B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Johann Wolfgang Goethe
1749 - 1832
     
   


U r f a u s t

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N A C H T.
In einem hochgewölbten engen gothischen Zimmer.

F a u s t unruhig auf seinem Sessel am Pulten.
Hab nun, ach! die Philosophey,
Medizin und Juristerey
Und leider auch die Theologie
Durchaus studirt mit heisser Müh.
Da steh ich nun, ich armer Thor,
Und binn so klug als wie zuvor.
Heisse Docktor und Professor gar
Und ziehe schon an die zehen Jahr
Herauf, herab und queer und krumm
Meine Schüler an der Nas herum
Und seh, dass wir nichts wissen können:
Das will mir schier das Herz verbrennen.
Zwar binn ich gescheuter als alle die Laffen
Docktors, Professors, Schreiber und Pfaffen,
Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel,
Fürcht mich weder vor Höll noch Teufel.
Dafür ist mir auch all Freud entrissen,
Bild mir nicht ein, was rechts zu wissen,
Bild mir nicht ein, ich könnt was lehren
Die Menschen zu bessern und zu bekehren,
Auch hab ich weder Gut noch Geld
Noch Ehr und Herrlichkeit der Welt:
Es mögt kein Hund so länger leben
Drum hab ich mich der Magie ergeben,
Ob mir durch Geistes Krafft und Mund
Nicht manch Geheimniss werde kund,
Dass ich nicht mehr mit saurem Schweis
Rede von dem, was ich nicht weis,
Dass ich erkenne, was die Welt
Im innersten zusammenhält,
Schau alle Würckungskrafft und Saamen
Und tuh nicht mehr in Worten kramen.

O sähst du, voller Mondenschein,
Zum letzten mal auf meine Pein,
Den ich so manche Mitternacht
An diesem Pult heran gewacht!
Dann über Bücher und Papier
Trübseelger Freund, erschienst du mir.
Ach, könnt ich doch auf Berges Höhn
In deinem lieben Lichte gehn,
Um Bergeshöl mit Geistern schweben,
Auf Wiesen in deinem Dämmer weben,
Von allem Wissensqualm entladen,
In deinem Thau gesund mich baden!

Weh! steck ich in dem Kercker noch?
Verfluchtes dumpfes Mauerloch,
Wo selbst das liebe Himmels Licht
Trüb durch gemahlte Scheiben bricht,
Beschränckt von all dem Bücherhauff,
Den Würme nagen, staubbedeckt
Und biss ans hohe Gewölb hinauf
Mit angeraucht Papier besteckt
Mit Gläsern, Büchsen rings bestellt
Mit Instrumenten vollgepropft
Urväter Hausrath drein gestopft:
Das ist deine Welt, das heisst eine Welt!

Und fragst du noch, warum dein Herz
Sich inn in deinem Busen klemmt?
Warum ein unerklärter Schmerz
Dir alle Lebensregung hemmt?
Statt all der lebenden Natur,
Da Gott die Menschen schuf hinein
Umgiebt in Rauch und Moder nur
Dich Tiergeripp und Todtenbein.
Flieh! Auf hinaus ins weite Land!
Und dies geheimnissvolle Buch
Von Nostradamus eigner Hand
Ist dir das nicht Geleit genug?
Erkennest dann der Sterne Lauf,
Und wenn Natur dich unterweist
Dann geht die Seelenkrafft dir auf,
Wie spricht ein Geist zum andern Geist.
Umsonst, dass trocknes Sinnen hier
Die heilgen Zeichen dir erklärt;
Ihr schwebt, ihr Geister, neben mir,
Antwortet mir wenn ihr mich hört!
er schlägt das Buch auf
und erblickt das Zeichen des Makrokosmus.

