BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Gottfried Wilhelm Leibniz

1646 - 1716

 

Auf Meisches deutsches Florilegium

 

1667

 

Text:

Leibnizens gesammelte Werke Georg Heinrich Pertz

herausgegeben von G. E. Guhrauer

Berlin: Veit und Comp., 1838

 

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  1685

Du Edles Traubenbluth, dein anblick ist zwar süße,

Du stärkest häupt und Hirn; schwächst aber Händ und füße.

Ich halte viel von dir, doch bistu mir zu scharff,

wohl deme der dich liebt, und auch genießen darff.

 

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Was kan wohl irgend guths ein wasser-trincker schreiben

wenn hundert bäche schohn sein Mühlenrad umbtreiben,

das wasser gibt kein feür davon der geist erwacht,

Dann nüchtern komt heraus was nüchtern wird gemacht.

Verse, so ich 1667 zu Frankfurt am Main auf Herrn Christian Meische

vorhabendes deutsches Florilegium gemacht.

 

Den Blumensaft gepresset

Herr Meisch hier mischen lässet,

Zu füllen mit Geruch die Welt.

Wie mancher süßer Zungen

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Der Honigseim gelungen

Bei ihm allein zu kosten fällt.

 

Was lobt man viel die Griechen?

Sie müssen sich verkriechen,

Wenn sich die  t e u t s c h e  Muse regt.

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Was sonst die Römer gaben,

Kann man zu Hause haben,

Nachdem sich Mars bei uns gelegt.

 

Horaz in  F l e m i n g  lebet,

In  O p i t z  Naso schwebet,

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In  G r e i f f  Senecens Traurigkeit.

Nur Maro wird gemisset,

Hier hat man eingebüsset,

Aeneis uns nicht weichen will.

 

Doch wenn die teutsche Degen

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D i e  werden niederlegen,

So uns jetzt stolz zu Leibe gehn,

Wird sich auch einer finden,

Auch sie zu überwinden,

Und  A u s t r i a s  soll höher gehn.

 

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Er aber wird verdienen,

Herr Meisch, den Ruhm der Bienen,

Daß er der Blumen Kraft trägt ein.

Wem werd' ich ihn vergleichen?

Er soll zum Lobeszeichen

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S t o b ä u s  bei den Teutschen seyn.