Zwischenzeit schon zur Kompound-Luftpumpe mit direkter Ansaugung aus der Atmosphäre übergegangen, wie sie schon an den ersten Versuchsmotoren zur Anwen­dung gekommen war.

 

 

Selbsteinblasung.

 

Auf Seite 24 wurde bereits geschildert, wie der Gedanke der Selbsteinblasung sofort auftauchte, als festgestellt war, daß die Einblasung des Brennstoffes durch verdichtete Luft allein zum Ziele führe. Die ersten Selbsteinblasungsversuche wurden daher schon an der ersten Maschine gemacht, deren Verbrennungskamrner im Kolben lag, und führten zu gutem Leerlauf. Das damals erzielte Diagramm Nr. 12 siehe Diagrammtafel I. Der Druckverlust zwischen höchster Verdichtung und Verbrennung war 10–12 at; es traten damals schon ungünstige Wechselwirkungen zwischen Verbrennungs- und Düsenraum auf. [103]

 

 

Im Juli 1899 wurde beschlossen, diese Selbsteinblasungsversuche wieder aufzuneh­men, um endgültig festzustellen, was daraus zu machen sei. Bei diesen Versuchen diente die gewöhnliche Düse mit Siebzerstäuber und kalibrierter Düsenplatte als Einführ­vorrichtung; als Brennstoffsteuerung diente die in Fig. 54 wiedergegebene, also eine Abschnappsteuerung mit Füllungsvariation bei gleichbleibendem Öffnungsbeginn, die seinerzeit für die Gasversuche (s. S. 38 u. S. 116) gebaut worden war. Das Überströmventil ist in Fig. 55 dargestellt, es war an Stelle [104] des früheren Sicherheitsventils der Fig. 23 seitlich in eine Bohrung des Zylinderflansches eingeschraubt, das Ventilgehäuse war wassergekühlt.

 

 

 

Endlich zeigt Fig. 56 die gesamte Versuchsanordnung, die ohne Erläuterung verständlich ist; selbstverständlich hätte man das Einblasegefäß, den Wasserabscheider und die Kühlschlange in einem einzigen Apparat vereinigen können (wie das bei späteren Ausführungen auch geschah); aber diese Teile waren vorhanden, und für die Versuche wurden sie ohne viele Umstände so gewählt, wie sie waren. Die Überströmluft diente auch, wie aus dieser Figur ersichtlich, zum Auffüllen der Anlaßflasche, wie auch schon im Jahre 1894.

Auf diese Weise wurde tadellose Ingangsetzung, ebensolcher Motorbetrieb bei unsichtbarem Auspuff mit prachtvollen Diagrammen nach Fig. 57 erzielt, und zwar bei 42 at Kompression. Fig. 58 zeigt die Diagrammentwicklung bei 50 at Verdichtung.

In beiden Fällen ist die im Diagramm erreichte Kompression um 1–2 at geringer als bei feststehendem Überströmventil festgestellt wurde. Der Druckverlust zwischen höchster Verdichtung und Verbrennung ist im ersten Falle 14,5, im zweiten Falle 17,2at. Alle diese Diagramme sind mit Nacheilung erzielt, d. h. mit Eröffnung der Nadel nach Überschreitung des oberen Totpunktes. [105]

 

 

[106] Diese schönen Diagramme und der Betrieb waren vielverheißend, und es bestand lange Zeit die Hoffnung, eine brauchbare Maschine ohne Luftpumpe auf diese Weise zu erzielen. Leider aber nahmen immer nach einigen Betriebsstunden die Diagramme allmählich eine Form nach Fig. 59 an, wurden schmaler und schmaler, gleichzeitig wurde der Auspuff zunächst sichtbar, dann russig, und jedesmal ergab die Untersuchung, daß der Zerstäuber im Innern der Düse sich mit Ruß und Kohle zugesetzt hatte. [107]

Es fand also ein Rückströmen von hochverdichteter Luft während der Öffnungs­periode der Nadel vom Verbrennungsraum in die Düse hinein statt und damit in letztere eine erstickte, russige Verbrennung, welche den Zerstäuber verstopfte.

Trotz monatelanger Versuche, die Steuerung zu ändern, konnte dieser Fehler nicht beseitigt werden, denn wenn die Nadel rechtzeitig ihre volle Öffnung haben soll, muß sie eine Zeit lang im voraus zu öffnen beginnen, und während dieser Eröffnungszeit findet der beschriebene Verkohlungsprozeß immer statt, ehe ein merkliches Rückströmen von der Düse in den Zylinder eintritt. Dazu kam, daß die Nadelöffnungen und Voreilungen, die für volle Leistung gute Diagramme ergaben, für halbe oder überhaupt geringere Leistungen nicht mehr stimmten, und daß sonach auch die Steuerstellung, welche für das fehlerlose Anlassen nötig war, für den Betrieb nicht taugte; kurz, die Regulierung ergab große Schwierigkeiten, die bei der normalen Maschine mit Kompressoreinblasung, bei welcher der Zeitpunkt der Nadelöffnung immer derselbe ist, nicht bestehen.

Es wäre ja möglich gewesen, eine Steuerung mit veränderlichem Öffnungszeitpunkt zu konstruieren (wie sie heute mehrfach existiert), das hätte aber den wesentlichen Nachteil der Verbrennung in der Düse nicht ganz beseitigt; dazu kam, daß die Maschine für etwa 15 at höheren Druck gebaut werden mußte als der Verbrennungsdruck; sie wurde also teurer als die normale Maschine, deshalb wurde das Verfahren damals aufgegeben (7).