B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Friedrich Gottlieb Klopstock
1724 - 1803
     
   



O d e n   u n d   E l e g i e n .

O d e   a n   d e n   K ö n i g .
1 7 5 2 .


__________________________________________


Da Sie (Ihr Name wird im Himmel nur genennet!)
Ihr sanftes Aug im Tode schloß,
Und, von dem Thron, empor zum höhern Throne,
      Im Siegsgewande, trat:

5
Da weinten wir! Auch der, der sonst nicht Thränen kannte,
Ward blaß, erbebt', und weinte laut!
Wer mehr empfand, blieb unbeweglich stehen,
      Verstumt', und weint' erst spät.

So steht, mit starrem Blik, der Marmor auf dem Grabe;
10
So schautest Du Ihr, Friedrich, nach!
Ihr Engel sah, als er zu GOtt Sie führte,
      Nach Deinen Thränen hin.

O, Schmerz! stark, wie der Tod! . . . Wir sollten zwar nicht weinen,
Weil Sie so groß und edel starb!
15
Doch weinen wir. Ach, so geliebt zu werden,
      Wie heilig ist dieß Glük!

Der König stand, und sah, sah die Entschlafne liegen,
Und neben ihr den todten Sohn.
Auch er! Auch er! O, GOtt! O, unser Richter!
20
      Ein Friedrich starb in ihm!

Wir beten weinend an. Weil nun nicht mehr Ihr Leben
Uns lehrt; so lehr uns denn Ihr Tod!
O himmlische, bewundernswerthe Stunde,
      Da Sie entschlummerte!

25
Dich soll der Enkel noch, du Todesstunde, feyern!
Sie sey sein Fest, um Mitternacht!
Voll heiliger, tiefeingehüllter Schauer,
      Ein Fest der Weinenden!

Nicht diese Stunde nur, Sie starb viel lange Tage!
30
Und jeder war des Todes werth,
Des lehrenden, des ehrenvollen Todes,
      Den Sie gestorben ist.

Die ernste Stunde kam, in Nebel eingehüllet,
Den sie bey Gräbern bildete.
35
Die Königinn, nur Sie, vernimmt den Fußtritt
      Der kommenden! nur Sie

Hört, durch die Nacht herauf, der dunkeln Flügel Rauschen,
Den Todeston! da lächelt Sie . . . . . .
Sey ewig, mein Gesang, weil du es singest,
40
      Daß Sie gelächelt hat!

Und nun sind Throne nichts, nichts mehr der Erde Grössen,
Und alles, was nicht ewig ist!
Zwo Thränen noch! die eine für den König,
      Für Ihre Kinder die,

45
Und für die liebende, so sehr geliebte Mutter:
Und dann ist GOtt allein geliebt!
Der Erdkreis sinkt, wird Ihr zum leichten Staube:
      Und, nun entschlummert Sie . . . . . .

Da liegt Sie todt, und schön, schön für des Seraphs Auge,
50
Der Sie zum Unerschafnen führt.
Indem erblaßt die Wang', und sinkt; es troknen
      Die letzten Thränen auf!

Wie liebenswürdig sind des Patrioten Wunden!
Wie liebenswürdiger der Tod,
55
Des Christen Tod! die lezte Ruh! der sanften,
      Gebrochnen Augen Schlaf!

Nur wenige verstehn, was den für Ehren schmüken,
Der liegt, und überwunden hat,
Den ewigen, den GOtt geweih'ten Menschen,
60
      Der auferstehen soll!

Fleug, mein Gesang, den Flug unsterblicher Gesänge,
Und singe nicht vom Staube mehr:
Zwar heilig ist Ihr Staub: Doch sein Bewohner
      Ist heiliger, als er!

65
Die hohe Seele stand vor GOtt. Ihr grosser Führer,
Des Landes Schuzgeist, stand bey Ihr.
Dort strahlt' es auch, um Sie, an Ihrer Seite,
      Wo Carolina stand.

Die grosse Tochter sah vom neuen Thron herunter,
70
Sah bey den Königen Ihr Grab;
Der Leiche Pomp. Da sah Sie auf den Seraph;
      So sprach die Glükliche:

Mein Führer, der du mich zu dieser Wonne führtest,
Die fern von dort, und ewig ist!
75
Kehrst du zurük, wo wir, zum Tod', izt werden,
      Dann bald unsterblich sind:

Kehrst du dorthin zurük, wo du des Landes Schiksal,
Und meines Königs Schiksal, lenkst;
So folg ich dir. Ich will sanft um dich schweben,
80
      Mit dir, Sein Schuzgeist seyn!

Wenn du dich unsichtbar den Einsamkeiten näherst,
Wo Er um meinen Tod noch klagt;
So tröst ich Seinen Schmerz mit dir! so lispl' ich
      Ihm auch Gedanken zu!

85
Mein König, wenn Du fühlst, daß sich ein sanfters Leben,
Und Ruh, durch Deine Seele gießt;
So war ichs auch, die Dir, in Deine Seele,
      Der Himmel Frieden goß!

O, möchten diese Hand, und diese hellen Loken,
90
Dir sichtbar seyn; ich troknete,
Mit dieser Hand, mit diesen goldnen Loken,
      Die Thränen, die Du weinst!

O, weine nicht! Es ist, in diesem höhern Leben,
Für sanfte Menschlichkeit viel Lohn,
95
Viel grosser Lohn! und Cronen bey dem Ziele,
      Das ich so früh ergrif!

Du eilst mit hohem Blik, (doch länger ist die Laufbahn!)
Mein König, diesem Ziele zu;
Die Menschlichkeit, dieß gröste Lob der Erde!
100
      Ihr Glük, ihr Lob ist Dein.

Ich schwebe jeden Tag, den Du, durch sie, verewigst,
Dein ganzes Leben, um Dich her!
Auch dieß ist Lohn des früherrungnen Zieles,
      Zu sehen, was du thust.

105
Ein solcher Tag ist mehr, als viele lange Leben,
Die sonst ein Sterblicher verlebt!
Wer edel herrscht, hat doch, stürb er auch früher,
      Jahrhunderte gelebt!

Ich schreibe jede That (hier wurd Ihr Antliz heller,
110
Und himmlischlächelnd stand Sie auf,)
Ins grosse Buch, woraus einst Engel richten;
      Und nenne sie vor GOTT!