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Reine Luft aus Offingen

Entwicklung einer schlanken Distribution industrieller Filtermedien

 
Logistik
Projektteam v. l.: Clemens Lewin, Silke Scheu (Projektleitung BWF Envirotec), Pascal Windeisen, Philipp Gruber, Mona Hegele.
01.11.2019 - 06.08.2020

Projektbeschreibung

In Offingen produziert die BWF Offermann, Waldenfels & Co. KG Textilien und Kunststoffe für industrielle Anwendungen (Luftfilter). Diese werden in einem globalen Netzwerk über regionale Töchter distribuiert – ein Liefernetzwerk, das Fragen nach zentralen und dezentralen
Steuerungsregeln aufwirft. Zentrale Regeln arbeiten im Sinne eines Konzernoptimums, basieren
aber auf aufwändiger Informationsbeschaffung. Dezentrale Regelnführen zu lokalen Optima, sind aber effizienter umzusetzen. Kern der Kooperation mit BWF Envirotec war das Vorgehen bei Prognoseerstellung, das Bestellverhalten und der Umgang mit logistischen Kennzahlen.

 

Ein Kernprodukt der BWF Offermann, Waldenfels & Co. KG sind Filtermedien für die Entstaubung von Abgasen aus Industrieanlagen. Weltweit wird ein sehr breites und tiefes Produktspektrum über regional agierende Töchter produziert und vertrieben. Über die Jahre ist ein komplexes Wertschöpfungsnetzwerk entstanden. Durch die dezentrale Produktions- und Vertriebsstruktur z.B. in Russland, der Türkei, Italien, Österreich oder den USA, können die regional organisierten Töchter auf typische Bedürfnisse der Kunden vor Ort reagieren. Die Berücksichtigung von Kundenwünschen mündet in einer hohen Produktvielfalt über die gesamte Gruppe hinweg. Was im Vertrieb eine Stärke ist, wird für die Logistik zur Herausforderung.

 
Darstellung der Bestandsverwaltung
Schematische Darstellung der Zentralisierung
von Beständen und Bestandsverantwortung in
Offingen.
 

In der so entstandenen Vertriebsstruktur spiegelt sich eine klassische Fragestellung der Logistik wider: Wie gut sind dezentrale Entscheidungen im Vergleich mit einer zentralen Steuerung? Oder anders ausgedrückt: Welche Entscheidungen müssen zentral getroffen werden und welche sind besser dezentral aufgehoben?

Das klassische Supply-Chain-Management tendiert zu einer zentralen Steuerungslogik im Sinne eines übergreifenden Optimums. Allerdings setzt dies umfassende und extrem schnelle und verlässliche Informationen voraus. Diese sind aber meist eher direkt am Prozess – also dezentral – verfügbar.

Für BWF Envirotec stand die Frage im Zentrum, mit welchen Steuerungslogiken das eingangs kurz skizzierte Distributionsnetz effektiv und effizient betrieben werden kann. Genauer gesagt: Erfüllung der Kundenwünsche mindestens auf aktuellem Niveau bei Reduzierung der Logistikkosten bestehend z. B. aus Lager-, Transport- und Bestandskosten sowie Handhabungs- und Steuerungskosten etc. In stark regionalen Strukturen kommt aber oft – wie auch hier – hinzu, dass so wenig wie möglich Umsatz verloren gehen darf aufgrund von falscher Ressourcenallokation. Konkret bei BWF Envirotec heißt das, dass Ware genau in die Region muss, in der sie auch verkauft werden kann und eben nicht in die Nachbarregion, wo sie zum Ladenhüter wird.

Im Projekt wurden zunächst die genauen Arbeitsweisen der dezentral agierenden Töchter analysiert. Dazu wurde ein Fragebogen entwickelt, der u. a. die Erstellung von Vertriebsprognosen, das Bestellverhalten und den Umgang mit logistischen Kenngrößen der einzelnen Töchter ermittelte. Diese dezentralen Verhaltensweisen und Prozessregeln haben erheblichen Einfluss auf die Arbeitsweise in der Zentrale in Offingen und damit auf das betriebswirtschaftliche Gesamtergebnis. Die gewonnenen Erkenntnisse aus den Fragebögen wurden in Interviews mit den jeweiligen Verantwortlichen vertieft.

Als typisch für historisch gewachsene und dezentrale Strukturen zeigte sich das Ergebnis der IST-Analyse: Quasi eigenständig agierende dezentral gesteuerte Einheiten arbeiten im Sinne eines lokalen Optimums und werden so zu Konkurrenten, sobald es Ressourcenknappheit im System gibt. Der Zugriff auf die zentrale Produktion ist genau so ein Fall. Lokal sinnvolles Bestellverhalten und entsprechende Bevorratung kann zu Lasten von anderen Einheiten gehen und reduziert das mögliche Gesamtergebnis. Die Lösung ist die Zentralisierung von ausgewählten Steuerungs- Entscheidungen, die dann zu Gunsten eines konzernweiten Optimums getroffen werden können. Diese müssen auf Basis ausgewählter logistischer Kennzahlen gefällt werden, die einheitlich und damit vergleichbar erhoben und schnell bereitgestellt werden können. Basis zentraler Entscheidungen muss aber eine gemeinsame Prognose nach einem vergleichbaren Vorgehen und in einem zeitlich abgestimmten Regelverfahren sein. Gemeinsame Prognosen sind zudem valider, berücksichtigen sie doch die globale Nachfrage und Wechselwirkungen zwischen scheinbar unabhängigen Regionen.

Die Ergebisse des Projekts wurden bewertet und priorisiert den Töchtern vorgestellt. Derzeit befinden sich einige der aufgezeigten Ansätze bereits in Umsetzung oder wurden in weiterführende Projekte integriert.

 

 

Literatur

  • Nyhuis, Peter; Wiendahl, Hans-Peter
    (2012): Logistische Kennlinien –
    Grundlagen, Werkzeuge und Anwendungen.
    Springer-Verlag Berlin Heidelberg.
  • Klaus, Peter (2002): Die dritte Bedeutung
    der Logistik: Beiträge zur Evolution
    logistischen Denkens. DVV Media Group
    Hamburg.
  • Bretzke, Wolf-Rüdiger (2020): Logistische
    Netzwerke. Springer Vieweg.

Projektleitung

 
Prof. Dr. Michael Krupp
 

Weitere Beteiligte

Phillip Gruber

SAP Inhouse Consultant

BWF Offermann, Waldenfels & Co. KG

Partner

BWF Offermann, Waldenfels & Co. KG