Ha! welche Wonne fliesst in diesem Blick
Auf einmal mir durch alle meine Sinnen!
Ich fühle iunges heilges Lebensglück,
Fühl neue Glut durch Nerv und Adern rinnen.
War es ein Gott, der diese Zeichen schrieb,
Die all das innre Toben stillen
Das arme Herz mit Freude füllen
Und mit geheimnissvollem Trieb
Die Kräffte der Natur enthüllen?
Binn ich ein Gott? mir wird so licht!
Ich schau in diesen reinen Zügen
Die würckende Natur vor meiner Seele liegen.
Jezt erst erkenn ich, was der Weise spricht:
«Die Geister Welt ist nicht verschlossen,
Dein Sinn ist zu, dein Herz ist todt!
Auf! bade, Schüler, unverdrossen
Die irrdsche Brust im Morgenroth!»
er beschaut das Zeichen.
Wie alles sich zum Ganzen webt,
Eins in dem andern würckt und lebt!
Wie Himmelskräffte auf und nieder steigen
Und sich die goldnen Eimer reichen!
Mit Seegenduftenden Schwingen
Vom Himmel durch die Erde dringen,
Harmonisch all das All durchklingen!

Welch Schauspiel! aber ach, ein Schauspiel nur!
Wo fass ich dich, unendliche Natur?
Euch Brüste wo? Ihr Quellen alles Lebens,
An denen Himmel und Erde hängt,
Dahin die welcke Brust sich drängt,
Ihr quellt, ihr tränckt, und schmacht ich so vergebens?
er schlägt unwillig das Buch um
und erblickt das Zeichen des Erdgeistes.

Wie anders würckt dies Zeichen auf mich ein!
Du, Geist der Erde, bist mir näher,
Schon fühl ich meine Kräffte höher,
Schon glüh ich wie vom neuen Wein.
Ich fühle Muth, mich in die Welt zu wagen,
All Erdenweh und all ihr Glück zu tragen,
Mit Stürmen mich herum zu schlagen
Und in des Schiffbruchs Knirschen nicht zu zagen.
Es wölckt sich über mir,
Der Mond verbirgt sein Licht!
Die Lampe schwindet!
Es dampft! Es zucken rothe Stralen
Mir um das Haupt. Es weht
Ein Schauer vom Gewölb herab
Und fasst mich an.
Ich fühls, du schwebst um mich,
Erflehter Geist!
Enthülle dich!
Ha! wies in meinem Herzen reisst!
Zu neuen Gefühlen
All meine Sinne sich erwühlen!
Ich fühle ganz mein Herz dir hingegeben!
Du musst! du musst! Und kostet es mein Leben.
er faßt das Buch und spricht das Zeichen des Geists geheimnissvoll aus. Es zuckt eine röthliche Flamme, der Geist erscheint in der Flamme, in wiederlicher Gestalt.

G e i s t.
Wer ruft mir?

F a u s t abwendend.
                Schröckliches Gesicht!

G e i s t.
Du hast mich mächtig angezogen,
An meiner Sphäre lang gesogen,
Und nun -

F a u s t.
                Weh! ich ertrag dich nicht!

G e i s t.
Du flehst erathmend, mich zu schauen,
Meine Stimme zu hören, mein Antlitz zu sehn,
Mich neigt dein mächtig Seelen Flehn:
Da binn ich! Welch erbärmlich Grauen
Fasst Uebermenschen dich! Wo ist der Seele Ruf?
Wo ist die Brust, die eine Welt in sich erschuf,
Und trug, und heegte, und mit Freude Beben
Erschwoll, sich uns, den Geistern, gleich zu heben?
Wo bist du, Faust, des Stimme mir erklang?
Der sich an mich mit allen Kräfften drang?
Du! der, den kaum mein Hauch umwittert,
In allen Lebenstiefen zittert,
Ein furchtsam weggekrümmter Wurm.

F a u s t.
Soll ich dir, Flammenbildung, weichen?
Ich binns, binn Faust, binn deines gleichen!

G e i s t.
In Lebensfluthen, im Tahtensturm
Wall ich auf und ab,
Webe hin und her!
Geburt und Grab,
Ein ewges Meer,
Ein wechselnd Weben,
Ein glühend Leben!
So schaff ich am sausenden Webstuhl der Zeit
Und würcke der Gottheit lebendiges Kleid.

