BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Clara Hätzlerin

um 1430 - 1476/77

 

 

Das Liederbuch

 

Bl. 332r-333r (I, 113)

 

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Der May vnd auch die sumer zeitt,

Die aller welt vil fräden geitt,

Die ist mir laider heẅr on nutz vergangen.

 

Fertt hett ich verdinget mich

5

Zu ainer frawen mynneclich,

Nach der so tett mein hertz gar ser belangen.

 

Wes sy ze dienst von mir begert,

Des ist sy williclich gewert.

Sy spricht, ich sey ir heẅr, als fert

10

Gar vnuerchert,

Vnd hat mir gen dem winter vrlaub geben.

 

Ich sprach: traut fraw, es fügt mir nit!

Sy sprach: gesell, es ist der sitt,

Ich hab nit me‹r› ze widen, noch ze schneiden.

 

15

Ich sprach: fraw, wölt irs nit empern,

Ich will eüch den wintter treschen gern

Vnd will darumb chain gavb von eüch begern.

 

Sy sprach: ich hab dich wol vernomen,

Ich traw, ains andern wol bechomen,

20

Der mir nun trischt, was ich ze treschen habe.

 

Ich batt mit ynneclichem laid,

Das sy ansäch ir wirdikait

Vnd liesz mich disen winter bey ir sitzen,

 

Bis das vergi‹e›ng der keltin pein.

25

Sy sprach: gesell, es mag nit sein,

Das ich dich lasz daheim bey mir erschwitzen.

 

Ich sprach: zart fraw, es statt nit wol,

Das ich es von eüch sagen sol!

Sy sprach: hast sorg, ich traw, es wol erleiden!

 

30

Ich sprach: trautt fraw, was hilfft eüch das,

Da ich eüch nit gar eben was,

Das ir mich namt ze dienst on als verdriessen?

 

Sy sprach: du machst der red ze vil,

Du hörst wol, das ich dein nit wil,

35

Dienst du mir lang, du mach‹t› sein wol engeltn!

 

Ich sprach: trautt fraw, ist das eẅr syn,

So gesegen eüch got, ich far dahin.

Wiewol ich des hab chain gewyn,

So ich es bin,

40

So müsz mein hertz gar frisch in hochen früden schweben.

 

Sy sprach: far hin, mein lieber knecht,

Nun wig es ring, es wirt wol schlecht,

Lasz dir das laid dein haubt auch nit zerprechen!

 

Der knab der sprach: geren ich das tů!

45

Bei dem knye so pind ichs zů,

Das es mir in das hertz nit mag geschlagen!

 

Sy lacht vnd sprach: hab ymer danck!

Gehab dich wol, das Jar ist langk!

Du sichst gar wol, der lon ist kranck,

50

Gar vnder fanck,

Bewar dich bas dahindn vnd da neben!

 

Ich fragt das mynnecliche weib:

Wan ich den winter nun vertreib,

Ob ich den sumer zu ir solte fragen?

 

55

Sy antwurt durch ir weiplich zůcht:

Wann du den winter hast versůcht,

Darnach chomt vns die vasenacht,

So wirt ainer andern lieb gedacht

Über nacht.

60

Ich wolt du fundest gelück in ainem kreben!