BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Otto Pick

1887 - 1940

 

Die Probe

 

1913

 

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Ausklang

 

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An einem Vormittag im Juni, da Alfred gerade sehr beschäftigt war, meldete ihm der Amtsdiener daß draußen jemand auf ihn warte. Alfred überlegte einen Augenblick; da ihm aber die Möglichkeit eines wichtigen Besuches ausgeschlossen erschien und er übrigens die Postarbeit schleunigst abzuliefern hatte, so hieß er den Amtsdiener dem Wartenden bestellen, er werde ihm in ein paar Minuten zur Verfügung stehn.

Mit besonnener Hast beendete er die Ausfüllung der vor ihm ausgebreiteten Formulare, während sein Bureauvorstand ein nervös-ungeduldiges Räuspern vernehmen ließ. Das reizte Alfred so, daß er, obwohl gar nicht neugierig, den Federstiel hinwarf und geräuschvoll das Zimmer verließ, durch die Nebenräume an gabelfrühstückenden Herren vorbei eilte und schließlich auf dem Korridor vor den Kassenlokalitäten den Besucher wartend zu finden glaubte.

Da er niemanden sah, schickte er sich unmutig zur Umkehr an, als er von der Stiege her seinen Namen rufen hörte. Der Klang verwirrte ihn mit einem Male, er betastete, schon zur Türe schreitend, seinen Kanzleirock und zog die Aermel über die manschettenfreien Gelenke herab.

In einer Fensternische stand schwach lächelnd eine junge Dame. Die Hand, die nach der Begrüßung weich [72] und warm in seiner Rechten geblieben war, zuckte wie vom inneren Strömen des Blutes. Alfreds großen Blick begleiteten seine befangenen Worte: „Martha! Warum bist du letzthin nicht gekommen? …“ Und unmittelbar darauf, den Vorwurf angesichts ihrer lieblichen Gegenwart in warmen Dank münden lassend: „Es ist so schön von dir, daß du dich endlich zeigst. Hätte ich dir nicht schreiben sollen? Aber du weißt doch – du wolltest dich selbst anmelden.“

Sie hielt seinen Blicken stand, ihre Hände waren nun beide warm in seinen Händen, er hätte, von seliger Gewohnheit einstiger Zeit übermannt, die Gestalt beinah schon an sich gezogen – da kamen Leute über die Treppe herauf. Als sie unter neugierigen Blicken und Geflüster vorüber waren, sagte das Mädchen einfach:

„Alfred, ich komme mich von dir verabschieden: ich hab' morgen Hochzeit …“

Er stand erstarrt im bohrenden Gefühl der langgewußten, nie so nah geglaubten Gewißheit da, während sie weitersprach:

„Ich wollte es dir anfangs nicht sagen –“

„Martha, warum erfahre ich's erst heute?!“

„Es ist besser so. Darum bin ich auch damals Sonntag nicht gekommen. Schau, Alfred, es geht ja nicht anders … Du bist der Erste, dem ich's heute sage. Die Hochzeit wird ganz einfach sein … Also, Alfred, laß dir's recht gut gehn, und –“

Mit den Augen eines jungen Tieres sah er ihr in die zuckende Miene. Schon fühlte er es gurgelnd in seiner Kehle aufsteigen. Da fiel ihm etwas ein:

„Du, so willst du gehn?! Nein, ich bitte dich – [73] ich hab' nur noch paar Zeilen zu schreiben: Kannst du zwei Minuten warten? Ich bin gleich wieder hier und begleite dich!“

Sie lächelte durch einen Flor hindurch und sagte dann: „Es hat ja keinen Sinn, Alfred. Also ich warte, aber unten an der Ecke.“

Noch ein Händedruck, ein Ineinandertauchen der Blicke, und er eilte mit gesenktem Kopf in die Kanzlei zurück, wo der Vorstand ihn aufgebracht empfing:

„Gott im Himmel! wissen Sie denn nicht, daß die Sache drängt!“

Alfred sah ihn kaum; Zorn und Haß entfuhren ihm wie etwas Fremdes, das er abstreifte, um sich ganz dem Sturm der Gefühle hinzugeben.

