BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Sibylle Schwarz

1621 - 1638

 

Deutsche Poëtische Gedichte

 

Der ander Teil

 

1650

 

______________________________________________________________________________

 

 

 

 

 

 

Faunus.

 

Der Früling hatte schon den Feldern abgenommen

Ihr weisses Winterkleid / an dessen stat war kommen

Ihr grüngemahlter Rock / eß ließ die Nachtigal

Die schöne Singerin / sich hören über all;

Der warmen Sonnen Liecht hett auch schon aufgeschlossen

Den Frost / des Wassers Bandt / und kam mit seinen Rossen

Gleich iezund auß der See / der diken Bäume Schaar /

Die vor gantz abgelaubt / bekam ihr grünes Haar.

Die Blumen hetten sich schon hin und her gesetzet /

Der Mensch die kleine Welt / war gleichsam mit ergetzet /

Der Bauren Coridon erhub sich auch ins Feldt /

Mit seiner Kühe Heer; als wers ein Krieges-Heldt,

Mirtillo folget ihm mit grosser Herde Schaffen /

Menalcas und sein Volck die wolten auch nicht schlaffen;

Hier sah man wie die Kuh den Stier verjagen kan /

Dort kam mit brüllen her ihr dickköpffichter Mann;

Hier sah man zwene Böck sich stossen gantz verwegen

Einander auff die Haut / dort dan sich nieder legen

Ein mutigs geiles Pferd / und wältzen sich herum;

Die Ziegen tantzten auch all in die quer und krüm;

Der Ackerman hub an das Feld mit Lust zu bauen /

Der Schiffer kühnes Volck den Wellen sich zu trauen;

Der kluge Vogeler ging leiß und gahr geheim /

Das leichte Feder-Vieh zu fangen mit dem Leim;

Der Jäger bließ sein Horn / und jagte mit den Winden

Den schnellen Haasen nach / den Hirschen uud den Hinden;

Die Wälder lachten selbst; In Summa alle Welt

Hätt ihren ganzen Muht auff Fröligkeit gestellt:

 

Als ein mahl die Schäffer / der Göttin Venus zu Ehren / einen Tempel erbaueten / welcher nicht unbillig der Dianen Kirche zu Epheso konte verglichen / wo nicht gahr vorgezogen werden / und für das achte Wunder der Welt zu halten seyn; Zu dem war derselbe an einem überauß luftigen Orte / der die Art an sich hatte / daß der / welcher nuhr denselben anschauete / dadurch alles seines Leydes vergessen muste; Der Musen Eigenthum / der Helicon / war / nebst einer kleinen Insul, gleich dabey. Disen Tempel nun seiner Würde nach zu beschreiben / würde zu vihl werden / sintemahl auch meine Feder viel / viel zu schwach dazu ist / die Musen selbst / ob sie zwar Tag und Nacht daran arbeiten, können diesen Ort nicht gnugsam entwerffen; Du köntest ihn einen irrdischen Paradeiß / einen Auszug der Natuhr / ein wunderbahres Wunder / und eine schöne Schönheit nennen. Die Schäffer / welche hieran gearbeitet / hielten / nebst vielem Opffern / die sie in diesen Tempel brachten / einen Hochzeit Tag. Demselben beyzuwohnen / waren ein Hauffen fremder Schäffer und Schäfferinnen angelanget / welche sich den ganzen Tag / Bräutigam und Braut zu Ehren / lustig bezeigten / und den mehr als schönen Ort zu beschawen / sich auch nicht wenig angelegen seyn liessen. Das / zur Hochzeit-Feyre bestimbte Hauß war mit Meisterhänden gemacht / die Wände rings herüm mit Versen bemahlet / daß also die Augen nicht wusten / welches sie erst beschauen solten / erhuben sich demnach in die köstliche Gärten / und nach dem sie sich dieselbe / so viel ihnen möglich / sich eingebildet / satzten sie sich an ein liebliches Wasser / welches doch viel mehr wegen seiner süssen Süßigkeit ein Nectar könte genennet seyn. Unter diser herrlichen Gesellschafft nun / war ein berümter Schäffer / welchem wihr den Nahmen Faunus mittheilen wollen / welcher durch die Schönheit [Seite] einer fürtrefflichen Nimphen / mit Nahmen Daphne / dermassen angesteckt ward / daß er nicht allein die meisten Opffer in den Tempel der Venus brachte / sondern auch seine Herzbrennende Liebe derselben Daphne / die ihn solcher Gestalt / durch ihre Göttliche Schönheit / angezündet hette / zu offenbahren / mit sehnlichem Verlangen stehtige Gelegenheit suchte.

