BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Clara Hätzlerin

um 1430 - 1476/77

 

 

Das Liederbuch

 

Bl. 288v-289v (I, 35)

 

____________________________________________________________

 

 

 

Das Hus geschirr

 

Ich waisz ain orden, darynn ist manigem also wee!

Er ist vil lüten wol erchannt vnd haiszt die Ee!

Der ist so pitter vnd so scharpff,

Wann man souil darzů bedarff.

5

Von huszgeschirre.

Wer arm in den orden chomt, der wirt wol yrre!

 

Wann er nun die schüssel hatt, so hatt er nicht

Ain schüsselkorb, ‹darzů› gehört, der ist entwicht,

Auch hatt er nicht ain pfannen.

10

So hebt sich greyn vnd zannen,

Wol löffelfůtter!

Im wär bas dahaym gewesn bey seiner můter!

 

Darnach hatt er weder můlter, noch den drogk,

‹Enspin› spindel, wav ist noch der garnrock?

15

Wav haspel, flachs, trogscherren?

Erst hebt sich greyn vnd kerren!

Das haben die armen,

Ir leben möcht ain hertten stain erparmen!

 

Dannocht hat er weder sëchter, noch die kübel,

20

Zistel, reyttern, das geuelt Im alles übel!

Auch hat er weder spis, noch roll,

Er mangelt holtz vnd leidet frost

Vor grossem, iammer;

In der stuben ist nicht vil, noch in der Cammer!

 

25

Auch so hatt er weder sib, noch die seck,

Gieszuas, angster, leuchter, trachter, noch kain peck!

Wav pewteluas, Ribeysen?

In der iugent musz er greisen

Vor pittern sorgen!

30

Was er dann heynnacht essen sol, das nem er dannocht morgen!

 

Krauttmesser, Saltzuas, rechen, hähel sind nit da!

Zuber, schapffen, häfen, gelten, macht In graw!

Wav misttrag vnd mistgabel?

Er kratzt sich über den nabel

35

‹Wav› armůte!

Von angsten schmiltzet in sein flaisch, als in ainer glůte!

 

Wann er nähper haben sol, hacken oder peyhel,

So hat er dört ainen schmid uber siben meyl.

Wav krauttuas, schärpret?

40

Ain strosack ist sein pett!

Wav keil vnd schlegel?

Vor angsten schwindet Im das flaisch bis vf die negel!

 

So er das veld nun pawen sol, so ist sorgen genůg

Vmb wagen, aytten, Egen, schlitten vnd den pflůg!

45

Wav kummat, geschirr vnd aftersil?

Wav ‹steickleder wid› echsz sil?

Wav nun der karre?

Strigel, wüschtůch, übergurt? macht In zu ainem narren!

 

In dem Stadel hat er weder fůtter, noch häw,

50

Häwsail, häwlaittern, Schwein, schauff, noch chain strö!

Wav sind ros, kelber, noch die Rinder?

In sirt das weib vnd wainen die kinder!

Diern vnd die knechte

Die claffen vil vnd tůnd selten mit triuen rechte!

 

55

Vor wasser vnd schnee hatt er grossen vngemach!

Wav sein negel, schindel, latten vff das tach?

Wav ofen, geswell vnd übertür?

Wav vensterprett vnd glas darfür?

Wav penck vnd tische?

60

Sein speis ist mangel vnd not vnd selten vische!

 

Hatt er nit ain aigen hus, so můsz er vil

Vmbziehen leiden hin vnd her, ist herttes spil!

Er můsz zu fremder herberg sein,

Schier vsz, schier ein,

65

Mit misseuallen!

Maniger treibt vsz Im gespött vnd üppigs kallen!