„Ich habe einen wichtigen Besuch da. Das Zeug wird ja gleich fertig sein.“ Er kritzelte die Zahlen mechanisch hin, während der alte Herr auffuhr:

„Besuch, Privatsachen! Das Geschäft geht vor!“

Da hatte der junge Mann bereits die Arbeit vollendet, warf sie dem Chef auf den Schreibtisch hin, raffte seinen Hut vom Haken und entfernte sich ohne Gruß.

– Trüber Gang, den er so oft in Freudigkeit geschritten. Alles war wie sonst. Martha stand vor dem Konfektionsgeschäft an der Straßenecke und musterte das Schaufenster. Wie stets fühlte sie sein Nahen, und da sie sich umkehrte, durchfuhr es ihn schmerzlich süß.

Anders, weniger heftig und deutlich als er es sich unzählige Male vorgestellt hatte, wurde dieses letzte Gespräch. Alles war unverändert da: die Wärme, die von ihr zu ihm herüberströmte, das selbstverständliche [74] Hinübergleiten seiner Worte, die vorwurfsvoll und fordernd sein sollten, in nachsichtige Zutraulichkeit, in die Zärtlichkeit des Streichelns, das nicht mehr seinen Händen nun ziemte. Er wollte von allem Schlimmen reden, das er in den letzten Wochen durchlebt hatte. Aber als sie nach seinem Ergehen fragte, nickte er gutmütig: „Ganz gut, man lebt halt …,“ um der Bitte, die in ihrem Blicke stand, zu entsprechen. Er sagte sich: Wenn ich sie jetzt frage: „Hast du mich noch lieb? …,“ so wird sie weinen; wenn ich mich beklage, wird sie mich erstaunt ansehn. Sie selbst fühlt sich ja beklagenswert und soll gute Worte hören. Darf ich mehr verlangen, als mich geliebt zu wissen? –

Und er sprach zu ihr mit rührender Unbefangenheit, fragte nach Nebendingen, unterdrückte die Seufzer, die sich in ihm regten, lächelte und schwieg abwechselnd. Vor einer Toreinfahrt blieb Martha stehn und er fühlte, wie nun alles ins Leere zu münden beginne. Sie sagte, und der Klang ihrer Worte war weich, wie er es während des ganzen Weges gewesen war: „Also leb wohl, Alfred …“

Die Elektrische fuhr klingelnd vorüber, ein Kutscher schrie: „hüh!“ und viele Menschen erfüllten die Straße. Sonst geschah nichts, das vierstöckige Haus begann nicht zu wanken, nicht stürzte es über sie, keine weiße Flamme schlug aus den Drähten der Elektrischen, selbst die Luft zwischen den Beiden blieb unsichtbar wie immer. Es geschah nichts … Und so lächelte Alfred in halbem Verstehen und nickte. Erst als er wieder die Wärme ihrer Hand fühlte, kam ihm die Bedeutung der noch nicht verklungenen Worte zu Bewußtsein. Er starrte Martha fassungslos an und seine Augen sahen das [75] Haus wanken, lautlos in sich zusammenstürzen und dem Ausblick auf sonnige Bilder Raum geben. In diesen wenigen Sekunden sah er alle ländlichen Wege und alle Dortwirtshäuser vor sich, sonnige Gegenden und mutige Wanderungen mit Martha …

Er wollte die lichten Bilder festhalten, nicht wahr wissen, was so ungemäß zwischen ihn und das entschwindende Mädchen sich drängte. Der Anblick ihres halb abgewandten Antlitzes brachte ihn zur Besinnung. Er lächelte halb ohne Glauben, als er ihr beide Hände drückte und sagte: „Also, ich wünsche dir viel Glück, viel Glück …“

