BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Leberecht Bachenschwanz

1729 - 1802

 

Dante Alighieri: Von der Hölle

 

1767

 

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Erstes Gedicht: Von der Hölle.

 

Dritter Gesang.

 

Inhalt: Der Dichter kömmt mit dem Virgilius an das Thor der Hölle und sieht die entsetzlichen Worte, die oben über demselben geschrieben stehen. Hierauf geht er mit ihm hinein, und höret das erschreckliche Geräusch und Wehklagen der verstorbenen Müßiggänger, die da herum liefen, und von Insekten auf das empfindlichste gestochen wurden. Von hier kommen sie an den Höllenfluß Acheron, wo die Seelen übergesetzt werden, und wo Dante wie todt zur Erden niederfällt.

 

Vers 1 ff.

 

 

 

Dritter Gesang.

 

Durch mich gehet man in die traurige Stadt – durch mich gehet man in die ewige Qvaal – durch mich gehet man unter das verlorne Volk. – Gerechtigkeit war der Bewegungsgrund meines erhabenen Schöpfers und die göttliche Macht, die höchste Weisheit und die ewige Liebe gaben mir meine Wirklichkeit. – Vor mir waren keine Geschöpfe, außer nur ewige Dinge – und ich – ewig daure ich – ewig. – Laßt also, die ihr hereingehet, laßt alle Hoffnung fahren!

Diese dunkelfärbigten Worte sah ich oben über einem Thore geschrieben. O mein Lehrer, rief ich, der Sinn der Worte fällt mir schwer! – Hier antwortete er, als eine kluge und vorsichtige Person, hier muß man alle Zweifelsucht gänzlich verbannen, und alle Zaghaftigkeit muß hier gänzlich erstorben seyn. Wir sind nunmehro an dem Orte, wo du, wie ich dir [24] gesagt habe, die leidenden Geister sehen wirst, welche Gott, ihr höchstes Gut, verloren haben. Hierauf nahm er mich, mit frohem Angesichte, bey der Hand, und brachte mich, so wieder gestärkt, hinein zu den geheimen Dingen.

Hier schallten Seufzer, Wehklagen und lautes Heulen durch die sternlosen Lüfte, worüber mir anfänglich die Augen übergiengen. Ganz verschiedene Sprachen, entsetzliche Reden, quaalvolle Worte, Laute voll Zorn und Rache, helle und heisere Stimmen mit ertönenden Schlägen in ringende Hände verursachten ein Getöse, welches, gleich dem von einem Wirbelwinde erregten Staube, dort in den zeitlosen Lüften unaufhörlich herumkreiset. Ach, mein Lehrer, rief ich, dessen Verstand wie umnebelt war, o! was ist das, das ich höre? Und was ist das für ein Volk, das ganz ein Raub der Qvaal zu seyn scheint? Das ist, antwortete er mir, der betrübte Zustand derjenigen Seelen, die in der Welt ohne Schande und ohne Ruhm gelebt haben. Sie sind mit unter dem häßlichen Chor von Engeln 1), die weder Rebellen wider Gott, noch auch demselben treu waren, sondern für sich neutral blieben. Der Himmel jagte sie also fort, um seiner Schönheit keinen Abbruch zu thun, und der Abgrund der Hölle nimmt sie auch nicht ein, weil sie einige Vorzüge vor den Höllenbürgern haben würden. Aber mein gütiger Lehrer, sprach ich, was ist es denn also für ein so großes [25] Unglück, das ihnen so harte und wehmuthsvolle Klagen auspresset? Ich will, war seine Antwort, dir alles kurz sagen. Diese Unglückseligen haben keine Hoffnung zu sterben. Und ihr finsteres Leben ist so niederträchtig, daß sie über ein jedes anderes Schicksal neidisch sind. Die Welt läßt ihren Ruf nicht aufkommen. Und weder die Barmherzigkeit, noch die Gerechtigkeit bekümmert sich weiter um sie. Doch gnug von diesen. Aber siehe da, und komm. Und ich sahe hin, und sahe eine Fahne, die so schnell im Kreise herum und zugleich fort lief, daß sie mir aller Ruhe unwürdig schien. Und hinter ihr kam ein so langer Zug von Seelen, daß ich nimmermehr geglaubt hätte, daß der Tod eine so große Niederlage gemacht habe. Ich erkannte endlich einen darunter, sahe ihn an, und fand, daß es der Schatten desjenigen 2) war, der so niederträchtig der großen Würde sich wieder entsetzte. Sofort vernahm ich und ward überzeugt, daß dieser Schwarm die schändliche Gott und seinen Feinden [26] verhaßte Rotte sey. Diese Unglückseligen, die noch nie moralisch lebendig gewesen, waren nackend, und wurden von den daselbst befindlichen Mücken und Wespen auf das empfindlichste gestochen. Diese nagten ihnen ihr Angesicht ganz voll Blut, welches mit Thränen untermengt herabtriefte, und an ihre Füßen von den widrigsten Würmern aufgezehrt wurde.

