B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Anna Louisa Karschin
1722 -1791
     
   



D e n   3 t e n   N o v e m b e r   1 7 6 0 .
[ A u f   d e n   S i e g   b e i   T o r g a u ]


Flugschrift

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Den 3ten November 1760. groß durch den Sieg des Königs bey Torgau, beschrieb Anna Louise Karschin, gebohrne Dürbachin. Glogau 1760.

O Muse! die mit kühnem Fluge
Bis ins Gewühl der Feldschlacht dringt,
Dem Held zum Streite folgt, und Seines Heeres Zuge
Nachspäht, und große Taten singt,
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Trag meine Phantasie auf Flügeln
Hin, wo die Elb ans Ufer trat,
Zu sehn, wie auf den nachbarlichen Hügeln
Mein König große Dinge tat.

Daun hielt, an Zuversicht gelehnet,
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Den Degen in der Hand, und sah
Sein unabsehlich Heer am Strom weit ausgedehnet.
Stolz auf sein Lager stand er da
Und zählte seiner Wagen Menge,
Gemacht, um Feuer auszuspein,
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Schon dacht er sich gerühmt durch Siegs-Gesänge,
Und sähe Wien lusttaumelnd sein.

Hohnlächelnd von Berlin gekommen,
Vereinte sich mit ihm Lascy,
Und vom gerechten Zorn des Helden eingenommen,
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Drang jetzt der König gegen sie:
So stürzt ein Adler auf die Schlange,
Die sicher zwischen Felsen liegt,
Schlau auf der Hut entwischte sie ihm lange;
Er überrascht die List und siegt.

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Durch Wald und Sumpf ging Friedrichs Schritten
Sein willig Volk sieggeizend nach.
Daun sah vom Berg herab, und seine Donner stritten,
So daß er sich Triumph versprach:
Schon wichen seinem Widerstehen
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Zweimal die Preußen, eh ihr Sieg
Den steilen Pfad auf feuervolle Höhen
Mit Blut bemerkten Fußtritt stieg.

Erstaunt wie ich - vernehmt und bebet,
Ihr Länder, die mein König schützt!
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Zürnt auf den Sünder, der nach Seinem Blut gestrebet,
Und frevelnd Seine Brust geritzt;
Fühlt's, daß ein Schauder euch ergreifet,
Ihr Redlichen im Lande, seht:
Jetzt staunt die Luft, die Kugel kommt und streifet
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Feindschaftlich an die Majestät.

Doch matt, gleich unschadbaren Schlägen,
Die Gott in Ungewittern lenkt,
Muß das verwegne Blei dem Held zum Fuß sich legen;
Die Erde wird noch nicht getränkt
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Mit Blut, so kostbar, daß ein Tropfen
Mehr als zehntausend Leben gilt.
Mein Herz fährt fort, für Ihn besorgt zu klopfen,
So lange noch der Donner brüllt.

Er lebt, Sein Auge funkelt Hitze,
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Mit der Er in das Treffen geht,
Vom Streitpferd ab, zu Fuß, seht wie Er an der Spitze
Des wiederholten Angriffs steht;
Er spricht, und wie im Wettstreit laufen
Die Regimenter, trotz dem Feu'r,
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Den Berg hinan, und dringen in die Haufen,
Und achten nicht das Leben teu'r.

Der König winkt, die Reuter falten
Ernsthaft die Stirnen, und ihr Arm
Wird ihren Feinden schwer, geschwungne Säbel spalten
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Den Kopf, und vom Gehirn noch warm
Zerfleischt das Schwert die Eingeweide:
So kämpfen Löw und Tigertier
Hartnäckicht kaum, wie die erzürnte Beide,
Dauns Knecht und Friedrichs Kürassier!

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Laut wiehert unter dem Dragoner
Sein Pferd und stampft im Strom von Blut
Den hingestürzten Feind, umsonst zankt der Verschoner,
Des Mitleids Trieb, sich mit der Wut;
Betäubt von jener stärkern Stimme
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Der Selbsterhaltung mordet er,
Und breitet, wild gemacht vom Krieger-Grimme,
Tod und Verwüstung um sich her.

