BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Konrad von Megenberg

1309 - 1374

 

 

Buch der Natur

 

III. HIR HEBT AN DAZ DRITT

STÜCK DES PUOCHS

VON DEN TIERN

IN AINER GEMAIN

 

B. VON DEM GEFÜGEL

IN AINER GEMAIN

 

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22.

Von der tauben.

 

Columba haizt ain taub. daz ist gar ain sänftig vogel. diu taub reizt niht noch grimmt mit irm snabel und ist ân gallen, sam Beda spricht. aber Aristotiles spricht, si hab ain gallen, doch niht an der stat, dâ si andreu tier haben, wan si hab die gallen in ainem ingwaid. dar umb widerspricht Aristotiles niht dem, daz Beda spricht, wan Beda maint, diu taub hab kain gallen an der stat, dâ si andreu tier habent; sô maint Aristotiles, si hab si anderswâ. diu taub enzünt ir lieb mit snäbeln sam die menschen mit küssen. die tauben fliegent scharot und schadent niemant. si lebt des tôten niht, wan si izt neur korn und getraid. si waint für ir singen. si fuort vremdeu kindel. diu taub pringt ir gesiht neunstunt wider. si nist hôch, sam Jacobus und Beda sprechent, dâ kain tier si berüeren mag. alsô schol unser wonung in dem hôhen himel sein. diu taub ruot gar gern pei dem wazzer, dar umb, daz si den durst lesch und daz si des habichs schaten in dem wazzer vor seh, ê er si begreif. Isidorus spricht, ez sei ain paum pei der sunnen aufganch, der haizt kriechisch peridixi?n und ze latein circa dextram, daz haizt ze däutsch pei der rehten hant. des paumes fruht ist süez. der begert diu taub wunderleichen vast, und der paum behüett die tauben mit seinen esten und mit seinem schaten, und in den selben landen sint ainrlai trachen, die den tauben lâg setzent, und die trachen hazzent den vor genanten paum von nâtûr alsô sêr, daz si seinen schaten fürhtent. wenn nu die tauben auf dem paum sitzent, sô sitzt der trach verr her dan und lâgt, ob kain taub auz dem paum vlieg, daz er si vâh. ist auch, daz des paumes schat zder rehten hant ist, sô setzet sich der trach zder tenken. ist aber der schat zder tenken, sô setzet er sich zder rehten. pei den trachen verstê die pœsen gaist und pei den tauben die geläubigen sêl, pei dem paum unsers herren kräuz, under des rehten arm stêt unser liebiu frawe gotes muoter. pei des paumes schaten verstê daz zaichen des hailigen kräuzes, daz wir für uns tuon mit rehtem gelauben, wan daz vliehent die pœsen gaist. Aristotiles spricht, daz die tauben gar stæt sein mit ir unkäusch, alsô daz si ir ê niht zeprechent. si habent auch die art, daz si in ain gemain haus suochent, und daz liebt in. daz selb haus lâzent si niht leiht, ez sei dann ain käuscheu taub oder ain witib, diu selb fleuht die andern. die tauben gepernt alle zeit zwai täubel, des êrsten ainen er und dar nâch an dem dritten tag ain si. si prüetent auch paideu, er und si, in zwain zeiten; wan diu si prüett nâch mittem tag unz ze metten zeit, dar nâch prüett der er die andern zeit, und an dem ahzênden tag beleibt er hie auzen. die tauben habent auch die art, wenn si ain irrvliegend tauben vindent, die nement si in ir gesellschaft. si habent auch die art, daz si stainl ezzent, dar umb, daz si des magen hitz sänftigen, wann si sint gar haizer nâtûr. wenn si mit enander vehtent, sô zestraubent si ir federn und allermaist auf den hälsen. si habent gar prinnenden und hitzigen mist, den werfent si auz irn nesten und lêrent auch ireu kint den mist auzwerfen. wer pluot nimt auz dem rehten flügel der tauben unden oder auz dem rehten flügel unden der swalben oder der turteltauben und daz in die vinstern augen legt, der wirt gesunt, wann daz pluot ist scharpf und hât die kraft, daz ez die diken materi zesträut und verzert. der taubhai wirft seineu gewahsen kint auz dem nest, aber ê er si her auzwerf, sô vogelt er si vor. diu taub wirt gar beswært, wenn si ir air gepirt, und ist daz si sich vertregt in dem gepern, sô wirt si pitterleich versêrt. die tauben habent die art under anderm gefügel, daz si ir häls niht auf hebent wenne si trinkent, unz si genuog habent getrunken. die jungen tauben sint aller pest und aller gesündischt in dem lenzen, sô man daz sumergetraid sæt, und in dem herbst, sô man daz wintergetraid sæt, dar umb, daz si danne neur des korns lebent. Plinius spricht, daz frischez taubenflaisch und swalbenflaisch zuo ainander gemischt und gemachet guot sei für die slangen. ez ist auch gewisleich wâr, daz etleich tauben die art habent, die nümmer gevogelt werdent und käusch beleibent. ez sint auch etleich, wenne si ir gemaheln verliesent, daz si witiben beleibent, und die vermeident auch gemaineu häuser der tauben, die ir gemahel habent, dâ von, daz si die ern niht unruoen, und fliehent von in und wonent in den wilden velsen. die tauben habent grôzen vleiz, wie si ir federn geslihten und gezieren und mit irm snabel stræln, und wenn si des beginnent, sô lâgt ir der spärwær allermaist und væht si danne und tœtt si. alsô lâget unser der pœs gaist, wenn wir unsern vleiz legen auf diser werlt gespenst und ir üppichait. ach herr, wie oft er mich gevangen hât, daz mich diu aller tugentleichst, diu schœnst, diu reichst, diu edelst, diu geweltigst all zeit hât erlœst auz seinen scharpfen klâen, wie daz sei, daz ich laider ir taub niht sei, sunder ich pin ein armer rab. nu hilf, edleu kaiserin, hilf mir und allen guoten freunden.