Er staunte innerlich über die schmerzende Wärme seiner Worte. Ihr Dankblick betäubte ihn wieder. Noch hörte er sie mit tonloser Heiterkeit sagen: „Ich werde dir bald schreiben. Und du kommst dir unsere Einrichtung ansehen?“ Dann entdeckte er, daß ihre Gestalt nicht mehr vor ihm stand, er ging weiter, ohne zu wissen, wohin, kam nach Hause, nahm an Familiengesprächen teil, aß wenig, ging nach der Mahlzeit früher als sonst in sein Bureau und erwachte erst aus der Starrheit seiner Gedankenlosigkeit, als er über den Korridor vor den Kassalokalitäten schritt und sich an Marthas Anruf erinnert fühlte.

– An ihrem Hochzeitstage war er kaum erregt und arbeitete den Tag über mit jener geläufigen Interesselosigkeit, wie sie dem Steinklopfer und dem Bureaukraten gemeinsam ist. Als er in der Dämmerung ins Kaffeehaus ging, überkam ihn ein starker Ekel vor allem Tun, vor Gesprächen, Plänen und Gedanken an Künftiges. Die Gewohnheit besiegte diese Anwandlung [76] und Alfreds Freunde fanden ihn gutmütig und aufnahmebereit wie sonst. Auf dem Heimweg trennte er sich plötzlich von ihnen, ging durch die noch belebte Stadtparkpromenade und faßte mit beiden Händen die Eisenketten, welche den Zugang zu dem kleinen Teich wehrten, der dunkel dalag, von Schwänen und Wasserpflanzen licht durchschimmert. Alfred erinnerte sich an die erregten Stunden, die er einst vor seiner Maturitätsprüfung hier verbracht hatte. Um zu lernen, war er am frühen Nachmittag in den Park gekommen, hatte sich bald, durch die Gespräche der Spaziergänger und der neben ihm Sitzenden behindert, mit der Lektüre eines Romans über die vorrückende Zeit hinweggetäuscht, um am Abend vor dem Teich auf und ab zu gehen, den Stimmen lauschend, die aus versteckten Laubgängen kamen, den Geräuschen Verliebter auf nahen Bänken, und von den Erlebnissen künftiger Jahre zu träumen.

Heute gab es nichts, was seine Gedanken hätte fesseln können. Er sagte leise vor sich hin: „Ich wünsche dir viel Glück.“

Dann ging er nach Hause und belobte sich innerlich, daß es ihm gelungen war, alle verwirrenden Gedanken von sich zu weisen. Schließlich wäre er ja doch in bittere Unmutsanwandlungen verfallen, die ihn eines geraden Menschen nicht würdig dünkten. Nein, besser als Gemeinplätze zu denken, war es, gedankenlos zur Ruhe zu gehn.

Als er im Bette lag, verlöschte er die Lampe nicht, schlief, von Sichtbarkeiten klar umgeben, bald ein und dachte erwacht an nichts anderes als an das behende Ankleiden der Soldaten in kühlen Mannschaftszimmern. [77] In zwei Minuten war er so weit, daß er ihre Geschwindigkeit nicht zu beneiden hatte, frühstückte unverzüglich und begab sich ins Bureau.

 

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Wenn man fünfundzwanzig Jahre alt ist und bereits auf einige Verwirrungen des Gefühls zurückblicken kann, ist man geneigt, an der unbedingten Neuartigkeit der Erlebnisse zu zweifeln. So glaubte Alfred in seiner gegenwärtigen Lage, in der sich wohl nicht zu viele Männer seines Alters jemals befunden haben mögen, nichts durchaus fremdes zu erblicken; vielmehr erinnerte er sich des allmählichen Vergleitens seiner ersten Liebe, das allerdings durch andere Umstände bedingt gewesen war, und machte sich mit dem Gedanken vertraut, eine Wiederholung jener Zeit erleben zu müssen. Er nahm sich vor, diesmal klüger zu sein, nicht durch Vermeidung anregenden Verkehrs den Uebergang langwieriger zu gestalten, und vor allem das Gedenken an die Geliebte – „Frau Martha“, fiel ihm ein – möglichst einzuschränken.

