BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Schubartgymnasium Aalen

gegründet 1912

 

Aus den Zeiten der Lateinschule

 

Oberstudienrat Herbert Plickert:

Aus der Geschichte unserer Schule

(bis 1914)

 

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Die Lehrer

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Jede Schule steht und fällt mit den Lehrern, die an ihr tätig sind. So sei hier wenigstens etwas aus dem Leben jener Männer berichtet, die in der reichsstädtischen Zeit in Aalen als lateinische Präzeptoren wirkten.

Der erste namentlich bekannte Lehrer war Kaspar Erfinger, der 1494 für einen Aalener Bürger eine Quittung siegelte. Er übte damit eine Funktion aus, die gewöhnlich dem Stadtschreiber zukam. Die Verbindung der beiden Ämter war zu jener Zeit keineswegs selten. Sicher ist er auch identisch mit einem Manne gleichen Namens, der 1503 bis 1506 in Ellwangen Amtmann war.

 

 

Luthers Schrift von 1524 „An die Ratsherren aller Städte Deutschlands, daß sie christliche Schulen aufrichten und halten sollen“ wurde gewiß auch in Aalen bekannt und beachtet. Unter denen, die sich eifrig für den neuen Glauben einsetzten, war der Schulmeister Magister Kaspar Tinnelhau (1575).

Als 1628 eine Welle der Rekatholisierung durch Deutschland ging, wurde der Schulmeister Christian Eben mit als erster aus der Stadt verbannt. Sein Provisor Lienhard Blietzelhier bekam noch eine Gnadenfrist bis zur Niederkunft seiner Frau; sollte er dem Befehl dann nicht folgen, so drohte ihm die Todesstrafe. Wenn Glaube und Weltanschauung auf dem Spiele stehen, sind Schulmeister immer besonders exponiert. Klarer treten die Lehrerpersönlichkeiten erst hervor, seitdem ab 1635 die Ratsprotokolle als Quelle zur Verfügung stehen. Seit 1637 lehrte in Aalen Mag. Johannes Molitor (Müller). Er hatte die beiden vorhergehenden Jahre in Giengen/Brenz gewirkt. Die dortige Chronik meldet über ihn in trockenen Worten: „Er wird kassiert und kommt nach Aalen.“ Molitor starb 1675.

Zwei Jahre vor seinem Tode gab man ihm als Konpräzeptor den Mag. Johann Leonhard Böckeier (geboren in Ulm 1641, gestorben in Aalen 1715). Dieser hatte 1662 in Tübingen promoviert und war dann Präzeptor in Bergenweiler gewesen. Als er 1673 seinen Dienst in Aalen antrat, übernahm er die „lateinischen Knaben“. Weil ihm die Besoldung nicht genügte, ging Böckeler, welcher „der Schul wohl angestanden“ und welchem der Rat „wohlaffektioniert“ war, als Pfarrer nach Polsingen, wo er bis 1701 verblieb. Dann kehrte er nach Aalen als Diakon zurück und stieg schließlich zum Stadtpfarrer auf.

An Molitors Stelle trat 1675 der Aalener Bürgersohn Johann Jakob Mayer, ein Theologe (geb. 1642, gest. 1704). Er übernahm Molitors „deutsche Knaben“, erteilte nach Böckelers Weggang von 1684 ab den lateinischen Unterricht, bis 1688 dem Präzeptor Sailer die Stelle übertragen wurde. Doch Sailer wurde schon 2 Jahre später entlassen. So stieg Mayer nun endgültig zum ersten Platz im Aalener Schulwesen auf. Jedoch war er ein kränklicher Mann. Deswegen gab ihm der Rat als zweiten Präzeptor Ludwig Enßlin aus Bopfingen zur Unterstützung. Nach Mayers Tode (1704) bewarb sich Enßlin mit anderen Kandidaten um die lateinische Präzeptur, fiel aber durch, worauf er Aalen verließ.

Der Provisor Metzel, ein gelernter Lebküchner, der sein Handwerk auch neben seinem Schuldienst ausübte, hatte sich als „firmer“ erwiesen. Er war schon seit 1696 an der Mädchenschule tätig gewesen. Anscheinend hatte er bei den „lateinischen Knaben“ keine glückliche Hand. Die Klagen über den Niedergang der Aalener Schule mehrten sich ständig.