Hierauf wollte ich mich nun weiter umsehen, als ich eben da eine Menge Volk an dem Ufer eines großen Flusses erblickte. O mein Lehrer, rief ich hier, erlaube, und sage mir, wer sind die? Und woher kommts, daß sie, so viel ich durch das dunkel schimmernde Licht wahrnehmen kann, wie hinüber zu fliegen scheinen. Du sollst, antwortete er, es alles erfahren, so bald wir unsern Fuß an den traurigen Höllenfluß setzen werden. Mit schamhaften und niedergeschlagenen Augen, aus Furcht, es möchte ihm etwa mein Reden verdrüßlich fallen, enthielt ich mich hierauf bis an den Fluß des Redens. Hier sah ich einen vor alten Haaren ganz weissen Greis mit einem Schiffe auf uns zukommen, der schrie: Wehe euch, ihr verruchten Seelen! Macht euch keine Hoffnung, jemals den Himmel zu sehen! Ich komme, euch dort an dem andern Ufer, in die ewige Finsterniß, wo Hitze und Kälte wüten, zu führen. Und was willst du, du lebendige Seele, hier? Fort, entferne dich von diesen, welche gestorben sind. Allein, da er sah, daß ich mich nicht fortmachte, schrie er wieder: Durch andere Wege, durch andere Fahrten, nicht hier durch diese Ueberfahrt wirst du ans Land kommen. Ein wirksameres Holz muß dich übersetzen. Hier sagte mein Führer: Charon, eifre dich nicht so ab; man will es also dort oben, wo man thun kann, was man [27] will, und mehr verlange nicht. Hierauf legte sich das Sträuben des wolligten Bartes bey dem Steuermanne von dem schweflichten Höllensee, dessen Augen wie Feuerräder im Kopfe herumgiengen. Allein, so bald jene abgematteten und nackenden Seelen die harten Worte höreten, verfärbten sie sich, und knirschten mit den Zähnen. Sie lästerten Gott. Sie verfluchten und verwünschten ihre Aeltern. Sie verdammten und vermaladeyten die Menschheit, und den Ort, und die Zeit, und den Zeugungssaamen ihres Geschlechts und ihrer Geburt. Hierauf zogen sie alle insgesamt unter Vergießung der bittersten Thränen nach dem verdammten Ufer fort, von dem alle Menschen, die Gott nicht fürchten, erwartet werden. Der teufelische Charon treibt sie, auf einen mit seinen glühenden Augen vorher gegebenen Wink, alle da zusammen, und wer da zaudert, empfängt von ihm die empfindlichsten Schläge mit dem Ruder.

So, wie zur Herbstzeit die Blätter von den Bäumen, eins nach dem andern, herabfallen, bis endlich der Baum seine ganze Bekleidung der Erde wiedergiebt – eben so fallen die gottlosen Nachkommen Adams, einer nach dem andern, auf höllische Winke, an diesem Ufer, wie Vögel auf reizende Lockungen, zur Erden nieder.

Also gehen sie über die Wellen des schwarzen Flusses. Und ehe sie noch einmal jenseits ausgestiegen sind, so versammlet sich disseits schon wieder eine neue Rotte.

