B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Ludwig Christoph Heinrich Hölty
1748 - 1776
     
   


G e d i c h t e   d e s   J a h r e s   1 7 7 4

Textgrundlage:
Ludwig Christoph Heinrich Hölty
Sämtliche Werke.
Herausgegeben von Wilhelm Michel
Weimar 1914


________________________________________________


An die Apfelbäume, wo ich Laura erblickte (1774)
Gebet (1774, nach W. Hettches Ausgabe, Göttingen 1998)
Das Traumbild (1774)
An die Grille (1774)
An ein Johanniswürmchen (1774)
Die Geliebte (1774)
Die Schiffende (1774)
Elegie auf ein Landmädchen (1774)
Lied eines befreyten Türkensklaven (1774)
Die Maynacht (1774)
Maylied (1774)
Der arme Wilhelm (1774)
Der Bach (1774)
Auf den Tod des hochwürdigen und hochgelahrten Herrn J. C. Sunter (1774)
Christel und Hannchen (1774)
Das Feuer im Walde (1774)
Barden-Ode (publ. 1774)
Petrarchische Bettlerode (publ. 1774)


________________________________________________
 

        An die Apfelbäume, wo ich Laura erblickte.

Ein heilig Säuseln, und ein Gesangeston
Durchzittre deine Wipfel, o Schattengang,
      Allwo mein Herz die erste, hohe
            Feuerergießung der Liebe fühlte!

5 Die Abendsonne bebte, wie lichtes Gold,
Durch Purpurblüthen, bebte, wie lichtes Gold,
      Um ihres Busens Silberschleyer,
            Und ich zerfloß in Entzückungsschauer.

Nach langer Trennung, küße mit Engelskuß,
10 Ein treuer Jüngling, hier die geliebte Braut,
      Und schwör, in diesem Blüthendunkel,
            Ewige Treue der Auserkohrnen.

Ein Blümchen sproße, wann wir gestorben sind,
Aus jedem Rasen, welchen ihr Fuß betrat,
15       Und trag auf jedem seiner Blätter
            Meines verherrlichten Mädchens Namen! 


      Gebet.

Noch einmahl laß mich, Vater! bevor dein Tod
Dies Auge schließet, schauen die Sterbliche,
      Die meine Seele liebt! noch einmahl
            Dich in der Tugend des Mädchens schauen!

5 In neuer Schöne, lächelt die Lenzflur dann
Mir Engelwonne! Nachtigallsang wird mir
      Dann süßer durch die Seele strömen,
            Süßer das Rieselgeräusch der Quelle.

Dann werd ich meinen Schöpfer, geschärftem Ohrs,
10 Im Morgensäuseln hören, im Abendwehn,
      Geschärftern Blicks, im farbenhellen
            Blumengewimmel des Frühlings lesen.

Mit heißerm Eifer, werd' ich dem Kronenziel
Entgegenfliegen! Keine Syrene wird,
15       Durch ihrer Taumelschale Zauber,
            Pfade der Ruh, mich von euch verlocken!

Wie Silberblüthen fallen, entsäusl' ich dann
Dem Pilgerleben! Lächelnd und himmelhell
      Erscheint der Tod, und weht mit seiner
20             Palme mir göttlichen Trost entgegen. 


      Das Traumbild.

Im jungen Nachtigallenhayn,
      Und auf der öden Wildniß,
Wo Tannenbäume Dämmrung streun,
      Umflattert mich das Bildniß.
5 Es tanzt aus jedem Busch hervor,
      Wo Mayenlämmlein grasen,
Und wallt, verhüllt in leichten Flor,
      Auf jedem Blumenrasen.

Wenn mich, mit meinem Harm vertraut,
10       Zur Stunde der Gespenster,
Der liebe, helle Mond beschaut,
      Bebts durch mein Kammerfenster.
Und malt sich an die weiße Wand,
      Und schwebt vor meinen Blicken,
15 Und winkt mir mit der weißen Hand,
      Und lächelt mir Entzücken.

Mein guter Engel, sage mir,
      Wo Luna sie beflimmert
Und wo von ihr berührt, von ihr,
20       Die Blume röther schimmert?
Erschaff ihr Bild aus Morgenlicht,
      Ihr Kleid aus Aetherbläue,
Und zeig, in jedem Nachtgesicht,
      Mir meine Vielgetreue.

