BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Kurt Tucholsky

1890 - 1935

 

Das Lächeln der Mona Lisa

 

Seite 380-381 der Erstausgabe

 

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Auf ein Soldatenbild

 

 

Hoher Kragen, eingezwängt

in die Affenjacke;

der Zivilleib, angestrengt,

weicht dem Zeitgeschmacke.

Fremd und leer blickt dein Gesicht.

Du verstehst das Ganze nicht.

 

Letztes Bild und letzter Klang –

du bist weggegangen.

Und ich muß nun lebenslang

mich nach beiden bangen.

Um dich pflügt der Bauernpflug.

Du bist Lehm und hast genug.

 

Lieber, seh ich heut dich an,

häßlich und verkleidet,

hab ich oft dich toten Mann

grüßend sehr beneidet.

Läuse, Leutnant, blutiges Gras –

Sage, wofür tatst du das?

 

Auf uns sieht derselbe Mond,

sehn dieselben Sterne –

Deutschland, ewig knechtgewohnt,

lechzt nach der Kaserne.

Qual, vier Jahr, gestohlnes Fressen

sind vergessen – sind vergessen . . .

Brüllend rufen Rottenlieder:

«Morgen wieder! Morgen wieder!»

Gruß dir –!

Du bist dran zerschellt:

an dem letzten Dreck der Welt.

 

 

Zuerst erschienen in: Die Weltbühne, 04.08.1925, Nr. 31, S. 177

unter dem Pseudonym Theobald Tiger