BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Oswald von Wolkenstein

um 1376 - 1445

 

Handschrift B

 

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IX

(HS A 3rv, HS B 3v-4r, HS c 8v-9v, Klein 9)

 

I

O Welt O welt ein freud der kranken mauer/

 wie ſwër du biſt dein lon der wirt mir ſauer/

ſeyd du uff mich geuallen haſt /

und druckſt mich auf die erden/

5

Weltliche freud ein tüch uon bitterm ende/

wer dich recht kant der koufft dich nicht behende/

wil er icht wesen fremder gaſt/

gen manger frowen werden /

Was hilfft mich das ich manig nacht/

10

jngroſſen freuden han gewacht/

jndreuczehenthalben jaren/

nu müß ich wachen ſeufczen zittren ellentlich/

4r

All heilgen güt / die engel jndem himelrich/

man ich das ſy mir helffen uaſt/

15

mein laid zu güt erar[n]en/

 

II

WAs hilft mich nu mein raysen fremder lande/

in manig küngkrich das mir iſt bekande/

was hilft mein tichten und geſangk/

uon manger küngin ſchöne/

20

Was hilfft mich manig klüghait fremder ſynne/

ſeyd ich bin worden gar zu einem kinde/

und mir entweckt mang ſwër gedanck/

uil zäherlicher döne/

Was hilfft mich ſilber oder gold/

25

ſeyd ich mir ſelber ſelden hold/

mag werden wol uon herczen/

das mich der werlde ſchein ſo gar betrogen hat/

Ach ſtarcker got jn kraft der heilgen trinitat/

kom mir mit deiner hilffe fang/

30

jnseniklichem ſchmerczen/

 

III

AJn yeder mentzſch der laß ſich nicht belangen/

nach freuden groſs da mit er werd umbfangen/

für war ich mag ſein bürge weſen/

das end wirt im gar bitter/

35

Hatt einer güt zwar des bedarff er hüten/

ye gröſſer er ye merer toben und wüten/

der Neithart ließ eim nicht ein feſen/

köm newr ein ungewitter/

Jch ſprich es wol auf meinen aid/

40

ye gröſſer lieb ye merer laid/

kompt uon den ſchönen frowen/

ſeyd lieb und laid mit freuden trauren iſt gemengt/

und zeit und weyl ain ſenlich ſchaiden da uerhengt/

wie mag das end frölich geneſen/

45

das möcht ein yeder ſchowen.

 

IV

JSt ainer junck ſchon mütig hoher gaile/

der ander ſtarck gerad an alle maile/

der dritte weys er wirt ein kind/

kompt er zu uerren tagen/

50

Manig zier und luſt wolt ich noch uil erdencken/

das ſich der mentzſch erfrewt noch müſs erkrenken/

wenn er der langen jar emphindt/

erſt tüt es ſich geſagen/

Seyd uns jndiser kranken zeit/

55

all werltlich freud newr pringet laid/

und ſüß ein ſauer ende/

und aller luſt auf erd die leng uerdrieſſen pringt/

ſo wundert mich worumb der menczſch nach freuden ringt/

offt weiſer man wie wirſtu plind/

60

inaller kunſt behende/

 

III

ACh lieber freund wërlich ich wolt uns raten/

möcht wir aus diſen ſwachen liſten waten/

der wir natürlich hie begern/

und bëten got den reichen/

65

Das er uns wolt uergeben vnſer ſünde/

und unſer hercz jnſeiner lieb erzünde/

So möcht wir wol mit güten eren/

eim yeden fürſten gleichen/

Nu unſer leib ergenklich iſt/

70

und haben weder zeit noch friſt/

das wir uns müſſen ſchaiden/

uon allen luſten freuden güt und eren gros/

und uns nicht uolgt wann unſre güte werck gar blos/

O hailger gaiſt welſt uns uerkeren/

75

und alle ſund erlaiden.