BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Paul Rebhun

um 1500 - 1546

 

Ein Geistlich spiel,

von der Gotfurchtigen und

keuschen Frawen Susannen,

gantz lustig und

fruchtbarlich zu lesen

 

1. Akt

 

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Die beiden Richter

(Ausschnitt aus Paolo Veroneses Gemälde

«Susanna und die beiden Alten», um 1580)

 

 

Actus primus

Scena prima.

 

Resatha. Ichaboth.

 

Resatha:

Ein guten tag euch Gott woll geben

 

Ichaboth:

Und euch viel guter jar daneben /

 

Resatha:

Wie sol ich das von euch verstehen

Das yhr so traurig ytzt thut sehen /

5

Und euren kopff last nieder hangen

Als het euch unglück uber gangen?

Ist euch was böses widerfaren

So wolt mir auch das offenbaren /

Odr seind euch sonst so schwere sachen

10

Ytzt kumen für / die euch so machen

Bekümert / und so gar erschlagen

Wolt mir dieselben auch fürtragen

Villeicht ich etwo rhat möcht finden

Und euch des kümmernus entbinden /

 

Ichaboth:

15

Die ding so mich jetzt traurig machen

Seind nicht der gleichen richter sachen /

Wie für uns kumen von der gmeyne

Dann diese sach mich trifft alleine /

Und mich der halb dest mehr thut plagen

20

Das ich sie niemands wol darff klagen /

Noch mich zu jemands des vorsehen

Das er des orts mir bey werd stehen /

Und helffen mein betrübnus wenden

Das mir ist ytzund under henden /

 

Resatha:

25

Wer weys was euch möcht widerfaren

[A4v] Wenn yhr mir das thet offenbaren

Ich trag auch selbs inn meinem hertzen

Einn heymiichen verborgnen schmertzen /

Wenn yhr mir nu eur noht thet sagen

30

Wolt ich auch euch von meiner klagen /

Und eures rahts darüber pflegen

Dann stets ein ander mir kan geben /

Einn bessern raht / und mehr ersehen

Denn ich hett selber möcht verstehen /

35

Drumb last uns einr dem andern sagen

Was yeder thut im hertzen tragen /

Ists sach / dass dann ist solche note

Die keiner mit seim guten rhate /

Dem andern kan / und weis zu wenden /

40

So woll wir dann mit gleichen henden

Die bürde unsers leydes tragen

Und mit einander mitleydn haben /

 

Ichaboth:

Weil das dann ja ist eur begehren

Euch mein anligen zu verkleren /

45

Wil ich eurn raht auch nicht aus schlagen

Und euch mein not on scheu auff sagen /

Doch wist zuvor inn solcher massen

Das yhrs bey euch wolt bleyben lassen /

 

Resatha:

Yhr dorfft des fals kein sorg nicht tragen

50

Thut mir eur not nür künlich sagen /

Ja wenn yhr thet im ehebruch ligen

Sols doch bey mir wol bleibn verschwigen /

 

Ichaboth:

Habt freundlich danck der lieb und trewe

Wil wider schawn / dass eudi nicht rewe /

55

Wolan ich wils euch offenbaren

Yhr habt on zweyffel wol erfaren /

Nach dem in Jochems haus wir haben

Zu weylen klag und sach vertragen /

Die uns da selbst für bringt die gmeyne

60

Wie wir habn gsehen offt alleine /

[Br] Susann in yhrem schmuck / und zieren

Im garten hin und her spatzieren

Die weil ich nu darauf geachtet

Und yhren zarten leib betrachtet

65

So hat sie mir mein hertz besessen

Das ich yhr schlechts nicht kan vergessen

Ich sitz / odr steh / ich schlaff / odr wache

Ich eß / odr trink / odr was ich mache

Ich sitz zu gricht / odr geh von dannen

70

So denck ich an die fraw Susannen

Vor yhrer lieb kein rhue nicht habe

Zu tisch / zu bett / bey nacht / noch tage

All meine synn seind mir verrucket

Und in yhrn zarten leib verzucket

75

Mein hertz das schmiltzt mir itzt zusammen

Als leg es mitten in der flammen

Von solcher flam / und grosser brunste

Mir steyget under augn die dunste

Das / wenn ich soll die warheit jehen

80

Ich schir kan weder hörn / noch sehen

Das ists / das mich ßo sehr thut nagen

Davon ich niemands hab dörfft klagen

Die weil yhr aber habt begehret

Das ich euch meine not verkleret

85

Hab ich sie euch nicht wolln verhalten

Als meinem lieben herrn und alten

So yhr nu durch eur kluge synnen

Mir hulf und rhat kundt gebn hierinnen

Wie ich mit fug nach meinem willen

90

Der liebe brunst bey yhr möcht stillen

So helffet mir zu diser farte

Die weil ich werd gequelt ßo harte

Dann mir mein brunst nicht wird gestillet

Ich habe dann meinn willn erfullet

95

Mein will abr der ist / und kein ander

[Bv] Nur das ich mit Susann selbander

Der liebe spil mit lust soll pflegen

Wo das nicht gschicht / kan ich nicht leben

 

Resatha:

Wie wol ich auch in meinem hertzen

100

Itzunder trag einn grossen schmertzen

Doch ists mir nicht ein kleine freude

Das ich nicht trag allein sölch leide

Dazu meins leids hab sölchen gsellen

Wie ich yhn selbs hett wünschen söllen

105

Drumb das euch auch nu werde enddekhet

Was heimlichs in meim hertzen stekhet

So wisset das in dem spitale

Auch ich lig krankh / und leid groß quale

Davon yhr mir itz habt geklaget

110

Das yhr darinn seyt hart geplaget

Dann auch Susann das zarte weibe

Hat mir endzundt mein hertz im leibe

Mit yhrer lieb ßo gar umgeben

Das mich gantz dunkht ich kunn nicht leben

115

Wo ich sie teglich nicht solt sehen

Und ettwo nahend umb sie gehen

Als offt wir da ein sach solln richten

So thut mein hertz nichts anders tichten

Denn nur wie mir wurd raum gegeben

120

Mit yhr der liebe spil zu pflegen

 

Ichaboth:

Ey lieber herr / was hör ich sagen?

Wo dem ßo wer / wolt ich nicht klagen

Dann ob man gmeinklich wol thut sagen

Wenn an eim beyn zwen hunde nagen

125

Das sie nicht frid beysamen halten

Besonder druber sich zweyspalten

So hoff ich da doch nicht der massen

Das wir uns werdn zerteylen lassen

[Bijr] Zu voraus / weil in diser sache

130

Ein yeder ist allein zu schwache

Die auß zu furn nach seim begehren

So hoff ich yhr werd euch nicht bschweren

Mit mir zu gleich zu hebn am wagen

Das wir yhn aus der pfutzen tragen

135

Und diese sach zum ende furen

 

Resatha:

Nicht anders yhr an mir solt spuren

So vil ich kan mit wort und thaten

Zu diser sach uns helffen rhaten

Solt yhr mich unverdrossen finden

140

Wenn wir nur etwas schaffen kunden

Denn yhr das selber wist und sehet

Wie es umb fraw Susannen stehet

Sie ist ein frum gotfurchtig weibe

Kein Unzucht ist in yhrem leibe

145

Yhrn man sie helt in allen ehren

Thut sich von seiner lieb nicht keren

Auff ehr / und tugnt sie zeucht yhr kinde

Dazu yhr gantzes haus gesynde

Vol erbarkeit seind all yhr sitten

150

Drumb hab ich sorg / wenn wirs gleich bitten

Unnd yhr anmutten unsern willen

Sie werd uns disen nicht erfullen

 

Ichaboth:

Die selbig sorg mich auch anfichtet

Es sey mit gut nichts aussgerichtet

155

Drumb mussen wir uns unterstehen

Einr andern hinderlist / und sehen

Ob wir durch unser gwalt sie biegen

Und unsern willen möchten kriegen

Wie rhatt yhr aber / wann das were

160

Zu thun / das unss nicht brecht gefere?