25 Wo pflückt sie, wenn der Lenz beginnt,
      Die ersten Mayenglocken,
Wo spielst du, lieber Abendwind,
      Mit ihren blonden Locken?
O eilt, o flattert weg von ihr,
30       Geliebte Mayenwinde,
Und sagt es mir, und sagt es mir,
      Wo ich das Mädchen finde? 


      An die Grille.

Wiege dich hier auf diesen Rasenblumen,
Keines Grillchen, und zirpe deinem Traurer,
Wie dem Schnittermädchen und Schnitterjüngling Schlummer entgegen!

Wenigen, linden Schlummer, liebes Grillchen,
5 Daß die Marter in meiner Seele raste,
Und, im Traumgesichte, mein süßes Mädchen Freude mir lächle! 


      An ein Johanniswürmchen.

Helle den Rasen, lieber Glühwurm, helle
Diese wankenden Blumen, wo mein Mädchen
Abendschlummer schlummerte; wo ich ihre Träume belauschte.

Helle den Rasen, lieber Glühwurm, daß ich
5 Jede wankende Frühlingsblume küße,
Jedes Silberglöckchen des grünen Rasens Fülle mit Thränen! 


      Die Geliebte.

Würde mein heißer Seelenwunsch Erfüllung,
Brächt' ein gütig Geschick mich ihr entgegen,
Eine flügelschnelle Minut' in ihrem
      Himmel zu athmen;

5 Seliger wär' ich dann als Staubbewohner,
O dann würd' ich den Frühling beßer fühlen,
Beßer meinen Schöpfer in jeder Blume
      Schauen und lieben! 


      Die Schiffende.

Sie wankt dahin! Die Abendwinde spielen
      Ihr Apfelblüthen zu,
Die Vögellein, so ihre Gottheit fühlen,
      Erwachen aus der Ruh.

5 Wie ihr Gewand, im Mondenglanze, flittert,
      Und ihres Busens Flor!
Sie wankt dahin! Der helle Vollmond zittert
      Aus jeder Well' hervor.

Da rauscht der Kahn durch hangende Gesträuche,
10       Birgt mir das Engelbild,
Schwankt itzt hervor, tanzt wieder auf dem Teiche,
      Den ihre Gottheit füllt.

Verdeckt mir nicht, ihr hangenden Gesträuche,
      Ihr lächelndes Gesicht,
15 Sie tanzt so schön auf ihrem Silberteiche,
      Ihr Erlen, bergt sie nicht!

Weht, Winde, weht, o flügelt sie, ihr Winde,
      An diese Laub' heran,
Daß ich mich ihr, im Schauer dieser Linde,
20       Zu Füßen werfen kan! 


      Elegie auf ein Landmädchen.

Schwermuthsvoll und dumpfig halt Geläute
Vom bemooßten Kirchenthurm herab;
Väter weinen, Kinder, Mütter, Bräute;
Und der Todtengräber gräbt ein Grab.
5 Angethan mit einem Sterbekleide,
Eine Blumenkron' im blonden Haar,
Schlummert Rößchen, so der Mutter Freude,
So der Stolz des Dorfes war.

Ihre Lieben, voll des Mißgeschickes,
10 Denken nicht an Pfänderspiel und Tanz,
Stehn am Sarge, winden, naßes Blickes,
Ihrer Freundin einen Todtenkranz.
Ach, kein Mädchen war der Thränen werther,
Als du gutes, frommes Mädchen bist,
15 Und im Himmel ist kein Geist verklärter,
Als die Seele Rößchens ist.

Wie ein Engel, stand, im Schäferkleide,
Sie vor ihrer kleinen Hüttenthür.
Wiesenblumen waren ihr Geschmeide,
20 Und ein Veilchen ihres Busens Zier.
Ihre Fächer waren Zephyrs Flügel,
Und der Morgenhayn ihr Putzgemach,
Diese Silberquellen ihre Spiegel,
Ihre Schminke dieser Bach.

25 Sittsamkeit umfloß, wie Mondenschimmer,
Ihre Rosenwangen, ihren Blick,
Nimmer wich der Seraph, Unschuld, nimmer,
Von der holden Schäferin zurück.
Jünglingsblicke taumelten, voll Feuer,
30 Nach dem Reiz des lieben Mädchens hin,
Aber keiner, als ihr Vielgetreuer,
Rührte jemahls ihren Sinn.

Keiner als ihr Willhelm! Frühlingsweihe
Rief die Edeln in den Buchenhayn,
35 Angeblinkt von Mayenhimmelbläue,
Flogen sie den deutschen Ringelreihn.
Rößchen gab ihm Bänder, mancher Farbe,
Kam die Erndt', an seinen Schnitterhut,
Saß mit ihm auf einer Weitzengarbe,
40 Lächelt' ihm zur Arbeit Muth.

Band den Weitzen, welchen Willhelm mähte,
Band, und äugelt' ihrem Liebling nach,
Bis die Kühlung kam, und Abendröthe
Durch die falben Westgewölke brach.
45 Ueber alles war ihm Rößchen theuer,
War sein Taggedanke, war sein Traum.
Wie sich Rößchen liebten und ihr Treuer,
Lieben sich die Engel kaum.

Willhelm, Willhelm! Sterbeglocken hallen,
50 Und die Grabgesänge heben an,
Schwarzbeflorte Trauerleute wallen,
Und die Todtenkrone weht voran.
Willhelm wankt, mit seinem Liederbuche,
Naßen Auges, an das ofne Grab,
55 Trocknet, mit dem weißen Leichentuche,
Sich die hellen Thränen ab.

Schlummre sanft, du gute, fromme Seele,
Bis auf ewig dieser Schlummer flieht.
Wein' auf ihrem Hügel, Philomele,
60 Um die Dämmerung, ein Sterbelied.
Weht, wie Harfenlispel, Abendwinde,
Durch die Blumen, die ihr Grab gebar,
Und im Wipfel dieser Kirchhoflinde
Nist' ein Turteltaubenpaar. 


      Lied eines befreyten Türkensklaven.

Gottlob, daß keine Kette mehr
      An diesem Arme klirrt;
Kein Teufel, mit gezücktem Wehr,
      Mich Rudernden umirrt!
5 Frey bin ich, wie das Vogelheer,
      Das durch die Lüfte schwirrt!
Gottlob, daß keine Kette mehr
      An diesem Arme klirrt!

Der ganze Himmel schwebt um mich,
10       Die Schöpfung ist mir neu;
Dich fühl ich, süße Freyheit, dich,
      Gott! frey bin ich, bin frey!
Der Bliz des Christen fraß dein Bot,
      Du wütiger Korsar;
15 Sein Donner brüllte Höll und Tod
      Auf deine Räuberschaar.

Schon wimpelte das Siegspanier,
      Schon tönte Siegsgesang;
Die Eisenkett' entklirrte mir
20       An meiner Ruderbank.
Nun flieg ich meinem Rheine zu,
      Nach dem ich oft geweint;
Und sind an seinen Ufern Ruh,
      Ein Weib, und einen Freund.

25 Und trink aus meinem Taumelkrug,
      Mit Weinbeerblüth umlaubt;
Und jedem Fürsten trink ich Fluch,
      Der uns die Freyheit raubt.
Und Segen jedem Biedermann,
30       Aus meinem Taumelkrug,
Der wider deine Wuth, Tyrann,
      Die Freyheitsfahne trug! 


      Die Maynacht.

Wenn der silberne Mond durch die Gesträuche blickt,
Und sein schlummerndes Licht über den Rasen geußt,
      Und die Nachtigall flötet,
            Wandl' ich traurig von Busch zu Busch.

5 Selig preis' ich dich dann, flötende Nachtigall,
Weil dein Weibchen mit dir wohnet in einem Nest,
      Ihrem singenden Gatten
            Tausend trauliche Küße giebt.

Ueberschattet von Laub, girret ein Taubenpaar
10 Sein Entzücken mir vor; aber ich wende mich,
      Suche dunkle Gesträuche,
            Und die einsame Thräne rinnt.

Wann, o lächelndes Bild, welches wie Morgenroth
Durch die Seele mir strahlt, find' ich auf Erden dich?
15       Und die einsame Thräne
            Bebt mir heißer die Wang herab! 


      Maylied.

