BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Otto Pick

1887 - 1940

 

Karel Čapek, W. U. R.

Werstands Universal Robots

 

Übersetzung

1922

 

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[113]

Dritter Aufzug

 

Links das Versuchslaboratorium der Fabrik. Wenn die Tür im Hintergrunde geöffnet wird, sieht man eine endlose Reihe weiterer Laboratorien. Links ein Fenster, rechts die Tür zum Seziersaal. An der linken Wand ein langer Arbeitstisch mit zahllosen Probiergläsern, Glaskolben, Feuerkannen, Chemikalien, einem kleineren Thermostat. Dem Fenster gegenüber ein Mikroskopapparat mit einer Glaskugel. Über dem Tische hängt eine Reihe brennender Glühbirnen. Rechts ein Schreibtisch mit großen Büchern, auf ihm eine elektrische Lampe. Kästen mit Instrumenten. In der linken Ecke ein Waschtisch und darüber ein Spiegelchen, in der rechten Ecke ein Sofa.

 

An dem Schreibtisch sitzt ALQUIST, den Kopf in die Hände gestützt.

 

ALQUIST in einem Buche blätternd Finde ich es nicht? – Begreife ich es nicht? – Erlerne ich es nicht? – Verlorene Wissenschaft! Oh, daß sie nicht alles niedergeschrieben haben! – Gall, Gall, wie wurden die Roboter verfertigt? Hallemeier, Fabry, Domin, warum habt ihr soviel in euren Köpfen davongetragen? Hättet ihr wenigstens eine Spur von Werstands Geheimnis zurückgelassen! Oh! Klappt das Buch zu. Vergeblich! Die Bücher reden nicht mehr. Sie sind stumm wie alles. Sie sind gestorben, mit den Menschen gestorben. Suche nicht! Erhebt sich und geht zum Fenster, öffnet es. Wiederum Nacht. Wenn ich schlafen könnte! Schlafen, träumen, Menschen sehn – –Wie, es gibt noch Sterne? Wozu gibt es Sterne, da es keine Menschen gibt? O Gott, sind [114] sie denn nicht erloschen? – Kühle, ach, kühle die Stirn mir, alte Nacht! Göttlich, erhaben, wie du gewesen – Nacht, was willst du hier? Es gibt keine Liebenden, es gibt keine Träume; o Amme, tot ist ein Schlummer ohne Träume; niemandes Gebete wirst du mehr heiligen; wirst, Mutter, keine in Liebe pochenden Herzen mehr segnen. Es gibt keine Liebe. Helene, Helene, Helene! – Kehrt sich vom Fenster ab. Ach, schlafen! Kann ich schlafen? Darf ich schlafen, solange das Leben sich nicht erneuert? Untersucht die dem Thermostaten entnommenen Retorten. Wieder nichts! Vergebens! Narr, diese Hände sind rauh geworden an Ziegeln und können nicht – – können nicht – – Was damit? Zerschlägt die Retorte. Alles ist schlecht! Ihr seht doch, daß ich nicht mehr kann – Horcht beim Fenster. Maschinen, immerfort die Maschinen! Roboter, stellt sie ein! Verloren, verloren, verloren ist das Fabriksgeheimnis! Stellt die tollen Maschinen ein! Glaubt ihr, ihr werdet ihnen Leben abzwingen? Oh, ich ertrage es nicht! Schließt das Fenster. – Nein, nein, du mußt suchen, du mußt leben – Nur nicht so alt zu sein! Altere ich nicht zu sehr? Blickt in den Spiegel. Antlitz, armes Antlitz! Angesicht des letzten Menschen! Zeige dich, zeige dich, solange sah ich kein Menschenantlitz mehr! Menschenlächeln! Wie, dies soll ein Lächeln sein? Diese gelben klappernden Zähne? Augen, wie blinzelt ihr? Pfui, pfui, das sind greisenhafte Tränen, geht doch! Ihr könnt euer Naß nicht mehr bei euch behalten, schämt euch! Und ihr, weichliche, blaue Lippen, was stammelt ihr? Wie du zitterst, besudeltes Kinn! Das da [115] ist der letzte Mensch? Wendet sich ab. Ich will niemanden mehr sehen! Setzt sich zum Tisch. Nein, nein, nur suchen! Verwünschte Formeln, belebet euch! Blättert. Finde ich's nicht? – Fasse ich's nicht? – Erlerne ich es nicht? –

 

Es pocht.

 

ALQUIST Herein.

 

Ein ROBOTER-DIENER tritt ein und bleibt bei der Tür stehen.

 

ALQUIST Was gibt's?

DIENER Herr, der Zentralausschuß der Roboter wartet, wann du ihn empfängst.

ALQUIST Ich will niemanden sehn.

DIENER Herr, Damon aus Havre ist gekommen.

ALQUIST Er mag warten. Dreht sich um. Sagte ich euch denn nicht, ihr sollt Menschen suchen? Findet mir Menschen! Findet mir Männer und Frauen! Geht hin und suchet!

