BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Konrad von Megenberg

1309 - 1374

 

 

Buch der Natur

 

I. Von dem Menschen

in seiner gemainen Natur.

 

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35.

Von der gallen.

 

Diu gall ist haiz und trucken und feureinr nâtûr. daz ist als vil gesprochen, daz diu gall die kraft hât, daz si hitzt und trückent reht sam ain feur, und dar umb hât si got der lebern zuo gesellt, daz si ir helf kochen daz ezzen, daz ir gesant wirt von dem magen. der gallen aigenkait ist unstætichait, tobung, behendichait, scherpfen der sinn, newvindichait, gedürstichait, hôhvart, gir, unkäusch, gedæhtnüss, snell antwürt, und ganz der leib des menschen, der ain grôz gallen hât, ist hitzig und trucken. Plinius der spricht, daz etsleich leut niht gallen haben (iedoch vinde man ir wênich) und daz si lang leben und lange stark sein. Aristotiles spricht, daz etleich leut ir gallen haben gesetzt von der lebern, und die sint sänftiger von nâtûr wan die ir gallen habent pei der lebern. iedoch gewonhait verändert vil der nâtûr an dem menschen zuo guotem oder zuo pœsem, und dar umb list man, daz ein alter maister von der nâtûr frâgt ainen andern grôzen maister in nâtürleichen dingen und sprach «sag mir, waz menschleicher nâtûr hab ich an mir.» dô antwurt im der grôz maister und sprach «ich hân kainen pœsern noch scherpfern menschen gesehen von nâtûr wann dich und hân kainen pezzern gesehen von üebung der tugend und von gewonhait guoter siten wann dich. ich hân auch kainen menschen nie gesehen, der pœsleicher geschickt wær zuo kunst und zuo weishait wann dû, und der durchsihticleicher und behendicleicher alliu dinch durchbrüeft mit fleiziger arbait und auch mit ämzigem betrahten wann dû.» dar umb ist der spruch wâr, der dâ spricht: diu gewonhait ist ain wechslerin der nâtûr. Aristotiles spricht, daz ain iegleich tier, daz niht gallen hab, lang leb, als der helfant, der hirz, daz kamel, der delphin oder daz merswein.