Der Himmel hatte schon sein schwarzes Schlaaffkleid / die Nacht / angezogen / die Schaffe die Stelle schon eingenommen / und die Welt war schon zu Bette / als noch die Hochzeit-Gäste den höchsten Grad der Fröligkeit kaum erreicht hetten / unterdessen nahm unser Faunus / welcher ein außgeübter in den Freyen Künsten (dadurch man sich der Welt Lieb / und der Tugend nahe verwandt macht) war / seine Liebes-Schanze dermassen wohl in acht / daß er mit seiner süssen Freundinnen nach vollendetem Tantze zu reden / guhte Gelegenheit hatte / sintemahl er sich zu negst an ihrer Seiten befande / und also ohn jemandes Auffmerken / deroselben sein heimliches Anliegen entdecken könte / der angenehme Blitz aber / welcher auß ihren Augen in das innerste seines Herzens auffgenommen ward / deroselben Ehrbare Geberden / lieblichs Lachen und Englische Beredsamkeit / hemten dem Faunus gleichsam die Zunge / daß er kein einigs Wort von sich erzwingen konte; Vielbegabter Schäffer / sagte Daphne. Wenn er sich in ein freundlich Gespräch mit mir einlassen wolte / wehre dasselbe / meines erachtens / die Zeit zu vertreiben nicht untüchtig. Vortreffliche Nimphe / antwortete Faunus; Meine gahr zu grosse Unwürdigkeit hat mich mit derselben Sprach zu halten / nicht erleuben wollen / weil mich aber ihre Tugend solches selbst befihlet / so wehr es die höchste Unfreundligkeit / dero Begehren kein Genügen zu tuhn / es beschiehet aber an dieselbe mein Freunddienstliches [Seite] Suchen / sie wolle doch unbeschwert den Anfang machen / damit ich nicht etwas / das ihr verdrießlich zu hören / hervor bringen / und mich also / unwissender massen die schwere Last dero Ungunst / da mich die Götter vor behüten wollen / auffbürden möge. Höfflicher Schäffer / hub Daphne an / ob zwar meine verstumte Beredsamkeit kegen denselben außzulassen / ich groß Bedencken trage / so gibt mir gleichwohl die hieselbst herüm gemahlte Poësey gute Anlaß zu reden / weil ich mich über derselben schöne Wörter / als auch stattliche Erfindungen höchlich verwundern muß. Unter allen disen Poëtischen Gedancken / sagte Faunus / ist die Liebe an jener Seiten am artigsten beschrieben! Zweiffels ohne / sagte Daphne / wird Er in derselben nicht unerfahren seyn / sintemahl er so eigentlich weiß / daß es der Poëte recht getroffen hatt. Noch zur zeit / andtwortete Faunus / hat ihr Feur mich nicht anbrennen können / weil aber derselben macht die unsterblichen Götter selbst Untertahn seyn / also wil ich mich / ihr immer zu wieder stehen / auch nicht bewehrt gnug schätzen / unterdessen gleich wohl auch nicht zum Sclaven machen lassen. Er hette die Wort kaum außgeredet / als er in seinem Herzen berewete / daß er / da er seine Liebe zu entdecken / guhte Gelegenheit gehabt / doch dieselbe / auß vermeinter Höffligkeit / verdeckt hatte; Und ich weiß auch nichts von der Liebe zu reden / sagte Daphne / aldieweil ich in ihrer Schule noch niemahlen Lehrgeld gegeben / will aber unterdessen dieselbe zu beschauen mich belieben lassen; Er wolte / (Geehrter Schefer) sich die Zeit nicht lang werden lassen / weil ich bald / nach dem ich die Bilder beschauet / mich wiederum anhero verfügen wil. Faunus aber suchte unterdessen einen Baum / dem er füglich seine Gedancken in disem Reime vertrauen könte /

 

Ach möchtest Daphne du / mir in mein Herze sehen /

vnd möchtest meine Wort / dem Willen nach / verstehen; [Seite]

Ihr Seuffzer sagt eß ihr / wie mir mein Herze brennt /

weil doch der blöde Mund sein bestes selbst nicht kennt.

 

Daphne / nach dem sie die Reime bester massen besehen / verfügte sich wiederum an ihren Ort / Faunus aber muste / weil ihm seine eigne Blödigkeit mehr nicht vergönnen wolte / mit der lieblichen Kegenwart seiner Daphnen für diß mahl Gefriedigt seyn; Meines Bedünkens nach / were der Todt leichter gewesen / als ohn einige Wider Liebe oder Liebes Bezeigung zu lieben; Was solt er tuhn / er muste / in Betrachtung seiner unzeitigen Blödigkeit / im scheine der Freundschafft / seine Liebesbrunst so viel möglich zu verstehen geben.

Demnach nun diß Freudenfest seine Endschafft genommen / und ein Jeder wiederum seines Beruffs wartete / muste Faunus / wiewohl nicht ohne höchste Schmerzen / sich seiner Daphnen enthalten / dahero er denn genottrengt ward / dieselbe öffters mit einem Schreiben zu ersuchen / und sie ihrer beyderseits getreuen Freundschafft zu erinnern / Daphne aber ließ sich nicht verdriessen / seine Briefe jederzeit mit einer gewundschten Andtwort zu verwechseln / und versicherte ihm / daß er an ihrer Seiten wiederum eines getreuen Gemühtes solte habhafftig seyn / in Betrachtung / daß getreue Freundschafft das beste Kleinod der sterblichen were. Weil aber Cupido dise Freundschafft an der Daphnen seiten so zu verzuckern wuste / daß sie selbst ein unbeschreiblich Verlangen trug / mit ihrem Faunus in stetter Gesellschafft zu leben / und ihme ihr mehr von Lieb / als Freundschafft inzündetes Herze zu eröffnen / ward dieselbe gezwungen, auff Mittel zu Sinnen / dadurch sie immer der angenehmen Kegenwart Ihres liebsten Freundes geniessen konte / welche ihr aber / wegen der scharffen Auffsicht ihrer Eltern / etwas schwer fielen / endlich aber erhielt Sie so viel von ihrem Vater / daß er Ihr erlaubte [Seite] die Schafe wohin sie wolte / zu weiden / Inmassen sie vorgab / daß der Himmel den Ort / da die Schäffer jüngst hin / der Venus zu Ehren / einen Tempel erbauet / mit der besten Weyde beseeliget hette. Faunus aber hielt sich noch bey dem Tempel auff umd hette neulich an eine Linde geschnttten selbiges

 

 

Sonnet.

 

Wens fragen gelten solt / so möcht ich billich fragen?

Wer bringet mir mein Leid? wor rührt mein Lieben her /

mein Lieben / das mir macht ein liebliches Beschwer?

Cupido / bringestu mein Herz in solche Plagen /

 

so wil ich über dich und deinen Bogen klagen?

Kompt aber diß mein Feur mir etwa ohngefehr ?

Hat ihre Tugend Schuld / die da ist mein begehr ?

Wie kan ich doch alsdenn vohn Venus Rencken sagen;

 

Ist Amor nicht so starck / daß er mein Herze rührt /

wer hat / wer hat mich denn an dises Joch geführt?

Mein Lieben hat die Art der Buler angenommen /

 

drum bringt es Venus auch / doch das wil mir nicht ein /

weil ich und du / mein Lieb / nur guhte Freu[n]de seyn /

wo aber ist doch denn die Freundschafft hergekommen?