DIENER Herr, sie sagen, sie haben überall gesucht. Überallhin haben sie Expeditionen und Schiffe gesandt.

ALQUIST Nun und?

DIENER Es gibt keinen einzigen Menschen mehr.

ALQUIST steht auf Keinen einzigen? Was, keinen einzigen? – Bringe mir den Ausschuß her!

 

DIENER ab.

 

ALQUIST allein Keinen einzigen? Ließet ihr denn niemand am Leben? Stampft auf. Verzieht euch, Roboter! Wieder werdet ihr mich anwinseln! Wieder werdet ihr flehen, ich solle euch das Geheimnis der Fabrik finden! Wie denn, jetzt ist euch der Mensch gut, jetzt ist er für euch der Herr, da ihr [116] keine Roboter machen könnt? Jetzt soll ich euch helfen? Ach, helfen! Domin, Fabry, Helene, ihr seht doch, ich tue was ich vermag! Gibt es keine Menschen, so seien wenigstens Roboter da, wenigstens der Schatten eines Menschen, wenigstens ein Werk, wenigstens ein Ebenbild! Kameraden, Kameraden, es gebe wenigstens Roboter! Gott, wenigstens Roboter! – Oh, welcher Wahnsinn ist die Chemie!

 

Der Ausschuß, FÜNF ROBOTER, tritt ein.

 

ALQUIST setzt sich Was wollen die Roboter?

ERSTER ROBOTER (RADIUS) Herr, die Maschinen können nicht arbeiten. Wir können die Roboter nicht vermehren.

ALQUIST Rufet Menschen herbei!

RADIUS Es gibt keine Menschen.

ALQUIST Nur Menschen können das Leben vermehren. Haltet mich nicht auf!

ZWEITER ROBOTER Herr, hab' Erbarmen. Grauen befällt uns. Alles werden wir gutmachen, was wir getan.

DRITTER ROBOTER Wir haben die Arbeit vervielfacht. Wir haben eine Milliarde Tonnen Kohle aus der Erde gehoben. Neun Millionen Spindeln laufen bei Tag und Nacht. Wir haben keinen Platz mehr für das Erzeugte. Überall in der Welt werden Häuser gebaut. Herr, frage, was wir in dem einen Jahre vollbracht haben.

ALQUIST Für wen?

DRITTER ROBOTER Für die künftigen Geschlechter. [117]

RADIUS Nur Roboter können wir nicht erzeugen. Die Maschinen liefern nur blutige Stücke Fleisch. Die Haut haftet nicht am Fleische und das Fleisch nicht an den Knochen. Unförmige Klumpen regnen aus den Maschinen.

VIERTER ROBOTER Acht Millionen Roboter starben in dem Jahr. In zwanzig Jahren wird niemand sein. Herr, die Welt stirbt aus.

ZWEITER ROBOTER Grauen hat uns befallen. Sage, wie man Roboter erzeugt.

DRITTER ROBOTER Den Menschen war das Geheimnis des Lebens bekannt. Sage uns ihr Geheimnis.

VIERTER ROBOTER Sagst du es nicht, so gehen wir unter.

DRITTER ROBOTER Sagst du es nicht, so gehst du unter. Wir haben den Auftrag, dich zu töten.

ALQUIST steht auf Tötet! Nun, so tötet mich doch!

DRITTER ROBOTER Dir wurde befohlen –

ALQUIST Mir? Mir befiehlt jemand?

DRITTER ROBOTER Die Regierung der Roboter.

ALQUIST Wer ist das?

FÜNFTER ROBOTER Ich, Damon.

ALQUIST Was willst du hier? Geh! Setzt sich zum Schreibtisch.

DAMON Die Regierung der Roboter der Welt will mit dir unterhandeln.

ALQUIST Halt mich nicht auf, Roboter! Legt den Kopf in die Hände.

DAMON Der Zentralausschuß befiehlt dir, Werstands Vorschrift auszuliefern. [118]

ALQUIST schweigt.

DAMON Fordere den Preis. Wir geben dir alles.

ALQUIST schweigt.

DAMON Wir geben dir Länder. Wir geben dir Güter ohne Ende.

ALQUIST schweigt.

DAMON Nenne deine Bedingungen!

ALQUIST schweigt.

ZWEITER ROBOTER Herr, sage, wie kann das Leben erhalten werden?

ALQUIST Ich sagte – ich sagte schon, ihr sollet Menschen finden. An den Polen und in den Urwäldern sollt ihr suchen. Auf Inseln, in Wüsten und in Sümpfen. In Höhlen und auf den Bergen. Geht und sucht!

VIERTER ROBOTER Wir haben überall gesucht.

ALQUIST Suchet weiter! Sie haben sich verborgen, sind vor euch entflohen; sie sind irgendwo versteckt. Ihr müßt Menschen finden, hört ihr? Nur Menschen können zeugen. Das Leben erneuern. Vermehren. Wiedergeben. Alles wiedergeben, was gewesen. Roboter, ich bitte euch um Gottes willen, suchet sie!

