B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Georg Wickram
um 1505 - vor 1562
     
   



V o n   g û t e n   u n n d
b ö s e n   N a c h b a u r e n .


Cap. X - XIX

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‹Fv› [40]

      [ X. Capitel. ]

      Cassandra und Richardus werden
      zûsamen vermähelt / würdt
      aber aus etlicher ursachen nit ein
      grosse hochzeit gehalten.


      RObertus der gût alt mann / hett verschaffet / das auff den nächst künfftigen tag / ein herrliche malzeit in seinem haus bereit würd / Er hatt auch in eigner person / seine nechsten freund darzû berûffen / doch das sie zû frúer tagzeit erscheinen solten / dann er wolt seiner tochter Cassandra einen man geben. Dise verkündung namen etliche seiner freünd / in einem schertz auff / liessens doch eine gûte sach sein / dann in was unverborgen / dieweil Robertus in Engelant gewesen / was ihm ein liebe schwester mit tod abgangen / nicht desto minder / kamen sie des morgens / gantz gehorsamlichen / alda erkanten und sahen sie erst den ernst / dieweil sie den Priester im haus funden / auch alle ding auff das zierlichest ausgebutzt / und uffgemutzt. Als sie nûn zû samen kummen sind / hat man entlich vom heurhat angefangen zû reden / und sunderlich von dem / das Richart in Portugal und namlichen zû Lisabona / sein wonung haben solt / und gar nit inn Hispanien ziehen / sein wonung darin zû haben / Es were dann sach / das schwäher und schwiger mit tod vergiengen / und alsdann sein weib noch in leben were / mit gûtem willen mit im zû ziehen / sich begeb / sunst solt er sie in keinerlay weg zwingen. Uber solche Ehberedung / wurden in beywesen der früntschafft / gûte versicherungen auffgericht / deßgleichen des gûts halben / auch alles gar wol versehen / und hinder die fründtschafft gelegt / damit man übernacht / semliche schrifften ‹Fijr = xviij› wüste zû finden. Also wurden die zwey nach Christlicher ordnung zamen vermähelet / demnach ward der ymbis mit grossen freuden volbracht / allein [41] das gar kein seitenspiel da gebraucht ward / Allein der ursach / das dem alten herren sein schwester / so kurtzlichen gestorben was / wie dann oben gemelt wirt / Was aber sunst zû einer kostlichen malzeit gehöret / daran was gar kein mangel / es wer gleich von speis oder von fremden kostlichen weinen aus allen Nationen harbracht. Nach der malzeit / als man das wasser umbgeben het / sind sie auffgestanden / weib und mann mit einander in einen schönen garten spatzieren gangen / darinn sich dann die jungen männer auff das essen dapffer gebraucht haben / mit ringen / und springen / einander dapffer geúbt / Desgleichen mit dem ballen spiel nit gefeiret. Die alten aber haben sich mit einander underredt der hochzeit halb / in was gestalt die anzûgreiffen wer / wurden aber all in gemein rhätig / das ein kleine hochzeit solt gehalten werden / unnd auch auff das bäldist so immer müglichen sein möchte. Disen rath ließ im Robertus gar wol gefallen / beschlosse also mit inen / uff den dritten tag múst alle ding zûr hochzeit bereit sein / das sich ein yeder darnach wißte zû richten. Under disem begab sich under den gûten freunden ein zanck / namlich mit den steinstössern / Es hetten ir zwen ein ziel erlangt / was aber dem einen im stossen hinweg gesprungen / darumb im dann der ander gar nit gewunnen geben wolt / so dorfft sich auch der andren keiner mehr understohn / das ziel zû geweren. Reichart / so dann noch seine kranckheit nit gar verdewt het / gedacht / ‹wann ich meiner sterck selb vertrawen dörfft / ich wolt disen krieg ‹Fijv› bald verrichtet haben›. Er nam den stein / welcher zimlich gros was / und sagt / «Ihr jungen herren und vettern / wann ich euch beidsamen überläg / wolt ihr dann zû friden sein» / Des waren sie gantz wol zû friden / dann sie nit maineten / das Reichart über ir gelegt ziel solt gestossen haben / Reichart fasset den stein in forteil / und sties in gantz geschwind weit über das ziel hinaus / da hette schon der zanck diser zweyer ein end / und ward iren genûg darzû gespott / «Gelt» sagten die anderen / «ir habt eweren mann funden / so euch kan unnd waißt zû entschaiden / Lieber thûnd ims nach.» Also [42] hûbend sie das ballenspiel an zû spielen / aber keiner under in allen / mochts dem Richardo vor thûn / mit behendigkeit des leibs / und allen fortlen / so man brauchen mag in dem ballen spiel. Als es nûn umb den nachtymbis worden / sind sie wider in einer geselschafft zû haus gezogen / haben den nachtimbis frölichen volbracht / Demnach die fremden zû haus gangen / und sich yeder an sein rhû gelegt.
 