 

 

Nach dem sie solches gelesen / vertrauete sie sich ihren Füssen / biß sie endlich einen mit kläglicher Stimme singen hörete / aber gleichwohl nichts / als den blossen Wiederschall vernehmen köndte / folgete derowegen der Stimm / und trieb ihre Heerde an einen Ort / welcher mit Bäumen rings herum besetzt war / im hin- und widergehen / ward sie etlicher feisten Lämmer gewahr / welche aber nicht zu ihrer Herde / sondern dem Faunus gehöreten / der sich an eine Eiche gelehnet / und auff einer Schalmeyen pfeiffte / Daphne verbarg sich / seiner Music gehör zu geben / hinter einen Mirten Strauch. [Seite] Faumus aber nach dem er die Schalmeyen bey sich nider gelegt / stieß mit tieff heraufgeholeten Seuffzern / folgendes Lied herauß:

 

Ich der Ich doch vorhin geschlagen

so manchen außgeübten Heldt /

darff izt / O Daphne / dir nicht sagen /

auß Zagheit / wie mich Amor quelt /

O möcht es dir doch wissend sein /

wie sehr mich plagt die süsse Pein!

 

O möchtestu mich wieder lieben /

so würd ich froh seyn für und für;

Jezt aber muß ich mich betrüben /

weil du so weit nu bist von mir /

O wüstest du doch meine Pein /

du würdest bald auch bey mir seyn!

 

O laß mich deine Schaffe weiden /

nim mich für deinen Diener an /

so wil ich deinetwegen leiden /

so viel die Liebe leiden kan!

Die Liebe leidet alle Noht /

Ja deinetwegen auch den Todt.

 

Will ich dir meine Schmertzen klagen /

so deucht mich / du erhörst mich nicht;

wil ich die Noht von Herzen sagen /

so zwingt mich deiner Augen Licht /

daß ich / in dem ich sprechen will /

zwar sprech / und doch auch schweige still.

 

Soll aber Ich nicht mehr erwerben /

durch meinen dir verborgnen Fleiß /

so laß mich deinen Diener sterben

das wer ein wohlverdieater Preiß; [Seite]

Ich tröste mich und hoff allein

du wirst ein Arzt der Schmerzen seyn.

 

O möchtest du doch iezund hören /

das / was nur hört die Wüsteney /

O Amor wiltu mich betöhren /

so bind mich fest und fester frey!

O Daphne / Daphne wehrstu mein /

und möchtest izund bey mir seyn!

 

Die Daphne / welche auß dieses Liedes Inhalt / wegen ihres Liebsten getreuen Kegen-Liebe / gnugsahme Versicherung empfangen / wolte (weil sie durch übermeßige Freude gleichsam verzückt war) ihn gern mit einer gewundschten Antwort erfrewet haben / wenn sie nicht / durch gleiche unzeitige Blödigkeit / were zurück gehalten worden / inmassen die Liebe / meiner gänzlichen Meinung nach / darum blind fügte sich also die Daphne zu dem Baume / welchen sie glükseelig schäzte / daß ihr Faunus seines Schattens bedurfftig gewesen / fand den Schäffer aber schlaffend / dahero sie in ein tieffes Bedencken gerieht / ob es besser / denselben mit einem Liede / oder durch benennung seines Nahmens / aufzuruffen; Und ob ihr zwar Amor manchen süssen Raht einraunete / so wolte doch demselben nach zu leben / ihre / noch nicht entwichene / Blödigkeit nicht verstatten / unterdessen brach sie mit disen Gedancken in Geheim herauß;

 

 

Sonnet.

 

Hier hab ich nun mein sehnliches Verlangen:

hier liegt mein Lieb / hier ligt mein ander ich:

hier giebt das Glück sich selbst gefangen mich:

hier mag ich nun mein Lieb vielmahl umfangen: [Seite]

 

hier mag ich nun auch küssen seine Wangen:

Cupido hört mein Klagen inniglich /

und wil nun auch so hülffreich zeigen sich;

Nun mag ich wohl mit meinem Glücke prangen:

 

die Venus zeigt mir iezt ein guhtes Ziel /

ich wil nur selbst / nicht was ich gerne wil;

O Blödigkeit / du must nur von mir weichen!

 

weil du hir bist / wärt meine große Pein;

Wer lieben wil / mus nicht so blöde seyn /

sonst kan er nicht der Liebe Lohn erreichen.

 

Nach außgestossenen Sonnette / ließ sie sich leise bey ihre[m] Schäffer nieder / damit sie ihn nicht etwa an seiner Ruhe verkürzen dörffte / und gab fleißige Aufsicht auff seine so wohl / als ihre Herde / damit dieselbe nicht etwa verwahrloset würde. Faunus / nach dem er / unwissend / an seiner Liebsten Seiten ein wenig geruhet / erwachte mit einem tieffen Seufzer / ehe er aber die Daphne ersehen / sprach er nochmaln: O Daphne / Daphne wehrstu mein / und möchtest ietzund bey mir seyn! Daphne verdreistete sich / und brach in dise kühne Wort herauß: Glükreich mag ich mich billich schezen / daß mein Nahme (wiewohl derselbe einer andern mitgeteilet ist) von einem so hochbegabten Schäffer geliebt wird. Faunus / nach dem er die Daphne gesehen / war der unverhofften höchsten Fröligkeit gahr ungewohnet / und vermeinte gänzlich / er schlieffe noch / (sintemahl die verliebten im Schlaffe offtermahls mit der angenehmen Kegenwart des geliebten pflegen beseeliget werden) und schezte eß einen süssen Betrug zu sein: Alß er aber sich recht besonnen / kondte er sich / des Liedes wegen / zu entferben nicht ümhin / und bedankte sich / nebst freundlicher Begrüssung / kegen die Daphne / daß sie / ihm Gesellschafft zu leisten / sich nicht wiederlich sein liesse. Geehrter Schäffer / sagte Daphne / solches erfodert unser [Seite] guhte Freundschafft / gönne und wundsche ihm aber von Herzen / daß ihm die Götter seine andere und zwar liebere Daphne zur Gesellschafft überliefern mögen. Schönste Daphne / sagte Faunus / mein vorgesungenes Lied wird Ihr Argwohnige Gedancken gebähren / denselben vorzubawen ich sie billig des wegen unterrichten muß; Mag Sie demnach wissen / daß das Lied mit meinem Herzen so wenig / als Wasser und Feuer über ein stimmet. Wie aber die Schäffer disen Tempel erbaweten / ward darin die Historia von der Daphne beym Naso / agiret / darin denn der Gott Phebus dieß Lied gesungen / welches ich / weil es mich damalen so wohl gefiel / noch allzeit widerholen pflege; Wenn nicht / sagte Daphne die auch zu gleich widerholeten Seufzer gleichsam ein Fenster wehren / dadurch man das innerste seines Herzens sehen könte / so wehre ihm solches unschwer zu glauben / guhte Freundschafft aber kan nicht leiden / daß mich seine Liebste unbekandt bleibe / wollet derohalben / nur ohn Entferbung der Wangen / mir dieselbe nennen / weil ich Euere Heimligkeit nicht fort an die grosse Glocke binden / und jederman in die Ohren hengen will. Schönste Daphne / sagte Faunus ist eß muglich: / so wolle Sie sich doch ein ander Gespräch / etwa von getreuer Freundschafft oder dergleichen / belieben lassen / ob ich zwar / sagte Daphne / nicht minder davon zu reden / alß er Gehör zu geben / begierig bin / so kan doch Zeit und Gelegenheit solches iezo nicht dulden / sintemahl auch der Himmel / durch den Untergang seines Lichtes / unsere Rede gleichsam abschneiden / und mich der angenehmen Gegenwart meines Liebsten Freundes gänzlich entnahen will, eß beschiehet aber im übrigen an Ihn / geehrter Freund / mein fleißiges Bitten / er wolle mich offters mit einem Schreiben erfreuen / und die Freundschafft dazu eine antreibende Uhrsache sein lassen; Gerne / sagte Faunus / wenn nur meine ungepfefferte [Seite] Briefe deroselben zu lesen nicht verdrießlich wehren / so hett ich mich billich glükreich zu schetzen / daß Sie in die Obhut meiner gebietenden Freundinnen genommen würden; Ist nicht (sagte Daphne) die Freundschafft eine unverdrossene Tugend / warüm solte denn das / was aus einem treuen Herzen entsprossen / nicht auch unverdrossen gelesen / oder vielmehr zum höchsten beliebet werden? Will aber unterdessen nicht allein eines Schreibens / sondern auch seiner angenehmen Kegenwart / in kurzen wiederum erwarten. Die noch nicht gewichene Blödigkeit / wolte / disen zwey verliebten ein mehrers zu reden / nicht verstatten / schieden demnach traurig von einander / Faunus hinterließ an einer Tannen disen:

 

 

Reim.

 

O Wunder-schöner Ort / von Venus außerlesen /

an dem der Musen Zunfft / und aller Götter Wesen /

ganz Sonnenhell zu sehn / du Zier der ganzen Welt /

du Kunststük der Natuhr / du mehr alß schönes Feld /

Du hast mich diser Zeit / so höchlich ja ergezet /

mit derer gegenwart / die mich doch hat verlezet /

durch ihrer Augenfeur / und ganz und gar verbrandt /

du hast mich für den Durst / das Wasser zugesandt.

 

So bald nun Faunus des andern Morgens / so wohl seine Sonne in seinem Herzen / alß die andere Sonne am Firmament des Himmels auffgehen sahe / nam er seinem gestrigen versprechen nach / also fort Feder und Dinte zur Hand / und verfertige an seine Daphne so lautendes

 

 

Briefelein.

 

Deiner gestrigen Zusage (schönste Daphne / liebste und gebietende Freundin) nachzuleben / hab ich dieselbe [Seite] mit disem Briefelein zu verunruhen kein bedencken getragen / und tuh mich kegen I. T. anfangs auffs freundlichste für gestern geleistete angenehme Beywohnung / bedancken / bin auch schlussig geworden / den Göttern dafür, eins meiner besten Lämmer auffzuopffern. Bitte unterdessen Ihre Tugend wolte mein (Ihr vielleicht unangenehmes) Schreiben / mit einer gewündschten Andtwort zuverwechseln sich ohnbemüht / belieben lassen / ingleichen mich mit deroselben Kegenwart zuerfrewen sich bearbeiten / und mit Ihrer angenehmen Gunst zubeseeligen ferners fortfahren / inmassen ich so wohl der getreueste alß geringste unter denen / die I. T. auffwarten / wil erfunden werden.

Faunus.

 

Dieses Schreiben sahe Faunus mit zweifelhafftigen Gedanken durch / und ob es zwar eins teils der im Herzen verborgenen Liebe nicht ungemeß war / so schezte er es doch anders teils / seiner Blödigkeit nach / gar zu offenherzig / ließ aber lezlich solches der Daphne, durch seinen getreuen Diener einliefern / Daphne beantwortete ihm selbiges unseumig folgender massen:

 

Dessen erfreuliches Brieflein / geehrter Schäffer / liebster Freund / hat mich sein Diener / durch eigne und zwar sonderliche Höffligkeit / ohn jemandes vermerken / wissen zuzustellen / thue mich Ehrenfleissig bedanken / daß er seine Feder meinethalben hat bemühen wollen / es wolle sich E. L. ohnbeschwer morgendes Tages an bewusten Ort / mit seiner wöllichten Geselschafft verfügen / so wil ich sein Schreiben mündlich der genüge nach / beantworten / welches mir izo Zeit und gelegenheit verbeut /

verbleib inmittelst E. L.

Beständige Daphne W. J. L. [Seite]

 

Demnach nun Faunus / mit nicht kleiner Frewde / diß Schreiben empfangen / konte er ohn höchste Ungedult des andern Tages kaum erwarten. Weil aber die Schäffer welche den Venus-Tempel / mit Hülffe der Musen / erbauet / in steter Streitigkeit mit dem Neide (welcher ein abgesagter Feind dises Orts war) leben musten / ward eben um die / von der Daphne zur Liebe bestimten Zeit / ein Kampff außgerufen / dazu Faunus / dafern er nicht Ehr und Ansehen in den Koht werffen wolte / sich auch gefast machen muste. Daphne hette sich schon mit ihrer Herde an bestimten Ort verfüget / alß Faunus das Ziel seines fechtens noch nicht absehen konte / und weil Daphne / wegen des gahr zu langen außbleibens Ihres Liebsten / fast aller Hoffnung beraubet war / wolte sie ihren Weg wieder nach Hause nehmen / schnitte unterdessen in einen Kürbiß daselbsten / folgende Wort:

 

Kan man die denn so betrüben /

Die man herzlich pflegt zu lieben?