Anfangs schien alles nach Wunsch zu gehn. Alfred verbrachte die Abende selten allein, er ging mit seinen Bekannten ins Theater, saß nachher lange im Cafe und schlief sodann leidlich. Oder man fuhr am Abend vor die Stadt hinaus, um in irgendeiner Gartenrestauration, oftmals bei Musik, zu nachtmahlen.

Die Straßen der Stadt leerten sich allmählich, denn die sommerliche Wärme hatte alle, die es sich leisten konnten, die Abreise in die Sommerfrische zu beschleunigen gemahnt. Dieser und jener von Alfreds [78] nähern Bekannten fuhr fort und bald stand der Zu" rückbleibende vor der Frage: „Was werde ich morgen Abend tun?“

Da er in seinem Verkehr stets einigermaßen wählerisch gewesen war, ohne sich jedoch warm jemandem anzuschließen, so brachte er es auch jetzt nicht zuwege, mit beliebigen jungen Leuten inhaltslose Stunden zu verbringen. Lieber bestrebte er sich, aus der notgedrungenen Einsamkeit eine Tugend zu machen. Er unternahm größere Spaziergänge, er setzte sich in die Anlagen am Flußufer und las oder sah dem Treiben auf der Schwimmschule gegenüber zu, er ging ins Theater und ließ die landläufigen Possen und Operetten über sich ergehn.

So war eine Woche verflossen, als sich seiner plötzlich eine bittere Niedergeschlagenheit bemächtigte. Deutlich empfand er, was sich nun kaum mehr unterdrücken ließ: daß jeder seiner Schritte ihn an Martha und an gemeinsame Erlebnisse erinnerte. Irgend etwas trieb ihn z. B. vor einem Schaukasten mit Photographien stehen zu bleiben. Auf einmal erkannte er eins der Bilder, er blickte um sich, und die Straßenecke war ihm vertraut wie seine Taschenuhr. Wie oft hatte er das Mädchen hier erwartet … Oder er geriet in der Altstadt in ein schmales Durchhaus, das minutenlang an Gartenmauern entlang führte: hier waren sie zum ersten Male eingehängt gegangen. – Er betrachtete, an das Geländer des Quais gelehnt, die Reflexe der untergehenden Sonne auf dem Wasser und da erschien ihm der Fuß auf einmal mit einer Eisdecke bedeckt, er vermeinte den eigenen Atem bläulich ausströmen zu sehen und neben sich die warme Nähe einer eingehüllten [79] Gestalt zu spüren. Firmatafeln in Vorstadtgasten riefen ihm die Vergangenheit zurück, Parkwächter, Blumenmädchen und Marktweiber taten ein Gleiches, bald mußte er den Kampf aufgeben und sich gestehn, daß Marthas Allgegenwart von der ganzen Stadt Besitz ergriffen hatte.

Er erlebte hundertfach die guten Zeiten des vergangenen Jahres wieder, und je widerstrebender er sich seinen Erinnerungen hingab, umso schmerzlichere Deutlichkeit gewannen sie.

Er begann alle Orte zu meiden, die ihn hätten erinnern können. Er ging nicht auf die Schwimmschule, um nicht an jene Ruderfahrten an lauen Abenden denken zu müssen. Bald war er so weit, daß er alle seine Wege in der Straßenbahn zurücklegte. Doch auch hier ließ ihn der Anblick der Nummer von Wagen jener Strecke, die in Marthas Straße führte, schmerzlich erschauern. Er beschränkte sich allmählich auf die notwendigsten Gänge, fuhr aus dem Bureau direkt nach Hause, wo er auch die Abende verbrachte. Eine Apathie hatte sich seiner bemächtigt, die ihn dahindämmern ließ wie einen Kranken. Ohne Eßlust verzehrte er sein Nachtmahl und ging zeitig schlafen, um im heißen Sonnenschein mit dumpfem Kopf und trägen Beinen, die sich in den Knien kaum biegen wollten, zu erwachen. Seine Kleidung vernachlässigte er. Oft trug er wochenlang dieselbe dunkle Kravatte, da die seidnen bunten ihn an Martha erinnerten.