F a u s t.
Der du die weite Welt umschweiffst,
Geschäfftger Geist, wie nah fühl ich mich dir!

G e i s t.
Du gleichst dem Geist, den du begreiffst,
Nicht mir! verschwindet

F a u s t zusammenstürzend.
                Nicht dir!
Wem denn?
Ich Ebenbild der Gottheit!
Und nicht einmal dir!
es klopft.
O Todt! ich kenns, das ist mein Famulus.
Nun werd ich tiefer tief zu nichte!
Dass diese Fülle der Gesichte
Der trockne Schwärmer stören muss!

Wagner im Schlafrock und der Nachtmütze, eine Lampe in der Hand. Faust wendet sich unwillig.

W a g n e r.
Verzeiht! ich hört euch deklamiren.
Ihr last gewiss ein Griechisch Trauerspiel.
In dieser Kunst mögt ich was profitiren,
Denn heutzutage würckt das viel.
Ich hab es öffters rühmen hören,
Ein Kommödiant könnt einen Pfarrer lehren.

F a u s t.
Ja, wenn der Pfarrer ein Commödiant ist,
Wie das denn wohl zu Zeiten kommen mag.

W a g n e r.
Ach wenn man in sein Museum gebannt ist
Und sieht die Welt kaum einen Feyertag.
Man weis nicht eigentlich, wie sie zu guten Dingen
Durch Ueberredung hinzubringen.

F a u s t.
Wenn ihrs nicht fühlt, ihr werdets nicht eriagen,
Wenns euch nicht aus der Seele dringt
Und mit urkräfftigem Behagen
Die Herzen aller Hörer zwingt.
Sizt ihr einweil und leimt zusammen,
Braut ein Ragout von andrer Schmaus
Und blast die kümmerlichen Flammen
Aus eurem Aschenhäufgen aus!
Bewundrung von Kindern und Affen,
Wenn euch darnach der Gaumen steht!
Doch werdet ihr nie Herz zu Herzen schaffen,
Wenn es euch nicht von Herzen geht.

W a g n e r.
Allein der Vortrag nüzt dem Redner viel.

F a u s t.
Was Vortrag! der ist gut im Puppenspiel.
Mein Herr Magister, hab er Krafft!
Sey er kein Schellenlauter Tohr!
Und Freundschafft, Liebe, Brüderschafft,
Trägt die sich nicht von selber vor?
Und wenns euch Ernst ist, was zu sagen
Ists nöthig, Worten nachzuiagen?
Und all die Reden, die so blinckend sind,
In denen ihr der Menschheit Schnizzel kräuselt,
Sind unerquicklich wie der Nebelwind,
Der herbstlich durch die dürren Blätter säuselt.

W a g n e r.
Ach Gott, die Kunst ist lang
Und kurz ist unser Leben!
Mir wird bey meinem kritischen Bestreben
Doch offt um Kopf und Busen bang.
Wie schweer sind nicht die Mittel zu erwerben,
Durch die man zu den Quellen steigt,
Und eh man nur den halben Weeg erreicht,
Muss wohl ein armer Teufel sterben.

F a u s t.
Das Pergament ist das der heilge Bronnen,
Woraus ein Trunck den Durst auf ewig stillt?
Erquickung hast du nicht gewonnen,
Wenn sie dir nicht aus eigner Seele quillt.

W a g n e r.
Verzeiht! es ist ein gros Ergözzen,
Sich in den Geist der Zeiten zu versezzen,
Zu schauen, wie vor uns ein weiser Mann gedacht,
Und wie wirs dann zulezt so herrlich weit gebracht.

F a u s t.
O ia, biss an die Sterne weit!
Mein Freund die Zeiten der Vergangenheit
Sind uns ein Buch mit sieben Siegeln.
Was ihr den Geist der Zeiten heisst,
Das ist im Grund der Herren eigner Geist,
In dem die Zeiten sich bespiegeln.
Da ists denn warrlich offt ein Jammer!
Man läufft euch bey dem ersten Blick davon:
Ein Kehrichtfass und eine Rumpelkammer,
Und höchstens eine Haupt und Staats Acktion.
Mit trefflichen pragmatischen Maximen,
Wie sie den Puppen wohl im Munde ziemen.

W a g n e r.
Allein die Welt! des Menschen Herz und Geist!
Mögt ieglicher doch was davon erkennen.

F a u s t.
Ja, was man so erkennen heisst!
Wer darf das Kind beym rechten Nahmen nennen?
Die wenigen, die was davon erkannt,
Die Töhrig gnug ihr volles Herz nicht wahrten,
Dem Pöbel ihr Gefühl, ihr Schauen offenbaarten,
Hat man von ie gekreuzigt und verbrannt.
Ich bitt euch, Freund, es ist tief in der Nacht,
Wir müssen diesmal unterbrechen.

W a g n e r.
Ich hätte gern biss morgen früh gewacht,
Um so gelehrt mit euch mich zu besprechen. ab.

F a u s t.
Wie nur dem Kopf nicht alle Hoffnung schwindet,
Der immer fort an schaalem Zeuge klebt,
Mit gierger Hand nach Schäzzen gräbt,
Und froh ist, wenn er Regenwürmer findet!

Mephistopheles im Schlafrock, eine grose Perrücke auf. Student.

S t u d e n t.
Ich binn alhier erst kurze Zeit
Und komme voll Ergebenheit,
Einen Mann zu sprechen und zu kennen,
Den alle wir mit Ehrfurcht nennen.

M e p h i s t o p h e l e s.
Eure Höflichkeit erfreut mich sehr,
Ihr seht einen Mann wie andre mehr.
Habt ihr euch hier schon umgetahn?

S t u d e n t.
Ich bitt euch, nehmt euch meiner an!
Ich komm mit allem gutem Muth,
Ein leidlich Geld und frischem Blut.
Meine Mutter wollt mich kaum entfernen,
Mögte gern was rechts hier aussen lernen.

M e p h i s t o p h e l e s.
Da seyd ihr eben recht am Ort.

S t u d e n t.
Aufrichtig! Mögt schon wieder fort!
Sieht all so trocken ringsum aus,
Als säs Heishunger in iedem Haus.

M e p h i s t o p h e l e s.
Bitt euch, dran euch nicht weiter kehrt!
Hier alles sich vom Studenten nährt.
Doch erst, wo werdet ihr logiren?
Das ist ein Hauptstück!

S t u d e n t.
                Wolltet mich führen!
Binn warrlich ganz ein irres Lamm.
Mögt gern das gute so allzusamm,
Mögt gern das böse mir all vom Leib,
Und Freyheit, auch wohl Zeitvertreib!
Mögt auch dabey studiren tief,
Dass mirs über Kopf und Ohren lief!
O Herr, helft, dass meiner Seel
Am guten Wesen nimmer fehl.

M e p h i s t o p h e l e s krazt sich.
Kein Logie habt ihr, wie ihr sagt?

S t u d e n t.
Hab noch nicht mal darnach gefragt.
Mein Wirthshaus nährt mich leidlich gut,
Feines Mägdlein drinn aufwarten tuht.

M e p h i s t o p h e l e s.
Behüte Gott, das führt euch weit!
Kaffee und Billard! Weh dem Spiel!
Die Mägdlein, ach, sie geilen viel!
Vertripplistreichelt eure Zeit.
Dagegen sehn wirs leidlich gern,
Dass alle Studiosi nah und fern
Uns wenigstens einmal die Wochen
Kommen untern Absaz gekrochen.
Will einer an unserm Speichel sich lezzen,
Den tuhn wir zu unsrer Rechten sezzen.

S t u d e n t.
Mir wird ganz greulich vorm Gesicht!

M e p h i s t o p h e l e s.
Das schadt der guten Sache nicht.
Dann fördersamst mit dem Logie
Wüsst ich euch wohl nichts bessers hie,
Als geht zu Frau Sprizbierlein morgen:
Weis Studiosos zu versorgen,
Hats Haus von oben bis unten voll
Und versteht weidlich, was sie soll.
Zwar Noes Arche war saubrer gefacht,
Doch ists einmal so hergebracht.
Ihr zahlt, was andre vor euch zahlten,
Die ihren Nahm aufs Scheis Haus mahlten.

S t u d e n t.
Wird mir fast so eng ums Herz herum
Als zu Haus im Collegium.

M e p h i s t o p h e l e s.
Euer Logie wär nun bestellt.
Nun euren Tisch für leidlich Geld!

S t u d e n t.
Mich dünckt, das gäb sich alle nach,
Wer erst von Geists Erweitrung sprach!

M e p h i s t o p h e l e s.
Mein Schaz, das wird euch wohl verziehn.
Kennt nicht den Geist der Akademien!
Der Mutter Tisch müsst ihr vergessen,
Klar Wasser, geschiedne Butter fressen,
Statt Hopfen Keim und iung Gemüs
Geniessen mit Danck Brennesseln süs,
Sie tuhn einen Gänse Stulgang treiben,
Aber eben drum nicht bass bekleiben,
Hammel und Kalb kühren ohne End
Als wie unsers Herr Gotts Firmament.
Doch zahlend wird von euch ergänzt,
Was Schwärmerian vor euch geschwänzt.
Müsst euren Beutel wohl versorgen,
Besonders keinem Freunde borgen,
Aber redlich zu allen Maalen
Wirth, Schneider und Professor zahlen.

S t u d e n t.
Hochwürdger Herr, das findet sich.
Aber nun bitt ich: leitet mich!
Mir steht das Feld der Weisheit offen,
Wäre gern so grade zu geloffen,
Aber sieht drinn so bunt und kraus,
Auch seitwärts wüst und trocken aus.
Fern täht sichs mir vor die Sinnen stellen
Als wie ein Tempe voll frischer Quellen.

M e p h i s t o p h e l e s.
Sagt mir erst, eh ihr weiter geht:
Was wählt ihr für eine Fakultät?

S t u d e n t.
Soll zwar ein Mediziner werden,
Doch wünscht ich rings von aller Erden,
Von allem Himmel und all Natur,
So viel mein Geist vermögt zu fassen.

M e p h i s t o p h e l e s.
Ihr seyd da auf der rechten Spur,
Doch müsst ihr euch nicht zerstreuen lassen.
Mein theurer Freund, ich rath euch drum
Zuerst Kollegium Logikum.
Da wird der Geist euch wohl dressirt,
In Spansche Stiefeln eingeschnürt,
Dass er bedächtger so fort an
Hinschleiche die Gedancken Bahn
Und nicht etwa die Kreuz und Queer
Irrlichtelire den Weeg daher.
Dann lehret man euch manchen Tag,
Dass, was ihr sonst auf Einen Schlag
Getrieben, wie Essen und Trincken frey,
Eins! Zwey! Drey! dazu nöthig sey.
Zwar ists mit der Gedancken Fabrick
Wie mit einem Weber Meisterstück,
Wo Ein Tritt tausend Fäden regt,
Die Schifflein rüber hinüber schiessen,
Die Fäden ungesehen fliessen,
Ein Schlag tausend Verbindungen schlägt.
Der Philosoph der tritt herein
Und beweist euch, es müsst so seyn:
Das erst wär so, das zweyte so
Und drum das dritt und vierte so,
Und wenn das erst und zweyt nicht wär,
Das dritt und viert wär nimmermehr.
Das preisen die Schüler aller Orten,
Sind aber keine Weber worden.
Wer will was lebigs erkennen und beschreiben,
Muss erst den Geist herauser treiben,
Dann hat er die Theil in seiner Hand,
Fehlt leider nur das geistlich Band.
Encheiresin naturae nennts die Chimie!
Bohrt sich selbst einen Esel und weis nicht wie.

S t u d e n t.
Kann euch nicht eben ganz verstehen.

