BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Minnereden

1300 - 1500

 

Minnereden

 

Quelle:

Cod. Pal. germ. 313

(Die Blattangaben führen jeweils zu den

Originalseiten der Heidelberger Handschrift)

 

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9.

Kaltenbach, Die Hundsfliegen

 

[406v]

Ich was an eyner vaß nacht,

do ward mir dies mer gesacht

unnd auch gefragt also ser

ob mir icht kund und wissend wer,

5

es wern hunds muecken komen

so gar mit eyner grossen summen.

ich lacht und het die red fuer mern

und wolt mich an die wort nit kern.

do sprach zu mir ein edelman:

[407r]

«ich will dich lassen das verstan.

mir sind der muecken vil gesendt

uß ferrem land, ich ward gepfendt

von in, das mir all frewd entsas.

ich kund mir nit gedencken bas

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und han sie furbas uß geschenckt;

gesell, und ob man myn gedenckt

in argem, so thu mich versprechen:

die daten mich so übel stechen,

unnd het ich sie nit hin gegeben,

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vorwar mir wer myn junges leben

in eynem jar hin genomen.

darumb so bin ich ir ab komen.»

er seit mir allerhand von in,

das ich aldo vernam den sin,

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unnd sprach: «er fuert ein hertes leben

an wem die hundsmucken cleben

unnd das sie werden ym gesendt.

durch sie wirt manch man gepfendt,

das von im wicht frewd und mut.

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verlur er erb und all sin gut,

den komer mocht man wol von im reissen.

wan in die hundsmucken bissen,

das ist ein solch gros pin

des glich uff erd nit mag gesin;

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ir bissen boeser ist dan gifft.

etlich sagen ingeschrifft:

was leid mag eynem man wider gon,

das thutt er wol von herczen lan

ja ußgenomen der muecken stechen,

[407v]

das thut im frewd und mut brechen.

ir gifft vil mengen macht thum,

das er sicht ueberczwerg unnd krum

unnd grymt wie ein wilder ber.

die zit kompt wol und das er wer

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by eynem keyser, man nit hort

von im ein gutlich wort.

glich wie die hunds mucken summen,

so gat er dag und nacht zubrumen

und sagt doch nyeman was im brist.

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es ward nye kein winters frist

so kalt, die mucken dannoch bliben.

kein riff, kein schne mag sie verdriben,

noch regen, wind mog in geschaden.

wer mit den muecken wirt beladen,

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der hatt ein solch angst unnd not,

im wer vil weger der bitter dott.

er lytt kalt, darzu heis,

er denckt dick und doch nit weis,

er blickt zu himel und zu erden.

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ja wem das sie gesendt werden,

der isset sin selbs hercz vor leid.»

Nun horent hie den underscheid

unnd merckent der materg sach:

manch man im schaffet ungemach,

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dem got beschert ein reins wip.

vor laster ist behutt ir lip,

sie ist mit worten dugenthafft

unnd fluecht doch bos geselschafft.

wie wol der man ir nit gedrwt,

[408r]

noch den fraw Ernn stras sie bawt,

unnd ee sie ir er wolt begeben,

sie geb villieber dar das leben.

das dut sie doch geniessen cleyn

gen irem man, die fraw reyn.

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er forcht, ein ander thue ir lieben.

wo sie ein augenblick dett schieben

ein gancz jar ein ander man,

er swur das er sie hett gehan.

so werden dann die muecken brumen

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mit stechen, fluchen unnd grumen,

unnd wirt ein grosser widersacz

do czwuschen den zweyen und ein hacz,

und darfs die fraw nit frolich zeihen.

er dutt sie drucken unnd deihen

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mit schnurren und mit ubel sehen,

das ir nit leider mag geschehen.

eym solchen man dem ist gegeben

ein bar bunczmuecken, merckent eben,

das sie in stechen unnd nagen,

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das er muß werden in kurczen dagen

als wer er achzig jar alt.

er verdenckt sich dick so manigvalt

das er wirt kranck in sinen synnen.

so mag er nymer ru gewynnen,

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die fraw auch dorren muß und bleichen.

er denckt: «unnd mochst du sie geleichen,

das du erfurst ir heimlich sach!»

so hatt er auch allzit unngemach,

unnd wolt die fraw im fruntlich sin,

[408v]

so grint er als ein wild schwin

unnd gibt ir ein ungehurn blick.

er spricht: «mir nit zu nah ruck,

e dir ein anders darnach gat.»

die fraw weis nit als umb die dat.

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ja, frawen forchten ist ein last

der swer ist unnd druckt vast!

ich sprich, er hat ein dumen mut

der siner frawen forchten dut.

es hilfft kein forcht an der frawen

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die selb ir er nit wil an schawen.

darumb, welch man der frawen sin

jo forcht, der volg der ler myn

unnd las die sorg von herczen schleichen;

und das er forchtet ewiglichen,

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will sie, so ist es als entwicht.

Der mich hies machen dies gedicht,

wer ich by im, ich wolt in fragen

das er mir solt die warheit sagen

ob im icht kundig wer und wissen

120

das yn die hunczmucken hetten gbissen,

unnd ob sie yn noch etwen stechen

und im sin hercz uff frewden brechen.

ja, wer nun hie die fraw sin,

die moecht wol kundig unnd schin

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das man die warheit mocht gehan.

ir frawen liessend wol verstan:

ob uch die hunczmuecken schaffent leid,

davon dan dies gedicht seid,

so wolt ich uwern mannen geben

[409r]

ein ler, das wer für sie gar eben,

zujar wan man hatt Martins spil.

die vaßnacht gar schier komen wil,

darumb so solt ir frölich wesenn!

wan so ein küw wil vesper lesen

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zu pfingsten uff eim kalten ys,

wem solch leid zuherczen reys,

vorwar unnd der muß drurig sin.

nun bringt her den kulen win

unnd gebt dem Kaltenbach zu drincken!

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gott well das er zu jar werd schencken

uch aber ein froelich nuew gedicht!

die hunczmuecken die sind uß gericht.

Amen.