BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Otto Pick

1887 - 1940

 

Karel Čapek, W. U. R.

Werstands Universal Robots

 

Übersetzung

1922

 

____________________________________________________________

 

 

[7]

Vorspiel

 

Die Zentralkanzlei der Fabrik Werstands Universal Robots. Rechts der Ein­gang. Durch die Fenster der Stirnwand Blick auf endlose Reihen von Fabriks­gebäuden. Links weitere Direktionsräume.

 

DOMIN sitzt in einem Drehstuhl an einem großen amerikanischen Schreib­tisch. Auf dem Tische eine Glühlampe, ein Haustelephon, Briefbeschwerer, ein Briefordner usw. An der linken Wand der Fernsprecher und große Landkarten mit den Schiffs- und Eisenbahnlinien, ein großer Kalender, eine Uhr, die fast Mittag zeigt; an der rechten Wand gedruckte Plakate: „Billigste Arbeit: Werstands Roboter.“ „Tropen-Roboter, neue Erfindung. Pro Stück 150 d.“ „Jeder kaufe sich seinen Roboter.“ „Wollen Sie Ihre Waren verbilligen? Bestellen Sie Werstands Roboter.“ Ferner andere Landkarten, ein Schiffahrtsplan, eine Tabelle mit telegraphischen Kursnotierungen usw. Mit dieser Ausstattung kontrastiert der prächtige türkische Teppich auf dem Fußboden, rechts ein runder Tisch, ein Sofa, lederne Klubsessel und eine Bibliothek, wo statt Bücher Wein- und Schnapsflaschen stehen. Links ein Kassenschrank.

Neben Domins Tisch eine Schreibmaschine, auf der das Mädchen SULLA schreibt.

 

DOMIN diktiert „– daß wir für Ware, die beim Transport beschädigt wurde, nicht garantieren. Wir haben Ihren Kapitän gleich beim Verladen aufmerksam gemacht, daß das Schiff zum Transport von Robotern ungeeignet ist, so daß der Untergang der Ladung nicht uns zur Last fällt. Wir zeichnen – für Werstands Universal Robots –“ schreiben Sie bloß W.U.R. Fertig?

SULLA Jawohl. [8]

DOMIN Neuer Brief. „E. B. Huysum Agency, New York. Datum. Wir bestätigen den Auftrag auf 5000 Roboter. Da Sie eigenes Schiff senden, verfrachten Sie als Kargo auf Gegenrechnung Briketts für W.U.R. Wir zeichnen –“ Fertig?

SULLA fertigtippend Jawohl.

DOMIN Schreiben Sie weiter. – „Friedrichswerke, Hamburg. – Datum. – Wir bestätigen den Auftrag auf 15000 Roboter –“. Das Haustelephon klingelt. DOMIN hebt die Muschel und spricht hinein. Hallo – Hier Zentral-. – Ja. – Gewiß. – Aber ja, wie immer. – Freilich, kabeln Sie ihnen. – Gut. Hängt das Telephon auf. Wo habe ich aufgehört?

SULLA Wir bestätigen den Auftrag auf 15000 R.

DOMIN in Gedanken 15000 R. 15000 R.

MARIUS tritt ein Herr Direktor, eine Dame bittet –

DOMIN Wer?

MARIUS Ich weiß nicht. Reicht eine Visitenkarte.

DOMIN liest Präsident Glory. – Ich lasse bitten.

MARIUS öffnet die Türe Bitte, Frau.

 

HELENE GLORY tritt ein. MARIUS ab.

 

DOMIN erhebt sich Belieben?

HELENE Herr Zentraldirektor Domin?

DOMIN Bitte.

HELENE Ich komme zu Ihnen –

DOMIN – mit der Karte des Präsidenten Glory. Das genügt.

HELENE Präsident Glory ist mein Vater. Ich bin Helene Glory.

DOMIN Fräulein Glory, es ist uns eine außerordentliche Ehre, daß – daß – [9]

HELENE – daß wir Ihnen nicht die Türe weisen können.

DOMIN – daß wir die Tochter des großen Präsidenten begrüßen dürfen. Bitte, nehmen Sie Platz. Sulla, Sie können gehen.

 

SULLA ab.

 

DOMIN setzt sich Womit kann ich dienen, Fräulein Glory?

HELENE Ich bin gekommen –

DOMIN – um unsere Fabrikserzeugung von Menschen anzusehen. Wie alle Besuche. Bitte, ohne weiteres.

HELENE Ich glaubte, es wäre verboten –

DOMIN Die Fabrik zu betreten, allerdings. Nur daß jeder mit irgendeiner Visitenkarte kommt, Fräulein Glory.

HELENE Und Sie zeigen jedem …?

DOMIN Nur etwas. Die Erzeugung künstlicher Menschen, Fräulein, ist Fabriksgeheimnis.

HELENE Wenn Sie wüßten, wie mich das –

DOMIN – unendlich interessiert. Das alte Europa spricht von nichts anderem.

HELENE Warum lassen Sie mich nicht ausreden?

DOMIN Ich bitte um Vergebung. Wollten Sie vielleicht etwas anderes sagen?

HELENE Ich wollte nur fragen –

DOMIN – ob ich Ihnen ganz ausnahmsweise unsere Fabrik zeigen möchte. Aber gewiß, Fräulein Glory.

HELENE Wieso wissen Sie, daß ich dies fragen wollte?

DOMIN Alle fragen gleich. Steht auf. Aus besonderer [10] Hochachtung, Fräulein, wollen wir Ihnen mehr als den andern zeigen und – mit einem Worte –

HELENE Ich danke Ihnen.

DOMIN Sofern Sie sich verpflichten, nicht das geringste zu verraten –

HELENE erhebt sich und reicht ihm die Hand Mein Ehrenwort.

DOMIN Danke. Möchten Sie nicht den Schleier abnehmen?

HELENE Ach freilich, Sie wollen sehen – Entschuldigen Sie.

DOMIN Bitte?

HELENE Wenn Sie meine Hand freigeben wollten.

DOMIN gibt sie frei Ich bitte um Verzeihung.

HELENE nimmt den Schleier ab Sie wollen sehen, ob ich kein Spion bin. Wie vorsichtig.

DOMIN betrachtet sie begeistert Hm – Allerdings – wir – so ist es.

HELENE Sie trauen mir nicht?

DOMIN Außerordentlich, Fräulein Hele – pardon, Fräulein Glory. In der Tat, außerordentlich erfreut – Hatten Sie eine gute Überfahrt?

HELENE Ja. Warum –

DOMIN Weil – das heißt, ich meine – daß Sie noch sehr jung sind.

HELENE Gehen wir gleich in die Fabrik?

DOMIN Ja. Ich denke: zweiundzwanzig, nicht?