Bestürzt und wund an seiner Lende,
Und mürrisch auf sich selbst flieht Daun;
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Auch flieht der trübe Tag, der des Erwürgens Ende
Nicht ansah, da um nachzuhaun,
Die Sieger bei dem blassen Lichte
Der Sterne schnell dahingeeilt,
Da hat die Nacht von ihrem Angesichte
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Dem Flüchtling Hüllen mitgeteilt.

Welch ein Tumult, o wie erdrücken
Jetzt Freund an Freund einander sich!
Sie taumeln furchtvoll hin, viel stürzen von den Brücken,
Im Strom sinkt, was dem Schwert entwich:
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Nun glänzt in Seiner ganzen Größe
Mein König, den der Feind verkannt,
Der im August die hart gegebne Stöße
Bei Liegnitz, obenhin empfand.

Siegszeichen liegen Ihm zum Füßen,
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Selbst der Gefangne stöhnt Sein Lob,
Und jene Fliehenden, vom Schrecken fortgerissen,
Da Gott im Streit den Arm erhob,
Die stammeln dem Gebüsch und Sumpfe
Den Namen meines Helden vor;
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Die Luft vernimmt's und redet vom Triumphe,
Und flüstert ihn der Nacht ins Ohr.

Vom Wahlplatz rot besprützt und müde
Schreibt Friedrich Seinem Bruder Sieg,
Bluttriefend nennt er ihn; Sein zärtlich Herz wünscht Friede.
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Zwar macht unsterblich Ihn der Krieg:
Wenn ungetreu das Glück der Streiter
Auch für die Feinde sich entschloß,
So blieb alsdenn Sein Angesicht noch heiter,
Und Seine Seele göttlich groß.

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«Groß» nennt Ihn der entfernte Brite,
Ergreift Sein Bild und kennt den Held,
Den Roßbach siegen sah, wo des Franzosen Schritte
Die Flucht beflügelte durchs Feld.
O daß Sein großer Freund George
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Im traurigen Westmünster wohnt!
Er ist nicht mehr, o Ihn durchdrang die Sorge,
Die Friedrichs Herze noch nicht schont!

Bleibt dem Gestirne nichts verborgen,
Und schwebt dort über unserm Haupt
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In irgend einer Welt der Schatten von Georgen,
Und ist's dem Geiste noch erlaubt,
Auf Erdbewohner hinzublicken,
So sah Sein Geist die große Schlacht,
Und gab, erfüllt vom himmlischen Entzücken,
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Auf Friedrichs neue Lorbeern acht.

Schutzengel, die, als Er gewonnen,
Unsichtbar um Ihn her geschwebt,
Frohlockten laut, daselbst, wo über tausend Sonnen
Die Gottheit ihren Stuhl erhebt;
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Sie warfen sich aufs Antlitz nieder,
Und seine Stimme hieß sie gehn,
Um künftig mit bedeckenden Gefieder
Noch meinem König beizustehn.

Sie lagen noch und baten Friede
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Von dem, der auf dem Stuhle saß,
Erhörung redete herab in einem Liede
Zu heilig für das Silbenmaß;
Sanft tönten in die goldne Harfen
Akzente der Erbarmung ein,
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Und Väter, die zum Thron die Kronen warfen,
Vernahmen: bald soll's Friede sein!

Jetzt huben sich vom Fuß des Thrones
Die sechzig Starken auf, und schnell
Hernieder flogen sie; jetzt ward es um des Sohnes,
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Der Vorsicht, seine Scheitel hell.
Mein Held entschlummert sah im Traume
Die Ruhe und Glückseligkeit,
Verbreitet ward in Seiner Länder Raume
Die Wiederkunft der Goldnen Zeit.

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Der Weltweisheit und Freundschaft heilig
Sind meines Helden Tage dann.
Kommt, frohe Stunden, kommt, seid ungewöhnlich eilig!
Euch lächelt Er von fernher an:
Dann zieht den Schlachten, die entscheiden,
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Der Philosoph von Sans-Souci
Die Fluren vor, wo sichre Herden weiden,
Und wie Horaz, so singt Er sie.