BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Schubartgymnasium Aalen

gegründet 1912

 

Aus den Zeiten der Lateinschule

 

Dr. Hermann Stützel

Erinnerungen eines alten Lateinschülers

 

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Drei Schulausflüge anno dazumal

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Ein Schulausflug ist immer eine feine Sache, vor allem für die Schüler, weniger für den Lehrer, der die Verantwortung trägt. Heute besteht der Schulausflug meistens in einer mehr oder weniger weiten Omnibusfahrt. Man ist dabei gar nicht schüchtern in der Auswahl der Ziele. Ein „Schulausflug“ nach Paris von unserer Gegend aus ist gar nichts Besonderes mehr.

 

 

Da war man früher doch bescheidener: ein Stückchen Eisenbahn­fahrt und dann Fußwanderung, das war ehedem ein Schulausflug. (Kommt heute auch noch vor!) In der Lateinschule hatte unser erster Schulausflug als Ziel den Burgberg bei Crailsheim (1893). Wir fuhren mit der Bahn bis Crailsheim und wanderten dann in der heißen Julisonne auf den etwa acht Kilometer entfernten Berg. Natürlich kamen wir sehr durstig oben bei dem Wirtshaus an. Um den Durst zu stillen, bekam jeder von uns neunjährigen Buben einen halben Liter guten Most (!), der rasch getrunken wurde, mit dem voraussehbaren und auch eingetretenen Erfolg, daß die meisten von uns ordentlich betrunken waren, und, statt die herrliche Aussicht zu genießen, im Gelände umherwankten. Der Rückmarsch war deshalb auch recht anstrengend. Zum Glück ist weiter nichts passiert. Aber beim nächsten Schulausflug ging der Vater mit. Damals waren nämlich die Väter als Begleiter willkommen, schon damit der Lehrer ein wenig Ansprache und eine kleine Unterstützung bei der Aufsicht hatte.

Im nächsten Schuljahr sollte der Ausflug auf den Rechberg und Hohenstaufen gehen. Voll Erwartung stieg man in Aalen in den Zug nach Gmünd. Natürlich mußte ich mir gleich einen Fensterplatz erobern, um den Zurückbleibenden winken zu können. Ich hatte zu dem Ausflug einen neuen Strohhut bekommen (sog. Kreissäge); denn ohne Hut zum Ausflug zu kommen, wäre unschicklich gewesen. Nachdem sich der Zug in Bewegung gesetzt hatte, wurde tüchtig gewinkt. Ein Kamerad, der ebenfalls noch schnell ans Fenster wollte, respektierte meinen neuen Hut nicht, sondern stieß aus Versehen mit der winkenden Hand gegen meine Kreissäge, die infolgedessen in weitem Bogen hinausflog. Es war etwa beim Bahnübergang an der „Neuen Welt“, der damals schon existierte. Ich war zunächst untröstlich über den schweren Verlust. Glücklicherweise nahm der Vater an der Fahrt teil und als wir in Gmünd ankamen, ging er mit mir gleich in den nächsten Hutladen und kaufte einen Ersatzhut. Ich war getröstet. Wie groß war aber erst die Freude, als wir abends in Aalen ausstiegen und der Fahrdienstleiter mir eine „Fundsache“ aushändigte: den hinausgefallenen Strohhut!

Wieder war ein Jahr vergangen, und wieder war es Zeit für einen Schulausflug. Diesmal waren der Ipf und Wallerstein das Ziel. Fahrt mit der Eisenbahn bis Bopfingen, dann Aufstieg auf den Ipf.

 

 

Als wir oben ankamen, war es Zeit zum Vespern. Jeder packte das Mitgebrachte aus und ließ sich das zweite Frühstück gut schmecken. Nur ein Büblein, der kleine Paul, aß nicht, sondern saß weinend abseits. Teilnahmsvoll erkundigte sich Herr Präzeptor Veitinger nach der Ursache der Tränen. „Hast du keinen Hunger?“ – „Doch“. – „Hast du nichts zum Vespern?“ – „Nein“ – „Hat dir denn deine Mutter nichts mitgegeben?“ – „Doch“ – Dabei zog er ein blankes goldenes Zwanzigmarkstück aus der Tasche und zeigte es dem erstaunten Lehrer. Damit konnte freilich der Ärmste trotz seines Reichtums (20 Mark hatten damals einen großen Wert) seinen Hunger und Durst nicht stillen. Denn zu kaufen gab es auf dem Ipf nichts. Wir Kameraden gaben dem kleinen Paul von unseren Broten. Dann gings weiter nach Wallerstein und Nördlingen. Hier dankte Paul den Kameraden, die ihm ausgeholfen hatten, indem er jedem eine Flasche Limonade stiftete.

Ein anderer Schulausflug, den etwa um die gleiche Zeit die Realschule unternommen hatte, endete traurig. Die betreffende Klasse war zum Schluß am Brenztopf gewesen. Oben auf einem Felsen stand (oder steht noch?) ein Mast der Starkstromleitung. Zwei Buben kletterten an dem Mast hinauf. Einer berührte die Leitung und fiel im selben Augenblick herunter auf den Felsen, wobei er einen Schädel­bruch erlitt, der aber glücklicherweise nicht tödlich war. Es handelte sich nun darum, den Buben heimzutransportieren. Krankenkraftwagen gab es damals noch nicht. Der Junge wurde also auf der Tragbahre in den Gepäckwagen der Bahn verladen. Der Zug fuhr langsam in Richtung Aalen, und da die Wohnung des Verunglückten direkt an der Bahn kurz vor Unterkochen lag, hielt der Zug unmittelbar vor dem Haus.

Trotz der schweren Verletzung trat nach einigen Wochen völlige Heilung ein. Der andere beteiligte Bub hatte nur Verbrennungen an der Hand davongetragen.