Einmal fiel ihm ein, daß er nicht einmal wußte, ob sich die Geliebte noch in der Stadt befinde. Von da ab befielen ihn Sinnestäuschungen, die ihn zusammenzucken [80] ließen, wenn er von weitem eine weibliche Gestalt erblickte, deren Gang ihn an Martha gemahnte. Er sah am Ende einer Straße einen blauen Strohhut auftauchen und fühlte sich magisch der Trägerin nachgetrieben. Er sprang in eilende Waggons der Straßenbahn, wo er Martha zu erblicken vermeint hatte. Beim Raseur zog er sich einen tiefen Schnitt zu, als er einmal plötzlich aufsprang, weil das Spiegelbild einer in den Frisiersalon eintretenden Dame ihn in Erregung versetzt hatte. Er mied Menschen, von denen Martha, wenn sie mit ihm ging, gegrüßt worden war; und er eilte ihnen in plötzlichem Entschlusse nach, um zu sehn, wohin sie ihre Schritte lenkten.

Nun wich er nicht mehr jenen Stellen aus, die kraft der Erinnerung seine Sehnsucht schürten. Um seine Gefühle zu versammeln, suchte er nacheinander alle Stätten auf, die einst sein stetes Wohlempfinden in sich geschlossen hatten. Da er vor Ueberwallungen geschützt sein wollte, tat er es nie allein, sondern schwärmte den wenigen Bekannten, die er flüchtig traf, so eindringlich über die Schönheiten des Kinos und des Panoramas vor, daß sie ihm neugierig Gesellschaft leisteten. Er saß mit Mädchen, die ihm gleichgültig waren, auf Drehsesselchen vor den Gucklöchern des Panoramas und seine Sachkenntnisse belustigten die Begleiterin manchmal so, daß sie erklärte, sich selten so nett unterhalten zu haben. Ihm handelte es sich nur darum, nicht allein zu sein. Allein hätte er die Messingeinfassung der Oeffnungen geküßt und sich dabei die Nähe der Geliebten schmerzlich vorgezaubert. Jetzt sog er nur die Atmosphäre in sich ein und begnügte sich mit halben Erinnerungen, die ihn jedoch manchmal so [81] stark befielen, daß seine Hand unwillkürlich die Finger seiner Nachbarin zu streicheln begann…

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Als der Herbst kam, wurde Alfred ruhiger. Und die Zeit verging, die Tage wurden kürzer, es regnete und manchmal fiel Schnee und die Straßen waren abwechselnd feucht und trocken, schmutzig und weiß. Alfred begann sich den Vorschriften des Lebens in der Gesellschaft anzupassen, er mied die Einsamkeit und war überall zu sehen, wo es gescheite Menschen und schöne Mädchen gab. Er lebte sein Leben weiter, hatte mancherlei Zwischenfälle zu bestehen, liebte und wurde geliebt, ward gehaßt, bewundert oder geschätzt, brachte es in seinem Beruf recht weit und genoß, als stattlicher alter Herr, noch viele Jahre der wohlverdienten Ruhe.

Er lebte sein Leben zuende. Niemals aber hatte er ein Erlebnis zuende gelebt, niemals, auch nicht in dem Erlebnis mit Martha, es bis auf den Grund ausgeschöpft; er hatte es ausklingen lassen, matt und wehmutsvoll, aber ohne innere Erstarkung. Er war ein junger Mann unserer Zeit gewesen, bereit zu leben, aber unfähig, ein Erlebnis ausreifen, es wirklich werden zu lassen.

Er war eine unschöpferische Natur. Die Woge des Erlebens hatte ihn für eine Weile emporgeschnellt und wieder ins allgemeine Nichts stürzen lassen.