HELENE Zweiundzwanzig?

DOMIN Jahre.

HELENE Einundzwanzig. Weshalb wollen Sie es wissen? [11]

DOMIN Weil – weil – Mit Begeisterung Sie bleiben längere Zeit hier, nicht wahr?

HELENE Je nachdem, was Sie mir von der Erzeugung zeigen werden …

DOMIN Verteufelte Erzeugung. Aber gewiß, Fräulein Glory. Alles werden Sie sehen. Bitte, setzen Sie sich. Würde Sie die Geschichte der Erfindung interessieren?

HELENE Ja, ich bitte Sie. Setzt sich.

DOMIN Nun denn. Setzt sich auf den Schreibtisch, betrachtet aufgeregt Helene und leiert rasch herunter. Es war im Jahre 1920 als sich der alte Werstand der große Physiologe aber damals noch ein junger Gelehrter, nach dieser fernen Insel begab um die Meerestierwelt zu studieren. Punkt. Dabei versuchte er durch chemische Synthese die lebendige Materie Protoplasma genannt nachzubilden bis er auf einmal einen Stoff entdeckte der sich durchaus wie die lebendige Masse betrug, obzwar er von anderer chemischer Zusammensetzung war, das war im Jahre 1932 gerade vierhundertvierzig Jahre nach der Entdeckung Amerikas, uf.

HELENE Das können Sie auswendig?

DOMIN Jawohl. Die Physiologie, Fräulein Glory, ist nicht mein Handwerk. Also weiter?

HELENE Meinetwegen.

DOMIN feierlich Und damals, Fräulein, schrieb der alte Werstand zwischen seine chemischen Formeln folgendes: „Die Natur hat nur eine einzige Art, die lebendige Materie zu organisieren, gefunden. Es gibt jedoch eine andere, einfachere, hübschere und schnellere [12] Art, auf welche die Natur überhaupt nicht verfallen ist. Diesen anderen Weg, den die Entwicklung des Lebens hätte einschlagen können, habe ich am heutigen Tage entdeckt.“ Stellen Sie sich vor, Fräulein, daß er diese großen Worte über dem Auswurf irgendeiner lebenden Kolloidalgallerte schrieb, den kein Hund fressen würde. Stellen Sie sich ihn vor, daß er über dem Probeobjekt sitzt und daran denkt, wie daraus ein ganzer Lebensbaum aufschießen wird, wie daraus alle Tiere hervorgehen werden, beginnend mit irgendeiner Infusorie und endend – endend mit dem Menschen selber. Mit einem Menschen aus anderem Stoffe als wir sind. Fräulein Glory, das war ein gigantischer Augenblick.

HELENE Also weiter.

DOMIN Weiter? Nun handelte es sich darum, das Leben aus der Eprouvette herauszubekommen und die Entwicklung zu beschleunigen und irgendwelche Organe, Knochen und Nerven und dies und das zu schaffen und irgendwelche Stoffe zu finden, Katalysatoren, Enzyme, Hormone und so weiter, kurz und gut, verstehen Sie das?

HELENE Ich – ich – weiß – nicht. Ich glaube, nur wenig.

DOMIN Ich überhaupt nicht. Wissen Sie, mit Hilfe jener Flüssigkeiten konnte er machen, was er wollte. Er konnte möglicherweise eine Medusa mit einem Sokratesgehirn bekommen oder einen Regenwurm von fünfzig Metern Länge. Aber weil er kein bißchen Humor besaß, setzte er es sich in den Kopf, ein normales Wirbeltier oder vielleicht einen Menschen herzustellen. [13] Jene seine lebendige Materie hatte eine tolle Lust nach dem Leben; sie ließ sich alles gefallen, er konnte sie zusammennähen und mischen wie er wollte. Mit natürlichem Eiweißstoff ließ es sich nicht machen. Und so machte er sich halt daran.

HELENE An was?

DOMIN An die Nachbildung der Natur. Zuerst versuchte er einen künstlichen Hund zu machen. Das kostete ihn eine Reihe Jahre, es kam etwas wie ein verkrüppeltes Kalb heraus und das krepierte nach ein paar Tagen. Ich werde es Ihnen im Museum zeigen. Und dann bereits machte sich der alte Werstand an die Erzeugung eines Menschen.

 

Pause.

 

HELENE Und das darf ich niemandem verraten?

DOMIN Niemandem auf der Welt.

HELENE Schade, daß es schon in allen Lesebüchern steht.

DOMIN Schade. Springt vom Tisch herunter und setzt sich neben Helene. Aber wissen Sie, was nicht in den Lesebüchern steht? Tippt sich auf die Stirn. Daß der alte Werstand ein erstaunlicher Narr gewesen ist. Ernstlich, Fräulein Glory, aber das behalten Sie für sich. Jener alte Hitzkopf wollte wirklich Menschen machen.

HELENE Aber Sie machen doch schon Menschen.

DOMIN Annähernd, Fräulein Helene. Aber der alte Werstand meinte es wörtlich. Wissen Sie, er wollte gleichsam wissenschaftlich Gott absetzen. Er war ein schrecklicher Materialist, darum hat er das alles getan. Es handelte sich ihm um nichts mehr als [14] den Beweis zu erbringen, daß es keines Herrgotts bedurft hat. Deshalb war er darauf erpicht, einen Menschen zu bilden, der uns auf ein Haar gleichen würde. Kennen Sie ein bißchen Anatomie?

HELENE Nur ganz wenig.

DOMIN Ich auch. Stellen Sie sich vor, daß er sich in den Kopf gesetzt hatte, alles bis auf die letzte Drüse genau wie im menschlichen Körper herzustellen: Blinddarm, Mandeln, Nabel, lauter Übelflüssigkeiten. Schließlich sogar – hm – auch die Geschlechtsdrüsen.

HELENE Aber die – die sind doch –

DOMIN Die sind nicht überflüssig, ich weiß. Aber wenn man die Menschen künstlich erzeugen will, dann sind sie – hm – keineswegs notwendig –

HELENE Ich verstehe.

DOMIN Ich werde Ihnen im Museum zeigen, was er binnen zehn Jahren zusammengebastelt hat. Es sollte ein Mann sein, und das lebte ganze drei Tage. Der alte Werstand hat nicht ein bißchen Geschmack besessen. Es war furchtbar, was er da produzierte. Aber es hatte innen alles, was der Mensch hat. Wirklich eine erstaunliche Tändelarbeit. Und damals kam der Ingenieur Werstand, des Alten Neffe, hierher. Ein genialer Kopf, Fräulein Glory. Als er sah, was der Alte anstellte, sagte er: „Das ist ein Unsinn, zehn Jahre an einem Menschen zu arbeiten. Wirst du ihn nicht schneller herstellen als die Natur, so huste ich auf den ganzen Kram.“ Und er machte sich selbst über die Anatomie her.