      [ XI. Capitel. ]

      Die hochzeit wirt gehalten mit grossen
      frewden / aber gar kein dantz oder seitenspiel
      gebraucht / auch von der morgengab / so
      Reichart der braut sol geben / gehandlet.


      ALs nûn die drey tag verschinen sind / haben sie die braut des morgens frú / zû der kirchen gefúrt / darbey dann anderst niemands / dann die früntschafft gewesen ist / alles aus oberzalter ursachen. Als es nûn umb den ymbiss ward / hat man sich zû tisch gesetzt / frö‹Fiijr = xix›lich angefangen zû essen und drincken.
      Die rechten und
      waren gäst.

Es het aber der alt Robertus ein tag darvor / alle alten hausarme leut / so im müglich sind gewesen anzûkumen / berûffen lassen / das sie uff die hochzeit / der gestalt erscheinen solten /
      Das wer recht mitt der Braut
      zû der kirchen gangen.

Des morgens frú / solten sie sich in der kirchen einmútiglichen versamlen / und da Gott den Almechtigen bitten / das er disen zweien jungen menschen seinen segen und gnad verleihen wolt / das sie in seinem götlichen willen leben möchten / gesunde kinder bey einander zeugen / und so die selbigen erwüchsend / das sie die in der ehr und forcht Gottes / auffziehen / seine gebot underweisen / zû der gehorsamkeit abrichten / und sie sunderlich auch vor der gotslesterung / und [43] dem liegen / verhúten möchten / Das ihn Got auch ein solchen verstand / keusch und gotsförchtig gemút und hertz geben wolt / wie er dem jungen Tobia / durch Raphaelem den Engel / eingebildet het / Wann sie dann semlichs volbracht / solten sie in gemeiner schar / in seine behausung kumen / da würd inen allensamen ein gût malzeit bereit sein. Dis alles ward durch die armen leut / nach des alten herren willen unnd begeren volzogen. Als nûn die armen leut in herr Robertus haus kummen sind / ist inen in einem grossen weiten saal / ihr losament fein und ordenlichen / zûgericht gewesen. Da waren vil taflen gedeckt mit schönen weissen túchern. Robertus het ihnen auch ire sundere und eignen schencken und dischdiener bestellet / so allein auff die armen leut solten warten / damit keinerlei mangel noch bresten bey inen gespürt würde. Als sie nûn gar ordenlich zû tisch gesessen / habend sie zûm ersten Gott den Allmechtigen umb das täglich brot gebetten / darnach hat man inen das es‹Fiijv›sen dargetragen. Also habend sie gantz züchtigklichen gessen und getruncken / mangerlei gûter speis und tranck / das nit ein wunder gewesen were / das sich etliche übertruncken hetten / Aber deren ist keiner gesehen worden / dann sie alle weib und mann mit züchten / unnd grosser dancksagung / speis und dranck genossen haben.
      Also pfleg man auch im
      Teutsch land bey den hoch-
      zeiten / abstinentz zû halten.