 

Unterdessen kam ihr Faunus / welcher von den Neidern wund geschlagen war / zu Ihr / entschuldigte sich seines außbleibens halber / so viel alß seine unzeitige Blödigkeit zuließ / sintemaln er des Kampfes / ohne Verlierung aller Ehr und ansehens / nicht entübrigt sein können; die Daphne / welche ihm mit schimpflicher Höffligkeit / seine Entschuldigung gnugsam zubeantworten wuste / sezte sich hierauff bey ihm nieder / sprechend: zweiffels ohne / geliebter Schäffer / hat seine liebste Daphne ihn so lang auffgehalten / daß er also iezt keine bessere Entschuldigung / als den Krieg wider den Neid / einführen kan. Wenn ich denn / schönste Daphne / sagte Faunus / ohne sie eine liebere Daphne / und den Krieg zu meiner Beschönung erdichtet hette / wer wolte mich dan also Wund geschlagen haben? Wer weiß / sagte Daphne / ob nicht ein ander / welcher sich eben auch in dieselbe (mir unbekante) [Seite] Daphne / verliebet / Euch ewer Glüke mißgegönnet / und also übel tractiret hat? Sol ich denn immer / sagte Faunus / einer blinden Liebe überzeüget seyn / so sey solches den Göttern geklaget! Ja / sagte Daphne lachend / bezeuget euch Ewer Gewissen nicht viel ein anders? ist mir recht / so habt ihr Ewre Gedancken in ein Sonnet verfasset / und an eine Tanne geschrieben / welches ich im fürübergehen gelesen. Faunus / welcher sich solches mit einer ziemlichen röhte erinnerte / brach lezlich in diese kühne Wort herauß: die warheit nicht zu schonen / schönste Daphne / so ist diß Sonnet auff sie selbst gegründet / daß ich Ihr aber meine nunmehr schon lang erlittene Liebes-brunst / niemahln zuerkennen gegeben / ist / meiner Blödigkeit nach / mir unmöglich gewesen / weil ich / wenn ich solches tuhn wollen / Ihre Gunst dadurch zu verlieren / besorget habe / Nunmehr aber will sich das Fewer nicht mehr (wie im anfange) überweltigen und einhalten lassen / sondern blikket zu allen seiten herauß / und eröffnet die sonst verschlossene Pforten des Herzens / wird mich auch leicht / dafern nicht Sie durch ihre Wiederliebe solches erleschet / gar verbrennen und tödten können. Warum / getreuster Freund / sagte Daphne / hat er Bedencken getragen / mir solches zu offenbahren / Sintemahl ich ihm nicht das Lieben / sondern vielmehr meinen Augen den Schein verbieten muste / wenn ich nicht damit zu frieden wehre / kürzlich mag ich Euch hinwiederum nicht pergen / daß ich auff demselben Meere der Liebe leider schiffen / und im Hafen Ewerer Gunst einzufahren / mit höchsten Verlangen erwarten muß. Dafern Ihrer Tugend unwiedersprechlichen Worten zu gleuben. Sagte Faunus / so wisse sie hinwiederum / daß sie vorlängst schon in dem Hafen angelanget ist / und derowegen sich in minsten nicht zu bekümmern hat /

Ich aber mag mich seelig preisen /

well nun die Noht vom Herzen ist /

drüm hab ich mich auch außerkiest /

mein trew Gemüte zubeweisen.

O Daphne / Daphne / meine Zier,

gib dich und deine Liebe mir /

so hab ich alles auf der Welt /

und liebe dich für Guht und Gelt.

Und ist also nichts nötigers / als auff Mittel zu Sinnen / dadurch wir offters mögen zusammen kommen /

den ohn die Kegenwart ist Lieben lauter Pein /

Weil Lieben nichtes liebt / als stets beysammen seyn.

 

Hierauff scherzten Sie noch eine zeitlang / wegen ihrer vohrgehabten Blödigkeit / mit einander / und liessen sich / ihre Licbe fort zu sezen / höchlich angelegen seyn / konten aber sonst keine Mittel / zusammen zu kommen / ersehen / also daß Daphne / so offt eß ihr möglich / Ihre Schaffe an disen Ort zur Weyde fuhrte / und dem Faunus alsobald solches eröffnen liesse; Was weiters vor dißmahl bey ihnen vorgefallen / lesset mir die iezt verflossene Nacht / in der ich diß zuschreiben vorgenommen / zuschreiben nicht zu / Sie hielten sich aber im ubrigen so lang mit lieblichen Gesprächen auff /

 

biß die Abendtröthe kam /

und die Nacht den Tag wegnahm.

 

Da nun Daphne wiederum in Ihres Vater Hütten angelanget / kondte Sie gegen deroselben nicht gnug rühmen / wiewohl daß Ihren Schaffen auff der Wiesen / die Speise bekommen / der Vater / welcher Ihr heimliches Anliegen noch nicht vermerken kundte / befahl ihr des andern Tages wieder dahin zu gehen / welches sie Ihrem Liebsten alsobalt durch ein (mir iezo vergeßenes) Briefelein / verstendigte / Ehe aber Daphne den Brief vollendet hette / rieff sie ihr Vater [Seite] in seine Stuben alleine zu sich / dahero sie dann / (weil Sie ihre Liebe ihm offenbahr zu seyn befürchtete) ein Angstreiches Gewissen / und endeferbtes Gesichte zu ihme hinein brachte. Geliebte Tochter / hub hierauff der Vater an / demnach der Höchste mich und deine Mutter nunmehro ein zimliches Alter hat erleben lassen / und wihr derowegen dich der Gebühr nach nicht versorgen und erziehen können; Alß sind wihr beyderseits schließig geworden / dir deinem Herrn Vetter auff eine zeitlang zu zuschikken / und weil ich Seine gegen dir jederzeit insonders geneigte Natur überflüßig gespüret habe / darff ich meine vorgesezte Meinung nicht in Zweiffel ziehen / und wil / daß du dich dazu gefast machen / und ihm auff ein halb Jahr Gesellschaft leisten solt. Daphne (obzwar ihres Vaters Ansinnen Ihrer Liebe sehr behinderlich wahr / kontte gleichwohl nichts / das zu ihrem besten gereichte / einwenden / weil sie die tausentfeltige Seuffzer / welche ihr gleichsam die Stimme verstopfften / davon abhielten / muste sich derowegen / wiewohl mit gewungener Willigkeit / Ihres Vatern und deß wandelbahren Glükes willen unterwerffen / und legte sich ungegessen hierauff zu Bette / vermochte aber nicht / von übergrossen Herzen Angst / Ihr arges Glük in einem Liede zu beschreiben / und blieb also lebendig todt / in halber Hellen Angst / biß Aurora den alten Greisen Mann von sich außließ / beliegen; Bald darauff erinnerte sie sich / daß sie gleichwohl Ihres Liebsten Gesellschafft noch einmahl köndte habhafftig werden und verfügte sich / nach dem Sie sich angeleget / ganz trostloß an den wunderschönen / zur Lust und Ergezligkeit von den Göttern selbst bestimten / Ort / weil aber Ihr Faunus noch nicht daselbst angelanget war / ließ sie sich unter einen Schattenreichen Baum nieder / und mit kläglicher Stimme erschallen folgendes [Seite]

 

 

Lied.