Alles liebet! Liebe gleitet
Durch die blühende Natur,
Liebe zeuget Blumen, breitet
Manchen Teppich auf die Flur.
5 Das verliebte Haingefieder,
Das sich neue Zellen baut,
Tönet süße Liebeslieder,
Wenn der May vom Himmel thaut.

Liebe malt jezt hellre Rosen
10 Um den Mund der Schäferin,
Schäferin und Schäfer kosen
Manche goldne Stunde hin.
Sizen unter Apfelblüthen,
Arm in Arm, und Paar an Paar,
15 Kleine Liebesgötter bieten
Nektar ihren Lippen dar.

Unschuld blickt aus ihren Minen,
Unschuld ihres Standes Loos,
Rothe Blüthen taumeln ihnen
20 Aus dem Wipfel in den Schoos.
Blau und golden schwebt der Aether
Im bebüschten Gartenteich,
Alle Blüthen werden röther,
Werden Edens Blüthen gleich.

25 Durch die Blumen, durch die grünen
Kräuter, die der Sonnenschein
Übergoldet, summen Bienen,
Sammeln süßen Nektar ein.
Alles hauchet Scherz und Freude,
30 Wo des Frühlings Odem bläst,
Die Natur, im Blumenkleide,
Feirt ein allgemeines Fest.

Alles küßt jetzt! Küße flüstern
In beschatteten Alleen,
35 Wo die Liebenden in düstern
Buchenlabyrinthen gehn.
Küße rauschen in den Lauben,
Um die Abenddämmerung,
Küße geben, Küße rauben
40 Ist der Welt Beschäftigung. 


      Der arme Wilhelm.
      (Siehe die Elegie auf ein Landmädchen.)


Wilhelms Braut war gestorben. Der arme verlaßene Wilhelm
Wünschte den Tod, und besuchte nicht mehr die geflügelten Reigen,
Nicht das Ostergelag, und das Fest der bemaleten Eyer,
Nicht den gaukelnden Tanz um die Osterflamme des Hügels.
5 Einsam war er und still wie das Grab, und glaubte mit jedem
Tritt in die Erde zu sinken. Die Knaben und Mädchen des Dorfes
Brachen Mayen und schmückten das Haus, und die ländliche Diele,
Und begrüßten den heiligen Abend vor Pfingsten mit Liedern.
Wilhelm floh das Gewühl der beglückten fröhlichen Leute;
10 Wandelte über den Gottesacker, und ging in die Kirche,
Nahm den Kranz der geliebten Braut von der Wand, und kniete
An den Altar, und barg das Gesicht in die Blumen des Kranzes,
Flehte weinend zu Gott: «O entnim mich der Erde, mein Vater;
Ruf mich zu meiner Entschlummerten, doch dein Wille geschehe!»
15 Lispelnd bebte das Gold, und die Flitterblumen des Kranzes,
Lieblich rauschten die flatternden Bänder, wie Blätter im Winde,
Und ein fliegender Lichtglanz flog durch die Fenster der Kirche.
Ruhiger wandelte Wilhelm nach Haus! Seine Schwestern hörten
Bald die Todtenuhr in der Kammer pickern; und sahen
20 Auf der Diele den Sarg, und den Pfarrer im Mantel daneben;
Und das Leichhuhn schlug an das Kammerfenster, und heulte.
Wenige Wochen, da starb der verlaßne trauernde Wilhelm,
Und sein grünendes Grab ragt hart am Grabe des Mädchens. 


      Der Bach.

Wie Blandusiens Quell rausche der Afterwelt
Deine Lispel, o Bach, tanze der Enkelin
      Silberblinkend vorüber,
            Grünt, ihr Erlen des Ufers, ihr!

5 Dieses Rieselgeräusch, welches dem Quell enttönt,
Dieses Zittern des Laubs, flüstert mein Herz in Ruh,
      Gießt ein lindes Erbeben
            Durch die Saiten der Seele mir.

Lieblich wirbelst du hier, Zauberin Nachtigall!
10 Deinem Abendgesang lauschet dein Freund hier oft,
      Und dem Wellengeplätscher,
            Und dem Säuseln des Uferschilfs.

Dann durchhüpf ich, als Kind, wieder die Frühlingsflur,
Trage Blumen im Hut, tummle mein Steckenroß,
15       Oder schaffe mir Welten,
            Und bin König und Herr darin.