Disen brauch habend unsere bettler / im Teutschen land gar fein / und hoflich gelert / das kan ich sagen / das ich uff etlichen Reichs tagen gesehen / wann man tags das almûsen (das dann reuhlich da was) außtheilt / das sie ein ander häfen / und schüßlen / auff den köpffen entzwey geschlagen / múßt auch einer spitz ohren gehabt haben / der ein vatter unser von einem gehört / Aber gût starck lantzknechtisch schwúr / die ein namen hatten. Aber doch waren auch darunder / denen mit solcher unützen weis / nit wol was / unnd ob sie gleich wol einen missfallen darab hetten / mûsten sies dannocht ein gûte sach lassen sein / Jetz kumen wir wider uff die materi. Als nûn die armen leut den ymbis volbracht / hand sie Gott dem Herren [44] lob und danck gesagt / demnach auffgestanden / Bald ist der alt herr mit sampt dem breutigam kumen / denen haben die armen leut / tausentveltig glück gewünscht / Der breutigam aber hatt einem yeden armen menschen einen groschen geschenckt / damit sind sie abgefertigt gewesen. Ich mûs aber ein wort darzû reden / Es ist der brauch gar nit bey uns / wiewol wir ein andere gewonheit (die auch nit zû verwerffen) bey uns haben / Wann zû zeiten hochzeiten sind gewesen / habe ich offt gesehen / das die beyde múter / der braut und des breutigams harumb gangen sind / alsbald man ein essen uffgehaben und von den tisch‹F4r = xx›en getragen / sind sie da gewesen / und alles angeschnitten / fleisch oder was das gewesen / in besunder kessel oder häfen gethon / das hatt man dann zû einer bestimpten stund / under die armen leut ausgetheilt / Jetzund macht man aus solchen bitzlen / schnitzlen / und fragmenta / ein kauffmanschatz / dann es mag das volck nit so bald vom tisch auffston / es sind der kaufleut ein gantzer hauffen zûgegen / mit häfen und mit schüsseln / kauffen den blunder allen gar auff / also / das den armen leuten / das spúlwasser / darin diser kauffmanschatz gelegen / kaum werden mag. Hüw umb / lauff teufel lauff. Ist dir / als du inkaufft hast / nie nichts zû theur gewesen / schauben / und röck / guldin gúrtel / perlin porten / hatt alles mússen zûm kostlichsten da sein / Du hast nit rhatgeben gnûg haben mügen / die dir die richten / trachten und schleck angeben / wie du sie einander nach antragen / und mûs alles gantz eben sein / Da kan niemant zû vil fressen / unnd sauffen / niemants kan nichts nit verderben / Bald aber der arm dürfftig kumpt / da ist allenthalben mangel / da hat man nichts mer aus zû thailen / dann böse unütze wort / stoßt man sie anderst nit gar zû haus und hoff aus / schleußt thür und thor vor inen zû. Wolan / Got sicht und hört alle ding / Er sah den reichen man wol in seim pracht und schmuck bey dem goltgezierten tisch / Er sahe aber auch den armen Lasarum / mit vilen grossen geschweren / vor des reichen thüren / da im die hund seine offnen geschwer und [45] schäden leckten. Wie giengs aber darnach? rauch genûg giengs zû. Der arm Lasarus starb bald harnach / und ward seine seel von den Engelen getragen inn die schoß Abrahe / Da aber der reich starb / wo kam der hin? ‹F4v› seine Engel die leidigen teuffel / trûgen in in die abgrunt der hellen / Warumb geschahe im das? darumb / das der volwanst dem gûten Lasaro die brösamlin von seinem tisch abgefallen / versagt hat. Darumb biss nur emsig / so du ein sûn oder tochter hingibst / damit dir nichs vergebens hinweg gang / dann gibstu das den armen / Got mag dirs nitt vergelten am jüngsten tag / Aber so du gelt kanst draus lösen / wirstu von dem teuffel noch mer lons gewertig sein / Diss sey genûg davon geredt. Die hochzeit ward also mit kurtzweiligem und früntlichem gesprech / biss zum nacht ymbis vols vertriben / dann alles dantzen / wie offt gemelt / da vermitten blib. Richart hette sich hie zwischen heimlich inn sein Contor gethon / sampt seinen beyden knechten / Er nam ein gar schönen grossen doppelten übergulten kopff / die beyden theil legt er voller goldt / den einen voller schiffnobel / den andern voller rosennobel / sampt einer schönen guldenen ketten / befalh seinen beiden knechten / gantz fleissig wahr zû nemen / wann des morgens schweher und schwiger für sein schlaffkamer gon / und die morgen gab (an in) der braut forderen / solten sie mit disen beiden köpffen auff der fart sein / und auch für die kamer kumen / diß wolt er der braut zû einer morgengab verehren. Nach dem gieng Richart zû dem nachtmal / da das auch volbracht was / fûrt man die braut in ein schöne kamer schlaffen / Demnach nam yederman urlop / zogen zûhaus / vertriben die nacht mit sússem schlaff / erwarteten also in der rhû des anderen morgens. Das gesind aber / so den gantzen tag zû schaffen gehabt / sassen erst die gantz nacht zûsamen / und hetten iren gûten mût auch. ‹Gr = xxj›
 
[46]

      [ XII. Capitel. ]

      Reichart begabt sein braut mit eyner
      rheilichen morgengab / Weiter von einem
      zûtütler der die armen leut hasset /
      was Richart mit im geredt hab.




      ES was eben auff disen morgen der lieb und selige Mai angegangen / Die morgenröte / mit gar frölichem anblick / in rosienroter farben / mit schöner wath angethon / sich sehen liess / die [47] edlen waltvögel mit gar süsser und lieblicher stimm zûsammen stimmeten. Bald bracht Phebus seinen wagen / daruff fûrt er die Sonn mit irem ‹Gv› spreissigen kopff / damit der lieblich Mai / also seinen yngang het. Robertus und Sophia stûnden auff / legten ire kleyder an / giengen eylends für der braut kameren / auch hetten sich schon etlich der anderen fründ harzû gemacht / sie forderten die morgengab an den breutigam / er bat sie solten ein klein verziehen / dann sie würd bald vorhanden sein. In des kamen die zwen diener / mit den vergulten köpffen / klopfften auch an der kammern / und gaben irem herren ein wortzeichen / damit er wußt das sie vorhanden waren / also schlos er von stundan auff / und empfieng die köpff / von dem jungen / und dem andren diener. Der schweher / schwiger / sampt der andren freundtschafft / giengen auch hinein inn die kammeren / Richart nam erstlich die schöne kettin / hieng die seiner braut an den hals / Demnach stalt er in auch die zwen übergulten köpff dar. Als aber sie gantz schamhafftig undersich sehen / des schönen und ausserlesenen golds / nit wahrnam / hatt Richart ir den einen kopff mit dem gold in den geeren geschüt / und darzû gesagt / «Allerliebste braut / nement hin dise morgengab / und nach diser gaben / sollend ir täglichen mehr / und vil bessers von mir gewarten sein / so uns anders Got ein zeitlang frisch und gesunt bey einander lassen wil.» Alle die semlichs sahen / verwunderten sich ab dem grossen gût / dann Robertus het selb nit vermeint / das der jüngling ein semliche barschafft und gût bey im gehabt het. Nûn solten wir weiter anzeigen / wie der ymbis gehalten / und der tag zû end bracht worden were / so dunckt michs gar nit von nöten / dieweil nichts da verhandlet worden / dann kostlich trachten für getragen / schöne Credentz / von gold und silber da gesehen / der ‹Gijr = xxij› diener ein gros summa umb die tisch rumbher gelauffen. Aber eins so fürgangen / mus ich anzeigen / Es was ein nachbaur / ein gewand bereiter / zû nechst an Roberten haus gesessen / ein rechter und grosser dellerschlecker / den selbigen dorfft man zû keinem wolleben [48] nit berûffen / dann er fand zû aller zeit ursach / damit er sich selb hienin schraubet / Also hat er auff diser hochzeit auch gethon / Er kam ungeladen / unnd machet sich gantz geschefftig. Nun hetten sich etlich arme leut / die den anderen tag nit bey dem mal gewesen zûsamen geschlagen / sassen vor herr Robertus haus / ob in doch ein almûsen von der hochzeit werden möcht. Als sie nûn diser schmorotzer ersehen thet / hat er sie gantz unwirs angefaren / unnd gesagt / «Wer hat euch heut hieher bescheiden / ihr habt ewer mal gester yngenumen / darumb ziecht nur hinweg / ir dürffen uff nichts hoffen.» Diss erhort einer des herren diener / so dann disem schleckdenlöffel sunderlichen find war / der gieng herzû und sagt zû im / «Lieber laßt euch die armen nit irren / dann die beyde herren haben sie gesehen / und befelch in der kuchen geben / das man in sol das almusen zûsamen halten / unnd demnach austeilen.» Diser suppenfresser / wolt gesehen sein / stach mit bösen worten wider hinumb. Zû letst sagt der diener / «Lieber laßt doch die armen leut beleiben neben euch / Nun seit ir doch gleich so wenig berûfft / als sie / was wölt ir daraus machen?» Zû disem streit und zanck / kam von ungefer der jung herr Richhart / der fragt / was sich da für ein zanck zûtragen / wolt den bericht der diener aller sach wissen. Als er nûn aller sach bericht / ward er darüber erzürnt und sagt / «Ir solt die armen nit also hassen / dann iren ist das reich der himel / ‹Gijv› wie dann Christus selb