BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Minnereden

1300 - 1500

 

Minnereden

 

Quelle:

Berliner Liederhandschrift mgf 922

(Berlin, Staatsbibliothek)

 

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30.

Die neun Zeichen der Minne

 

[34ra]

Ich lach in eyner morgen vroit,

da mich ombeloere der sorgen vloit

inde veryrret mich in gedencken.

mine sinne bestonden sich zuo sencken

5

up rechter mynnen underscheit,

so das ich nae was verleit

verre in grozze melancolie,

want ich hatte gehort partye

beide von mannen und von wyven.

10

der eyn wolde mynne also bescryven

das mynne versagen nit enkonde,

ja werit ouch Iaster, scande of zuende,

und ouch dat lyf dorch lief doin solde

weiz id von yme begerin wolde.

15

min hercz der reden zere verdroiz,

want sy warin dueechden bloiz.

min muent bestuent de wort ze straffin,

ich sprach: «waiffin, uommer waiffin!

wie sal mich diz machen wyz?

20

wistich eyneghen zo Parys

die mir die wairheit mucht erkleren,

des weges soldich mich cleinyrveren.»

Do mir veryrd alsus der zin,

[34rb]

von motheit slyef ich weder yn

25

und viel in eynen zueyssen droim.

mich ducht, ich zege eynen rosen boim

stoin mits in einem walde wilde,

da by von blueemen ein gevilde.

der boim was ho und wyt geleit,

30

rot was alsiner rosen cleit,

der blader duechten mich von golde.

doe ich de bas bescauwen wolde,

ich sach meysterlich boicstavin

beide gemalt und ouch gegravin,

35

in allen bladeren ghelasueyrt,

ghelicht, ghelencz und gepuoirt,

und stuent da suez gheschriven inne:

Venues, vrouwe unde coninghinne.

doe ich der blader vil gelas,

40

mir wert ain muode vil die bas.

ich sprach: «got, meister alre zachin,

wat al wonders chanstue machen!

we mach dyt sin? wat mach dit dueden

dat dese boom van allen luden

45

he steit in desme walde bysonder?

mich hat wonder over wonder

wan diz bome her comen sy.

licht waint Venues vroue hie by»

daicht ich tso der selber uren.

50

do bestont sich in mich muoren

zwyvel, vorten, swair gedanc.

cort gesacht, doe yet lanc

keirdich mich dan al indem wald.

doe sach ich wonnenclich gestalt

55

by mir stoin eynen blueyenden anger.

in kuende mir neit behalden langer,

in muste lophen da mit ylen.

me wan eynre halver milen

duecht mich dem anger lanch und wyt.

60

da spruengen bluemen weder stryt,

wys, gheil, rot ind manger leye,

want it was midten indem meye,

inde de vogellin sangen schone.

ich sach gelych des hymmels trone

65

in dem anger ein gezelt.

[34va]

ich wenen das ghenz keysarz gelt

das verzuegen nicht enkuonde

noch gheins minschen herczen vuonde

in muechten nummee vysiren

70

in wat wisen inde maniren

das pauluon ghemacht were.

da uem wil ich nemen kere

von dem gezelde ze reden voirt,

want allir kuenster zueueger woirt

75

in gheven eme nit vollen pryz;

want were dat ewyge paradyz

mit rychlicheit also behanghin,

so sold uns billich da na verlangen.

Do ich in desser vruoiden lach

80

und das gheczelt gar wal besach,

all uem und uem bestont ich gain,

of ich gein duer dar ain sege stayn.

so sach ich siczen dort alleyne

eyne meget tsairt und wandelz reyne,

85

formiert nach kunst und ouch nach kuere;

die sas vor des ghezelcz dure.

mit grosser sceimden trait ich fort,

ich sprach tso ir, doch zere verfoirt:

«goit grues uch, joncfroue zart und scone!»

90

zee sprach: «got gebe dir heil zo lone!»

ich sprach: «joncfroue, durstich waghin,

so sold ich uch gerne vraghin

weme dis gezelt hie sy gereit.»

do sprach die mait gair gemeit:

95

«vrouwe Venus wonit da bynnen

und leret da underscheit von mynnen,

und wey da czu keret sinen vlys,

die wirt da rechtser mynnen wys.»

ich sprach: «des sy got geloift!

100

das mir die zin sus hat gedoift,

das deit eine vrage de mich irt,

und das ist allez das mir weirt

das mir der nieman maichit vroit.»

doe sprach der maicht fyn inde goid:

105

«ich wil dich by min vrouwe leiden;

ich weis, zee sal dich wal bescheiden.»

sues nam zee mich mitter hant,

recht als ich ir were bekant,

[34vb]

und vuerte mich guetlich mit yr yn.