Ein balsamischer Hayn säuselt um mich empor,
Eine Hütte darin winket dem Schaffenden,
      Und ein freundliches Mädchen
20             Hüpft im Garten, und lächelt mir.

Von des fliehenden Tags Golde beflimmert, rauscht
Sie durchs Rosengebüsch, giebt mir den ersten Kuß,
      Fleucht, und lächelt, und birgt sich
            Wieder hinter den Blüthenbusch.

25 Weil', ich fliege dir nach! Warum entflohest du?
Plözlich lispelt der Strauch, Himmel! sie schlüpft hervor,
      Und es schüttelt der Strauch ihr
            Einen Regen von Blüthen nach.

Wie Blandusiens Quell, rausche der Afterwelt
30 Deine Lispel, o Bach, tanze der Enkelin
      Silberblinkend vorüber,
            Grünt, ihr Erlen des Ufers, ihr! 


      Auf den Tod des hochwürdigen und
      hochgelahrten Herrn J. C. Sunter.


Bang, wie dein Gesang o Philomele,
Ströme meines Liedes Trauerton!
Ueberwölkt ist meine ganze Seele,
Ruh und Freude sind von mir entflohn!
5 Nimmer werd ich meinen Lehrer schauen,
Bis mein Aug im Todesschlummer bricht;
Bis sein Geist, in jenen Himmelsauen,
Mir die Palmenkrone flicht.

Weitentfernt von seinem Leichenhügel,
10 Traur ich einsam hier am Leinestrand!
Wehe meine Klag', auf schnellem Flügel,
Zephyr, in mein mütterliches Land!
Ihn, der hohe Tugendthaten übte,
Seinen Nebenmenschen Beyspiel gab,
15 Ihn, den meine ganze Seele liebte,
Ach, verschlang das frühe Grab.

Reines Herzens war er, reiner Sitte,
Uebte manche hohe Christenthat,
Gab dem Armen Brodt in seine Hütte,
20 Streute Blumen auf des Pilgers Pfad.
Dem Verlaßnen lächelt', und dem Waisen
Stets des edeln Mannes Vaterblick,
Glitt die Unschuld aus der Tugend Gleisen,
Führt er sie darauf zurück.

25 Zur Beseligung wurd er geboren!
Einen Pflegevater, einen Freund
Haben an ihm tausende verloren,
Und ihr Auge trübet sich, und weint.
O ihr Pflegesöhn', und Pflegetöchter,
30 Er verdients, daß eure Zähre rinnt!
Aber keine Thränen sind gerechter,
Als die meinigen es sind.

Ach, er war der Führer meiner Jugend,
Glänzte mir mit seinem Beyspiel vor,
35 Predigte mir hohe Christentugend,
Und mein Geist hub sich durch ihn empor.
Nimmer werd' ich dieses Manns vergeßen,
Immer Folger seiner Tugend seyn,
Immer, unter schauernden Cypreßen
40 Seinem Grabe Thränen weyhn.

Wehmuthsvoll werd ich gen Himmel blicken,
Wo mein Freund, im Schooße Gottes, wohnt,
Wo ihm Wonn', und dauerndes Entzücken
Seines Pilgerlebens Treue lohnt.
45 Unter Engeln, und an Jesus Throne,
Werd' ich ihn, in jenen Sternenhöhn,
Hellberkränzt mit einer Siegerkrone,
Mit des Geistes Augen, sehn. 


      Christel und Hannchen,
      eine Schnitteridylle.