VIERTER ROBOTER Alle unsere Expeditionen sind zurückgekehrt. Sie haben die ganze Welt durchforscht. Es gibt keinen einzigen Menschen mehr.

ALQUIST Wie? Was hast du gesagt?

VIERTER ROBOTER Alles haben wir durchsucht, Herr. Es gibt keine Menschen.

ALQUIST Oh – oh – oh, warum habt ihr sie vernichtet! [119]

ZWEITER ROBOTER Wir wollten wie die Menschen sein. Wir wollten Menschen werden.

RADIUS Wir wollten leben. Wir sind fähiger. Wir haben alles gelernt. Wir können alles.

DRITTER ROBOTER Ihr gabt uns Waffen. Wir waren allzu mächtig. Wir mußten die Herren werden.

ZWEITER ROBOTER Etwas war in uns, das wollte Mensch werden.

ALQUIST Weshalb habt ihr uns ermordet!

VIERTER ROBOTER Herr, wir hatten die Fehler der Menschen erkannt.

DAMON Man muß töten und herrschen, will man wie die Menschen werden. Lest die Geschichte! Lest die Menschenbücher! Ihr müßt herrschen und morden, wollt ihr Menschen sein!

DRITTER ROBOTER Wir sind mächtig, Herr; vermehre uns, und wir bauen eine neue Welt auf; eine Welt ohne Mängel! Eine Welt der Gleichheit! Kanäle von Pol zu Pol! Einen neuen Mars!

DAMON Leset die Bücher! Wissenschaftliche Bücher! Soziale Bücher! Nationale Bücher! Die Roboter haben die menschliche Kultur übernommen. Die Roboter haben die menschliche Kultur verwirklicht.

ALQUIST Ach, Domin, nichts ist dem Menschen fremder als sein Bild.

RADIUS Gib uns Werstands Vermächtnis heraus!

ALQUIST Was willst du, Roboter?

ZWEITER ROBOTER Gib uns das Leben!

ALQUIST Es gibt kein Leben! Ermorden ist Leben! [120]

ZWEITER ROBOTER Wir vergehen, gibst du uns nicht die Vermehrung.

ALQUIST Oh, krepiert nur! Wie denn, Dinge, wie denn, Sklaven, ihr wolltet euch noch vermehren? Wollt ihr leben, so pflanzet euch fort wie die Tiere!

DRITTER ROBOTER Die Menschen gaben uns nicht, uns fortzupflanzen.

VIERTER ROBOTER Wir sind unfruchtbar. Wir können keine Kinder erzeugen.

ALQUIST Oh – oh – oh, was habt ihr getan! Niemals, niemals mehr wird es Kinder geben! Es wird keine Fruchtbarkeit geben! Es wird kein Leben geben! Was wollt ihr von mir? Soll ich euch Kinder aus dem Ärmel schütteln?

VIERTER ROBOTER Lehre uns Roboter machen.

DAMON Wir werden mit der Maschine gebären. Wir werden tausend Dampfmütter errichten. Wir werden aus ihnen einen Strom des Lebens stürzen lassen. Lauter Leben! Lauter Roboter! Lauter Roboter!

ALQUIST Roboter sind kein Leben. Roboter sind Maschinen.

ZWEITER ROBOTER Wir waren Maschinen, Herr; aber durch Grauen und Schmerz wurden wir –

ALQUIST Was?

ZWEITER ROBOTER Wurden wir Seelen.

VIERTER ROBOTER Etwas kämpft mit uns. Es gibt Augenblicke, wo etwas in uns steigt. Uns befallen Gedanken, die nicht aus uns sind. Wir fühlen, was wir nie gefühlt. Wir hören Stimmen.

DRITTER ROBOTER Hört, o hört, die Menschen [121] sind unsere Väter! Die Stimme, welche ruft, daß ihr leben wollt; die Stimme, welche klagt; die Stimme, welche denkt; die Stimme, welche von der Ewigkeit spricht, das ist ihre Stimme! Wir sind ihre Söhne!

VIERTER ROBOTER Gib uns das Vermächtnis der Menschen heraus!

ALQUIST Es gibt keins.

RADIUS Lehre uns Roboter machen!

ALQUIST Wozu Roboter?

ZWEITER ROBOTER Damit wir sie lieben.

ALQUIST Roboter lieben nicht.

ZWEITER ROBOTER Wir würden ein neues Geschlecht lieben.

DAMON Nenne das Geheimnis des Lebens!

ALQUIST Ich kann es nicht.

DAMON Sage das Geheimnis der Vermehrung!

ALQUIST Es ist verloren.

RADIUS Du hast es gekannt.

ALQUIST Nicht gekannt.

RADIUS Es stand geschrieben.

ALQUIST Es ist verloren. Es ist verbrannt. Ich bin der letzte Mensch, Roboter, und kenne nicht, was die anderen gekannt haben. Ihr habt sie getötet!

RADIUS Dich ließen wir leben.

