BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Clara Hätzlerin

um 1430 - 1476/77

 

 

Das Liederbuch

 

Bl. 292v-293r (I, 40)

 

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Mynneclicher, vszerwelter,

Hertzen trautt, noch bas gestelter,

W‹eib› von leib ich ye gesach!

In eren vnd in tugent glimpffig,

5

Hübsch, kurtz weilig vnd schimpffig,

Mündlin rott, lieplichn sprach!

Wann ich hort

Hie vnd dort

Ir gedencken vmb ain wort,

10

Mengclich ir gůtz veriach!

 

Das hat mir mein hertz verwendt,

Das es sein täglich sich sënt.

Von mir zu ir stätt mein gedenck,

Es will seinen willen havn,

15

Mich durch lieb laids nit erlavn,

Lieb ist ‹nu›r laides anefangk.

So mir kunt

Wurd ain stunt,

Die sy mir ir lieb nit gunt,

20

Bedunckt mich tusent wochen langk.

 

Wolgemůt by schwartzer varb

Den trag ich, vnd doch fräden darb,

Bis ich der zarten hult erpitt.

Augentrost steckt sy hinbey,

25

Das plömlin nennt, spricht vnd es sey,

In ire‹m› hertzen acht sein nit.

O eren saft,

Meins hertzen crafft,

Hat meidn dich durch senen behaft?

30

Das schafft alles ir weiplich sitt!

 

Ich far dahin vnd pleib doch hie;

Zu letz so wisz, was oder wie

Ich zarten dien, das main ich dir,

Mit mein gesellen, die erkor‹n›

35

Ich mir hab in Esels oren,

Vnd zweifel nicht, wie In vnd mir

Gelimpffes fůg

Erschein so krieg,

Damit beschech dem orden genůg,

40

Ich schlach nit ab meins hertzen gir.