Mein Sohn, sagte mein sorgfältiger Lehrer, alle diejenigen, die unter dem Zorne Gottes dahin sterben, [28] kommen hier aus allen Orten und Enden der Welt zusammen. Und sie sind deswegen so eilfertig, über den Fluß zu kommen, weil sie die göttliche Strafgerechtigkeit gleichsam dazu anspornet, so, daß die Furcht vor der Strafe sich in ein begieriges Verlangen nach derselben verwandelt. Wenn daher Charon sich deinetwegen beunruhiget, so kannst du nunmehro schon wissen, was er mit seinen Reden sagen will.

So bald er hier ausgeredet hatte, erschütterte das finstre Feld so gewaltsam, daß das Angedenken des Schreckens meinen ganzen Körper wieder mit einem kalten Todesschweisse überzieht. Die mit Thränen befeuchtete Erde gab schwüle Ausdünstungen von sich, die in ein Sturmwetter und feuerrothe Blitze ausbrachen. Das raubte mir alle Empfindung, so, daß ich, gleich einem Menschen, der sich des Schlafs nicht erwehren kann, zur Erden nieder fiel.

 

 

Inferno: Canto III

 

 

 

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Per me si va ne la città dolente,

per me si va ne l'etterno dolore,

per me si va tra la perduta gente.

Giustizia mosse il mio alto fattore;

fecemi la divina podestate,

la somma sapïenza e 'l primo amore.

Dinanzi a me non fuor cose create

se non etterne, e io etterno duro.

Lasciate ogne speranza, voi ch'intrate›.

Queste parole di colore oscuro

vid' ïo scritte al sommo d'una porta;

per ch'io: «Maestro, il senso lor m'è duro».

Ed elli a me, come persona accorta:

«Qui si convien lasciare ogne sospetto;

ogne viltà convien che qui sia morta.

Noi siam venuti al loco ov' i' t'ho detto

che tu vedrai le genti dolorose

c'hanno perduto il ben de l'intelletto».

E poi che la sua mano a la mia puose

con lieto volto, ond' io mi confortai,

mi mise dentro a le segrete cose.

Quivi sospiri, pianti e alti guai

risonavan per l'aere sanza stelle,

per ch'io al cominciar ne lagrimai.

Diverse lingue, orribili favelle,

parole di dolore, accenti d'ira,

voci alte e fioche, e suon di man con elle

facevano un tumulto, il qual s'aggira

sempre in quell' aura sanza tempo tinta,

come la rena quando turbo spira.

E io ch'avea d'error la testa cinta,

dissi: «Maestro, che è quel ch'i' odo?

e che gent' è che par nel duol sì vinta?».

Ed elli a me: «Questo misero modo

tegnon l'anime triste di coloro

che visser sanza 'nfamia e sanza lodo.

Mischiate sono a quel cattivo coro

de li angeli che non furon ribelli

né fur fedeli a Dio, ma per sé fuoro.

Caccianli i ciel per non esser men belli,

né lo profondo inferno li riceve,

ch'alcuna gloria i rei avrebber d'elli».

E io: «Maestro, che è tanto greve

a lor che lamentar li fa sì forte?».

Rispuose: «Dicerolti molto breve.

Questi non hanno speranza di morte,

e la lor cieca vita è tanto bassa,

che 'nvidïosi son d'ogne altra sorte.

Fama di loro il mondo esser non lassa;

misericordia e giustizia li sdegna:

non ragioniam di lor, ma guarda e passa».

E io, che riguardai, vidi una 'nsegna

che girando correva tanto ratta,

che d'ogne posa mi parea indegna;

e dietro le venìa sì lunga tratta

di gente, ch'i' non averei creduto

che morte tanta n'avesse disfatta.

Poscia ch'io v'ebbi alcun riconosciuto,

vidi e conobbi l'ombra di colui

che fece per viltade il gran rifiuto.

Incontanente intesi e certo fui

che questa era la setta d'i cattivi,

a Dio spiacenti e a' nemici sui.

Questi sciaurati, che mai non fur vivi,

erano ignudi e stimolati molto

da mosconi e da vespe ch'eran ivi.