ALQUIST Ja, leben! Grausame, mich ließet ihr leben! Ich liebte die Menschen, und euch, Roboter, habe ich niemals geliebt. Seht ihr diese Augen? Sie hören nicht zu weinen auf, sie weinen ohne mein Wissen, ganz von selbst weinen sie; das eine beweint die Menschen und das andere euch, Roboter. Ich möchte euch Leben schenken. O Gott, daß wenigstens [122] die Roboter blieben! Gall, Gall, wenigstens die Roboter zu erhalten!

RADIUS Mache Versuche. Suche die Vorschrift des Lebens.

ALQUIST Aber ich sage doch, hörst du denn nicht? Ich sage dir, daß ich nicht kann! Nichts vermag ich, Roboter; ich bin nur ein Maurer, nur ein Baumeister, und verstehe nichts. Nie war ich gelehrt. Ich kann nichts machen. Ich kann kein Leben erschaffen. Dies hier ist meine Arbeit, Roboter; sie war zu nichts nutz.

RADIUS Suche!

ALQUIST Aber es ist ja der blanke Wahnsinn! Sagen Sie, Fabry, sagen Sie, Gall, kann denn ich mich mit diesen läppischen Gläschen verständigen? Keines redet zu mir, keines ruft: „nimm mich, ich bin es“ – nein, nein, nein! Lieber sie zerschlagen!

ZWEITER ROBOTER Nur du kannst das Leben erfinden.

ALQUIST Ich, Roboter? Sieh, nicht einmal die Finger gehorchen mir. Wüßtest du, wie viele Versuche ich gemacht habe, und ich weiß nichts. Ich habe nichts gefunden. Ich kann nicht mehr, ich kann wirklich nicht mehr. Ihr müßt allein suchen, Roboter.

RADIUS Zeig' uns, was wir tun sollen. Die Roboter können alles, was die Menschen ihnen gezeigt haben.

ALQUIST Ich habe nichts zu zeigen. Roboter, aus den Retorten kommt kein Leben. Und ich kann keine Versuche am lebenden Leibe machen.

DAMON Mache Versuche an lebenden Robotern. [123]

ALQUIST Nein, nein, ich will nicht! Sie könnten dabei sterben, hörst du?

DAMON Du wirst neue bekommen! Hundert Roboter! Tausend Roboter!

ALQUIST Nein nein, hör' schon auf!

DAMON Nimm dir, wen du willst. Mache Versuche. Seziere.

ALQUIST Aber, ich treffe es nicht, fasel doch nicht! Siehst du dies Buch? Das ist die Lehre vom Körper, und ich kenne mich nicht einmal in dem Buche aus. Bücher sind tot.

DAMON Nimm dir lebende Leiber. Erforsche, wie sie gemacht werden!

ALQUIST Lebende Leiber? Wie, ich soll sie töten? Ich, der ich nie – Sprich nicht, Roboter! Ich sage dir ja, daß ich zu alt bin! Siehst du, siehst du, wie mir die Finger zittern? Ich erhalte das Skalpell nicht. Siehst du, wie meine Augen tränen? Ich würde die eigenen Hände nicht sehen. Nein nein, ich kann nicht!

VIERTER ROBOTER Das Leben geht zugrunde.

DAMON Mache Versuche an Lebenden!

ALQUIST Aber so warte doch! Ich sage dir, wir werden es später versuchen; hörst du denn nicht? Ihr müßt mir ein wenig Zeit lassen – wie heißest du?

DAMON Damon aus Havre.

ALQUIST Sieh, Roboter; ich habe nur aus Verzweiflung von lebenden Leibern gesprochen, verstehst du? Das war nur ein närrischer Einfall; ach, mein Kopf! Was würde ich mit einem Messer anfangen? [124]

VIERTER ROBOTER Das Leben geht zugrunde.

ALQUIST Hör' um Gottes willen mit dem Wahnsinn auf! Eher werden uns die Menschen aus jener Welt das Leben geben; vielleicht strecken sie die Arme voll Leben nach uns aus. Ach, es war in ihnen soviel Lebenswillen! Sieh, vielleicht kehren sie noch wieder; sie sind uns so nahe, sie belagern uns vielleicht; sie wollen sich zu uns durchschürfen wie in einem Schacht. Ach, höre ich denn nicht immerwährend Stimmen, die ich geliebt?

DAMON Nimm lebende Leiber!

ALQUIST Erbarme dich, Roboter, und dränge nicht! Du siehst doch, ich weiß nicht mehr, was ich tue!

DAMON Lebende Leiber!

ALQUIST Wie, du willst es also? – In den Seziersaal mit dir! Hier, hier, aber rasch! – Wie, du weichst zurück? Fürchtest dich doch nur vor dem Tod?

DAMON Ich – warum gerade ich?

ALQUIST Du willst also nicht?

DAMON Ich gehe. Geht nach rechts.

ALQUIST zu den anderen Ihn ausziehen! Auf den Tisch legen! Schnell! Und festhalten!

 

Alle nach rechts.

 

ALQUIST wäscht sich die Hände und weint Gott, gib mir Kraft! Gib mir Kraft! Gott, daß es nicht umsonst sei! Zieht einen weißen Mantel an.

