BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Ulrich von Liechtenstein

ca. 1200 -1275

 

Vrowen dienst

 

1255

 

Kindheit und Jugendzeit

Aufenthalt beim Markgrafen Heinrich von Österreich

Turnierfahrt und Ritterschlag. Lob seiner frouwe

(Strophe 8 - 45)

 

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8

Dô ich ein cleinez kindel was,

dô hôrt ich ofte, daz man las,

und hôrt ouch die wîsen sagen,

daz niemen wol bî sînen tagen

5

erwerben möhte werdecheit,

wan der ze dienest wær bereit

guoten wîben sunder wanc:

die heten hôhen habedanc.

 

9

Die wîsen hôrt ich sprechen sô,

daz niemen wære rehte frô

noch in der werlte wolgemuot,

wan der ein reine vrowen guot,

5

diu wol von tugenden hiez ein wîp,

hete liep als sîn selbes lîp:

daz heten alle die getân,

die gern êre wolden hân.

 

10

Dô ich daz hôrt, ich was ein kint

und tump, als noch die jungen sint,

so tump, daz ich die gerten reit;

und gedâht doch in der tumpheit:

5

«sît daz die reinen süezen wîp

sô hôhe tiurent mannes lîp,

sô wil ich dienen immer mê

den vrowen, swie so ẹz mir ergê.

 

11

Lîp, guot, muot und dar zu daz leben

wil ich den vrowen allez geben

und dienen, als ich beste kan.

und wird ich immer zẹ einem man,

5

mîn dienst muoz an in geligen,

dâ mit verderben oder gesigen:

ich wil in immer dienend sîn.»

sus riet mir daz herze mîn.

 

12

In den gedanken, daz ist wâr,

wuohs ich unz in daz zwelfte jâr,

ich gedâhte her, ich gedâhte hin

nâch mînes jungen herzen sin.

5

mit vrâge fuor ich durch diu lant,

swâ iemen werde vrowen vant,

der site, der lîp, der muot, der tugent

erfuor ich gar in mîner jugent.

 

13

Swer lop von guoten wîben sprach,

dem sleich ich allez smilend nâch;

ir lop daz tet mir alsô wol,

daz ich dâ von wart vreuden vol.

5

mir tet vil manic wîser munt

ir lop und ouch ir ere kunt:

sie lobten jene, sie lobten die,

sie lobten dort, sie lobten hie.

 

14

Ir aller lobes vernam ich vil:

von einer ich doch sagen wil.

der lop was in die hœhe komen;

ir lop sich heten an genomen

5

die besten gar über elliu lant.

swem rehte wart ir tugent bekant,

und kunde der iht tugende spehen,

der muost ir hoher tugende jehen.

 

15

Si was zer besten ûz erkorn,

si was von hôher art geborn,

sî was schœne, sî was guot,

sî was reiniclîch gemuot,

5

sî was kiusche, senfte gar,

sî was minneclîch gevar:

von ir vil tugende wart vernomen:

si was an tugenden gar volcomen.

 

16

Man lobt si hôhe, daz was reht.

ich was der selben vrowen kneht

vil nâch unz in daz fünfte jâr;

daz ich iu sage, daz ist wâr.

5

mîn ougen kunden nie ersehen

an ir unwîpheit noch erspehen,

si was ouch zẹ allen zîten guot,

in wîbes zühten wol gemuot.

 

17

Dô sprach mîn herze wider mich:

«guot vriunt, geselle, wil du dich

für eigen einer vrowen geben

und ir ze dienest immer leben,

5

daz sol disiu vrowe sîn:

daz rât ich ûf die triwe mîn;

diu ist gar allez wandels vrî:

der sül wir sîn mit triwen bî.»

 

18

«Ich volge dir, herze, swes du wil.

doch ist uns beiden gar ze vil,

daz wir ir dienen umb den solt,

den man von guoten wîben holt.

5

jâ ist diu guote vrowe mîn

vil hôher denn wir beidiu sîn,

si ist ze hôhẹ gar uns geborn:

des mac der dienst werden vlorn.»

 

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