Elle rigavan lor di sangue il volto,

che, mischiato di lagrime, a' lor piedi

da fastidiosi vermi era ricolto.

E poi ch'a riguardar oltre mi diedi,

vidi genti a la riva d'un gran fiume;

per ch'io dissi: «Maestro, or mi concedi

ch'i' sappia quali sono, e qual costume

le fa di trapassar parer sì pronte,

com' i' discerno per lo fioco lume».

Ed elli a me: «Le cose ti fier conte

quando noi fermerem li nostri passi

su la trista riviera d'Acheronte».

Allor con li occhi vergognosi e bassi,

temendo no 'l mio dir li fosse grave,

infino al fiume del parlar mi trassi.

Ed ecco verso noi venir per nave

un vecchio, bianco per antico pelo,

gridando: «Guai a voi, anime prave!

Non isperate mai veder lo cielo:

i' vegno per menarvi a l'altra riva

ne le tenebre etterne, in caldo e 'n gelo.

E tu che se' costì, anima viva,

pàrtiti da cotesti che son morti».

Ma poi che vide ch'io non mi partiva,

disse: «Per altra via, per altri porti

verrai a piaggia, non qui, per passare:

più lieve legno convien che ti porti».

E 'l duca lui: «Caron, non ti crucciare:

vuolsi così colà dove si puote

ciò che si vuole, e più non dimandare».

Quinci fuor quete le lanose gote

al nocchier de la livida palude,

che 'ntorno a li occhi avea di fiamme rote.

Ma quell' anime, ch'eran lasse e nude,

cangiar colore e dibattero i denti,

ratto che 'nteser le parole crude.

Bestemmiavano Dio e lor parenti,

l'umana spezie e 'l loco e 'l tempo e 'l seme

di lor semenza e di lor nascimenti.

Poi si ritrasser tutte quante insieme,

forte piangendo, a la riva malvagia

ch'attende ciascun uom che Dio non teme.

Caron dimonio, con occhi di bragia

loro accennando, tutte le raccoglie;

batte col remo qualunque s'adagia.

Come d'autunno si levan le foglie

l'una appresso de l'altra, fin che 'l ramo

vede a la terra tutte le sue spoglie,

similemente il mal seme d'Adamo

gittansi di quel lito ad una ad una,

per cenni come augel per suo richiamo.

Così sen vanno su per l'onda bruna,

e avanti che sien di là discese,

anche di qua nuova schiera s'auna.

«Figliuol mio», disse 'l maestro cortese,

«quelli che muoion ne l'ira di Dio

tutti convegnon qui d'ogne paese;

e pronti sono a trapassar lo rio,

ché la divina giustizia li sprona,

sì che la tema si volve in disio.

Quinci non passa mai anima buona;

e però, se Caron di te si lagna,

ben puoi sapere omai che 'l suo dir suona».

Finito questo, la buia campagna

tremò sì forte, che de lo spavento

la mente di sudore ancor mi bagna.

La terra lagrimosa diede vento,

che balenò una luce vermiglia

la qual mi vinse ciascun sentimento;

e caddi come l'uom cui sonno piglia.

 

 

Vers 106 ff.

 

 

――――――――

 

1) Diese Engel ergriffen in jenem wichtigen Streite im Himmel, weder die Partey Lucifers mit seinen Engeln, noch die Partey Michaels mit seinen Engeln, sonder blieben für sich in niederträchtiger Ruhe. 

2) Dieser war ehedem Pabst Celestin der fünfte, der fromme Einsiedler, der sich von dem Cardinal Cajetan, nachher erwähltem Pabste, unter dem Namen Bonifacius der achte, überreden ließ, wieder abzudanken, und nicht arbeiten wollte. Nur in geistlicher Einsamkeit leben, und nicht gehörig arbeiten, ist heiliger Müßiggang, und Mißbrauch der Religion. Arbeit ist überhaupt das beste Vorsehungsmittel wider Laster, Dürftigkeit und Schande, und bringt Gesundheit, Nutzen, Erfahrung, Ehre, erquickende Ruhe, und fühlendes Vergnügen, und ist die vornehmste Pflicht des Menschen, der viel thun kann, welches man sieht, wenn er muß.