110

och hertse, moit und ouch der sin

worden da cze mal erscrecht,

want was der hymmel scoins bedecht

beide von mannen ind von vrouewen,

das mach men wal da binnen scouwen.

115

da sazzen heren, knechten, rytter,

dein minnen dicke was worden bitter.

wei da ain rechter mynnen miste,

dem Venues gueitlich des verwyste.

da sas manich ordlich, luetzelich wyf

120

und huelten manigen herten lyf

vonder minnen onderscheide,

beide von live und ouch von leide,

beide von czvivel und von hoiffin,

und wat leitz kuenne wencken proffin.

125

da sach ich ain eyne trone

vrouwe Venues zitsen alse scone,

behangen umb mit finem golde.

see zas, als sy rechte solde,

wal bewart mit scosse und brande.

130

ich wene das in gheyme lande

ie wart ghesien so zart eyn bilde,

noch got selbe ouch nie in silde

ein wyph in dueechden so bewart,

so fin, so rein und ouch zo zart.

135

ir scoinde der stirnen glans ercleerde.

do ich sy sach, ich mich erverde.

do sprach se mit gueitlichede:

«sage mir, geselle, und mich bescede:

wei hait dich her zo mir gesant?

140

ich sprach: «vrouewe, manich lant

hait duerch wandelt min beger,

bis mich heit got gewyset her.»

sy sprach: «nu sage mir was dir wirt.»

ich sprach: «ein wort ist das mich irt,

145

das ich horete einen paffen sagen:

das minne neit in sulde versagen.

das weder sprach ein selich wyf,

der ere was leif recht als ir lyf,

sy sprach: ‹en wil das nummer henghin

150

das man sule scande zo minnen mengin.›»

[35ra]

doe sprach die zart coninghinne:

«wiltu des gronts wal werden ynne,

ein hertz mueetz mit allen wysen,

saltue mit vlise dar zo spysen

155

das due behaltz was ich dir sage.

it duencket mich alder werelde clage

das man ain wiven sueche das

das minne verwandelt wirt in hais.

nu sitze und hoir ain verdryessen,

160

ich wil mit worden dir besleissen

nuein puont, da by das man sal mercken

rechte minne und all ir wercken.

die ierste drue uz herczen spriesent,

die ander drue uz munde vleissent,

165

die leste mirct men ainden wercken.

dese punt wil ich mit reten stercken,

die ich horde manigen meister leren.

mynne ist ein vont der hoher eren,

der zuechten rys, ain lasters este,

170

minne is allir duechden veste,

wal duerch bueit mit nuoin erkyeren

und ghetsiret mit nuoin bannyren;

dar steint nuein mynnen zeichen an.

see sint wyf off zee sint man,

175

so wie die veste beherden sal,

die mueis in duechden berch und dal

ain contryfeit die zeychen vueren.

Das yerste zeichen wil ich rueren,

das czweyer hertsin wille vereint.

180

wa lief sins leives ere meynt

als siner selfs erin beste,

unduecht und scande die zulen geste

alzyt indem zweyen willen blyven.

off wille muoist weder willen kiven

185

durch laster, die dar in vallen muchten,

die rechter minnen neit in duechten,

want rechte minne der zeden pliet, –

haint sich zwey leif irs muetz verghiet,

das ein wil scande, das ander duoecht,

190

so trect an sich der duechden vruoicht,

[35rb]

der scanden lat us scanden eyghin

.................

sich onduecht in duechden orden.

sues wirt ain wircken und ain worden

195

der zweyer wille vereint durch minne,

beide ain muoet und ouch ain sinne;

want ein meister kuonsten hoe

leirt ons in sinen buchen zoo:

gheware minne ain contryfeit

200

is zweyer willen endrachticheit

beide zo doin und ouch zo laissen.

Nu wil ich mich da czue sazzen

das ich dir dude das ander zeichen.

das ist wa lief lieve, doch ain smeichin,

205

guoist uz zyn herze sunder helin.

suelch heymelicheit chain wal verstelin

dem zweyer leiven hertzen und zinne.

want als leif ain leiven wirt inne

das id sin hertse gair ym uz oist,

210

so wirt leif von leven getroist

durch dem ghelove dem hee vint.

want gelove so starc verbint

zwey gheleive in eim ghespan

das ir ein neit doen inkan

215

des der ander nit inwilt.

sues wirt lief in leif ghebilt

durch das minnenclich verghyen.

das machmen andem wurden spien

die uns ein hoo leraer leirt

220

und sprychin sus, duoitsche ercleert:

mueit, sin, ghedanche und al din sorgen

und al din saichin onverborghen

sullen dime leiven blyven,

sal man dich steden minner scryven.