HELENE In den Lehrbüchern steht es anders. [15]

DOMIN steht auf In den Lesebüchern steht bezahlte Reklame und überdies Unsinn. Es steht dort zum Beispiel, die Roboter habe der alte Herr erfunden. Indessen mochte sich der Alte vielleicht für eine Universität eignen, aber von fabriksmäßiger Erzeugung hatte er keinen Dunst. Er glaubte, wirkliche Menschen herzustellen, also vielleicht irgendwelche neuen Indianer, Dozenten oder Idioten, wissen Sie? Und erst der junge Werstand hat den Einfall gehabt, daraus lebende und intelligente Arbeitsmaschinen zu machen. Was in den Lesebüchern über die gemeinsame Arbeit beider großen Werstands steht, ist ein Gefasel. Die beiden haben sich fürchterlich gestritten. Der alte Atheist hatte keinen Brocken Verständnis für die Industrie, und schließlich sperrte ihn der Junge in irgendein Laboratorium, damit er dort an seinen großen Fehlgeburten herumbastle, er selbst aber nahm die Erzeugung ingenieurmäßig in die Hand. Der alte Werstand verfluchte ihn wörtlich und hudelte bis zu seinem Tode noch zwei physiologische Popanze zusammen, bis man ihn schließlich eines Tages tot im Laboratorium fand. Das ist die ganze Historie.

HELENE Und der Junge?

DOMIN Der junge Werstand, Fräulein, das war das neue Zeitalter. Das neue Zeitalter der Produktion nach dem Zeitalter der Erkenntnis. Nachdem er die menschliche Anatomie beguckt hatte, sah er gleich, daß dies allzu kompliziert ist und daß ein guter Ingenieur es einfacher machen müßte. Er begann also die Anatomie umzuarbeiten und erprobte, was sich [16] auslassen oder vereinfachen ließe. – Kurz gesagt, Fräulein Glory, langweilt Sie das nicht?

HELENE Nein, im Gegenteil, es ist schrecklich interessant.

DOMIN Also der junge Werstand sagte sich: Ein Mensch, das ist etwas, das – sagen wir – Freude fühlt, Geige spielt, spazieren gehen will und überhaupt einen Haufen Sachen zu tun braucht, welche – welche eigentlich überflüssig sind.

HELENE Oho!

DOMIN Warten Sie. Welche überflüssig sind, wenn er etwas weben oder addieren soll. Ich meine nicht für Sie – Spielen Sie vielleicht Violine?

HELENE Nein.

DOMIN Schade. Aber eine Arbeitsmaschine muß nicht Violine spielen, muß nicht Freude fühlen, muß nicht einen Haufen andrer Dinge tun. Soll es schließlich gar nicht. Ein Naphthamotor soll keine Fransen und Ornamente haben, Fräulein Glory. Und künstliche Arbeiter erzeugen ist dasselbe wie Naphthamotore erzeugen. Die Erzeugung soll möglichst einfach und das Erzeugnis das praktisch beste sein. Was meinen Sie, welcher Arbeiter der praktisch beste ist?

HELENE Der beste? Vielleicht jener, der – der – Wenn er ehrlich – und ergeben ist.

DOMIN Nein, sondern der billigste. Der, welcher die geringsten Bedürfnisse hat. Der junge Werstand erfand einen Arbeiter mit der kleinsten Menge Bedürfnisse. Er mußte ihn vereinfachen. Er warf alles hinaus, was nicht unmittelbar der Arbeit dient. Dann warf er auch alles, was den Menschen verteuert, hinaus. [17] Damit warf er eigentlich den Menschen hinaus und erschuf den Roboter. Teures Fräulein Glory, die Roboter sind keine Menschen. Sie sind mechanisch vollkommener als wir, haben eine erstaunliche Vernunftintelligenz, aber sie haben keine Seele. Sahen Sie schon einmal, wie ein Roboter innen aussieht?

HELENE Nein.

DOMIN Sehr rein, sehr einfach. Tatsächlich, eine schöne Arbeit. Es ist wie eine Hausapotheke. Wenige Stückchen, aber in tadelloser Ordnung. Oh, Fräulein Glory, das Erzeugnis des Ingenieurs ist technisch geläuterter als das Erzeugnis der Natur.

HELENE Man sagt, der Mensch sei ein Erzeugnis Gottes.

DOMIN Um so ärger. Gott hat keine Ahnung von der modernen Technik gehabt. Würden Sie glauben, daß der selige junge Werstand sich als Herrgott aufzuspielen begann?

HELENE Wie, ich bitte Sie?

DOMIN Er fing an, Über-Roboter zu erzeugen, Arbeitsriesen. Er probierte es mit viermetrigen Gestalten, aber Sie würden es nicht glauben, wie diese Mammute zerbrachen.

HELENE Zerbrachen?

DOMIN Ja. Von nichts und wieder nichts barst ihnen ein Bein oder etwas. Unser Planet ist höchstwahrscheinlich ein wenig klein für Riesen. Jetzt machen wir bloß Roboter von natürlicher Größe und sehr anständiger menschlicher Ausstattung.

HELENE Ich habe die ersten Roboter bei uns gesehen. [18] Die Gemeinde hatte sie gekauft … will sagen, zur Arbeit aufgenommen –

DOMIN Gekauft, teures Fräulein. Roboter werden gekauft.

HELENE – als Straßenkehrer verpflichtet. Ich sah sie fegen. Sie sind so seltsam, so still.

DOMIN Haben Sie meine Schreiberin gesehen?

HELENE Ich habe nicht acht gegeben.

DOMIN läutet Wissen Sie, die Aktienfabrik von Werstands Universal Roboters erzeugt bis jetzt keine einheitliche Ware. Wir haben feinere und gröbere Roboter. Die besseren werden vielleicht zwanzig Jahre leben.

HELENE Dann schwinden sie hin?

DOMIN Ja, sie nützen sich ab.

 

SULLA tritt ein.

 

DOMIN Sulla, präsentieren Sie sich Fräulein Glory

HELENE erhebt sich und reicht ihr die Hand Es freut mich. Ihnen ist wohl sehr traurig so fern der Welt, nicht wahr?

SULLA Das kenne ich nicht, Fräulein Glory. Bitte nehmen Sie Platz.

HELENE setzt sich Woher stammen Sie, Fräulein?

SULLA Von hier, aus der Fabrik.

HELENE Ah, Sie sind hier geboren?

SULLA Ja, ich wurde hier gemacht.

HELENE aufspringend Was?

DOMIN lacht Sulla ist kein Mensch, Fräulein, Sulla ist ein Roboter.