spricht / Math. v. So wir nûn auch inn das reich gottes begeren / mússen wir uns mit den armen hinin dringen. Wißt ir nit wie Salomon in seinen sprüchen so treulich ermanet / das wir den armen alle zeit sollen gûts beweisen? Dann er spricht in seinem xiiij. capit. Der sünder verachtet seinen nechsten / aber wol dem der sich des ellenden erbarmet. Item am xix. spricht er. Wer sich des armen erbarmet / der leihet dem Herren / der wirt im wider gûts vergelten. Und an dem xxj. zeigt er die straff an / denen so den armen gehessig sind / dann er sagt / Wer seine ohren verstopfft vor den armen / der würt auch rúffen / und nit erhört werden. Und gleich im [49] andren capit. hernach / Ein gût aug wirt gesegnet / dann es gibt seines brots den armen. So habend wir auch gar ein schön Exempel an dem lieben Tobia / an seinem iiij. und xiiij. capit. da vermanet er seinen lieben sûn Tobiam gar hertzlichen / das er almûsen geben sol. Also auch Jesus Sirach am xij. das man den ellenden und armen gûts thûn sol. Item am xiiij. capit. sagt er / Vergiss der armen nit / wann du denen gûts thûst / so wirt dir auch frewd widerfaren / die du begerest. Darzû haben wir dort ein schönen trost von Christo selb Mat. xxv. da Christus sagen wirt zû den seligen und ausserwelten / welche da werden stehn zû der rechten des Herren / zû denen wirt der Herr sprechen / Kumpt her ir gesegneten meines vatters / ererbet das reich / so euch bereit ist von anbegin der welt / dann ich binn hungerig gewesen / und ihr hand mich gespeiset / Ich binn durstig gewesen / und ir hand mich gedrenckt / Ich binn ein gast gewesen / und ir hand mich beherbergt / Ich binn nackend gewe‹Giijr = xxiij›sen / und ir hand mich bekleit / Ich binn kranck gewesen / und ir habend mich besûcht / Ich bin gefangen geweßt / und ir sind zû mir kumen. Und wann sie dann sagen werden / sie habend im keine solche gûtthat erzeiget / wirt in der Künig wider antwurten / Warlich sag ich euch / was ir geton habt / einem aus disem meinen geringsten / das habt ir mir gethon. Das solt ir lieber nachbaur bedencken / und die armen liebhaben / so werdet ir hinwider von dem Herren geliebt werden». Der schmarotzer verlachet dise wort gantz spötlichen / und sagt / «Hey Breutgam / Ich hab nie anderst gewißt / dann ir seit ein kauffherr / so vernime ich yetzund wol / das ihr ein Predicant seit.» Die wort hort der diener / so vor mit ihm gebalget hett / Er sagt / «Mein herr / bekümmert euch nit mit disem fatzman / dann dise wort sind im nur ein gespött.» «Aber mir nit» sagt herr Reichart / «sie sind mir lieber dann gold und silber / berlin und edel gestein / Ich trag und für sie auch alwegen bey mir» / Damit zeigt er in ein schönes gebundenes búchlin / in welchem die búcher Salomonis und der Syrach yn gebunden was. Der diener sagt / [50] «Kein bûch wirt in nit bekümmern / dann er und sein hund / versehend sich in ein himelreich zû kumen / des ich dabey abnim / Er hat den hund dahin abgericht/ das kein armer mensch zû seiner hausthür kumen darff / so grausam thût er über die armen.» «Das ist ein grosse und schwere sünd» / sagt Reichhart / «ir músset auch Gott einen schweren stand darumb thûn» / Damit gieng Reichart in die kuche / befalh wann man die letst richt oder essen angetragen hett / solt man den armen leuten die auffgehabne speis / fein und ordenlichen außtheilen. Jetzund wend wir gnûg von der hoch‹Giijv›zeit gesagt haben / dieweil sich doch keinerlei kurtzweil / weder mit tantzen / noch andrem zûgetragen. Richart aber gantz stil darzû schweigend / nam im gäntzlich für / wann die zeit sich ein wenig verlieff (dann das würd eben auff sein widerkunfft sein / so er aus Hispanien keme) als dann wolt er erst ein frölichs wesen anfangen / und alle gûten freund unnd nachbauren darzû laden / ein new hochzeit haben / wie es dann auch geschah.
 

      [ XIII. Capitel. ]

      Wie zwen jung Portugaleser / so einander nahendt
      verwandt waren / eines abents / als man schon das liecht
      auffgezündet het / mit zweyen Riffienem / auff
      Richarten warten / und in umbracht wollen haben.




      ‹G 4r = xxiiij› IN allen landen unnd inn der gantzen welt / ist der brauch / wann Gott der Almechtig einem ein zeitlich glück zûsendet / mûs er alwegen vergünstig leut darzû haben / damit es im dannocht nit so gantz glat hienaus gang / mögen und künden sie schon die sach nit wenden / und hinder sich treiben / werffend sie dannocht etwann ein dreyspitz hienein / damit es dannocht einen hinckend mach / dem sie das glück vergünnen. Also ging es dem gûten Reicharten / zû disem mal [51] auch. Es was in der statt Lisabona / ein junger reicher Portugaleser / sehr mûtwillig / unnd verwegen / der selbig hett lang umb die Cassandram geworben / aber von seiner überschwencklichen frechheit und mûtwillen / so er an allen Orten beging / hat im sie / ir vatter gar nit geben wöllen / und gantz abgeschlagen. Als nûn der selbig jüng sah / das sie dem Richarten vermählet / und zûm weib geben was / hat er es zû grossem verdruss (als ob er dardurch gäntzlichen verachtet wer) uffgenummen / hat sich zû einem seinem freundt verfúget / welcher auch [52] ein wolgerathner vogel was / gleich wie er / dem selben hat er sein anligen geklagt / und gesagt / «Mein aller liebster und ausserwelter fründt / dir ist glaub ich unverborgen / was grosser schmach / und verachtnüs / mir von dem alten herren Roberto zûgestanden / dann er mich für keinen dochterman hat wöllen erkennen / Nimpt disen hargeflognen Spanier auff / des gens man doch nit erkennet / in gantzem Portugal / Ich friss mir selb schier mein eygenes hertz darumb / binn doch nit so bedacht / das ich waiß / durch was mittel und weg / ich mich an dem alten sol rechen / damit im solche schmach möcht vergolten werden.» ‹G 4v› Auff dise wort antwort sein fründt / und sagt / «So mich der handel antref / wißt ich im wol zû thûn / ich wolt mich früntlich zû dem Hispanier gesellen / mit im zechen / spielen / und alle böse stück mit im versûchen / damit ich seins thûns und lassens gnûgsam erfarnüs überkem / wann sich dann mein zeit begeb / wolt ich ein balg mit im anfangen / und ehe dann er wißt / wie der hafen geschaumpt wer / wolt ich im zûm wenigsten ein lammes hendlin gemacht haben / wie ich nit lang vergangen / zweyen kauffmans dienern abkert hab / die hetten sich beid / noch keiner streich versehen / denn ich mit lachendem mund zûschmiert und ehe dann sie zû streichen kumen mochten / hett ich dem einen die linck hand / dem anderen den rechten arm lam geschlagen.» Darauff sagt diser / «Da laß ich mich gar nit hienbringen / dieweil ich nûn so manigmal / von seiner stercke und geschwindigkeit hab hören sagen / mit fechten / meinend sie mög im in gantzem Lisabona niemant verglichen / Den stein hat er bisshar allensamen vorgestossen / keiner under allen übertrifft in mit ringen / das springen gath im gantz wol von statt / im ballen spiel / ist er gar ein Rabi / Darumb mir gar nit zweiflet / er sey im schlagen / unnd scharmützlen / auch nit faul / Wann ich dann meint / ich wolt in schlagen / so hett er mich schon getroffen.» Da sagt sein freundt / «Wann dir dann diser weg nit gefallen wil / mûß man einen andren für die hand nemen. Thû im also / Der Spanier gath nachts vil malen aus / mit seinen freunden essen / [53] als dann wöllendt wir ein par Riffiener gewinnen / die nemen gelt / bringen dir von im was du begerst / es sey ein hand / ein fûß / ein schenckel / arm / oder den kopff/ ye dann darnach du inen lonest / dar‹Hr = xxv›nach arbeiten sie dir.» Darauff antwort diser / «Der rhatschlag würt mir endich anzûnemen sein / dann ich mein gelt lieber wil lassen kriegen / dann solt ich darob zû trümmeren gohn.» Also bedachten sie sich nit lang / machten ir practick / und erfûren / das ein mechtig schiff mit kaufleuten / und kostlicher wahr kumen was / Da wußten sie schon gewiss / das Richart bey inen das nachtmal essen würd / sie fúgten sich zu zweyen schantbûben / und Riffieneren / mit den selbigen wurden sie eins / umb einen lohn / das sie den Richarten bey der selbigen nacht solten auff den todt wundtschlagen / oder gar umbringen / wie inen das am basten fúgen wolt / Das sie inen dann beiden samen in die händ geredten / darnach sind sie eylens gangen / haben ire schwerter gewetzt / ire bantzer hemder / und bucklier / zû weg gelegt / damit sie gegen abent sich nit lang dörfften rüsten. Der gût Richardus / wußt von solcher verreterey gar nicht / Es was aber sein alter brauch / das er nachts auff kein gassen ging / er hett sich dann wol under seine sichtbare kleider / mit bantzer (welches gantz rein was) angethon / Darzû hett er alle zeit etlich Pomerantzen bey im / so mit bley außgefült waren / dann er zûm theil geböglet worden was. Er nam urlaub von seinem schweher / schwiger und hausfrawen / ging zû den gûten herren in die herberg / deren er dann gar vil under inen sehr wol kant / Diss alles hetten seine widersecher eben war genumen / wartetten im gar fleissig uff den dienst. Als nûn die gûten herren in der herberg gessen hetten / belanget sie einmal an gûte rhû / dann sie lang uff dem Meer gefaren waren / unnd yetzund des so wassers gantz múd und matt. Das wußten die andren gûten herren / ‹Hv› Derhalben sie urlop von ihn namen / und zug ein yetlicher heim in sein behausung.
 
