BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Minnereden

1300 - 1500

 

Minnereden

 

Quelle:

Cod. Pal. germ. 313

(Die Blattangaben führen jeweils zu den

Originalseiten der Heidelberger Handschrift)

 

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3.

Fröschel von Leidnitz, Belauschtes Liebesgespräch

 

[343v]

Ich kam heimlich an ein stat

da lieb und lieb zu samen drat

gar dugentlich zu einander komen.

ich han sitt und vor nit vernomen

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so usserwelt sues wort

als ich da von inbeden hort.

er sprach: «fraw, got sol uch grüssen!

uwern zucker mund so süssen

dem wonsch ich heil zu eym nuwen jar,

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das im glueck wider far

unnd dusent gutter wochen!»

do wart vonn ir gesprochen

ein lieblich dancken wider yn:

«nun lön dir der allen syn

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mit wißheit kann ernuewen;

ob du mich meinst mit druwen,

got geb dir was din hercz begert!»

er sprach: «fraw, wurd ich gewert,

so meyn ich uch zulon

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fur aller keyser cron

unnd alles das ich ye bekant;

[344r]

und stunden all rich in myner hand,

ee ich mich von uch scheiden wolt,

von Arabi das edel golt

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unnd leg das als umb uch bestrewt,

dasselb mich nit so ser frewt

als uwer usserwelt angesicht.

kein besser frewd west ich nicht,

unnd wer ich in dem paradis.»

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sie sprach: «drutt gesell, in welcher wiß

woltestu mich in herczen habenn?

darumb wolt ich dich gern fragen.»

da antwort er der güten,

er sprach: «dorst ich uech an muten

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uwer usserwelt sues mynn,

das ir wert myner frewd ein beheltryn,

zart fraw, das sech ich gern.

ich wolt alczit uwer eern

mit ganczer stett ein hueter sin,

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unnd weren alczit gwaltig myn

zu thun unnd zu lassen.

auch wolt ich mich des massen

was uch und mir nit wol gefelt.

dar zu hann ich uch usserwelt,

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das ir uch min sulnt underwinden.»

«ich will mich nit verbinden»,

rett sie gar dugentlich herwider,

«du zimerst hoch, es ging licht nyder.

gesell, dret ich dann uff din gerüst,

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din gewin wer licht myn verlust.

du kauffest gern, fundstu feyl.

[344v]

gut gesell, such anderswo din heil,

du bist an mir gancz gesumpt.

las dir sin als hett dir draumpt.»

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er sprach: «ich bin gebunden und gefangen.

die wund muß ich heimlich dragen,

die sten offen unnd unverheilt.»

die wort wurden ym erteilt:

«du sprichst, din hercz ich hab versert;

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nun drag ich messer noch swert

und han weder armbrust noch bogen.

din selbs synn hann dich bedrogen,

ich bin gar unschuldig dran.»

er sprach: «fraw, ir czundt al an:

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all myn glider brynnen als salmander,

die hicz dent mich von ein ander,

ich glue als ein dracken kel.

hett ich eins koten lauff so schnel,

ich möcht mich darab ruempffen.

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fraw, ir kuement nit schimpffen,

ir wollent nit leschen an der czit.»

sie sprach: «sit es dir dan als hert lyt,

so spring in ein dieff wasser

unnd kom zu mir also nasser.

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ist dann das es nit helffen will,

so kan ich ander künsten vil,

das dir vonn hicz kein leyt geschicht.»

er sprach: «endraw, das wil ich nicht,

solt ich mich selb erdrencken.

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fraw, ir sond uch bas bedencken.»

sie sprach: «din wort sind gar gulden swer.

[345r]

west ich das din hercz inwendig wer

als gancz sam all glider,

als es der mundt wol kan reden,

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wie wol verging sich das uff der wag:

ein semlich wort das sich verkern mag.

und west ich das din drwe nit schlieff

und gebst mir des ein sichern brieff

und versicherst mir das mit viern,

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ob ich dich wurd verlirn,

das ich dan myn buergen man.»

er sprach: «fraw, was burgen wolt ir han?»

sie sprach: «babst, priester Johann,

keyser, konig, soldan:

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die vier soltu mir seczen,

so will ich dich ergeczen

was du leyds hast vonn mir.»

do rett er hin wider schir:

«wolten ir mich also versenden,

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ich forcht, ich muest enden,

so kem ich nymer me herwider,

mir wuechs dan ein gancz gefider.

darzu bedorfft ich wilder griffen flug,

ob ich die lannd herwider flug

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und brecht uch von in kuntschaft,

so wer myner frewden crafft

gancz unnd gar verswunden.

was burgen hand ir funden,

die mir so gar zu mechtig sind!

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gedenckt das ich sunst gnade find,

ich mag ir nit erlangen,

ich bin gebunden unnd gefanngen.»

sie sprach: «du hast hend,

[345v]

hilff dir selber von den.»

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sie waren hert zubeyden sytten.

er wolt ye nit lennger byten,

er sprach: «fraw, gewerent mich

das ir mir schuldig sint.»

sie sprach: «gib mir lenger zit.

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gen Josophatt uff den juengsten dag,

da gott siczt unnd sin gericht hat,

do kum hin und clag mich an.

dir antwort ich, ich weis nit wan».

er sprach: «sicher ich kom dahin,

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wan ich uch wol als gehessig bin.

das erst das ich werd uch an sprechen,

das got von himel wöll an uch rechen

uewer goltvarb reyn loeck,

die gebonden sind in syden floeck,

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unnd uewer kynn und uewer kel

und uewer brustlin sinwel,

die durch das gewant herdringen,

die begynnen mir frewd zubringen.

erst vach ich an zu clagen

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ee ich uch bring zuschaden.»

sie sprach: «und woltest ghorsam stan,

ich wolt ein euglin lassen ueber gan

unnd kurczen dir die dag din.»

er sprach: «sendt hin, druw myn,

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das ich darueber nymer gefar.»

do bot sie im erst ein finger dar,

der im was erczoget lanng.

[346r]

mit wissen armen ein umbfang

ward ym da geschaffen.

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sin gluck hett nit geschlaffen.

der gesell fur hin unnd det das best,

in irem dinst was er vest,

was ir allerbast geviel

dar nach irs herczen gir.

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Man soll widerhaben

unnd nit ieglichen als bald gaben,

man wisß den wer eynr sy mit sitten.

man vindt gar vil die da bitten,

wil man sie alsbald gewern.

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ir werden frawen, hütent uwer ern,

so wirt uwer frewd gelibt;

der mynner stat nit beclibt.

des rat ich mit druwen wol,

als ein gut gesell von recht sol.

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Amen.