Die Dinge besserten sich erst, als der „würdig und wolgelärte Herr“ Johann Rudolf Kern (geb. 1679 in Ulm) im Jahre 1710 als Präzeptor angenommen wurde. Zu seiner Hochzeit in Ulm mit der Tochter des dortigen Turmbläsers lud er den gesamten Rat von Aalen ein, erhielt jedoch mit Hinweis auf die unruhigen Zeiten eine Absage. In zweiter Ehe heiratete er 1712 die Tochter des verstorbenen Präzeptors Mayer. Es gelang ihm, die Lateinschule wieder auf eine beachtliche Höhe zu bringen. Wenig angenehm wird es ihm gewesen sein, daß er in den Streit zwischen Rat und Geistlichkeit wegen zu großer Länge der Predigten hineingezogen wurde. Kern bekam den strikten Befehl, mit Hilfe einer Sanduhr die Dauer der Predigten zu kontrollieren: „... wenn die Zeit abgelaufen und die Predigt nicht zu Ende, solle er bei Verlust seines Amts die Orgel schlagen.“ Kern blieb in Aalen bis 1720 und folgte dann einer Berufung nach Ulm, wo er am Gymnasium als „primae classis praeceptor“ und als Komponist und Kantor hochgeachtet bis 1748 wirkte.

Sein Nachfolger wurde im gleichen Jahr Germanus Benoni Seitz, der kurz vorher in Besigheim entlassen worden war. In der Schule war er „saumselig und unfleißig“, und seine Lebensführung „nit zu beschreiben“. Er geriet so in Schulden, daß er gezwungen war, sein Haus „zu versilbern“. Trotz allem behielt man ihn im Amt, bis er 1731 starb. Anscheinend war es schwer gewesen, für ihn einen besseren Mann als Ersatz zu finden.

Als Nachfolger wählte der Rat den aus Öttingen stammenden Kandidaten der Theologie Eberhard Ludwig Schöberl (oder Schübel). Dieser heiratete – wie einige seiner Vorgänger – in die Aalener Honoratiorenschaft hinein, indem er die Tochter des Stadtpfarrers Mayer ehelichte. Klagen über seine Amtsführung sind nicht bekannt. 1740 kündigte er, um als Pfarrer nach Forheim bei Öttingen zu gehen. Er muß damals schon ein kranker Mann gewesen sein, denn bald verlautete aus Forheim, daß er nicht mehr die Kanzel besteigen könne und seine Predigt am Altar sitzend halte.

Mit dem bis dahin in Gräflich Limpurgischen Diensten in Obersontheim gewesenen Kantor, Präzeptor und Pfarrvikar Johann Jakob Schubart hatte der Rat eine vorzügliche Wahl getroffen. Von ihm sagte sein Sohn: „Er sang mit Empfindung und mit Geschmack ..., ... spielte ein gutes Klavier, war zum Schulmann geboren, enthusiastisch für die lateinische Sprache eingenommen...“. Schubart war lateinischer Präzeptor und Musikdirektor von 1740, bis er 1745 die zweite Pfarrstelle erhielt. Noch Jahre danach sprach man von ihm „als einem bekannten und erfahrenen Schullehrer und vieljährigem Practico“, womit das so überschwenglich klingende Urteil seines berühmten Sohnes im trockenen Amtsstil des Ratsprotokolls seine Bestätigung fand.

Nachfolger eines tüchtigen Mannes zu sein, ist keine leichte Aufgabe. Der Kandidat der Theologie Johann Georg Wilhelm Waldhier aus Schwäbisch Hall war ihr entschieden nicht gewachsen. Bald stellte man fest, daß bei ihm „der Fehler nicht geringe seien“. Er gab sein Amt schon 1747 auf. Ein tragisches Zwischenspiel: 1748 übertrug der Rat das Amt des lateinischen Präzeptors dem Studenten der Philosophie Habfaß aus Ulm. Doch hat dieser den Posten nie angetreten. Bei der Reise von Aalen in seine Heimatstadt, den Anstellungsvertrag in der Tasche, ertrank er unter nicht ganz geklärten Umständen in der Donau. Nun holte man Waldhier wieder zurück. Trotz vieler Klagen über die Mißstände in der Schule erfolgte die Neubesetzung der Stelle erst 1752.