HELENE Ich bitte um Verzeihung –

DOMIN legt Sulla die Hand auf die Schulter Sulla ist [19] nicht böse. Schauen Sie, Fräulein Glory, was für eine Haut wir erzeugen. Greifen Sie auf ihre Wange.

HELENE Oh, nein, nein!

DOMIN Sie würden nicht erkennen, daß sie aus einem anderen Stoff ist als wir. Bitte, sie hat sogar den typischen Flaum der Blondinen. Nur die Augen sind ein bißchen – Aber dafür die Haare! Drehen Sie sich um, Sulla.

HELENE Hören Sie schon auf!

DOMIN Plaudern Sie mit dem Gast, Sulla. Es ist ein seltener Besuch.

SULLA Bitte, Fräulein, nehmen Sie Platz. Beide setzen sich. Haben Sie eine gute Überfahrt gehabt?

HELENE Ja – ge – gewiß.

SULLA Kehren Sie nicht mit der Amelia zurück, Fräulein Glory, das Barometer fällt stark, auf 705. Warten Sie auf die Pensylvania, das ist ein sehr gutes, sehr starkes Schiff.

DOMIN Wieviel?

SULLA Zwanzig Knoten in der Stunde. Tonnage: zwanzigtausend. Eines der allerneuesten Schiffe, Fräulein Glory.

HELENE Da – danke.

SULLA Achtzig Mann Besatzung, Kapitän Harpy, acht Kessel –

DOMIN lacht Genug, Sulla, genug. Zeigen Sie uns, wie Sie Französisch können.

HELENE Sie können Französisch?

SULLA Ich beherrsche vier Sprachen. Ich schreibe: Dear Sir! Monsieur! Signore! Geehrter Herr!

HELENE springt auf Das ist Humbug! Sie sind [20] ein Scharlatan! Sulla ist kein Roboter, Sulla ist ein Mädchen wie ich! Sulla, das ist schändlich – warum spielen Sie eine solche Komödie?

SULLA Ich bin ein Roboter.

HELENE Nein, nein, Sie lügen! Oh, Sulla, verzeihen Sie, ich weiß – man hat Sie genötigt, damit Sie ihnen Reklame machen! Sulla, Sie sind ein Mädchen, wie ich, nicht wahr? Sagen Sie!

DOMIN Ich bedaure, Fräulein Glory. Sulla ist ein Roboter.

HELENE Sie lügen!

DOMIN richtet sich auf Wie? läutet Verzeihen Sie, Fräulein, dann muß ich Sie überzeugen.

 

MARIUS tritt ein.

 

DOMIN Marius, führen Sie Sulla in den Seziersaal, man solle sie öffnen. Flink!

HELENE Wohin?

DOMIN In den Seziersaal. Bis sie aufgeschnitten ist, gehen Sie sich sie ansehen.

HELENE Ich gehe nicht!

DOMIN Pardon, Sie sprachen von Lüge.

HELENE Sie wollen sie töten lassen?

DOMIN Maschinen werden nicht getötet.

HELENE umarmt Sulla Fürchten Sie nichts, Sulla, ich lasse Sie nicht! Sagen Sie, Teure, sind alle so roh zu euch? Das dürft ihr euch nicht gefallen lassen, hören Sie? Sie dürfen nicht, Sulla!

SULLA Ich bin Roboter.

HELENE Das ist einerlei. Roboter sind ebenso gute Menschen wie wir. Sulla, Sie würden sich aufschneiden lassen? [21]

SULLA Ja.

HELENE Oh, Sie fürchten sich nicht vor dem Tod?

SULLA Kenne ich nicht, Fräulein Glory.

HELENE Wissen Sie, was dort mit Ihnen geschähe?

SULLA Ja. Ich würde aufhören, mich zu bewegen.

HELENE Das ist entsetzlich!

DOMIN Marius, sagen Sie dem Fräulein, was Sie sind.

MARIUS Marius, Roboter.

DOMIN Würden Sie Sulla in den Seziersaal geben?

MARIUS Ja.

DOMIN Würden Sie sie bedauern?

MARIUS Kenne ich nicht.

DOMIN Was würde mit ihr geschehen?

MARIUS Sie würde sich nicht mehr bewegen. Man würde sie in die Stampfmaschine geben.

DOMIN Das ist der Tod, Marius. Fürchten Sie den Tod?

MARIUS Nein.

DOMIN Also sehen Sie, Fräulein Glory, die Roboter hängen nicht am Leben. Sie haben nämlich keinen Anlaß dazu. Sie haben keine Genüsse. Sie sind geringer als Gras.

HELENE Oh, hören Sie auf! Schicken Sie sie wenigstens fort!

DOMIN Marius, Sulla, ihr könnt gehen.

 

SULLA und MARIUS ab.

 

HELENE Sie sind schrecklich! Es ist scheußlich, was Sie tun!

DOMIN Weshalb scheußlich?

HELENE Ich weiß nicht. Warum – warum gaben Sie ihr den Namen Sulla? [22]

DOMIN Kein hübscher Name?

HELENE Es ist ein Männername. Sulla war ein römischer Feldherr.

DOMIN Ah, wir glaubten, Marius und Sulla wären ein Liebespaar gewesen.

HELENE Nein, Marius und Sulla waren Feldherren und bekämpften einander im Jahre – im Jahre – Ich weiß nicht mehr.

DOMIN Kommen Sie her, zum Fenster. Was sehen Sie?

HELENE Maurer.

DOMIN Das sind Roboter. Alle unsre Arbeiter sind Roboter. Und da unten, sehen Sie etwas?

HELENE Irgendeine Kanzlei.

DOMIN Die Buchhaltung. Und darinnen –

HELENE – lauter Beamte.

DOMIN Das sind Roboter. Alle unsere Beamten sind Roboter. Bis Sie die Fabrik sehen werden –

 

In diesem Moment ertönen Pfeifen und Sirenen.

 

DOMIN Mittag. Die Roboter wissen nicht, wann sie die Arbeit einstellen sollen. Um zwei Uhr werde ich Ihnen die Dösen zeigen.

HELENE Was für Dösen?

DOMIN trocken Mischbottiche für Teig. In jeder wird gleichzeitig Stoff für tausend Roboter gemischt. Dann die Kufen für Lebern, Hirne und so weiter. Dann werden Sie die Knochenfabrik sehen. Dann zeige ich Ihnen die Spinnerei.

HELENE Was für eine Spinnerei?

DOMIN Die Nervenspinnerei. Die Adernspinnerei. Eine Spinnerei, wo gleichzeitig ganze Kilometer von [23] Verdauungsröhren laufen. Dann kommt der Montierraum, wo das zusammengestellt wird, wissen Sie, wie Automobile. Jeder Arbeiter befestigt nur einen einzigen Bestandteil, und dann läuft es wieder selbsttätig weiter, zum zweiten, dritten, bis ins Unendliche. Das ist das interessanteste Schauspiel. Dann kommt das Darrhaus und das Magazin, wo die frischen Produkte arbeiten.

HELENE Um Gottes willen, gleich müssen sie arbeiten?

DOMIN Pardon. Sie arbeiten, wie neue Möbelstücke arbeiten. Sie gewöhnen sich an die Existenz. Wachsen gleichsam innerlich zusammen, oder so. Vieles in ihnen wächst überhaupt neu hinzu. Sie verstehen, wir müssen der natürlichen Entwicklung in bißchen Raum gewähren. Und inzwischen werden die Produkte appretiert.

HELENE Was ist das?

DOMIN So viel wie bei den Menschen die „Schule“. Sie lernen sprechen, schreiben und rechnen. Sie haben nämlich ein erstaunliches Gedächtnis. Wenn Sie ihnen aus einem zwanzigbändigen Lexikon vorlesen, so werden sie Ihnen alles in der richtigen Reihenfolge wiederholen. Etwas Neues fällt ihnen niemals ein. Sie könnten ganz gut an den Universitäten unterrichten. Dann werden sie klassifiziert und verschickt. Täglich 15000 Stück, ausschließlich des ständigen Prozentsatzes von Fehlerhaften, die in den Stampftrog geworfen werden … und so weiter, und so weiter.

HELENE Zürnen Sie mir? [24]

DOMIN Aber, Gott bewahre! Ich meine nur, wir… wir hätten von anderen Dingen reden können. Wir sind hier nur ein Häuflein unter hunderttausenden Robotern, und kein Weib. Wir reden nur von der Fabrikation, den ganzen Tag, jeden Tag. Wir sind wie verdammt, Fräulein Glory.

HELENE Es tut mir so leid, daß ich sagte, Sie – Sie – Sie hätten gelogen –

 

Es pocht.

 

DOMIN Hereinspaziert, Jungens.

 

Von links kommen Ing. FABRY, DR. GALL, DR. HALLEMEIER,

Baumeister ALQUIST.

 

DR. GALL Pardon, stören wir nicht?

DOMIN Tretet näher. Fräulein Glory, das sind Alquist, Fabry, Gall, Hallemeier. Die Tochter des Präsidenten Glory.

HELENE verlegen Guten Tag.

FABRY Wir hatten keine Ahnung –

DR. GALL Unendlich geehrt –

ALQUIST Seien Sie willkommen, Fräulein Glory.

 

Von rechts stürzt BUSMAN herein.

 

BUSMAN Hallo, was gibt's hier?

DOMIN Hierher, Busman. Das ist unser Busman, Fräulein. Die Tochter des Präsidenten Glory.

HELENE Es freut mich.

BUSMAN Jemine, welche Ehre! Fräulein Glory, dürfen wir den Zeitungen kabeln, daß Sie die Güte hatten, uns aufzusuchen –?

HELENE Nein, nein, ich bitte Sie!

DOMIN Bitte, Fräulein, nehmen Sie Platz. [25]

BUSMAN Belieben –

DR. GALL rücken Fauteuils heran Bitte

FABRY Pardon –

ALQUIST Fräulein Glory, wie war Ihre Reise?

DR. GALL Werden Sie sich länger bei uns aufhalten?

FABRY Was sagen Sie zu der Fabrik, Fräulein Glory?

HALLEMEIER Sie sind auf der Amelie gekommen?

DOMIN Still, laßt Fräulein Glory reden.

HELENE zu Domin Wovon soll ich mit ihnen sprechen?

DOMIN verwundert Wovon Sie mögen.

HELENE Soll … darf ich ganz offen reden?

OMIN Aber freilich.

HELENE zögert, dann verzweifelt entschlossen Sagen Sie, ist es Ihnen niemals peinlich, wie man mit Ihnen umgeht?

FABRY Wer, bitte?

HELENE Alle Menschen.

 

Alle blicken einander betroffen an.

 

ALQUIST Mit uns?

DR. GALL Warum meinen Sie?

HALLEMEIER Donnerwetter!

BUSMAN Aber, Gott bewahre, Fräulein Glory!

HELENE Fühlen Sie denn nicht, daß Sie besser existieren könnten?

DR. GALL Es kommt darauf an, Fräulein. Wie meinen Sie das?

HELENE Ich meine, daß – bricht los daß es scheußlich ist! daß es furchtbar ist! Erhebt sich. Ganz [26] Europa redet davon, was hier mit Ihnen geschieht. Deshalb kam ich hierher, um es zu sehen, und es ist tausendmal schlimmer, als man nur denken kann. Wie können Sie das ertragen?

ALQUIST Was ertragen?

HELENE Ihre Lage. Um Gottes willen, Sie sind doch Menschen wie wir, wie ganz Europa, wie die ganze Welt! Das ist skandalös, das ist unwürdig, wie Sie leben!

BUSMAN Herrgott, Fräulein!

FABRY Nein, Jungens, sie hat ein bißchen Recht. Wir leben hier sicher wie Indianer.

HELENE Ärger als Indianer! Darf ich, oh, darf ich Sie Brüder nennen?

BUSMAN Aber, Gottchen, warum denn nicht?

HELENE Brüder, ich kam nicht als die Tochter des Präsidenten. Ich kam im Namen der Humanitätsliga. Brüder, die Humanitätsliga hat bereits über 200000 Mitglieder. 200000 Menschen stehen hinter euch und bieten euch ihre Hilfe an.

BUSMAN 200000 Menschen, Wetter, das ist gehörig, das ist ganz prächtig.

FABRY Ich sage euch immer, es geht nichts über das alte Europa. Ihr seht es, es hat uns nicht vergessen. Es bietet uns Hilfe an.

DR. GALL Was für Hilfe? Ein Theater?

HALLEMEIER Ein Orchester?

HELENE Mehr als das.

ALQUIST Sie selbst?

HELENE Oh, was mich betrifft. Ich bleibe, solange es nötig sein wird. [27]

BUSMAN Herrgott, das ist eine Freude!

ALQUIST Domin, ich gehe ein Zimmer für das Fräulein bereitstellen.

DOMIN Warten Sie einen Moment. Ich fürchte, daß – daß Fräulein Glory noch nicht ausgeredet hat.

HELENE Nein, noch nicht. Außer Sie schlössen mir mit Gewalt den Mund.

DR. GALL Harry, unterstehen Sie sich!

HELENE Ich danke Ihnen. Ich wußte, Sie werden mich schützen.

DOMIN Pardon, Fräulein Glory. Sind Sie sich dessen sicher, daß Sie mit Robotern reden?

HELENE stockt Mit wem sonst?

DOMIN Es tut mir leid. Diese Herren sind nämlich Menschen wie Sie. Wie ganz Europa.

HELENE zu den andern Sie sind keine Roboter?

BUSMAN kichert Gott bewahre!

HALLEMEIER würdevoll Pfui, Roboter!

DR. GALL lacht Da bedanken wir uns schön!

HELENE Aber … das ist nicht möglich!

FABRY Bei meiner Ehre, Fräulein, wir sind keine Roboter.

HELENE zu Domin Weshalb sagten Sie mir also, alle ihre Beamten seien Roboter?

DOMIN Ja, die Beamten. Aber nicht die Direktoren. Gestatten Sie, Fräulein Glory: Ingenieur Fabry, technischer Generaldirektor von Werstands Universal Robots. Doktor Gall, Leiter der physiologischen und Untersuchungsabteilung. Doktor Hallemaier, Leiter der Anstalt für Psychologie und Erziehung der Roboter. Konsul Busman, kommerzieller [28] Generaldirektor, und Baumeister Alquist, Chef der Bauten von Werstands Universal Robots.

HELENE Verzeihen Sie, meine Herren, daß – daß – Ist es schrecklich, was ich Ihnen angestellt habe?

ALQUIST Aber, Gott bewahre, Fräulein Glory. Bitte, setzen Sie sich.

HELENE setzt sich Ich bin ein dummes Mädel. Jetzt – jetzt werden Sie mich mit dem ersten Schiff zurückschicken.

DR. GALL Um nichts auf der Welt, Fräulein. Weshalb sollten wir Sie fortschicken?

HELENE Weil Sie bereits wissen – weil – weil ich Ihnen die Roboter aufhetzen würde.

DOMIN Teures Fräulein Glory, hier sind schon hunderte Erlöser und Propheten gewesen. Jedes Schiff bringt irgendeinen her. Missionare, Anarchisten, die Heilsarmee, alles mögliche. Es ist erstaunlich, wieviel Sekten und Narren es auf Erden gibt.

HELENE Und Sie lassen sie zu den Robotern reden?

DOMIN Weshalb nicht? Bis jetzt haben es alle bleiben lassen. Die Roboter merken sich alles, aber nichts mehr. Sie lachen sogar nicht einmal über das, was die Leute sagen. In der Tat, geradezu unglaublich. Falls es Sie unterhält, teures Fräulein, so führe ich Sie in das Robotermagazin. Es sind ihrer dort etwa dreihunderttausend.

BUSMAN Dreihundertsiebenundvierzigtausend.

DOMIN Gut. Sie können ihnen sagen, was Sie wollen. Sie können ihnen die Bibel, Logarithmen, [29] oder was Ihnen beliebt, vorlesen. Sie können ihnen schließlich über die Menschenrechte predigen.

HELENE Oh, ich glaube, daß … wenn man ihnen ein wenig Liebe zeigte –

FABRY Unmöglich, Fräulein Glory. Nichts ist dem Menschen fremder als ein Roboter.

HELENE Weshalb erzeugen Sie sie dann?

BUSMAN Hahaha, das ist gut! Weshalb man Roboter erzeugt!

FABRY Zur Arbeit, Fräulein. Ein Roboter ersetzt zwei und einen halben Arbeiter. Die menschliche Maschine, Fräulein Glory, war ungemein unvollkommen. Sie mußte endlich einmal beseitigt werden.

BUSMAN Sie war zu teuer.

FABRY Sie war wenig leistungsfähig. Der modernen Technik vermochte sie nicht mehr zu genügen. Und zweitens – zweitens – ist es ein großer Fortschritt, daß … Pardon.

HELENE Was?

FABRY Ich bitte um Entschuldigung. Es ist ein großer Fortschritt, mit einer Maschine zu gebären. Es ist bequemer und schneller. Jede Beschleunigung ist ein Fortschritt, Fräulein. Die Natur hatte keine Ahnung von dem modernen Arbeitstempo. Die ganze Kindheit ist technisch genommen ein purer Unsinn, schlechthin verlorene Zeit. Unerträgliche Zeitverschwendung, Fräulein Glory. Und drittens –

HELENE Oh, hören Sie auf!

FABRY Bitte. Erlauben Sie, was will eigentlich diese Ihre Liga – Liga – Humanitätsliga? [30]

HELENE Sie soll hauptsächlich – hauptsächlich soll sie die Roboter schützen und – und – ihnen eine – gute Behandlung sichern.

FABRY Das ist kein schlechtes Ziel. Eine Maschine soll man gut behandeln. Bei meiner Seele, das lob ich mir. Ich liebe beschädigte Sachen nicht. Ich bitte Sie, Fräulein Glory, notieren Sie uns alle als beitragende, als ordentliche, als gründende Mitglieder Ihrer Liga!

HELENE Nein, Sie verstehen mich nicht. Wir wollen – hauptsächlich – wir wollen die Roboter befreien!

HALLEMEIER Wie, bitte?

HELENE Man soll sie … wie Menschen behandeln.

HALLEMEIER Aha. Sie sollen vielleicht wählen? Sie sollen Bier trinken? Sollen uns befehlen?

HELENE Weshalb sollten sie nicht wählen können?

HALLEMEIER Und sollen sie vielleicht am Ende nicht auch Löhnung kriegen?

HELENE Allerdings!

HALLEMEIER Da schau' her. Und was würden sie, bitte, damit anfangen?

HELENE Sie würden sich kaufen … was sie brauchen … was ihnen Freude bereiten würde.

HALLEMEIER Das ist sehr hübsch, Fräulein; nur daß die Roboter nichts erfreut. Wetter, was sollen sie sich kaufen? Sie können sie mit Ananas, Stroh, womit Sie wollen, füttern; ihnen ist es gleichgültig, sie haben überhaupt keinen Geschmack. Sie interessieren sich für nichts, Fräulein Glory. Zum Teufel [31] hat noch niemand gesehen, daß ein Roboter gelacht hätte.

HELENE Warum … warum – warum macht ihr sie nicht glücklicher?

HALLEMEIER Das geht nicht, Fräulein Glory. Es sind nur Roboter.

HELENE Oh, sie sind so vernünftig!

VLLEMEIER Verflucht vernünftig, Fräulein, aber sonst nichts. Ohne eigenen Willen. Ohne Leidenschaften. Ohne Tradition. Ohne Seele.

HELENE Ohne Liebe und Trotz?

HALLEMEIER Das versteht sich. Die Roboter lieben nichts, nicht einmal sich selbst. Und Trotz? Ich weiß nicht; nur selten, nur manchmal –

HELENE Was?

HALLEMEIER Eigentlich nichts. Manchmal werden sie irgendwie störrisch. So etwas wie Fallsucht, wissen Sie? Man nennt es den Roboterkrampf. Plötzlich schmeißt einer alles hin, was er in der Hand hält, steht da, knirscht mit den Zähnen – und muß in den Stampftrog geworfen werden. Offenbar eine Störung des Organismus.

DOMIN Ein Fabrikationsfehler. Das muß beseitigt werden.

HELENE Nein, nein, das ist die Seele.

FABRY Glauben Sie, die Seele beginne mit Zähneknirschen?

HELENE Ich weiß nicht. Vielleicht ist es Auflehnung. Vielleicht ist gerade das ein Zeichen, daß sie ringen – – Oh, wenn Sie das in ihnen zu entfachen vermöchten! [32]

DOMIN Das wird beseitigt werden, Fräulein Glory. Doktor Gall stellt eben gewisse Versuche an –

DR. GALL Nicht damit, Domin; jetzt mache ich Nerven für den Schmerz.

HELENE Nerven für den Schmerz?

DR. GALL Ja. Die Roboter spüren körperliche Schmerzen beinahe nicht. Wissen Sie, der selige junge Hirn hat das Nervensystem allzu sehr beschränkt. Das hat sich nicht bewährt. Wir müssen Leiden einführen.

HELENE Warum – warum – Wenn ihr ihnen keine Seele gebt, warum wollt ihr ihnen den Schmerz geben?

DR. GALL Aus industriellen Gründen, Fräulein Glory. Der Roboter beschädigt sich manchmal selber, weil es ihn nicht schmerzt; er steckt die Hand in die Maschine, zerbricht sich einen Finger, zerschlägt sich den Kopf, das ist ihm einerlei. Wir müssen ihm den Schmerz geben; das ist ein automatischer Schutz vor Verletzung.

HELENE Werden sie glücklicher sein, wenn sie Schmerz fühlen werden?

DR. GALL Im Gegenteil; aber sie werden technisch vollkommener sein.

HELENE Warum erschaffen Sie ihnen keine Seele?

DR. GALL Das ist nicht in unserer Macht.

FABRY Das ist nicht in unserem Interesse.

BUSMAN Das würde die Fabrikation verteuern. Du lieber Gott, schöne Dame, wir machen es ja so billig! Hundertzwanzig Dollars das bekleidete Exemplar, [33] und vor fünfzehn Jahren hat es zehntausend gekostet! Vor fünf Jahren kauften wir Kleider für sie; heute haben wir eine eigene Weberei und exportieren noch die Stoffe fünfmal billiger als andere Fabriken. Ich bitte Sie, Fräulein Glory, was zahlen Sie für einen Meter Tuch?

HELENE Ich weiß nicht – – wirklich – – – ich hab's vergessen.

BUSMAN O du mein, und dann wollen Sie eine Humanitätsliga gründen! Es kostet nur mehr ein Drittel, Fräulein; alle Preise stehen heute auf einem Drittel und werden immer tiefer, tiefer, tiefer, tiefer sinken bis – so. He?

HELENE Ich verstehe nicht.

BUSMAN Jemine, Fräulein, das bedeutet, daß die Arbeit im Wert gesunken ist! Denn ein Roboter samt Fütterung kostet pro Stunde dreiviertel Cents! Das ist ein Jux, Fräulein: sämtliche Fabriken platzen wie Eicheln oder kaufen schleunigst Roboter ein, um ein Erzeugung zu verbilligen.

HELENE Ja, und werfen die Arbeiter auf die Straße hinaus.

BUSMAN Haha, das versteht sich! Aber wir, du meine Güte, wir haben inzwischen 500000 Tropenroboter auf die argentinischen Pampas geworfen, damit sie Weizen anbauen. Seien Sie so gut, was kostet bei Ihnen ein Pfund Brot?

HELENE Ich habe keine Ahnung.

BUSMAN Also sehen Sie; jetzt kostet es zwei Cents, in Ihrem guten alten Europa: aber das ist unser Brötchen, verstehen Sie? Zwei Cents ein Pfund Brot: [34] und die Humanitätsliga hat davon keine Ahnung! Haha, Fräulein Glory, Sie wissen nicht, was eine allzu teure Schnitte bedeutet. Für die Kultur und so weiter. Aber in fünf Jahren, na, wetten wir!

HELENE Was?

BUSMAN Daß in fünf Jahren alles auf 0 · 1 stehen wird. Leutchen, in fünf Jahren werden wir in Weizen und allem möglichen ertrinken.

ALQUIST Ja, und sämtliche Arbeiter der Welt werden ohne Arbeit sein.

DOMIN erhebt sich Das werden sie, Alquist. Das werden sie, Fräulein Glory. Aber in zehn Jahren werden Werstands Universal Roboter so viel Weizen, so viele Stoffe, von allem so viel erzeugen, daß die Dinge keinen Wert mehr haben werden. Nun nehme jeder, wieviel er braucht. Es gibt keine Not. Ja, sie werden ohne Arbeit sein. Aber es wird dann überhaupt keine Arbeit mehr geben. Alles werden lebende Maschinen verrichten. Roboter werden uns bekleiden und sättigen. Roboter uns Ziegel herstellen und Häuser bauen. Roboter werden für uns Zahlen schreiben und unsere Stiegen fegen. Keine Arbeit wird es geben. Der Mensch wird nur das tun, was er liebt: Er wird aller Sorgen ledig und von der Erniedrigung der Arbeit befreit sein. Er wird nur leben, um sich zu vervollkommnen.

HELENE erhebt sich Wird es so sein?

DOMIN Es wird. Es kann nicht anders sein. Vorher kommen vielleicht schreckliche Sachen, Fräulein Glory. Das läßt sich einfach nicht verhüten. Aber [35] dann hört der Mensch auf, dem Menschen dienstbar und der Materie versklavt zu sein. Die Mühseligen und Hungernden werden vor vollen Tischen sitzen. Roboter werden des Bettlers Füße waschen und ihm ein Lager bereiten in seinem Hause. Niemand wird mehr sein Brot bezahlen mit Leben und Haß. Du bist nicht mehr Arbeiter, du kein Schreiber mehr; du gräbst nicht mehr Kohle und du stehst nicht an fremder Maschine. Nicht mehr wirst du deine Seele verschwenden an Arbeit, die du verfluchtest.

ALQUIST Domin, Domin! Was Sie da sagen, sieht allzu sehr nach Paradies aus. Domin, es war etwas Gutes am Dienen und etwas Großes in der Unterwerfung. Ach, Harry, es war ich weiß nicht was für eine Tugend in der Arbeit und Ermattung.