 

Resatha:

[Bijv] Da dörfft wir zu wol cluger synnen

Das wir uns sehen fur hierinnen

Dann ßo wir da die schantz versehen

Wurd es mit uns sehr ubel stehen

165

Vor allem aber wer am besten

Das wir die zeit und stunde westen

Wenn gar alein sie ettwo were

So hett es nicht ßo gross gefere

 

Ichaboth:

Da weis ich zwar einn rhat zu geben

170

Ich hab darauff gemerket eben

Gemeinklich wenn warm scheint die sunne

So gehts inn garten zu dem brunne

Und badet sich alda alleine

Der meid bey yhr sie lesset keine

175

Drumb acht ich das nicht unbequeme

Das wir der warmen tag geremen

Und uns zu weil verbergn inn garten

Und heimlich yhrer zukunfft warten

Vileicht uns yrgnt ein mal wirt bscheret

180

Was unsers hertzens lust begehret

 

Resatha:

Eur rhat der gfelt mir aus der massen

Drumb ichs da bey auch bleibn wil lassen

Und soll also darauf beruhen

Wie yhr geredt / ßo wolln wir thuen

 

Ichaboth:

185

Got geb das nur ein warmer tage

Bald kum / sonst ich kein rhue nicht habe

 

Resatha:

Das wetter zwar sich fein thut schikhen

 

Ichaboth:

Wolt Got das uns solt heut gelükhen

 

Resatha:

Wir wolln zu yhr ins haus ytzt gehen

190

[Biijr] Das wirs doch nur die weil mugn sehen

Ey secht / ich halt yhr herr wöll wandern

O glukh / schikh dich auch mit dem andern /

 

 

Scena secunda.

 

Joachim. Abdi. Ichaboth. Resatha.

Susanna. Benjamin. Jahel.

 

Joachim:

Knecht Abdi mach dich auff mit mir

Zu gehn ein meil drey / oder vier

 

Abdi:

195

Ja herr / es soll kein saumnus han

Ich wil mich rüsten auff die ban

Von stundt / und euch geleitten recht

Wie zugezimt eim treuen knecht

 

Ichaboth:

Her Jochem / wo sol das hin sein?

200

Wolt yhr eur haussfraun lahn allein?

 

Joachim:

Ich hab ein gschefft zu richten aus

Liebn herrn secht auch mit auff mein haus

Wenn yhr pflegt aus und ein zu gehn

Das mir nicht unfal möcht zu stehn

 

Resatha:

205

Wir wolln euchs gern zu gfallen sein

Und schaun das niemd nichts trag herein

Werd yhr nicht wider kumen bald?

 

Joachim:

Ich weis nicht / wies noch hat ein gstalt

 

Susanna:

Ach herr / wo denkht yhr aber aus

210

Das yhr wolt ziehen aus dem haus

Und mich in trauren sitzen lahn?

Dann ich kein freud im herzen han

[Biijv] Wo yhr nicht nahend seit umb mich

Und ich euch teglich hör und sich

 

Joachim:

215

Wie kem das liebe frawe mein

Das yhr darumb solt traurig sein

Und habn kein freud / denn wo ich bin

Bei euch? trag ichs doch nicht mit hin

 

Susanna:

Jo herr / mein freud fast alle gar

220

Nemt yhr mit euch / sag ich fur wahr

Dann ja nach got dem herrn ist mir

Kein lieber ding auff erd denn yhr

So gar / das / wo yhr von mir seit

So ists mein gröstes hertzen leidt

225

Dann eur ich sorg hab alle zeit

Das euch nicht widerfahr ein leidt

Drumb bitt ich / so es sache wer

Das euch zu bleibn brecht kein gefehr

Wollt dises wandern lassen stehn

230

Das ich sölchs leids mug mussig gehn

 

Joachim:

Nicht achts dafur o frawe mein

Das mir mit wandern wol kan sein

So / das ich mich on nötig sach

Zu wandern auff den wege mach

235

Dann wo die sach nicht wer darnach

Wer mir zu wandern nicht so gach

Weil aber ichs nicht kan umbgehn

So wollet des zufriden stehn

 

Susanna:.