M e p h i s t o p h e l e s.
Das wird nächstens schon besser gehen,
Wenn ihr lernt alles reduziren
Und gehörig klassifiziren.

S t u d e n t.
Mir wird von allem dem so dumm,
Als ging mir ein Mühlrad im Kopf herum.

M e p h i s t o p h e l e s.
Nachher vor allen andern Sachen
Müsst ihr euch an die Metaphisick machen!
Da seht, dass ihr tiefsinnig fasst,
Was in des Menschen Hirn nicht passt!
Für was drein geht und nicht drein geht,
Ein prächtig Wort zu Diensten steht.
Doch vorerst dieses halbe Jahr
Nehmt euch der besten Ordnung wahr!
Fünf Stunden nehmt ihr ieden Tag,
Seyd drinne mit dem Glockenschlag,
Habt euch zu Hause wohl preparirt,
Paragraphos wohl einstudirt.
Damit ihr nachher besser seht,
Dass er nichts sagt, als was im Buche steht.
Doch euch des Schreibens ia befleisst,
Als dicktiert euch der heilig Geist!

S t u d e n t.
Verzeiht! ich halt euch auf mit vielen Fragen,
Allein ich muss euch noch bemühn:
Wollt ihr mir von der Medizin
Nicht auch ein kräfftig Wörtgen sagen?
Drey Jahr ist eine kurze Zeit,
Und, Gott! das Feld ist gar zu weit.
Wenn man ein' Fingerzeig nur hat,
Lässt sichs schon ehe weiter fühlen.

M e p h i s t o p h e l e s vor sich.
Binn des Professor Tons nun satt,
Will wieder einmal den Teufel spielen.
laut
Der Geist der Medizin ist leicht zu fassen:
Ihr durchstudirt die gros und kleine Welt,
Um es am Ende gehn zu lassen
Wies Gott gefällt.
Vergebens, dass ihr ringsum wissenschafftlich schweifft,
Ein ieder lernt nur, was er lernen kann;
Doch der den Augenblick ergreifft,
Das ist der rechte Mann.
Ihr seyd noch ziemlich wohl gebaut,
An Kühnheit wirds euch auch nicht fehlen,
Und wenn ihr euch nur selbst vertraut,
Vertrauen euch die andern Seelen.
Besonders lernt die Weiber führen:
Es ist ihr ewig Weh und Ach,
So tausendfach,
Aus Einem Punckte zu kuriren,
Und wenn ihr halbweeg ehrbaar tuht,
Dann habt ihr sie all unterm Hut.
Ein Titel muss sie erst vertraulich machen,
Dass eure Kunst viel Künste übersteigt,
Zum Willkomm tappt ihr dann nach allen Siebensachen,
Um die ein andrer viele Jahre streicht,
Versteht das Pülslein wohl zu drücken
Und fasset sie mit feurig schlauen Blicken,
Wohl um die schlancke Hüfte frey,
Zu sehn, wie fest geschnürt sie sey.

S t u d e n t.
Das sieht schon besser aus als die Philosophie!

M e p h i s t o p h e l e s.
Grau, theurer Freund, ist alle Theorie
Und grün des Lebens goldner Baum.

S t u d e n t.
Ich schwör euch zu: mir ists als wie ein Traum!
Dürft ich euch wohl ein andermal beschweeren,
Von eurer Weisheit auf den Grund zu hören.

M e p h i s t o p h e l e s.
Was ich vermag soll gern geschehn.

S t u d e n t.
Ich kann ohnmöglich wieder gehn,
Ich muss euch noch mein Stammbuch überreichen:
Gönn eure Gunst mir dieses Zeichen!

M e p h i s t o p h e l e s.
Sehr wohl. er schreibt und giebts.

S t u d e n t liest.
Eritis sicut Deus scientes bonum et malum.
machts ehrbietig zu und empfielt sich.

M e p h i s t o p h e l e s.
Folg nur dem alten Spruch von meiner Muhme der Schlange,
Dir wird gewiss einmal bey deiner Gottähnlichkeit bange.