 

O Prebus / laß dein blicken /

eß will sich iezt nicht schicken /

du must mit traurig seyn /

Schau / wie auff meinen Wangen

die Wasser-Perlen hangen /

alß Zeugen meiner Pein!

 

Ihr Himmel nembt mit Schmerzen

doch meine Noht zu Herzen!

Du schönes Firmament /

Verender dich geschwinde /

Weil ich kein Labsal finde /

und bin so voll Elendt!

 

Nun muß ich das bald meiden,

und kan mich nicht mehr weiden /

an dem / das meinen Sinn

kan unverbrüchlich binden;

Sobald kan Lust verschwinden /

Sie fleugt wie Rauch dahin.

 

Der welcher herzlich liebet /

wird jederzeit betrübet /

und hat doch solchen Sinn /

daß er kan alles leiden;

Doch wenn er sich muß scheiden /

so stirbt er gahr dahin.

 

Faunus welcher nunmehr auch heran nahete / hette von ungefehr die lezten Worte gehöret / und nach dem er die Daphne zu viel tausend mahlen mit innerlicher Freundligkeit / wie alle verliebte wissen / gegrüst / fragte er Sie / freundlich / wer der Meister Ihres vorgesungenen Liedes gewesen? Darauff Sie ihme eine solche Andtwort erteilete: Mein vorgesungenes Lied / liebster Faunus / gehet (dafern seine Liebe so wohl im Herzen / als in den Worten bestehet) Ihn mit an / Sintemaln das ernste Befehl meines Vatern / unserer Freunde eine Endschafft / und uns eine unverhoffte Trennung / dem Leibe nach / verursachen will / Inmaßen Ich dan / ohne einiges Bedencken / übermorgen von hier / und an fremde weit abgelegene Oerter verreisen muß. Das wolten die Götter / schönste Nimphe / sagte Faunus / nimmer mehr und gleichwohl / sprach Daphne / muß eß so seyn. Sie blieben beyderseits / mit gehemter Zungen und erstarreten Geiste / besitzen / die Thränen / welche die bleiche Wangen herab fielen / hetten eine sonderbahre See gemacht / und musten gleichsam für die Zunge sprechen. Endlich wie sie ein wenig wieder zu sich selbst gekommen / vernewerten Sie ihre Trewe durch fr. Gespräche. Faunus unterließ auch nicht seine Daphne fr. zu bitten / daß sie ihr geliebtes Vaterland nicht lang von aussenzu ansehen möchte. Wann ich sagte Daphne / das Verlangen / hierher zu seyn / verliere / so werd ich auch die Liebe / welche deßfals eine guhte Anforderin ist / und alle Unmögligkeiten möglich machet / auß meinem Herzen verlieren; Ja sagte Faunus / wie leicht können die Götter, ihre Trewe zu probieren / eine andere und schönere Gestalt / als die meine / in Ihr Hertz Abcontrafeien? Wie leicht kan die Zeit, die alles nimpt / Ihr das Gedächtnis der Liebe entführen? Daß also meine Trewe kaum ihrer holde seeligen Gedanken gewürdiget würde / weil auch die Götter selbst das bittere Scheiden / für das einige Mittel / der Liebe zu entfliehen / erfunden / und uns sterblichen erlaubet haben; Denn wie die Liebe / durch die Kegenwart des geliebten / vermehret und auffgeblasen wird / also muß sie / durch stehte Abwesenheit zweyer verliebten / auch gemindert und ausgeloschen werden. O / sagte Daphne / mit einem weinenden Lachen / wer wil mich denn [Seite] versichern / daß Ihm nicht eben daßelbige / und vielleicht ehe als mir / widerfahren solte? Weil ja viel fürtrefflichere Nymphen sein / als ich / solte denn nicht eine neue Flamme in seinem Herzen auffsteigen können / dadurch die alte Liebe und zugleich ich / gäntzlich außgestoßen / und in das Buch der Verschonung geschrieben würden. Solte das an mir erfüllet werden / sagte Faunus / so woltten die Parcen nuhr bald den Faden meines Lebens abschneiden / damit ich den Nahmen / daß ich biß ins Grab trew geblieben / alß eine rechtmessige Belohnung davon tragen möge: Und das wündsch ich auch / sagte Daphne / wodurch soll aber unser noch zur zeit bestendige Freundschaft / in die Länge erhalten werden? Durch Ehrliches und stehtes Angedencken / sagte Faunus / kan dieselbe eine geraume Zeit erhalten / wo nicht gar gesterket / werden / ingleichem durch anmutige Träume / kan man zum öfftern der geliebten Seelen Gegenwart (wiewohl diß ein süsser Betrug ist) mit höchster Empfindligkeit geniessen / Insonderheit aber kan die Schreibe-Feder viel darbey tuhn. Dieser Mittel nun / liebste Daphne / können wir uns auch gebrauchen / und uns an dem Schatten so lang ergetzen / biß uns dermahlen eins unser Verhengnüs der rechten Taht wird geniessen lassen. Ihrer beyder Herzen / welche von übergrossen trauren gleichsam auffgeschwollen wahren / wurden eins teils durch viel Liebes-Bezeugungen ergezet / anders teils durch das Scheiden betrübet / biß sie endlich weil Phoebus schon ins Meer eylete / und mit Dianen ümwechseln solte / nohtwendig / (jedoch nicht ohne liebliche Lezung) sich von ein ander und zugleich von sich selbst reissen musten.