[54]

      [ XIV. Capitel. ]

      Ein reicher goldschmit / so sein handel mit berlin und
      kostlichem edlem gestein fúret / kumpt Reicharten
      zû hilff/ dann im die vier gar überlegen
      waren / Die beyden Riffiener bleiben todt.


      AUff disen nachtimbis / was auch bey gedachter geselschafft gewesen ein junger mann ein goldschmit / welcher einen schweren unnd grossen handel fûrt / mit edlem gestein / und den allerkostlichsten Orientischen berlin / Darumb er dann gar wol bekant was / under den kaufleuten / so aus ferren landen waren / der sass nit gar weit von herr Roberten haus / darumb dann beide gûten herren / Reichart und der goldschmidt / eines wegs heim giengen / sie hetten beidsamen / ire jungen mit zweien wintliechtern bey ihn / Dar vor die erbar geselschafit / nicht zû schwert kumen künden. Also schlichen sie so lang hinach / bis der goltschmit urlaub von herr Reicharten nam / und schlos sein haus auff / gieng mit seinem jungen hinein. Bald waren die schälck all vier mit gewerter hand ob dem gûten jungen herren / das er gar kein flucht wußt / Auff dletst / riss er sich mit gantzem gwalt von in aus / erwischet seiner pomerantzen eine / warff damit den einen Riffiener an sein schlaff/ das er tod nider zû der erden sanck. Reichart schre sie an / und sagt / «Ihr verzweifleten bößwicht / was ansprach habt ir an mich unschuldigen / es ist mir doch keiner under euch allen bekant.» Nûn (Hijr = xxvj) waren sie noch so nahend bey des goltschmits haus / das er alle wort von Reicharten vernemen mocht / so erkant er ihn auch an seiner red / Er hies eylents ein wintliecht oder zwei anzünden / nam sein gût schwert von der wand / damit zu seinem haus hinaus / und [55] sprach herr Reicharten mannlichen zû und sagt / «Lieber herr / sind manlich / und unerschrocken / ich will uff dise nacht / mein leib und leben bey euch lassen / wir beid wend diser dreyer schälck wol mechtig sein» /Von disen trostlichen werten / die drey grossen schrecken empfiengen / Richart der hett erst noch mer mannes mût überkumen / zuckert die ander kugel / und fasset einen solchen starcken wurff / das den andren Riffiener sein pantzer gar nit gehelffen mocht / sunder mûst den tod an der pomerantzen fressen / wie dann sein gesel an der anderen gethon het. Da diss die zwen gewar wurden / understunden sie die flucht zû geben / Der goltschmit aber eylet hinach / und in der flucht wundet er Richarten find gar hart. Also haben sie die Riffiener uff der gassen ligen lassen / welchen das blût zûm mund / ohren / und nasen auß lieff. Der goldschmit ist mit herr Reicharten zû haus gangen / haben gar manigerley von diser sachen / wohar das kumen möcht / berhatschlaget / aber den rechten zweck nicht treffen künden / Also miteinander der sachen eins worden / das sie den künfftigen morgen in alle balbierer / und scherheuser gon wolten / und erforschen / was sie in der nacht für wunder leut verbunden hetten. Zû letst name der goltschmit urlop / und gieng mit seinem diener zû haus. Es war aber der alt herr und fraw schon zû beth gangen / wußten gar nichts umb dise sachen / desgleichen auch die jung fraw / dann sie versahend sich nit / ‹ Hijv› das Reichart so zeitlich zû haus keme / und was gar niemants mer / so auff in wartet vorhanden / wann das gesind im haus. Also gieng Reichart auch zû beth / befalh dem hausgesind fewr und liecht / zû verwaren. Er sagt seiner Cassandra auch gar nicht von dem lerman / damit er sie nit angsthafft machet / und erschreckte. Des nachts gedacht er gar manigerley / und sunderlich an den goldschmit / der im so trostlich zûgesprungen was / besan sich offt womit er im doch semliche gûtthat möcht vergelten / und nam im entlich für / dieweil im Gott sein leben günnet / das er in für einen brûder und freundt / ansprechen wolt / so waren sie beide fast in einem alter / zwen frölich jung kerle / mit [56] allerhand sprachen gefaßt / Reichart was lang im land zû Meissen / bey einem herren gewesen / da er dann sein zierlich gût teutsch gelernt het / so het Lasarus der goltschmit / Teutschland allenthalben ausgewandert / und sein handwerck gearbeit / es kund auch Robertus / sein weib / und alles gesind im haus / gût Niderlendisch / oder Brobendisch teutsch / dann er von Antdorff dahin gezogen was / alles gesind knecht und mägt mitbracht.
 

      [ XV. Capitel. ]

      Lasarus und Reichart / kumen
      morgens auff die spûr.


      LAsarus der goldschmidt / alsbald er des morgens auffgestanden / unnd sich angethon hett / ist er den nächsten zû Reicharten gangen / Die zwen Riffiener / aber sind noch also in iren pantzeren angethon / uff der strassen gelegen / umb sie ist ein grosse menge des volcks gestanden / die dann gemeinlich dise bösen und ‹Hiijr = xxvij›verwegenen bûben / gekant haben / auch darneben wol ermessen künden / das sie auff semliche abentheur / umbgangen sind. Lasarus hat sich auch hinzû gestelt / damit er doch von dem volck eines jeden rhatschlag und meinung vernemen möcht. Da aber ist nicht anders gesagt worden / dann das in beiden ir verdienter und bescherter lohn worden sey. Als nûn Lasarus zû Richarten kumen ist / hat er im einen gûten morgen gewünscht / haben ein ander zû beiden theilen früntlich gegrúßt / demnach mit einander hingezogen / von einem scherhaus zû dem andern. Und als sie yetzund in das fünfft scherhaus / oder balbierers haus kumen sind / haben sie den jungen / welcher den Riffienern den lohn gegeben / den Richarten umb zû bringen / funden / Er lag dort uff der gautschen / gar uff den todt verwundt. Als bald er [57] nun den Lasarum (welcher in also verwundet het) ersahe / sind im die wunden so hefftig wider angangen blûten / das im der balbierer die in keinen weg mehr hat künden stellen / Unnd er auch an ihm selb wol befand / das sein sach nit mehr sein würd / hat er angefangen Richarten gar früntlich bitten / ihm zû verzeihen / dieweil er ihm on alle schuld findtschafft getragen / und also bey nächtlicher weil auff in gewartet mit einem anhang / deren dann zwen hindurch weren / So gedecht er wol / seinen leisten tag auch schon gelebt haben. Richart bat in gar früntlich / das er ihm doch die ursach seiner feindtschafft anzeigen wolt dieweil er in doch mit wissen nie erkant het. Da sagt er «für war / so hab ich nie begert / das euch solt ein har geschworen haben / binn aber ewerem schweher von gantzem meinem hertzen feindt gewesen / und die selbige feindtschafft / so ‹Hiijv› ich ihm getragen / understanden an euch zû rechen / Das blat aber hatt sich umbgewendt / dann ich bin der die grûben getolben hat / und zû dem ersten hinein gefallen.» Also fieng er an gar schwach zû werden / so das er gar nicht mer antworten noch reden kund / und ehe dann ein stund vergon thet / ist er gäntzlich verscheiden. Die zwen aber sind miteinander rhätig worden / den vierden auch zû erfaren. Als sie aber lang hinach getast / hand sie erfaren / das er darvon gewesen ist. Also haben sie solche sach / der Oberkeit / so darzû verordnet gewesen / angezeiget. Als aber die selbig verstanden / das nit mer dann noch einer in leben / und aber hin und weg sey / haben sie die zwen Riffiener dem nachrichter bevolhen / das er sie hinaus an das hochgericht schleiffen solt / und vergraben. Reicharten aber und Lasarum haben sie heissen zû haus gehn / und frölichen sein / Darbey bevolhen / wann inen mer semlich Sachen begegnen / das sie gleicher gestalt handlen wöllen / wie dissmals. Also sind sie miteinander gangen zû dem alten Roberto / dem habend sie alle verloffnen Sachen erzalt / Dabey den jungen / so dise practic angericht / zû erkennen geben / Von stundan hatt der alt gemerckt / wohar der neid erwachsen.