STIMME VON RECHTS Fertig!

ALQUIST Gleich, gleich, o Gott! Nimmt einige Fläschchen mit Reagentien vom Tische. Welche nehmen? Schlägt die Fläschchen gegeneinander. Welche von euch ausprobieren? [125]

STIMME VON RECHTS Anfangen!

ALQUIST Ja, ja, anfangen oder beenden! Gott, gib mir Kraft!

 

Ab nach rechts, die Türe offen lassend.

Pause.

 

ALQUISTS STIMME Haltet ihn – fest!

DAMONS STIMME Schneide!

 

Pause.

 

ALQUISTS STIMME Siehst du dieses Messer?

Willst du noch, daß ich schneide? Du willst nicht, nicht wahr?

DAMONS STIMME Beginne!

 

Pause.

 

DAMONS STIMME Aaaah!

ALQUISTS STIMME Haltet! Haltet!

DAMONS STIMME Aaaah!

ALQUISTS STIMME Ich kann nicht!

DAMONS GESCHREI Schneide! Schneide schnell!

 

Die Roboter PRIMUS und HELENE eilen durch die Mitte herein.

 

HELENE Primus, Primus, was geschieht? Wer schreit da?

PRIMUS blickt in den Seziersaal Der Herr zerschneidet Damon. Komm dir's schnell ansehn, Helene!

HELENE Nein nein nein! Bedeckt die Augen. Ist es schrecklich?

DAMONS GESCHREI Schneide!

HELENE Primus, Primus, komm von hier fort! Ich kann es nicht hören! Oh, Primus, mir ist schlecht!

PRIMUS eilt zu ihr Du bist ganz weiß!

HELENE Ich falle! Warum ist es drinnen so still? [126]

DAMONS GESCHREI Aah – oh!

 

ALQUIST stürzt von rechts herein, wirft den blutigen Mantel ab.

 

ALQUIST Ich kann nicht! Ich kann nicht! Gott, das Grauen!

RADIUS in der Tür zum Seziersaal Schneide, Herr; er lebt noch.

DAMONS GESCHREI Schneiden! Schneiden!

ALQUIST Schafft ihn schnell fort! Ich will es nicht hören!

RADIUS Die Roboter ertragen mehr als du.

ALQUIST Wer ist da? Fort, fort! Ich will allein sein! Wie heißest du?

PRIMUS Roboter Primus.

ALQUIST Primus, laß niemand herein! Ich will schlafen, hörst du? Geh, geh, räume den Seziersaal auf, Mädchen! Was ist das? Blickt auf seine Hände. Schnell, Wasser! Das reinste Wasser!

 

HELENE eilt davon.

 

ALQUIST Oh, Blut! Wie konntet ihr, Hände – Hände, die ihr die gute Arbeit liebtet, wie konntet ihr das tun? Meine Hände! Meine Hände! – O Gott, wer ist da?

PRIMUS Roboter Primus.

ALQUIST Schaff den Mantel fort, ich will ihn nicht sehn!

 

PRIMUS trägt den Mantel fort.

 

ALQUIST Blutige Klauen, daß ihr mir vom Leibe flöget! Wschsch, fort! Fort, Hände! Ihr habt getötet –

 

Von rechts taumelt DAMON herein, in ein blutiges Tuch gehüllt. [127]

 

ALQUIST weicht zurück Was willst du hier? Was willst du hier?

DAMON Ich – lebe! Es ist – es ist – besser, zu leben!

 

Der ZWEITE und DRITTE ROBOTER eilen herein.

 

ALQUIST Tragt ihn fort! Tragt ihn fort! Rasch fort!

DAMON wird nach rechts geführt Leben! Ich – will – leben! Es ist – besser –

 

HELENE bringt einen Krug Wasser.

 

ALQUIST – leben? – Was willst du, Mädchen? Aha, das bist du. Gieß mir Wasser ein, gieß ein! Wäscht sich die Hände. Ach, reines, kühlendes Wasser! Kaltes Bächlein, wie tust du wohl! Ach, meine Hände meine Hände! Werde ich mich bis zum Tode vor euch ekeln?. – Gieße nur mehr hinein! Mehr Wasser, noch mehr! Wie heißest du?

HELENE Robotin Helene.

ALQUIST Helene? Weshalb Helene? Wer ließ dich so nennen?

HELENE Frau Domin.

ALQUIST Zeig' dich! Helene? Helene heißest du? – Ich werde dich nicht so nennen. Geh, trag das Wasser fort.

 

HELENE mit dem Kübel ab.