So balt nur die Daphne sich auff die Reise begeben / begunte sich / nuhr ihre Liebe hefftiger zu vermehren / daß sie dahero sprechen muste / [Seite]

 

Ist Scheiden solch ein Ding / daß Lieben kan vertreiben /

Wie kompt eß / daß ich dann so voller Liebe bin /

Und zieh doch weit und brett von dem geliebten hin?

Wer mäßig lieben wil / muß bey dem Liebsten bleiben.

 

Neptunus war der Daphnen so gnädig erschienen / daß er Sie ohn einigen Seeschaden / über seine Nasse Wohnung geführet / auff frembden Sandt gesezt / und an den Ortt / dahin sie gewolt / sicher anlangen lassen. Wie sie nun von Ihrem Herrn Vetter empfangen / wie sie Ihre Liebe sich zum öfftern in Gedanken und Träumen eingebildet / und wie lang Ihr die Zeit des Abseins geducht / ist nicht / füglich / auch nicht nötig hieher zu sezen / weil die Nacht / darin ich dieses zu beschreiben entschlossen / fast über die helffte verflossen / und ich also die Früestunde wohl werde mit zu Hülffe nehmen müßen; Kommen derowegen wieder auff unsern Faunus / welchen wir im Walde der Freuden / voller Traurigkeit gelassen / derselbe nun war gleichsam mit seiner Daphnen verreiset / und enthielt sich aller Gesellschafft / biß er ein mahl guhte und bequeme Gelegenheit antraff / daß er der Daphnen folgendes Schreiben zuschickte /

 

Daß ich / schönste Daphne / liebste Gebieterin / dieselbe mit einem Schreiben / unserer lezten Abrede nach / verunruhen darff / geschicht auß keiner andern Uhrsache / alß daß ich herzlich wündsche / in Erfahrung zu kommen / in was ver einem Zustande deß Gemühts / als auch Leibs und guhtes sie lebe / würde auch nichts liebers / alß deroselben glükliches Wohlergehen / vernehmen können / mich hat die liebe Zeit ihres betrübten Abseyns / wenig an etwas anders gedencken lassen / unterdessen wolle sie öffters an unser fröliche Zummenkünfften / liebliche Gespräche und unsere Verpflichtung / Ja sie wolte auch anden Ort / da wir uns gelezet / da ich auch noch stets meine wöllichte Gesellschafft zur Weyde [Seite] führe / und das Zehren-Wasser täglich zu mehren pflege / öffters gedencken; Wündsche meiner Liebsten im übrigen viel mehr guhtes im Herzen / alß die schwache Feder berühren kan / und bitte schließlich / sie wolle die ein mahl gepflanzte Frundschafft allwege bey behalten / die Götter lassen uns nicht getrennet leben / und behüten uns für aller Unsähligkeit / unter dessen wolle Sie / liebste Daphne / zuviel tausend mahlen gegrüßet seyn von Ihrem

nicht minder bis ins Grab ergebenen /

alß izo trostloß und verlaßenen Diener

Faunus.

 

Daphne, welche diß Schreiben wohl empfing / ließ sich nicht verdrießlich seyn Ihm folgendermaßen solches zu beantworten /

 

Ich lebe / dem Himmel sey Dank / geliebter Schäffer / noch in Gesundheit des Leibes und der Ehren / waß aber meinen Zustandt anlangt / so ist derselbe sehr schlecht bestellt / wiewohl eß mir an nichts / alß Ewerer Gegenwart ermangelt / wie mich dahero Ewer Absein betrübet / vermag weder die schwache Feder zu-schreiben / noch die Zunge außzusprechen / Mein zartes Alter ist noch der harten Donnerschläge des argen Glücks ungewohnt / weil aber izo weder mein noch Ewer Zehren-Wasser unß zusammen fügen wil / so wündsch tch Euch inmittelst viel mehr guhtes im Herzen / als die ohnmächtige Feder entwerffen kan / diese wenig Worte sollen euch versichern / daß ich noch izundt nicht auffgehöret habe zu sein

Ewere ganz ergebene /

Daphne.

 

Selbiges Schreiben wardt ihrem Vater / und nicht dem Fauno / eingereichet / dadurch er des geheimen Anliegens seiner Tochter gnugsam vergständigt ward / dabey er sich / (aber leyder fast zu späte) erinnerte / daß er seine Tochter einem andern Schäffer in der Wiegen verlobet / welchem wie den Nahmen Daphnis mittheilen wollen / Schrieb derowegen in geschwinder Eyl / seiner Tochter / daß Sie ohn Verzug zu Hause kommen solte / welches Daphne auch nicht ungern vernommen / Inmassen Sie dadurch in höchste Zufriedenheit mit Ihrem Faunus vermeinte gesezt zu werden / vertrauete sich derowegen bald darauff den Göttern deß Wassers / und lendete glüklich in Ihr geliebtes Vaterland an / so bald sie aber auff den Sandt getretten / und in Ihres Vaters Hause war / erzelete Ihr der Vater / der Länge nach / wie er Sie in ihrer Jugend verlobt habe / und daß er nunmehr solches vollenziehen wolte. Daphne / ob Sie zwar darüber von Herzen beängstiget war / ergab sich doch endlich / auß Unbedachtsamkeit (in Meinung / Sie würde dann alß izo / und izo all dann mit ihrem Schäffer in stetter Freundschafft leben können) in den Willen Ihres Vaters; Weil aber disem ihre Liebe schon bekant war / ließ er sie nicht auß seinen Augen gehen / damit sie mit ihrem Fauno zu reden nicht etwa Raum hette / das denn auch ein hohes Bekümmernus in Ihrem Herzen erweckte / dieweil aber ihr verlobter Daphnis schon angelanget / und die Hochzeit-Feyre auch schon angesezet war / ward dasselbe nicht allein Lautbar / sondern kam auch dem Faunus (O unglükseelige Stunden) zu Ohren / welcher eß doch anfangs nicht glauben wollen / und seine Daphne mit einem Schreiben zu besuchen / Gelegenheit suchte / weil er aber keine Mittel / dadurch sie daßelbe bekommen könte / ersahe / muste er gleichsam todt / zwischen Hoffnung und Furcht leben / demnach aber ein jeder sich zu der Daphnen [Seite] Hochzeit gefast machte / und Faunus die nackte Warheit erfahren / entschloß er auch daselbst in traurigem Habit zu erscheinen / verfertigte Ihr auch zu Ehren selbiges

 

 

Hochzeit Gedichte.