Die weils dann ja nicht anders kan

240

Gesein / und musset schlechts davon

So bith ich trauter herre mein

Wolt ja zu lang nicht aussen sein

 

Joachim:

[B4r] Umb das bitt nicht o frawe mein

Ich wil des sonst gevlissen sein

 

Susanna:

245

Yhr kinder kumt zum vater vor

Er wil itz wandern aus zum thor

Bitt yhn das er bald wider ker

Und euch was schöns mit ihm bring her

 

Benjamin:

Lieb vater kumt herwider schir

250

Und bringt auch ettwas schönes mir.

 

Jahel:

Mie auch / mie auch lieb vate mein

Bingt was / das gulden ist und fein

 

Joachim:

Ja lieben kinder seit nur frum

So wil ich / wenn ich wider kum

255

Euch ettwas schönes bringen mit

Secht das yhr got auch für mich bitt

Auff das ich gsundt herwider kum

 

Benjamin:

Wir wollen alle sein fein frum

 

Joachim:

Nu spar euch got gesundt und frisch

260

Ich wil herwider kumen risch

Wolt guter ding die weilen sein

Yhr solt nicht bleiben lang allein

Und euch yhr herrn gesegn auch got

 

Ichaboth:

Wol an / got bhut euch frue und spat

 

Susanna:

265

Got helff euch gsund herwider schir

Das yhr mit freuden kumt zu mir

 

Resatha:

Got geb das er ein jahr auss bleib

Wenn uns nur wurd zu theil sein weib.

 

 

[B4v]

Chorus primus.

 

[Cr]

Fraw Venus groß ist dein gewalt

270

Bey allen menschen kinden

Vor dir bleibt weder jung noch alt

Du bringst yhr vil zu ßunden

Mit scharffen pfeiln dein blindes kind

Durchdringt der menschen hertzen schwindt

275

Und nimt sie gar gefangen

Wer da ein mal die schantz versieht

Und erstlich yhm nicht widerficht

An dir muß er behangen / An dir etc.

 

Wie wol nu junge leut gemein

280

Durch dich vil werdn betrogen

So werdn doch offt an deinen reyn

Auch alte narrn gezogen

Durch deine netz darnider gfelt

Das sie kein erbarkeit aufhelt

285

Von ßunden / noch von schänden

So bringst auch sonst die all zu spot

Vor aller welt / und auch vor got

So stekhen in deinn banden / So stekhen etc.

 

Chorus I:

 

Proportio.

 

Dagegen aber jung und alt

290

So deiner sich erwehren

Und widerstehn mit ernst und gwalt

[Cv]

Die kumen recht zu ehren

Als die vermeiden deine bandt

Und gebn sich inn ehlichen standt

295

Und thun daraus nicht schreiten

An ander halten lieb und werdt

Die werden auch von got geehrt

Und hie von allen leuten / Und hie von etc.

 

Denn was kan edlers sein auff erd

300

Denn so sich ehleut halten

Gegn ander alzeit lieb / und werdt

Und lassen sich nicht spalten

Durch unfal / oder frembde lieb

Noch klafferey / und böss getrib

305

Das ehlich bandt zu reissen

Sölch lieb kumpt nicht von Venus her

Sant Paul gepeuts in seiner lehr

Darumb wirs billich preißen / Darumb etc.

 

Chorus I: