BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Clara Hätzlerin

um 1430 - 1476/77

 

 

Das Liederbuch

 

Bl. 315r-315v (I, 87)

 

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Ich gedenck an sy on abe lavn

Tag vnd nacht, zu aller zeitt.

Mein hertz das wirt ir nymmer on,

 

So es Im aller herttest leitt.

5

Sy chommt mir in dem schlauffe für,

Wie ich an sich iren lieplichen schein,

Dabey ich sicherlich wol spür,

Das ich on sy nit mag gesein.

 

Vor grossen fräden ich erschrick,

10

So ich erwach vsz lieben plick,

Dann so ist mir fräde tewr,

Doch koment mir gedenck zu stewr.

 

Ymm schlauff mir fräden nicht geprist

Vnd hab, was ich allda begere.

15

Wann ich erwach vnd nichtz nit ist,

Vnd ich ir aber můsz emper‹n›,

So ligt es mir an fräden hertt

Vnd gedenck in dem synne mein:

Ach hett der travm lenger gewert,

20

Seid es nit pesser mag gesein!

 

Von ir ain travmb mir senfter tůt,

Dann von aller welt ain sehen;

Mein triu ist ir mit stättem můt,

Vnd möcht mir liebers nit beschehen,

25

Dann das sy hett den willen mein

Für augen gar in stätter gir

Vnd lobt mit gantzen triuen dir.