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 M o g a n n i    N a m e h.   

 B u c h    d e s    S ä n g e r s.   
 

 
 
Zwanzig Jahre ließ ich gehn
Und genoß was mir beschieden;
Eine Reihe völlig schön
Wie die Zeit der Barmekiden.
     

01,1
Hegire.
 
     
  H  e  g  i  r  e.   

   Nord und West und Süd zersplittern,
Throne bersten, Reiche zittern,
Flüchte du, im reinen Osten
Patriarchenluft zu kosten,
 5 Unter Lieben, Trinken, Singen,
Soll dich Chisers Quell verjüngen.
 
   Dort, im Reinen und im Rechten,
Will ich menschlichen Geschlechten
In des Ursprungs Tiefe dringen,
10 Wo sie noch von Gott empfingen
Himmelslehr' in Erdesprachen,
Und sich nicht den Kopf zerbrachen.
 
   Wo sie Väter hoch verehrten,
Jeden fremden Dienst verwehrten;
15 Will mich freun der Jugendschranke:
Glaube weit, eng der Gedanke,
Wie das Wort so wichtig dort war,
Weil es ein gesprochen Wort war.
 
   Will mich unter Hirten mischen,
20 An Oasen mich erfrischen,
Wenn mit Caravanen wandle,
Schawl, Caffee und Moschus handle.
Jeden Pfad will ich betreten
Von der Wüste zu den Städten.
 
25    Bösen Felsweg auf und nieder
Trösten Hafis deine Lieder,
Wenn der Führer mit Entzücken,
Von des Maulthiers hohem Rücken,
Singt, die Sterne zu erwecken,
30 Und die Räuber zu erschrecken.
 
   Will in Bädern und in Schenken
Heil'ger Hafis dein gedenken,
Wenn den Schleyer Liebchen lüftet,
Schüttlend Ambralocken düftet.
35 Ja des Dichters Liebeflüstern
Mache selbst die Huris lüstern.
 
   Wolltet ihr ihm dies beneiden,
Oder etwa gar verleiden;
Wisset nur, daß Dichterworte
40 Um des Paradieses Pforte
Immer leise klopfend schweben,
Sich erbittend ew'ges Leben.
 

     
01,1
Hegire.

01,2
Segenspfänder.
 
     
 S e g e n s p f ä n d e r.   

   Talisman in Carneol
Gläubigen bringt er Glück und Wohl,
Steht er gar auf Onyx Grunde
Küß ihn mit geweihtem Munde!
 5 Alles Uebel treibt er fort,
Schützet dich und schützt den Ort:
Wenn das eingegrabne Wort
Allahs Namen rein verkündet,
Dich zu Lieb' und That entzündet.
10 Und besonders werden Frauen
Sich am Talisman erbauen.
 
   Amulete sind dergleichen
Auf Papier geschriebne Zeichen;
Doch man ist nicht im Gedränge
15 Wie auf edlen Steines Enge,
Und vergönnt ist frommen Seelen
Längre Verse hier zu wählen.
Männer hängen die Papiere
Gläubig um, als Scapulire.
 
20    Die Inschrift aber hat nichts hinter sich,
Sie ist sie selbst, und muß dir alles sagen,
Was hinterdrein, mit redlichem Behagen,
Du gerne sagst: Ich sag' es! Ich.
 
   Doch Abraxas bring' ich selten!
25 Hier soll meist das Fratzenhafte,
Das ein düstrer Wahnsinn schaffte,
Für das allerhöchste gelten.
Sag' ich euch absurde Dinge,
Denkt, daß ich Abraxas bringe.
 
30    Ein Siegelring ist schwer zu zeichnen,
Den höchsten Sinn im engsten Raum;
Doch weißt du hier ein Aechtes anzueignen,
Gegraben steht das Wort, du denkst es kaum.
 

     
01,2
Segenspfänder.

01,3
Freysinn.
 
     
  F  r  e  y  s  i  n  n.   

   Laßt mich nur auf meinem Sattel gelten!
Bleibt in euren Hütten, euren Zelten!
Und ich reite froh in alle Ferne,
Ueber meiner Mütze nur die Sterne.

 5    Er hat euch die Gestirne gesetzt
Als Leiter zu Land und See;
Damit ihr euch daran ergötzt,
Stets blickend in die Höh.
 

     
01,3
Freysinn.

01,4
Talismane.
 
     
  T  a  l  i  s  m  a  n  e.   

   Gottes ist der Orient!
Gottes ist der Occident!
Nord- und südliches Gelände
Ruht im Frieden seiner Hände.

 5    Er der einzige Gerechte
Will für jedermann das Rechte.
Sey, von seinen hundert Namen,
Dieser hochgelobet! Amen.

   Mich verwirren will das Irren;
10 Doch du weißt mich zu entwirren.
Wenn ich handle, wenn ich dichte,
Gieb du meinem Weg die Richte.

   Ob ich Ird'sches denk' und sinne
Das gereicht zu höherem Gewinne.
15 Mit dem Staube nicht der Geist zerstoben
Dringet, in sich selbst gedrängt, nach oben.

   Im Athemholen sind zweyerley Gnaden:
Die Luft einziehn, sich ihrer entladen.
Jenes bedrängt, dieses erfrischt;
20 So wunderbar ist das Leben gemischt.
Du danke Gott, wenn er dich preßt,
Und dank' ihm, wenn er dich wieder entläßt.
 

     
01,4
Talismane.

01,5
Vier Gnaden.
 
     
 V i e r    G n a d e n.   

   Daß Araber an ihrem Theil
Die Weite froh durchziehen
Hat Allah zu gemeinem Heil
Der Gnaden vier verliehen.
 
 5    Den Turban erst, der besser schmückt
Als alle Kaiserkronen,
Ein Zelt, das man vom Orte rückt
Um überall zu wohnen.
 
   Ein Schwerdt, das tüchtiger beschützt
10 Als Fels und hohe Mauern,
Ein Liedchen, das gefällt und nützt,
Worauf die Mädchen lauern.
 
   Und Blumen sing' ich ungestört
Von Ihrem Schawl herunter,
15 Sie weiß recht wohl was Ihr gehört
Und bleibt mir hold und munter.
 
   Und Blum' und Früchte weiß ich euch
Gar zierlich aufzutischen,
Wollt ihr Moralien zugleich,
20 So geb' ich von den frischen.
 

     
01,5
Vier Gnaden.

01,6
Geständniß.
 
     
 G e s t ä n d n i ß.   

   Was ist schwer zu verbergen? Das Feuer!
Denn bey Tage verräth's der Rauch,
Bey Nacht die Flamme, das Ungeheuer.
Ferner ist schwer zu verbergen auch
 5 Die Liebe, noch so stille gehegt,
Sie doch gar leicht aus den Augen schlägt.
Am schwersten zu bergen ist ein Gedicht,
Man stellt es untern Scheffel nicht.
Hat es der Dichter frisch gesungen,
10 So ist er ganz davon durchdrungen,
Hat er es zierlich nett geschrieben,
Will er die ganze Welt soll's lieben.
Er liest es jedem froh und laut,
Ob es uns quält, ob es erbaut.
 

     
01,6
Geständniß.

01,7
Elemente.
 
     
  E  l  e  m  e  n  t  e.   

   Aus wie vielen Elementen
Soll ein ächtes Lied sich nähren?
Daß es Layen gern empfinden,
Meister es mit Freuden hören.
 
 5    Liebe sey vor allen Dingen
Unser Thema, wenn wir singen;
Kann sie gar das Lied durchdringen,
Wird's um desto besser klingen.
 
   Dann muß Klang der Gläser tönen,
10 Und Rubin des Weins erglänzen:
Denn für Liebende, für Trinker
Winkt man mit den schönsten Kränzen.
 
   Waffenklang wird auch gefodert,
Daß auch die Trommete schmettre;
15 Daß, wenn Glück zu Flammen lodert,
Sich im Sieg der Held vergöttre.
 
   Dann zuletzt ist unerläßlich,
Daß der Dichter manches hasse,
Was unleidlich ist und häßlich
20 Nicht wie Schönes leben lasse.
 
   Weiß der Sänger dieser Viere
Urgewalt'gen Stoff zu mischen,
Hafis gleich wird er die Völker
Ewig freuen und erfrischen.
 

     
01,7
Elemente.

01,8
Erschaffen und Beleben.
 
     
 E r s c h a f f e n    u n d    B e l e b e n.   

   Hans Adam war ein Erdenklos,
Den Gott zum Menschen machte,
Doch bracht' er aus der Mutter Schooß
Noch vieles Ungeschlachte.
 
 5    Die Elohim zur Nas' hinein
Den besten Geist ihm bliesen,
Nun schien er schon was mehr zu seyn,
Denn er fing an zu niesen.
 
   Doch mit Gebein und Glied und Kopf
10 Blieb er ein halber Klumpen,
Bis endlich Noah für den Tropf
Das Wahre fand, den Humpen.
 
   Der Klumpe fühlt sogleich den Schwung,
Sobald er sich benetzet,
15 So wie der Teig durch Säuerung
Sich in Bewegung setzet.
 
   So, Hafis, mag dein holder Sang,
Dein heiliges Exempel
Uns führen, bey der Gläser Klang,
20 Zu unsres Schöpfers Tempel.
 

     
01,8
Erschaffen und Beleben.

01,11
Zwiespalt.
 
     
  Z  w  i  e  s  p  a  l  t.   

   Wenn links an Baches Rand
Cupido flötet,
Im Felde rechter Hand
Mavors drommetet,
 5 Da wird dorthin das Ohr
Lieblich gezogen,
Doch um des Liedes Flor
Durch Lärm betrogen.
Nun flötets immer voll
10 Im Kriegesthunder,
Ich werde rasend, toll,
Ist das ein Wunder.
Fort wächst der Flötenton
Schall der Posaunen,
15 Ich irre, rase schon,
Ist das zu staunen!
 

     
01,11
Zwiespalt.

01,9
Phaenomen.
 
     
  P  h  a  e  n  o  m  e  n.   

   Wenn zu der Regenwand
Phoebus sich gattet,
Gleich steht ein Bogenrand
Farbig beschattet.
 
 5    Im Nebel gleichen Kreis
Seh ich gezogen,
Zwar ist der Bogen weiß,
Doch Himmelsbogen.
 
   So sollst du, muntrer Greis,
10 Dich nicht betrüben,
Sind gleich die Haare weiß,
Doch wirst du lieben.
 

     
01,9
Phaenomen.

01,10
Liebliches.
 
     
 L i e b l i c h e s.   

   Was doch buntes dort verbindet
Mir den Himmel mit der Höhe?
Morgennebelung verblindet
Mir des Blickes scharfe Sehe.
 
 5    Sind es Zelten des Vessires
Die er lieben Frauen baute?
Sind es Teppiche des Festes
Weil er sich der Liebsten traute?
 
   Roth und weiß, gemischt, gesprenkelt
10 Wüßt' ich schönres nicht zu schauen;
Doch wie Hafis kommt dein Schiras
Auf des Nordens trübe Gauen?
 
   Ja es sind die bunten Mohne,
Die sich nachbarlich erstrecken,
15 Und, dem Kriegesgott zum Hohne,
Felder streifweis freundlich decken.
 
   Möge stets so der Gescheute
Nutzend Blumenzierde pflegen,
Und ein Sonnenschein, wie heute,
20 Klären sie auf meinen Wegen!
 

     
01,10
Liebliches.

01,12
Im
 
     
  I  m   
 G e g e n w ä r t i g e n    V e r g a n g n e s.   

   Ros' und Lilie morgenthaulich
Blüht im Garten meiner Nähe,
Hinten an bebuscht und traulich
Steigt der Felsen in die Höhe.
 5 Und mit hohem Wald umzogen,
Und mit Ritterschloß gekrönet,
Lenkt sich hin des Gipfels Bogen,
Bis er sich dem Thal versöhnet.
 
   Und da duftets wie vor Alters,
10 Da wir noch von Liebe litten,
Und die Saiten meines Psalters
Mit dem Morgenstrahl sich stritten.
Wo das Jagdlied aus den Büschen,
Fülle runden Tons enthauchte,
15 Anzufeuern, zu erfrischen
Wie's der Busen wollt' und brauchte.
 
   Nun die Wälder ewig sprossen
So ermuthigt euch mit diesen,
Was ihr sonst für euch genossen
20 Läßt in Andern sich genießen.
Niemand wird uns dann beschreien
Daß wirs uns alleine gönnen,
Nun in allen Lebensreihen
Müsset ihr genießen können.
 
25    Und mit diesem Lied und Wendung
Sind wir wieder bey Hafisen
Denn es ziemt des Tags Vollendung
Mit Genießern zu genießen.
 

     
01,12
Im

01,13
Lied und Gebilde.
 
     
 L i e d    u n d    G e b i l d e.   

   Mag der Grieche seinen Thon
Zu Gestalten drücken,
An der eignen Hände Sohn
Steigern sein Entzücken;
 
 5    Aber uns ist wonnereich
In den Euphrat greifen,
Und im flüßgen Element
Hin und wieder schweifen.
 
   Löscht ich so der Seele Brand
10 Lied es wird erschallen;
Schöpft des Dichters reine Hand
Wasser wird sich ballen.
 

     
01,13
Lied und Gebilde.