 

ALQUIST allein Vergebens, vergebens! Nichts, wieder nichts hast du erkannt! Wirst du denn ewig tappen, Schülerlein der Natur? – Gott, Gott, Gott, wie der Körper zitterte! Öffnet das Fenster. Es dämmert. Wieder ein neuer Tag, und du bist kein Endchen weitergekommen – Genug, keinen Schritt weiter! Suche nicht! Alles ist vergebens, vergebens, vergebens! Warum dämmert es noch? Oh – oh – oh, [128] was will der neue Tag auf dem Friedhof des Lebens? Halte ein, Licht! Geh nicht mehr auf! – – Ach, wie still es ist, wie still es ist! Warum seid ihr verstummt, geliebte Stimmen? Wenn ich – wenigstens – wenn ich nur einschlafen könnte! Verlöscht die Lichter, legt sich auf das Sofa und zieht den Mantel über sich. Wie der Leib zitterte! Oh – oh – oh, Ende des Lebens!

 

Pause.

Von rechts schlüpft die ROBOTIN HELENE herein.

 

PRIMUS in der Tür flüsternd Helene, nicht hierher! Der Herr schläft!

HELENE Er ist nicht da. Er ist anderswohin schlafen gegangen.

PRIMUS Dorthin darf niemand. Ich bitte dich, komm her!

HELENE Um nichts auf der Welt! Hu, ich will kein Blut sehen!

PRIMUS Der Herr hat's verboten, Helene. Niemand darf in sein Arbeitszimmer.

HELENE Mir hat er gerade gesagt, ich soll hierherkommen.

PRIMUS Wann hat er dir das gesagt?

HELENE Vor einer Weile. Du darfst nicht in den Seziersaal, sagte er. Du wirst hier aufräumen, hat er gesagt. Bestimmt, Primus. Nein, komm rasch herein!

PRIMUS tritt ein Was willst du?

HELENE Schau', was er da für Röhrchen hat. Was macht er damit?

PRIMUS Versuche. Greif es nicht an!

HELENE blickt in das Mikroskop Sieh doch, was da zu sehen ist! [129]

PRIMUS Das ist ein Mikroskop. Zeig'!

HELENE Rühr' mich nicht an! Stößt eine Retorte um.

Ach, jetzt hab' ich's ausgegossen!

PRIMUS Was hast du getan!

HELENE Das wird abgewischt,

PRIMUS Du hast ihm die Versuche verdorben!

HELENE Geh, das ist einerlei. Aber das ist deine Schuld. Du mußtest nicht zu mir kommen.

PRIMUS Du mußtest mich nicht rufen.

HELENE Du brauchtest nicht zu kommen, als ich dich rief. Sieh doch, Primus, was der Herr hier aufgeschrieben hat!

PRIMUS Das darfst du nicht anschauen, Helene. Das ist ein Geheimnis,

HELENE Was für ein Geheimnis?

PRIMUS Das Geheimnis des Lebens.

HELENE Das ist schrecklich interessant. Lauter Zahlen! Was ist das?

PRIMUS Das sind Formeln.

HELENE Versteh ich nicht. Geht zum Fenster. Nein, Primus, sieh doch nur!

PRIMUS Was?

HELENE Die Sonne geht auf!

PRIMUS Warte gleich – Betrachtet das Buch. Helene, das ist die größte Sache der Welt.

HELENE So komm doch her!

PRIMUS Gleich, gleich –

HELENE Aber Primus, laß das garstige Geheimnis des Lebens sein! Was geht dich irgendein Geheimnis an? Komm und sieh, rasch!

PRIMUS tritt zu ihr ans Fenster Was willst du? [130]

HELENE Die Sonne geht auf.

PRIMUS Schau' nicht in die Sonne, deine Augen tränen.

HELENE Hörst du? Die Vögel singen. Ach, Primus, ich möchte ein Vogel sein.

PRIMUS Was?

HELENE Ich weiß nicht, Primus. Mir ist so seltsam, ich weiß nicht was das ist; ich bin wie verrückt, ich habe den Kopf verloren, mein Leib, mein Herz tut weh, alles tut weh – Und was mir passiert ist, ach, das sag' ich dir nicht! Primus, ich glaube, ich muß sterben!

PRIMUS Sag', Helene, ist dir nicht manchmal, als ob es besser wäre zu sterben? Weißt du, vielleicht schlafen wir nur. Gestern im Schlaf sprach ich wieder mit dir.

HELENE Im Schlaf?

PRIMUS Im Schlaf. Wir redeten in irgendeiner fremden oder neuen Sprache, denn ich habe mir nicht ein Wort gemerkt.

HELENE Wovon?

PRIMUS Das weiß niemand. Ich selber verstand es nicht, und doch weiß ich, daß ich niemals etwas Schöneres gesagt habe. Wie es war und wo, das weiß ich nicht. Als ich dich berührte, glaubte ich zu sterben. Auch der Ort war anders als alles, was je auf Erden erblickt ward.

HELENE Ich habe einen Ort entdeckt, Primus, da wirst du staunen. Es haben dort Menschen gewohnt, aber jetzt ist es verwachsen und sein Lebtag kommt niemand mehr hin. Sein Lebtag niemand als nur ich.

PRIMUS Was ist dort?

HELENE Nichts, ein Häuschen und ein Garten. [131] Und zwei Hunde. Wenn du sähest, wie sie mir die Hände lecken, und ihre Jungen, ach, Primus, es gibt vielleicht nichts Herrlicheres! Du nimmst sie auf den Schoß und wiegst sie, und dann denkst du an gar nichts mehr und kümmerst dich um nichts, bis die Sonne untergeht; wenn du dann aufstehst, so ist dir, als hättest du hundertmal mehr getan als viel Arbeit. Nein, sicher nicht, ich bin zu nichts fähig; jeder sagt, ich sei zu keiner Arbeit zu verwenden. Ich weiß nicht, wie ich bin.

PRIMUS Du bist schön.

HELENE Ich? Geh, Primus, was hast du da gesagt?

PRIMUS Glaube mir, Helene, ich bin stärker als alle Roboter.

HELENE vor dem Spiegel Ich soll schön sein? Ach, die schrecklichen Haare, wenn ich etwas hineintun könnte! Weißt du, dort im Garten steckte ich mir immer Blumen ins Haar, aber dort ist weder ein Spiegel, noch jemand – Beugt sich zum Spiegel vor. Du, du sollst schön sein? Warum schön? Sind die Haare schön, die dich nur belasten? Sind die Augen schön, die du schließest? Sind die Lippen schön, in die du nur beißest, damit es schmerze? Was ist das, wozu ist das: schön sein? – Erblickt Primus im Spiegel. Primus, das bist du? Komm her, damit wir dort nebeneinander sind! Sieh, du hast einen anderen Kopf als ich, andere Schultern, einen anderen Mund – Ach, Primus, warum weichst du mir aus? Warum muß ich dir den ganzen Tag nachlaufen? Und dann sagst du noch, ich sei schön!

PRIMUS Du läufst vor mir davon, Helene. [132]

HELENE Wie bist du gekämmt? Zeig'! Fährt ihm mit beiden Händen in die Haare. Sss, Primus, nichts fühlt sich so an wie du! Warte, du mußt schön werden! Nimmt vom Waschtisch einen Kamm und kämmt Primus die Haare in die Stirn.

PRIMUS Ist dir nicht manchmal, Helene, daß plötzlich dein Herz schlägt: Jetzt, jetzt muß etwas geschehen –

HELENE beginnt zu lachen Sieh dich an!

ALQUIST erhebt sich Was – wie, Lachen? Menschen? Wer ist zurückgekehrt?

HELENE läßt den Kamm fallen Was könnte mit uns geschehen, Primus!

ALQUIST taumelt auf sie zu Menschen? Ihr – ihr – ihr seid Menschen?

 

HELENE schreit auf und wendet sich ab.

 

ALQUIST Ihr seid Verlobte? Menschen? Wo kommt ihr her? Faßt Primus an. Wer?

PRIMUS Roboter Primus.

ALQUIST Wie? Zeig' dich, Mädchen! Wer bist du?

PRIMUS Robotin Helene.

ALQUIST Robotin? Dreh' dich um! Was, du schämst dich? Faßt sie am Arm. Laß dich sehn, Robotin!

PRIMUS Loslassen, Herr!

ALQUIST Wie, du verteidigst sie? – Geh hinaus, Mädchen!

 

HELENE eilt hinaus.

 

PRIMUS Wir wußten nicht, Herr, daß du hier schläfst.

ALQUIST Wann wurde sie erzeugt?

PRIMUS Vor zwei Jahren.

ALQUIST Vom Doktor Gall?

PRIMUS Wie ich. [133]

ALQUIST Nun denn, lieber Primus, ich – – – ich habe gewisse Versuche an Galls Robotern zu machen. Alles weitere hängt davon ab, verstehst du?

PRIMUS Ja.

ALQUIST Gut, führe das Mädchen in den Seziersaal. Ich werde sie zerschneiden,

PRIMUS Helene?

ALQUIST Nun freilich, ich sag's dir doch. Geh, mach' alles bereit. – Nun, wird es? Soll ich andere rufen, daß sie sie herbeischaffen?

PRIMUS ergreift einen schweren Porzellanstößel Wenn du dich rührst, so zerschlage ich dir den Kopf!

ALQUIST Nun, zerschlag ihn! Zerschlag ihn doch! Was werden dann die Roboter machen?

PRIMUS sinkt in die Knie Herr, nimm mich! Ich bin genau so gemacht wie sie, aus demselben Stoff, am selben Tage! Nimm dir mein Leben, Herr! Entblößt die Brust. Schneide hier, hier!

ALQUIST Geh, ich will Helene schneiden. Mach' rasch!

PRIMUS Nimm mich statt ihrer; zerschneide diese Brust, ich werde nicht schreien, nicht seufzen! Nimm hundertmal mein Leben –

ALQUIST Langsam, Knabe. Nicht so verschwenderisch. Willst denn du nicht leben?

PRIMUS Ohne sie nicht. Ohne sie will ich nicht, Herr. Du darfst Helene nicht töten! Was tut es dir, mir das Leben zu nehmen?

ALQUIST berührt sanft sein Haupt Hm, ich weiß nicht – Hör' mal, Bursche, überleg' es dir. Es ist schwer zu sterben. Und weißt du, es ist besser zu leben. [134]

PRIMUS erhebt sich Fürchte dich nicht, Herr, und schneide. Ich bin stärker als sie.

ALQUIST klingelt Ach, Primus, wie lang ist's her, daß ich ein junger Mensch gewesen bin! Fürchte dich nicht. Helenen wird nichts geschehen.

PRIMUS knöpft die Jacke auf Ich gehe, Herr.

ALQUIST Warte!

 

HELENE tritt ein.

 

ALQUIST Komm her, Mädchen, laß dich anschauen! Also du bist Helene? Streichelt ihr Haar. Fürchte dich nicht, weich nicht zurück. Erinnerst du dich an Frau Domin? Ach, Helene, was hatte die für Haare! Nein, nein, du willst mich nicht ansehn. Also was, Mädchen, ist der Seziersaal aufgeräumt?

HELENE Ja, Herr.

ALQUIST Gut, du wirst mir helfen, nicht wahr? Ich werde Primus aufschneiden.

HELENE schreit auf Primus?

ALQUIST Nun ja, ja, es muß sein, weißt du? Ich wollte – eigentlich – ja, ich wollte dich zerschneiden aber Primus hat sich an deiner Stelle angeboten.

HELENE verbirgt ihr Gesicht Primus?

ALQUIST Aber freilich, was liegt daran? Ach, Kind, du kannst weinen? – Sag', was liegt an so einem Primus?

HELENE leise Ich werde gehen.

ALQUIST Wohin?

HELENE Damit du mich zerschneidest.

ALQUIST Dich? Du bist schön, Helene. Es wäre schade um dich.

HELENE Ich gehe. [135]

ALQUIST Bleib, Helene; gibt es etwas Stärkeres als das Leben?

HELENE geht zum Seziersaal; Primus vertritt ihr den Weg Laß, Primus! Laß mich hin!

PRIMUS. Du wirst nicht gehn, Helene! Ich bitte dich, geh fort, hier darfst du nicht sein!

HELENE Ich springe aus dem Fenster, Primus. Wenn du hingehst, so springe ich aus dem Fenster!

PRIMUS hält sie fest Ich lasse dich nicht! Zu Alquist Niemanden, Alter, wirst du töten!

ALQUIST Warum?

PRIMUS Wir – wir – gehören zueinander.

ALQUIST Du hast es gesagt. Öffnet die Mitteltür. Stille. Geht!

PRIMUS Wohin?

ALQUIST flüsternd Wohin ihr wollt. Helene, führe ihn. Schiebt sie hinaus. Geh, Adam. Geh, Eva; du wirst ihm Weib sein. Sei du ihr Mann, Primus.

 

Schließt hinter ihnen zu.

 

ALQUIST allein Gesegneter Tag! Geht auf den Fußspitzen zum Tisch und schüttet die Retorten auf die Erde. Fest des sechsten Tages! Setzt sich zum Schreibtisch, wirft die Bücher auf den Boden; dann öffnet er die Bibel und liest. „Und Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde: zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie, einen Mann und ein Weib. Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch, und füllet die Erde, und macht sie euch untertan, und herrschet über Fische im Meer und über Vögel unter dem Himmel und über alles Tier, das auf Erden kreucht. Er erhebt sich. Und Gott sah an alles, was er gemacht [136] hatte; und siehe da, es war sehr gut. Da ward aus Abend und Morgen der sechste Tag.“ Er geht in die Mitte des Zimmers. Der sechste Tag! Der Tag der Gnade! Sinkt in die Knie. Nun entlässest du, Herr, deinen Diener – deinen überflüssigsten Diener Alquist! Werstand, Fabry, Gall, ihr großen Erfinder, was habt ihr ersonnen? Was habt ihr Großes erfunden gegen dies Mädchen, gegen diesen Knaben, gegen dies erste Paar, das die Liebe, Weinen, Lächeln, Lächeln der Liebe, Liebe des Mannes und Weibes erfand? Natur, Natur, das Leben wird nicht vergehen. Gott, das Leben wird nicht vergehen! Kameraden, Helene, das Leben wird nicht vergehen! Wieder wird es aus Liebe begonnen, wird nackt und winzig begonnen; in der Wüste wird es Wurzel schlagen und nichts wird ihm bedeuten, was wir getan und gebaut, nichts die Städte und Fabriken, nichts unsere Kunst, nichts unsere Ideen, und doch wird es nicht untergehen! Nur wir sind untergegangen. Häuser und Maschinen werden zusammenstürzen, Systeme werden zerfallen und die Namen der Großen abblättern wie Laub; nur du, Liebe, blühest empor auf der Trümmerstätte und vertraust den Winden das Samenkörnchen des Lebens an. Nun wirst du, Herr, deinen Diener in Frieden entlassen; denn meine Augen gewahrten – gewahrten – deine Erlösung durch die Liebe – und das Leben wird nicht untergehen. Er erhebt sich. Wird nicht untergehen! Breitet die Arme aus. Nicht untergehen!

 

Vorhang