DOMIN Vielleicht war es so. Aber wir können nicht mit dem, was verloren geht, rechnen, wenn wir die Welt von Adam an umformen. Adam, Adam! Du wirst nicht mehr dein Brot im Schweiße deines Angesichts essen; wirst nicht mehr Hunger und Durst, Ermüdung und Erniedrigung erfahren; du kehrst in das Paradies zurück, wo des Herrn Hand dich nährte. Du wirst frei und erhaben sein; du wirst keine andere Aufgabe, keine andere Arbeit, keine andere Sorge haben als dich selbst zu vervollkommnen. Du wirst weder der Materie noch dem Menschen dienen. Du wirst keine Maschine und Mittel der Erzeugung sein. Du wirst der Herr der Schöpfung sein.

BUSMAN Amen. [36]

FABRY Also geschehe es.

HELENE Sie haben mich verwirrt. Ich bin ein törichtes Mädchen. Ich möchte – ich möchte daran glauben.

DR. GALL Sie sind jünger als wir, Fräulein Glory. Sie werden alles erleben.

HALLEMEIER So ist's. Ich denke, Fräulein Glory könnte mit uns frühstücken.

DR. GALL Das versteht sich! Domin, bitten Sie für uns alle.

DOMIN Fräulein Glory, erweisen Sie uns die Ehre.

HELENE Aber das ist doch – Wie könnte ich?

FABRY Für die Humanitätsliga, Fräulein.

BUSMAN Und ihr zu Ehren.

HELENE Oh, in diesem Falle – vielleicht –

FABRY Also Heil! Fräulein Glory, entschuldigen Sie für fünf Minuten.

DR. GALL Pardon.

BUSMAN Herrgott, ich muß kabeln –

HALLEMEIER Donnerwetter, und ich vergaß –

 

Alle, außer Domin, drängen sich hinaus.

 

HELENE Warum gehen alle weg?

DOMIN Kochen, Fräulein Glory.

HELENE Was kochen?

DOMIN Das Frühstück, Fräulein Glory. Für uns kochen Roboter und – und – da sie keinen Geschmacksinn besitzen, ist es nicht ganz – Hallemeier kann nämlich vorzüglich braten. Und Gall macht irgendeine Sauce, und Busman kennt sich in der Omelette aus – [37]

HELENE Um Gottes willen, das ist ein Gastmahl!

Und was kann der Herr – Baumeister –

DOMIN Alquist? Nichts. Er deckt nur den Tisch und – und Fabry treibt etwas Obst auf. Sehr bescheidene Küche, Fräulein Glory.

HELENE Ich wollte Sie fragen –

DOMIN Auch ich möchte Sie nach etwas fragen. Legt seine Uhr auf den Tisch. Fünf Minuten Zeit.

HELENE Wonach fragen?

DOMIN Pardon, Sie haben früher gefragt.

HELENE Vielleicht ist es dumm von mir, aber – warum erzeugen Sie weibliche Roboter, wenn – wenn –

DOMIN – wenn bei ihnen, hm, wenn für sie das Geschlecht keine Bedeutung hat?

HELENE Ja.

DOMIN Es herrscht eine gewisse Nachfrage, wissen Sie? Dienstmädchen, Verkäuferinnen, Schreiberinnen – Die Menschen sind daran gewöhnt.

HELENE Und – und sagen Sie, sind die Roboter – und Robotinnen – wechselseitig – absolut –

DOMIN Absolut gleichgültig, teures Fräulein. Da ist keine Spur irgendeiner Neigung.

HELENE Oh, das ist – furchtbar!

DOMIN Warum?

HELENE Es ist – es ist – so unnatürlich! Man weiß gar nicht, sollen sie einem deswegen abstoßend, oder – beneidenswert erscheinen – oder vielleicht –

DOMIN – bemitleidenswert. [38]

HELENE Dies am ehesten – Nein, hören Sie auf! Was wollten Sie fragen?

DOMIN Gern möchte ich fragen, Fräulein Glory, ob Sie mich nehmen möchten.

HELENE Wie nehmen?

DOMIN Zum Mann.

HELENE Nein! Was fällt Ihnen ein?

DOMIN auf die Uhr blickend Noch drei Minuten. Nehmen Sie mich nicht, so müssen Sie einen der anderen Fünf nehmen.

HELENE Aber Gott bewahre! Warum sollte ich ihn nehmen?

DOMIN Weil alle nach der Reihe Sie verlangen werden.

HELENE Wie könnten sie sich unterstehen?

DOMIN Ich bedaure sehr, Fräulein Glory. Es scheint, daß sie sich in Sie verliebt haben.

HELENE Ich bitte Sie, das sollen sie nicht tun! Ich – ich reise gleich ab!

DOMIN Helene, Sie werden ihnen doch nicht den Kummer bereiten, abzulehnen.

HELENE Aber ich – ich kann doch nicht – alle sechs nehmen!

DOMIN Nein, aber wenigstens einen. Wollen Sie mich nicht, so Fabry.

HELENE Ich will nicht!

DOMIN Doktor Gall.

HELENE Nein, nein, schweigen Sie! Ich will keinen!

DOMIN Noch zwei Minuten.

HELENE Das ist schrecklich! Nehmen Sie sich irgendeine Robotin. [39]

DOMIN Das ist kein Weib.

HELENE Oh, nur das fehlt Ihnen! Ich glaube, Sie – Sie würden jede nehmen, die kommt.

DOMIN Es waren viele hier, Helene.

HELENE Junge?

DOMIN Junge.

HELENE Weshalb nahmen Sie sich keine?

DOMIN Weil ich nicht den Kopf verloren hatte. Erst heute. Gleich als Sie den Schleier abnahmen.

HELENE Ich weiß.

DOMIN Noch eine Minute.

HELENE Aber ich will nicht, mein Gott!

DOMIN legt ihr beide Hände auf die Schultern Noch eine Minute. Entweder Sie sagen mir etwas schrecklich Böses ins Gesicht, und dann lasse ich Sie. Oder – oder –

HELENE Sie sind ein Rohling!

DOMIN Das ist nichts. Ein Mann soll ein wenig roh sein. Das gehört zur Sache.

HELENE Sie sind ein Narr!

DOMIN Der Mensch soll ein bißchen närrisch sein, Helene. Das ist an ihm das beste.

HELENE Sie sind – Sie sind – ach Gott!

DOMIN Also sehn Sie. Fertig?

HELENE Nein, nein! Ich bitte Sie, lassen Sie! Sie zerdrücken mich ja!

DOMIN Das letzte Wort, Helene.

HELENE wehrt sich Um nichts auf der Welt – aber Harry!

 

Es klopft. [40]

 

DOMIN läßt sie los Herein!

 

Eintreten BUSMAN, DR. GALL und HALLEMEIER

in Küchenschürzen. FABRY mit einem Blumenstrauß

und ALQUIST mit einem Tischtuch unterm Arm.

 

DOMIN Schon ausgekocht?

BUSMAN feierlich Jawohl.

DOMIN Wir auch.

 

Vorhang