01,14
Dreistigkeit.
 
     
 D r e i s t i g k e i t.   

   Worauf kommt es überall an
Daß der Mensch gesundet?
Jeder höret gern den Schall an
Der zum Ton sich rundet.
 
 5    Alles weg! was deinen Lauf stört!
Nur kein düster Streben!
Eh er singt und eh er aufhört
Muß der Dichter leben.
 
   Und so mag des Lebens Erzklang
10 Durch die Seele dröhnen!
Fühlt der Dichter sich das Herz bang
Wird sich selbst versöhnen.
 

     
01,14
Dreistigkeit.

01,15
Derb und Tüchtig.
 
     
 D e r b    u n d    T ü c h t i g.   

   Dichten ist ein Uebermuth,
Niemand schelte mich!
Habt getrost ein warmes Blut
Froh und frey wie ich.
 
 5    Sollte jeder Stunde Pein
Bitter schmecken mir;
Würd' ich auch bescheiden seyn
Und noch mehr als ihr.
 
Denn Bescheidenheit ist fein
10 Wenn das Mädchen blüht,
Sie will zart geworben seyn
Die den Rohen flieht.
 
   Auch ist gut Bescheidenheit
Spricht ein weiser Mann,
15 Der von Zeit und Ewigkeit
Mich belehren kann!
 
   Dichten ist ein Uebermuth!
Treib' es gern allein.
Freund und Frauen, frisch von Blut,
20 Kommt nur auch herein.
 
   Mönchlein ohne Kapp' und Kutt'
Schwatze nicht auf mich ein,
Zwar du machest mich caput,
Nicht bescheiden! Nein.
 
25    Deiner Phrasen leeres Was
Treibet mich davon,
Abgeschliffen hab' ich das
An den Solen schon.
 
   Wenn des Dichters Mühle geht
30 Halte sie nicht ein:
Denn wer einmal uns versteht
Wird uns auch verzeihn.
 

     
01,15
Derb und Tüchtig.

01,16
Allleben.
 
     
  A  l  l  l  e  b  e  n.   

   Staub ist eins der Elemente
Das du gar geschickt bezwingest
Hafis, wenn zu Liebchens Ehren,
Du ein zierlich Liedchen singest.
 
 5    Denn der Staub auf ihrer Schwelle
Ist dem Teppich vorzuziehen,
Dessen goldgewirkte Blumen
Mahmuds Günstlinge beknieen.
 
   Treibt der Wind von ihrer Pforte
10 Wolken Staubs behend vorüber,
Mehr als Moschus sind die Düfte
Und als Rosenöl dir lieber.
 
   Staub den hab' ich längst entbehret
In dem stets umhüllten Norden,
15 Aber in dem heißen Süden
Ist er mir genugsam worden.
 
   Doch schon längst das liebe Pforten
Mir auf ihren Angeln schwiegen!
Heile mich Gewitterregen,
20 Laß mich daß es grunelt riechen!
 
   Wenn jetzt alle Donner rollen
Und der ganze Himmel leuchtet,
Wird der wilde Staub des Windes
Nach dem Boden hingefeuchtet.
 
25    Und sogleich entspringt ein Leben,
Schwillt ein heilig, heimlich Wirken,
Und es grunelt und es grünet
In den irdischen Bezirken.
 

     
01,16
Allleben.

01,17
Selige Sehnsucht.
 
     
 S e l i g e    S e h n s u c h t.   

   Sagt es niemand, nur den Weisen,
Weil die Menge gleich verhöhnet,
Das Lebend'ge will ich preisen
Das nach Flammentod sich sehnet.
 
 5    In der Liebesnächte Kühlung,
Die dich zeugte, wo du zeugtest,
Ueberfällt dich fremde Fühlung
Wenn die stille Kerze leuchtet.
 
   Nicht mehr bleibest du umfangen
10 In der Finsterniß Beschattung,
Und dich reißet neu Verlangen
Auf zu höherer Begattung.
 
   Keine Ferne macht dich schwierig,
Kommst geflogen und gebannt,
15 Und zuletzt, des Lichts begierig,
Bist du Schmetterling verbrannt,
 
   Und so lang du das nicht hast,
Dieses: Stirb und werde!
Bist du nur ein trüber Gast
20 Auf der dunklen Erde.
 

     
01,17
Selige Sehnsucht.

01,18
 
     
   

   Thut ein Schilf sich doch hervor
Welten zu versüßen!
Möge meinem Schreibe-Rohr
Liebliches entfließen!
 

     
01,18
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