 

Der Himmel gönnet Eucht Ihr lieben / Ewre Lust /

warum dan solten wir / nicht frölich izt erscheinen /

und frewen uns mit Euch / eß will euch nicht verneinen

die Venus ihre Frewd / die mir noch unbewust;

Die Sonne scheinet hell / die Schaffe frewen sich;

Wir können mehr nicht tuhn / alß wündschen euch von Herzen /

was Ewer Herze will / und wann ihr dann ohn Schmerzen

in stetter Freude lebt / so dencket auch an mich /

So dencket Jungfrau Braut / waß Euer Faunus machet /

der traurig frölich ist / und gleichsam weinend lachet /

Gedenkt an Euren Freund / gedenkt an seine Noht!

Wer hette doch gehofft / wer hette durffen sagen /

daß ein getreuer Sinn gelohnet wird mit Plagen /

Nun, nun gehabt Euch wohl / und denkt an meinen Todt.

Faunus.

 

Der Bräutigam / welcher diß Carmen auf seinen Hochzeit Tag gelesen / sahe eß gleichsam mit Blinden Augen durch / und konte weder guhtes noch böses davon uhrteilen; Seine Liebste derowegen mit Zorn zubelegen / war ihm wegen der noch newen / und zwar großen Liebe / ohnmöglich: den Faunus darüm zu hassen / daucht ihn auch der Christlichen Liebe nicht gemeß sein / grübelte derowegen nicht weiter in den Sachen / und schezte eß seinem Verstande zu hoch zu seyn; Daphne aber suchte Gelegenheit / mit ihrem Faunus zu reden / und fand ihn an Ihrem Hochzeit Tage negst an ihrer Seiten sizen / Faunus aber gericht auff diese Wort zu ihr / [Seite] S[ch]önste Daphne / die Götter geben ihnen so viel Glück / alß ich Zehren über ihr langwieriges Absein vergossen habe / so wird sie keine Unglükseelige Stunde betretten können / dafern mir aber mit ihr zu reden erleübt ist / so beschiehet an dieselbe mein Ehrenfleissiges Suchen / sie wolle unsere / bey iht längst verstorbene / Freundschafft / so viel wircken lassen / und sich noch ein mahl mit der ganzen Gesellschafft an den Oort / da wir vorzeiten in höchster Ergezligkeit gelebt / verfügen / dafür ich / wo ja nicht im Leben / jedoch mit meinem Tode / dankbar erscheinen will. Liebster Faunus / sagte Daphne / mit einem tieffen Seuffzer / meine noch zur zeit unverkehrte Freundschafft lesset nicht zu / ihme eine so gahr geringe Bitte abzuschlagen. Die Götter wissen alles / sagte Faunus / und straffen auch alles / sie fordern das Blut der getrewen von den Händen der ungetreuen. Das will sich / sagte Daphne auff unsere Rede übel reimen; Und forderte derowegen die ganze Gesellschafft mit sich auff / an den Ort / dahin sie Faunus genötigt hatte. Faunus aber sonderte sich von der Gesellschafft ein wenig ab / ließ sich an eine Linde inß Graß nieder / und redete offenherzig mit lauter Stimme also:

 

Ob das heist treuesein / wan man den Liebsten tödten

und ganz verstoßen wil / das Ding versteh ich nicht:

Getreue Liebe steht / wenn alles kracht und bricht /

Getreue Liebe bleibt getreu in allen Nöhten /

getreue Liebe liebt auch einen nur allein /

getrewe Liebe kan nicht Wetterwendisch seyn.

 

Getreue Liebe pflegt sich auff Bestandt zu gründen /

Wer aber disen sagt / und gleichwohl jenen meint /

Wer einen andern liebt / und nent mich seinen Freund /

bey dem ist nimmermehr ein treues Glied zu finden;

nun wohl / o Daphne / las dir diß genugsam sein /

betrübe dich mit mir / und denck an meine Pein!

 

Nim meinen armen Geist / wenn er den Leib muß lassen /

in deinen zarten Schoß, so wird sich meine Noht /

wo ja nicht anders sonst / doch enden in dem Todt:

Im Tode wirstu mich / mein Leben / ja nicht hassen;

das ist mein höchster Trost / diß Feld / diß edle Feld /

sol meine Grabstadt sein / dazu ichs längst erwählt.

 

Diana mach mein Grab mit deinen Jägerinnen /

und / Flora / thu dich doch nach schönen Blumen um /

die streu iezt um mein Grab und blasse Leich herum:

begrabt / begrabt mich hir / Ihr andern Waldgöttinnen /

Ihr Nymphen höret doch mein leztes Lied iezt an /

hört / wie ich den Gesang der Schwanen singen kan!

 

Nempt schönen Timian / nempt Nelcken und Narcissen /

nempt Cyparessen Kraut / nempt schönen Majoran /

bestrewet mir mein Grab mit fremdem Tulipan /

Ihr zarten Najaden / begrabt mich bey den Flüssen /

tanzt um mein Grab herüm / und singet denn dabey /

hier ligt der treulich liebt / und nicht geliebt ward treu.

 

Nun Daphne gute Nacht / nun ist mein Lauff erfüllet, /

Ich habe dir gelobt / zu lieben bis ins Grab /

wohlan ich liebe noch / und scheid auch iezund ab /

so wird die Liebes-Noht zu dieser Zeit gestillet / etc.

 

Darauff sank er sanffte nieder / befahl sich den Göttern / und starb in aller gegenwart / ohn einige empfindnuß des Todes / ward auch von den Seinigen an diesen Ort begraben / und von der Musen Kinder / mit statlichen Traurgedichten beklaget / die Briefe / welche er von der Daphnen in der zeit seiner Freuden empfangen / wurden zum ewigen Gedächtnus in den Tempel der Venus auffgehencket. Daphne / weil sie nunmehr so wohl am Verstande / als Alter zugenommen / begunte ihre greuliche Fähler zuerkennen / und beweinete Ihren treugebliebenen Faunus von Herzen; Mit [Seite] waß vor Straffe nun der Todt des Edlen Faunus von den Göttern gerochen worden / ist mir so wenig wissend / alß mich die iezt verflossene Nacht unter ihrem Schatten die Feder zu führen / lenger vergönnen will.