BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Oswald von Wolkenstein

um 1376 - 1445

 

Handschrift B

 

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II

(HS A 1v2r, HS B 1v, HS c 2v-3v, Klein 2)

 

I

WAch mentzſchlich tyer/
brauch dein uernunft jr frowen und ouch manne/

wie biſtu gar erphlumſen ſo/

jndeiner ſünden wanne/

5

das du nicht fürchſt des herren dro/

der dir dein leib und ſel uerlihen hat/

 

Louff ſüch jn ſchier/

es uinſtert pald die weyl dus macht geſehen /

und ſol dich yemand machen los /

10

das müß durch jn geſchehen/

Er brach die hell die nye gefros/

zwar ſein gewalt all müglich ſach durch gat/

 

Die ſunn der man der ſterne krantz/

den plümlin auf der haid/

15

den geit er farb und liechten glantz/

bey mancher ögelwaid/

ſicht man ſein wunder michel ſwër/

wer nicht geloubn wolt das got nicht wër.

 

II

WEr habt den himel/

20

und die erd das waſſer groſſe ſtaine/

was pringt den toner ſne und wind/

das firmament allaine/

möcht uns beteuten gottes kind/

der ſein' mütt' uatter iſt und man/

 

25

Jntieffer tymel/

ſo freyt er fiſch da mit ſy nicht ertrinken/

er habt die uogel jnder höh/

das ſy nicht abher ſincken/

er zieret perg und tal die löch/

30

mit manchem klaid das nyemd erdenken kan/

 

Wer nert das würmlin jnder erd/

das räblin junck und marb/

wenn uatt' und mütter uon jm kert/

und fleucht ſein weyſſe farb/

35

das tüt gots herſchafft groſs und lanck/

ſein macht gewan nye end noch anefangk/

 

III

Der aller frucht/

mentzſch tyer und uich ein underſchaid kan geben/

das eins dem andn' nicht geleicht/

40

der gnad mir an dem leben/

und weyß die frawn gütlicher beicht/

in der gebot man mir zerbricht die ſchyn/

 

An weiplich zucht/

kompt ſy mir ſelden ymm' auß den oren/

45

wie ſy die barſchafft uon mir drung/

ſy tüt mich uil betoren/

und das ſy als ein zeysel ſung/

zwar meinen ſchatz den hat ſy pald dahin/

 

Was ich ſy man der lieben mër/

50

die ſy ainſt an mich lait/

und das ſy mir ein eysen ſwër/

uon meinen füſſen tët/

und ließ die andn' dannocht ſtan/

da mit traib ich ſy ferr uon mir hindan –

 

IV

DAbey ſo merkh /

weltliche lieb wie pald ſy hat verpranget/

wër ich ainſt hundert meyl geweſen/

ir leib hett mich erlanget/

da mit ich wër durch ſy genesen/

60

nun tüt ſy mir den größtn ungemach/

 

Der baine ſterck/

ſpannt ſy mir hertt' jn wann einem pferde/

das ich darauf nicht mag geſtän/

mit groblichem geuërde/

65

ſo ward ich jr geuangen man/

mein wolgetrauen jr kirchuart übersach/

 

Mein daumen arm darzu den hals/

hat ſy mir ingeſmitt/

o frow wie bitter iſt dein ſals/

70

ſy ſwecht mir mein gelid/

erſt han ich funden was ich ſücht/

nu walt ſein got der mir den rock gedücht –