Lindere Luft begann die müden Erndter zu kühlen,
Und das Gold der sinkenden Sonn' umbebte die Aehren,
Und die ragenden Garben, als Schnitter Christel sein Hannchen
Rief zum duftenden Busch, wo tausend ländliche Grillen
5 Liebe zirpten und Ruh. Sie waren beide verlobet,
Harrten beide der Stunde der frohen Vermählung entgegen.
Christel hatt' ihr bereits zum Pfand der bräutlichen Treue
Eine Bibel geschenkt, und ein vergoldetes Psalmbuch,
Und das liebende Mädchen zur Gegengabe dem Jüngling
10 Einen prunkenden Hut, und stattliche Bräutigamshemde.
Von der Abendkühle des dämmernden Strauches umsäuselt,
Ruhte das glückliche Paar, indeß die Schnitter und Mädchen
Ihre Kleider suchten, sich haschten, und scherzten, und sangen.
Bald beginnet der Tag des Hochzeitkranzes, o Hannchen,
15 Bald, bald nenn ich dich Weib, und theile die Sorgen der Wirthschaft,
Hannchen, Hannchen, mit dir! Bewehn die Winde die Stoppeln,
Rötheln die Aepfel des Wipfels uns heller entgegen, und frischer,
Dann beginnet der Tag des Hochzeitkranzes, o Hannchen!
Jede kommende Nacht umschwebt mich dein lächelndes Bildniß,
20 Bald im Hochzeitgeschmuck, von rothen Bändern umflattert,
Bald im Schnitterhütgen, und blauem Kranze der Erndte.
Dann erwach ich, und hasche dein Bild, und horche der Grille,
Und ein Seufzer entfliegt zu deiner einsamen Hütte.
Lieber Christel, lispelte Hannchen, und drückt' ihm die Hände,
25 Und verstummt' ein Weilchen. Wie meinen Vater und Mutter
Lieb' ich dich, Christel, und will, so lang ich athme, dich lieben!
Alles wird mir so werth, was deine Hände berühren,
Als ein Pathengeschenk. Seit du mir die Bibel gegeben,
Les' ich so häufig darin, und zeichne die schönen Geschichten
30 Von Rebecca, und Rahel und Judith mit goldenen Bildern.
Schon entstieg der freundliche Mond dem Thaugewölke,
Und die zitternden Weizenwogen schwammen im Silber;
Da ergriffen die Schnitter die Sensen, und schäkerten Christeln
Aus dem trauten Geschwäz mit seinem liebenden Hannchen. 


      Das Feuer im Walde.
      Eine Idylle.


Zween Knaben liefen durch den Hayn,
Und lasen Eichenreiser auf,
Und thürmten sich ein Hirtenfeur.
Sie freuten sich der schönen Glut,
5 Die, wie ein helles Osterfeur,
Gen Himmel flog, und sezten sich
Auf einen alten Weidenstumpf.
Sie schwazten dieß, und schwazten das,
Vom Feuermann, und Ohnekopf,
10 Vom Amtmann, der im Dorfe spuckt,
Und mit der Feuerkette klirrt,
Weil er nach Ansehn sprach und Geld,
Wie's liebe Vieh die Bauren schund,
Und niemals in die Kirche kam.
15 Sie schwazten dieß, und schwazten das,
Vom seel'gen Pfarrer Habermann,
Der noch den Nußbaum pflanzen thät,
Von dem sie manche schöne Nuß
Herabgeworfen, als sie noch
20 Zur Pfarre giengen, manche Nuß!
Sie segneten den guten Mann
In seiner kühlen Gruft dafür,
Und knakten jede schöne Nuß
Noch einmal in Gedanken auf.
25 Da rauscht das dürre Laub empor,
Und, sieh, ein alter Kriegesknecht
Wankt durch den Eichenwald daher,
Sagt guten Abend, wärmet sich,
Und sezt sich auf den Weidenstumpf.
30 Wer bist du, guter, alter Mann?
Ich bin ein preußischer Soldat,
Der, in der Schlacht bey Kunnersdorf,
Das Bein verlor, und, leider Gotts!
Vor fremden Thüren betteln muß.
35 Da gieng es scharf, mein liebes Kind!
Da sauseten die Kugeln uns,
Wie Tausend Teufel, um den Kopf.
Dort flog ein Arm, und dort ein Bein.
Wir patschelten durch lauter Blut,
40 Und Roß und Reiter lagen da,
Wie Kraut und Rüben. Lieber Gott!
Sprach Hans, und sahe Töffeln an.
Mein Seel! ich werde kein Soldat,
Und wandre lieber hintern Pflug.
45 Da sing ich mir die Arbeit leicht,
Und spring und tanze wie ein Hirsch,
Und lege, wann der Abend komt,
Mich hintern Ofen auf die Bank.
Doch komt der Schelmfranzos zurück,
50 Der uns die besten Hüner stahl,
Und unser Heu und Korn dazu,
Dann nehm' ich einen rothen Rock,
Und auf den Buckel mein Gewehr,
Dann komm nur her, du Schelmfranzos!
55 Das Feuer sank, und wölkte kaum
Noch Dampf empor; sie giengen fort.