Jonathan Friedrich Rieder, ein Bürgersohn, Theologe seines Fachs, (geboren 1725, gestorben 1774) stammte aus einer Familie, die für den Schuldienst der Reichsstadt schon drei Lehrer gestellt hatte. Er erwies sich als ein tüchtiger Schulmeister, das Lehren lag ihm wohl im Blut. Aber sein Privatleben war keineswegs vorbildlich. Wegen schwerer Verfehlung in zwei Fällen mußte er jeweils Geldstrafen in Höhe von je rund 100 Gulden erlegen, für Aalener Verhältnisse unerhörte Summen. 1767 gab er seine Stelle auf und wurde Amtsschreiber in Aufkirch. Er kehrte 1774 „krank, schlecht und elend“ nach Aalen zurück, „wo er noch sein Brot vor den Thüren suchen mußte“. Er starb im gleichen Jahr.

Nachdem eine Zeitlang Johann Jakob Schubart, der Sohn des früheren Präzeptors und Diakons, der Bruder des Dichters, als Stellvertreter fungiert hatte, kam 1768 der aus Kirchheim u. T. stammende Mag. Winzenburger (oder Winzenberger) an die Lateinschule. Er hatte gerade in Tübingen seine Studien beendet. Anscheinend war er ein tüchtiger Orgelspieler. Da aber der Rat mit seiner sonstigen Amtsführung nicht zufrieden war, entließ er ihn 1774. Winzenburger kehrte darauf in seine Vaterstadt zurück, wo er die lateinische Schulstelle bis zu seinem Tode im Jahre 1791 innehatte.

Sein Nachfolger wurde Johann Leonhard Rieger (geb. 1748 in Aalen). Auch er hatte in Altdorf Theologie studiert. Er erwies sich als „geschulter und fleißiger Mann“, mit dessen Betragen und Amtsführung der Rat durchaus zufrieden war. Eifrig, aber nicht immer erfolgreich arbeitete er auch wissenschaftlich weiter. Für seine Abhandlung „Scholien über den Jesaias“ erhielt er vom Rat eine Belohnung. 1797 veröffentlichte er eine kleine Schrift „Ueber den Zustand der Reichsstadt Aalen, ihren Ueberfall von den Franzosen, und den dabey errichteten Schaden. 1796“. Darin hatte er sehr scharfe Worte gegen die Franzosen geäußert, was den Rat befürchten ließ, die Besatzungsmacht könne Repressalien ergreifen. Die vorhandenen Exemplare wurden vom Amts wegen beschlagnahmt, über Rieger urteilt sein Schüler, der spätere Prälat Johann Gottfried v. Pahl: „Desto mehr ward in der lateinischen Schule durch die Persönlichkeit ihres Lehrers geleistet. Dieser, Johann Leonhard Rieger, damals noch in jugendlichem Alter, war ein Mann von gründlicher philologischer und theologischer Gelehrsamkeit, mit rastlosem Fleiße der Wissenschaft lebend und mit ihr fortschreitend, und in seinen Ansichten über die ideale Welt selbstdenkenden und hellen Geistes“. Rieger war Anhänger des damals verbreiteten Philanthropismus, der den Formalismus der lateinischen Schulen ablehnte, und, gestützt auf den Unterricht in den sogenannten Realfächern, das selbständige Denken wecken und üben wollte. Das waren neue Ideen, mit denen Rieger seinen Mitbürgern um ein halbes Jahrhundert vorauseilte. Denn erst 1840 öffnete die Realschule ihre Pforten. Rieger förderte Pahl durch Privatstunden so weit, daß dieser ohne Schwierigkeiten zur Universität übergehen konnte. Rieger war der letzte der reichsstädtischen Präzeptoren. Mochten auch manche der Vorgänger es an Tüchtigkeit und Charakter haben fehlen lassen, und mochten andere nicht über den Durchschnitt hinausgekommen sein, das Viergestirn Böckeler, Kern, Schubart und Rieger verlieh der Lateinschule in Aalen einen Glanz, den man nicht übersehen kann.