BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Heinrich Lautensack

1881 - 1919

 

Jud und Christ - Christ und Jud.

Ein Poetisches Flugblatt.

 

1908

 

____________________________________________________

 

 

 

Die Judentochter / eine Novelle

 

Es war eine schöne Jüdin,

ein wunderschönes Weib,

sie hatt ein schöne Tochter,

ihr Haar war schön geflochten,

zum Tanz war sie bereit.

 

«Ach, liebste, liebste Mutter!

Was tut mir mein Herz so weh

Ach, laßt mich eine Weile

spazieren auf grüner Heide,

bis daß mirs besser wird.»

 

Die Mutter wandt den Rücken,

die Tochter sprang in die Gaß,

wo alle Schreiber saßen:

«Ach liebster, liebster Schreiber!

Was tut mir mein Herz so weh.»

 

«Wenn du dich lässest taufen,

Luisa sollst du heißen,

mein Weibchen sollst du sein.»

«Eh ich mich lasse taufen,

lieber will ich mich versaufen,

ins tiefe, tiefe Meer.

 

Gut Nacht, mein Vater und Mutter,

wie auch mein stolzer Bruder,

ihr seht mich nimmermehr!

Die Sonne ist untergegangen

im tiefen, tiefen Meer.»

 

Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder gesammelt

von L. Achim von Arnim und Clemens Brentano.

 

 

Sei fremder zu mir, fremd. Laß toten Raum

von jetzt sein zwischen meinem Atem und

dem deinen. Denn heut wissen wir ja kaum

die Grenze mehr von deines Busens Rund

 

zu meinen Augen, deines Schoßes Schaum

zu meinen Lefzen, Lefzen wie ein Hund.

Komm mir mit Lippen, Zähnen, Zung und Gaum

so nicht entgegen mehr! flieh mich, du Schlund!

 

Drei Tage waren, daß ich dich nicht sah,

seit wir uns kennen. Und in dieser Zeit

grub ich drei Zeichen in die Ewigkeit,

 

in den drei Tagen, die du mir nicht nah....

Nun wieder aber stehen dir die Zitzen

geil ab vom Leibe, spitz wie Nadelspitzen!

 

*

 

Küßt mir den Mund und saugst, ihn küssend: «Nennt

er, den ich küsse, mich denn nie mehr wieder

scherzend wie oft: Mein Altes Testament ...?

Weißt du, das singt, das klingt! Wie Marsch und Lieder

 

einst an die Mauern Jerichos, so rennt

das wider all mein Blut!... Ja! hier durchs Mieder

bohrt Judenmädchenbusen! ... Ein Percent

vom Juden, Christ, hast auch!» Und ihre Glieder

 

aufrauschen wie der Wildstrom in dem Walde

in meiner Heimat. Und ihr Haar ist Sausen

in Wipfeln. Ihre Brüste Speere. Grausen

 

zielt nach mir, und ich bin gehetzt. «Du! Skalde!

Barde! Sing mir des Judenvolkes Schrei,

als ob es Jagd in Odins Wäldern sei!»

 

*

 

Eß ich den Staub von deinen Füßen: wie

von Wüste Staub, so schmeckt er. Und vermengt

mit Manna mundets. Opferblutbesprengt

auch. Deine Füße, deine Sohlen, sie

 

haben Vernarbtes, blasse Narben, die

sind, weil der Väter Fuß einst ward versengt,

von gottszornglühenden Splittern ward versengt

aus jenen weggeschmissenen Tafeln. Und nie nie

 

mehr heilt das vollends .... «Wie? Und euere Füße?

Du, wateten denn euere nicht in Meth,

bis an die Knöchel in Honigbier? O Süße,

 

längst abgestandener Zucker! O noch weht

mich euer Meth-Rausch an aus deinem Mund!

Iß dich von meinen Füßen nüchtern und gesund!»

 

*

 

Und dieses Spiel, grad eh der Vorhang fallen

muß: Eine Judenwohnung. Juden an den Wänden

auf Bildern. Aus der Abgemalten Lenden

lebendige Juden um den Tisch hier. Allen

 

ist Gleiches eigen. Und sie schweigen. Und gefallen

sich in dem Schweigen.... Wie soll ichs beenden,

der ich hier steh, wie mit gefesselten Händen?

Wie? welche Worte mir zum Wurfe ballen

 

und schleudern auf sie alle? Da! vom Wein

Trunkene könnten nicht so ähnlich schrein

als die Entsetzenstrunkenen hier! Trat ein

 

die meine, durch die Tür, ganz nackt am Leibe.

Und sang: «Ihr Judenvolk!» Und tanzte fein:

«So hatte je und je er mich zum Weibe!!»