 
      Barden-Ode.
      NB. Eine von den Barden-Oden,
      auf die verschiedentlich angestichelt worden ist.


Ihr Götter! welche drohende Gefahren
      Begleiten uns von Kindheit an,
Und lauren stets, in unzählbaren Schaaren,
      Auf unsrer Lebensbahn! -

5 Jüngst, als ich lange schon genug gespielet,
      Saß ich bey stiller Abendluft,
Die mein Gelock besäuselt und bekühlet,
      In meiner Felsenkluft.

Der Mondstral glitschte durch die Felsenritze,
10       Beschimmernd meinen Polstermoos,
Und Irmgard saß, mit abgelößter Mütze,
      Mir damals auf dem Schooß.

Ich kämmete dem göttergleichen Lamme,
      Das alle Schönen überstralt,
15 Ich Rabenhaar mit einem engen Kamme,
      Den ich erst jüngst bezahlt.

Wie Sterne, taumelte das Ungeziefer,
      Von ihr zu Götterchen gesäugt!
Die Rechte kämmt', indeß die Linke tiefer
20       Zum Busen schalkhaft kreucht. -

Doch was geschah? Am wolkumthürmten Himmel
      Erstand urplötzlich ein Orkan,
Und lärmte mit so schrecklichem Getümmel,
      Als er noch nie gethan!

25 Und ich erschrack! Mein Kamm entfiel zur Erden!
      Ich sprach zu meiner Lieblinginn:
O! Irmgard! Irmgard! Was will hieraus werden?
      Sie sprach: Wo will das hin? -

Da kroch ich hin zum Eingang meiner Höle,
30       Und steckte meinen Kopf heraus,
Und übersah (noch schaudert mir die Seele)
      Die Scene voller Graus!

Indem ich nun so sitz', und jammernd weine,
      Da stürzte von der Felsenhöh'
35 Ein Eichbaum, der mir Schultern, Kopf und Beine
      Beynah zerschmetterte.

Doch Braga stand mir unsichtbar zur Seite,
      Und stieß hinweg den alten Stamm,
Der mich ins Schattenreich zu bringen dräute,
40       Und so gewaltig kam!

Allein verfluchst seyst du, du alte Eiche!
      Verflucht die Hand, die dich gesetzt!
Kein goldner Apfel schmücke deine Zweige,
      Von nun an bis zuletzt! 


      Petrarchische Bettlerode.

Wenn mit leisen Hutfilzsöckchen
Meine braune Trutschel geht,
Und ihr rothes Büffelröckchen
Um die dicken Schinken weht,
5 Ueber Zäune, Steg und Brücken,
Jeden ausgeschlagnen Tag,
Humpl' ich dann auf beiden Krücken
Ihr mit Sack und Packe nach.

Wär ich nur ein Dorn der Hecke,
10 Welche schlau ihr Röckchen ritzt!
Nur ein Tröpfchen von dem Drecke,
Der an ihre Waden spritzt!
Wär ich nur das Fledermäuschen,
Das um ihre Mütze schwirrt!
15 Nur das kleine Silberläuschen,
Das von Ohr zu Ohr ihr irrt!

Wüßt ich hübsche Liebesstückchen,
Lustig, wie des Kukuks Schall;
Ach! Dann hörte mich mein Fieckchen
20 Abends an des Amtmanns Stall!
Schmauchten mich nur ihre Lippen
Als ein Paffchen Krolltoback!
Oder drückt' an ihre Rippen
Sie mich als den Dudelsack!

25 Könnt' ich als ein Kamm ihr dienen,
Wenn sie hinterm Zaun sich kämmt!
Könnt' ich an dem Teiche grünen,
Wo sie ihre Glieder schwemmt!
Wär' ich doch auf Veltens Diele,
30 Schatz, für dich ein Bündel Stroh!
Nagt' ich, ach! mit süßem Spiele
Dir dein Leder, als ein Floh!

Würde doch von Niklas Mutter,
Durch den alten Teufelstext
35 Und ein Stücklein Hexenbutter,
Dir ein Traum von mir gehext!
Schmunzelnd in dem Schlafe, drücke,
Fest mein Bild mit einem Schmaz!
Morgens trabst bey meiner Krücke
40 Du einher, und bist mein Schatz!