BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Kurt Tucholsky

1890 - 1935

 

Lerne lachen ohne zu weinen

 

Seite 374-379 der Erstausgabe

 

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Die Frau spricht

 

 

1. Die geschiedene Frau

 

Ja . . . da wär nun also wieder einer . . .

das ist komisch!

Vor fünf Jahren, da war meiner;

dann war eine ganze Weile keiner . . .

Und jetzt geht ein Mann in meiner Wohnung um,

findet manches, was ich sage, dumm;

lobt und tadelt, spricht vom Daseinszwecke

und macht auf das Tischtuch Kaffeeflecke –

Ist das alles nötig –?

 

Ja . . . er sorgt. Und liebt. Und ist's ein trüber

Morgen, reich ich meine Hand hinüber . . .

Das ist komisch:

Männer . . . so in allen ihren Posen . . .

Und frühmorgens, in den Unterhosen . . .

Plötzlich wohnt da einer auch in meiner Seele.

Quält mich; liebt mich; will, daß ich ihn quäle;

dreht mein Leben anders, lastet, läßt mich fliegen –

siegt, und weil ich klug bin, laß ich mich besiegen . . .

Habe ich das nötig –?

 

Ich war ausgeglichen. Bleiben wir allein,

. . . komisch . . .

sind wir stolz. So sollt es immer sein!

Flackerts aber, knistern kleine Flammen,

fällt das alles jäh in sich zusammen.

Er braucht uns. Und wir, wir brauchen ihn.

Liebe ist: Erfüllung, Last und Medizin.

Denn ein Mann ist Mann und Gott und Kind,

weil wir so sehr Hälfte sind.

Aber das ist schließlich überall:

der erste Mann ist stets ein Unglücksfall.

Die wahre Erkenntnis liegt unbestritten

etwa zwischen dem zweiten und dem dritten.

Dann weißt du. Vom Wissen wird man nicht satt,

aber notdürftig zufrieden, mit dem, was man hat,

Amen.

 

 

Zuerst erschienen in: Die Weltbühne, 13.08.1929, Nr. 33, S. 248

unter dem Pseudonym Theobald Tiger

 

 

 

2. Eine Frau denkt

 

Mein Mann schläft immer gleich ein . . . oder er raucht seine Zeitung

und liest seine Zigarre

. . . Ich bin so nervös . . . und während ich an die Decke starre,

denke ich mir mein Teil.

Man gibt ihnen so viel, wenigstens zu Beginn. Sie sind es nicht wert.

Sie glauben immer, man müsse hochgeehrt sein, weil man sie liebt.

Ob es das wohl gibt:

ein Mann, der so nett bleibt, so aufmerksam

wie am ersten Tag, wo er einen nahm . . . ?

Einer, der Freund ist und Mann und Liebhaber; der uns mal neckt,

mal bevatert, der immer neu ist, vor dem man Respekt

hat und der einen liebt . . . liebt . . . liebt . . .

ob es das gibt?

 

Manchmal denke ich: ja.

Dann sehe ich: nein.

Man fällt immer wieder auf sie herein.

Und ich frage mich bloß, wo diese Kerls ihre Nerven haben.

Wahrscheinlich . . . na ja. Die diesbezüglichen Gaben

sind wohl ungleich verteilt. So richtig verstehen sie uns nie.

Weil sie faul sind, murmeln sie was von Hysterie.

Ist aber keine. Und wollen wir Zärtlichkeit,

dann haben die Herren meist keine Zeit.

Sie spielen: Symphonie mit dem Paukenschlag.

Unsere Liebe aber verzittert, das ist nicht ihr Geschmack.

Hop-hop-hop – wie an der Börse. Sie sind eigentlich nie

mehr als erotische Statisterie.

Die Hauptrolle spielen wir. Wir singen allein Duett,

leer in der Seele, bei sonst gut besuchtem Bett.

 

Mein Mann schläft immer gleich ein, oder er dreht sich um

und raucht seine Zigarre.

Warum? Weil . . .

Und während ich an die Decke starre,

denke ich mir mein Teil.

 

 

Zuerst erschienen in: Die Weltbühne, 17.12.1929, Nr. 51, S. 920

unter dem Pseudonym Theobald Tiger

 

 

 

3. Die Nachfolgerin

 

Ich hab meinen ersten Mann gesehn –

der ging mit einer!

Hütchen, Rock und Bluse (Indanthren)

und zwei Kopf kleiner!

Sie muß ihn wohl ins Büro begleiten . . .

Über den Geschmack ist nicht zu streiten.

Na, herzlichen Glückwunsch!

 

Sein Gehirn ist bei der Liebeswahl

ganz verkleistert;

wenn er siegt, dann ist er allemal

schwer begeistert.

Ob Languettenhemd, ob teure Seiden –

seinetwegen kann man sich in Säcke kleiden . . .

Na, herzlichen Glückwunsch!

 

Frau ist Frau. Wie glücklich ist der Mann,

dem das gleich ist!

Und für sowas zieht man sich nun an!

Als ob man reich ist!

Das heißt: für ihn . . . ? Wir ziehen unsre Augenbrauen

für und gegen alle andern Frauen.

Immerhin erwart ich, daß ers merken kann;

ich will fühlen, daß ich reizvoll bin.

Dreifach spiegeln will ich mich: im Glas, im

Neid, im Mann.

Und der guckt gar nicht hin.

 

Liebe kostet manche Überwindung . . .

Männer sind eine komische Erfindung.

 

 

Zuerst erschienen in: Die Weltbühne, 10.12.1929, Nr. 50, S. 880

unter dem Pseudonym Theobald Tiger

 

 

 

4. Lamento

 

Der deutsche Mann

Mann

Mann –

das ist der unverstandene Mann.

Er hat ein Geschäft, und er hat eine Pflicht.

Er hat einen Sitz im Oberamtsgericht.

Er hat auch eine Frau – das weiß er aber nicht.

Er sagt: «Mein liebes Kind . . . » und ist sonst ganz vergnügt –

Er ist ein Mann. Und das

genügt.

 

Der deutsche Mann

Mann

Mann –

das ist der unverstandene Mann.

Die Frau versteht ja doch nichts, von dem, was ihn quält.

Die Frau ist dazu da, daß sie die Kragen zählt.

Die Frau ist daran schuld, wenn ihm ein Hemdknopf fehlt.

Und kommt es einmal vor, daß er die Frau betrügt:

Er ist ein Mann. Und das

genügt.

 

Der deutsche Mann

Mann

Mann –

das ist der unverstandene Mann.

Er gibt sich nicht viel Mühe, wenn er die Frau umgirrt.

Und kriegt er nicht die eine, kommt die andere angeschwirrt.

Daher der deutsche Mann denn stets befriedigt wird.

Hauptsache ist, daß sie bequem und sich gehorsam fügt.

Denn er ist Mann. Und das

genügt.

 

Der deutsche Mann

Mann

Mann –

das ist der unverstandene Mann.

Er flirtet nicht mit seiner Frau. Er kauft ihr doch den Hut!

Sie sieht ihn von der Seite an, wenn er so schnarchend ruht.

Ein kleines bißchen Zärtlichkeit – und alles wäre gut.

Er ist ein Beamter der Liebe. Er läßt sich gehn.

Er hat sie doch geheiratet – was soll jetzt noch geschehn?

Der Mensch, der soll nicht scheiden, was Gott zusammenfügt.

Er ist ein Mann. Und das

genügt.

 

 

Zuerst erschienen in: Die Weltbühne, 06.01.1931, Nr. 1, S. 11

unter dem Pseudonym Theobald Tiger