225

Das dridde zeichen heysit so:

ist ein lief gheboren hoo,

rych, gheweldich, edel, fry,

vuoicht eyme dan minne ein leifkyy

neit so von arde noch so rych,

230

so chan machen minne gelych

den leiven hertze, mueet und sin,

[35ra]

laissen, duen, ende unde beghin.

want so virstrycht wirt ir natuere

das tusschen edel unde gebuere,

235

tuesschen arm und rych

ein mircte minne ghein ungelych.

dar uem lert ein lerar sus,

die gheheyst Iherominus:

minne bint ghelych of macht gelych

240

czwey dee in duechden minnent sich,

want wa lief over lief wilt driven

hereit, da inmacht minne neit bliven.

ouech sprycht eins meisterscaft,

das zee der minnen herste craft

245

das minne hoo neder kan gelichen

und dem armen mittem rychin

vereint ain willen und ain muede,

ain herczen, zynnen und ouch an guede.

Dis sint drue zeichen uz dem hertzen,

250

die sonder alder scanden smerzen

yekelych minner vueren sal,

die ghernne beherd der dueechden schal.»

Vort sprach Venues vrou so mir:

«das vierde zeichen sage ich dir.

255

das ist tuesschen leiven vruentlich sceldin:

durch misdait, doch sonder meldin.

want hait ein lief ain eime onsedin,

die doch weren bas vermedin,

so sal sin lief ein leiflich duedin

260

ain ghebret doch von den luedin,

das id nit wirde lt gt irsceynit.

want scamde und sceimde hant dicke geleynt

tueschen leiven leiflicheit.

want als ein lief das ander deit

265

scemde liden ophenbair,

so spricht czvivel das duerch vair

dit sy gescheit von sime leiven;

so kant eme neman das gebrieven,

sin lief enhait gedan durch haiz.

[35vb]

da umb duenct mich vuegen bas

das lyf berispe leif alleyne,

so prueiftman of id minne meyne.

da umb spricht der wysse man zoo:

alczyt saltue wesen vro

275

als dich din lief besceilt dorch goit,

want id stouftit mee den moit,

und smirczit ouch min ein leiflich wonde

dan ein kuoz von vyants monde.

Nu hore das vufte zeichen voirt:

280

wa rechte minne czwey hat becort

in truewen und an contryfeit,

da sal ir iekelich sin bereit

alczyt und ouch up allin steden

al duecht, al got von lieve zo reden

285

und weder sprichen al unduecht.

sulch zeichen brinct voort indelucht

minne die not enwas verghiet.

want als lief an leiven verspiet

das id das beste von ym gernne huert

290

und mit reden ouch zee stueirt,

als id hueirt unduecht von ym sagen,

so muez leif von lieven verdragen

durch truwe de id an eime syt

in minne vest wal lieflich nyt.

295

doch als lief huert lieven misprechin,

so muost sin muont mit worden rechen,

ain solde da umb blyben doit,

ja twingt in rechten minnen noit.

manich spricht vor luden dach das beste

300

die doch in sinz herzen teste

drach verborgen nyt und hais

und wirt ain velsche nummer lais;

das intryft die minne neit ain.

ein lief das leiven guedez gain,

305

das spricht hinder lieven gued,

da spuort man guonst, leif of muot.

des spricht ein meister consten wys:

[36ra]

dem smeicher muoz ich gein unprys,

die goit vor manigen luden spricht,

310

die hinden doch mit velschen sticht.

dem muez ich ummer minnen voirt

die hinden mir spricht suelche wort

die mich zo hor erin leydent

und min duecht den luden breident.

315

Das zeste zeichen das ich meine,

datz wa zwey herzin wandelsreine

sint verstrycht in einem mude,

da by sal sin allzyt die huede,

das da nit enwerde gebeden

320

man inmueecht mit eren weden

minne und wal zuoicht und dueicht und ere.

ouch haf das van minre lere

das minne neit anderz bidden kan,

id indo virsuoichen dan.

325

doch sal das virsueken bliven

an groiz herden und ain kiven;

want wei verzuoichen wil zuo vil,

die verderft der minen spil.

wirt leif von lieve gebeden yet

330

da yrre beider ere ain leit

und ouch die beide chan lief beroven,

das steit vast in mynen geloven:

die bede die sy mit velsche gemengt.

of lief dan lieve da verhengt

335

und weder eir sin bede verhueirt,

wirt da lief von lieve gedueirt,

dorch sculden bin ich wirlich vry,

want dar enquam nie minne by.

doch haint sich zwey gelieven dicke

340

so vast vereint in minnen strycke

das ist irs selfs gar vergansen,

doch ain vorsas und an vorsansen,

mes versas is in allen beden,

dar uem duer icht mich nit reden

345

das lief geweltlych bidden moge

das der erin neit indoge.

wa man doch rechter minnen pliet,

da in chan minne versagen neit,

[36rb]

want minne enbeid neit dan gelich.

350

da mede brech ich dir dem krych,

da um ein meister uns bescryft:

wey ander minnen rechte blyft,

die ensal neit bidden weder eer.

wirt hee ouch silbegebeden zeer

355

um dinch de laster mochten bringen,

der bede ensal her neit gehingen.

Dit sint drue zekin uz dem monde,

die an alre scanden konde

iekelych minner voren mois

360

die wilt untfain der erin grois.»

Vort sprach die zarte coningynne:

«geselle, ich wildich maichen ynne

wei das sevende zeichen heist.

wa minne trueilich hat geleist

365

zwey in genzzer stedicheit,

is da lief duerch lief bereit

zoe liden kummer, jammer, noit,

armuode, betwanc bis in den doit

und wilt neit lief durch lief begeven,

370

dei vuert eins rechten minners leven.

manich hait gar lief, doch ungeluecke;

bricht dan des geluckes brucke,

so ist sin leifd scheir en wech.

want velt sin lief in ein gebrecht,

375

so isset siner leif den quyt.

ein wirlich leif mint zalre zyt.

da uom sus ein meister lert:

ein rechlych leif neit af enkeirt

uemb muots, um hoiffen, um worte;

380

noch mit wirchen noch mit worte,

noch mit gheinre hande saichen

machmen stede minne swaichin.

Das eichte zeichen wil ich nennen:

woltue rechte minne kennen,

385

of ze in zweyen gelieven wirke,

mit prueven an in beiden mirke:

is ir zweyer got gemeyne?

id sy costelych, grois of cleine,

das underscheit sal da neit sin:

390

dis ist din und das ist min.

wa minne verbint ir zweyer muoit,

[36va]

da sal ein sin ir beider goit.

id duencht mich zicher grois unbilde,

is ein lief muoits und herzen milde

395

und doch sin goit vuer lieven spart.

were da rechter minnen art,

were sin das rych van Engelant,

das stuend in sins lieven hant.

des leert alsus eins meisters const:

400

rechte minne hait de vernuenst,

sy chan allis gutz und alre sachen

in alre durch gemeynscap machen.

Das nuende zeichen is das leste,

wil ich dir dueden e ich reste.

405

wa czwey sich minnen sonder scrans,

wirt da gefort dis zeichen gans,

das machstue genczlich da by prueven,

of ein snel und ain bedrueven

deit sonder trecken leives bede;

410

das lief tret rechter minnen pede.

minne hait ain ir de delicheit

das sy gerne lieves bede deit

ain weirwort und an verlengen

ja oft ir muege kan volbrengen.

415

wa lief lieve wilt versagen

und wilt doch minne zue lieven dragen,

da sint ergeliste by

of sy enist neit wandels vry.

da um coninc Salomon spricht:

420

of dime leive ich gebricht

und kuent zo dir um hilfin stuere,

so la dir gern doin neit sin duere,

das lief getrost von dir gescheide,

und sprich nit: ‹lief, bis morne beide!›

425

machz dueit doin zer selver stunt,

soe is dir rechte minnen kunt.

doch vindestue indem sesten zeichen

wei verre der minnen bede reichen

mit bescheidenheide moge

430

und was zo bidden neit endoge.

Us wirken dese drue zeichen vliessent

und der minnen veste slyessent,

das niemant da in komin can,

hee invuere in allin zuchtyn dan

[36vb]

dese nuen zeichen wal bewart,

mit truewen cgein ontruewe gescart.

want wey die zeichen voret gancz,

dem setz ich uf der minnen crans.

nu weis due dinre vraghin ort.

440

due has mich vaste und zer becort.»

Ich sprach: «Venus, ho godynne,

lyf, muot, hercz und ouch die zynne

moiz ich zo dime dienste stellin.

nu rait wer ich mich hynne gesnellen!»

445

see sprach: «ich wil dich oirlob gevin,

das due min lere und ouch levin

des allin reinen lueden kuent.

nu vair hynne und blyf gesont!»

sus werdich mynre vrouwen quyt

450

und entspranch zer selver zyt.