BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Konrad von Megenberg

1309 - 1374

 

 

Buch der Natur

 

II. Von den himeln und

von den siben planêten.

 

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5.

Von dem morgenstern.

 

Der fünft planêt haizt Venus ze latein und haizt ze däutsch der morgenstern, wenn er des morgens aufgêt vor der sunnen, oder haizt der mettenstern dar umb, daz er ze mettenzeit gar mit klârem lieht durch die wolken her prehet. er haizt auch der âbentstern, wenne er des âbendes auf gêt nâch der sunnen underganch, und haizt auch dann der tierstern, dar umb, daz diu wilden tier dann her für gênt auz den wälden und auz den hölrn und ir waid dann suochent, diu des tages niht her für getorsten. er haizt auch der minnenstern dar umb, daz er seineu kint, ez sei fraw oder man, minnenzæm macht, und dar umb haizent die hofierer der minnen götinne Venus. daz ist des êrsten von dem stern genommen. dar umb spricht manger: Venus, hilf auz! der niht waiz, waz Venus ist. er haizt auch ze latein Lucifer, daz ist ze däutsch liehttrager, dar umb, daz er ain minnecleichez lieht pringt, daz ain iegleich herz gefräwet, daz in eben an siht. der stern volpringt seinen lauf in dreinhundert tagen und in ahtundvierzig tagen, vil nâch geleich der sunnen. der stern hât aht edel aigenchait. diu êrst ist, daz er ain schœn lieht tregt. diu ander, daz er taw pringt. diu dritt, daz er von seinem schœnen lieht der menschen herz gefräwet, die in an sehent. diu vierd ist, daz er wacht, daz ist, daz er wachend macht und die läut aufstênt gegen dem tag. diu fünft ist, daz er zimleich ist und lustig an ze sehen. diu sehst ist, daz er vor der sunnen aufgêt des morgens. diu sibent ist, daz er dem mônen volgt in seinem scheingeprechen, wenn der môn von der sunnen hindan kümpt für den morgenstern. diu aht ist, daz er in dem winter scheint und in dem sumer niht scheint des morgens. Pei dem morgenstern verstên wir ainen iegleichen hailigen lêrer, der den läuten daz gotswort vorsagt und dar nâch würket und lebt. der hât die aht aigenchait an im. des êrsten tregt er ain schœn lieht, dar umb spricht unser herre zuo seinen zwelfboten und allen seinen jungern: ir seit ain lieht der werlt, und spricht auch zuo in: ewer werk diu sülnt scheinen, und mêr spricht er: prinnend läuhter sülnt sein in ewern henden. dar umb sint die hailigen lêrer läuhtend an in selber mit allen tugenden. diu ander aigenchait ist, daz si taw pringent mit dem hailigen gotswort, daz tawet in die andæhtigen herzen und pringt dar inne pluomen und früht der êwigen sælichait. dar umb spricht sanctus Gregorius: daz vinster wazzer in den wolken des luftes ist diu vinster kunst in den sprüchen der weissagen. diu dritt aigenchait ist, daz die hailigen lêrer mit irm schœnem lieht, daz ist mit irm rainen leumund und mit irm êrhaften wandel frô machent den, der dâ sitzet in der vinster der sünden und der tôrhait. diu vierd ist, daz si wachent alle stunt gegen gotes vorht. dar umb spricht unser herre: sælig ist der kneht, den sein herre wachend vindet, wenn er zuo ime kümpt. diu fünft ist, daz er lustig ist an ze sehen ain iegleich hailiger lêrer von menschleicher vernunft, wann er plüet herzecleichen schôn in tugenden und in werken reht als ain wolgeladen mandelpaum in dem maien. diu sehst ist, daz er vor der sunnen aufgêt, wann ain iegleich hailiger lêrer gêt vor der götleichen sunnen der obristen gerehtikait reht sam ain ritter vor seinem herren, der seins herren veint tœtt mit ainem zwischarpfen swert, daz ist, daz die hailigen lêrer die menschen tœtent in werltleichen werken und si lebendig machent in got. diu sibent ist, daz der hailig lêrer dem mônen volget in seinem scheingeprechen, daz ist, daz er mitleidend ist der christenhait in irer krankhait, dar umb spricht sant Paulus: wer siht und ich niht sihe? diu aht ist, daz der hailig lêrer in dem winter scheint und in dem sumer niht, daz ist: in den leiden durch gotes willen scheint er mit der hitz des starken götleichen gelauben und der selb schein ist oft verporgen gegen den läuten, wenne die hailigen lêrer in gemach sint ân anvehtung.