B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Friedrich Gottlieb Klopstock
1724 - 1803
     
   



O d e n   u n d   E l e g i e n .

E i s o d e .

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Wie das Eis hallt! Töne nicht vor! Ich dulde das nicht!
      Wie der Nachthauch glänzt auf dem stehenden Strom!
            Wie fliegest du dahin! Mit zu schnellem Flug
                  Scheuchst du die Grazie weg!

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Sie schwebet schon nach! Bardenliedertanz
      Hascht Pfeile, wie Oendurdis Bogen sie entflohn!
            Wie rauschet ihr Gefieder! Ereile sie vor mir!
                  Die Grazie schwebet schon nach!

Pfeilsucher, reize sie nicht! Verachtet kehrt sie nicht um!
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      Ich seh es, halt ein! Ich seh es, sie zürnt!
            Das Wölkchen Laune
                  Dämmert schon auf ihrer Stirne.

Siehest du sie kommen bey den Felsen herum
      In dem hellen Dufte des schönsten der Decembermorgen,
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            Wie schweben sie daher! Besänftigen soll
                  Mir Hlina die Zürnende.

Wer ist es? Wer kommt? Wie verschönern sie
      Den schönsten der Decembermorgen!
            Ja, rede du Beleidiger der Grazie,
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                  Wer sind sie, die daher in den weissen Düften schweben?

Wie des Tekynors Lenzgesang aus der Kluft zurüke,
      Tönt unter ihrem Tanze das Krystall!
            Viel sind der Schweber um den leichten Stuhl,
                  Der auf Stählen wie von selber schlüpft.

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Und sie, die in Hermelin gehüllt
      Auf dem eilenden Stuhle ruht,
            Und dem Jüngling horcht, der hinter ihr
                  Den Stählen der Ruhenden Flügel gibt?

Um des Mädchens willen beleidigt' ich
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      Die Grazie, drum versöhnt sie mir sie!
            Der Jüngling liebet das Mädchen, sie liebet ihn,
                  Sie feiern heute des ersten Kusses Tag.

O du in die Hermelins gehüllt,
      Und du mit dem Silberreif in dem schwarzen Haar,
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            Wir tanzen ihn auch den Bardenliedertanz
                  Und feiern euer Fest mit euch.

Willkommen uns! Ihr tanzet ihn schön
      Am säuselnden Schilf herab!
            Nur ein Gesez: wir verlassen nicht eh den Strom,
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                  Bis der Mond am Himmel sinkt!

Weit ist die Reise zum Ball,
      Der mit dem sinkenden Mond beginnt!
            Ihr müßt euch stärken. Die Lauscherin hier
                  Liebt flüchtigen Stahl!

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Du Schweber mit der blinkenden Schale dort,
      Den der Burgundionen Ursohn kelterte,
            Den! und die Schale voll bis zum Rand herauf!
                  Im Fluge geschwebt! Doch kein Tropfen röthe den Strom!

So rund herum, und denn der Hörner Schall
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      Nach altem Brautgesange Takt!
            Zu diesem Braga's wieder erfundnen Reihn
                  Auf gestirnten Krystall!

Ihr Tänzer dort auf dem hellen Krystall,
      Nach Braga's Flügelschwung,
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            Was hüllet ihr euch in Antipoden Dampf,
                  Wie in Wolken ein?

Werft hin das Rohr aus dem Rosenbusche gewählt.
      Werft hin des Meeres Schaum!
            Könnt ihr gegen euch über dem kreisenden, schlängelnden,
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                  Vorschiesenden Reihn aus der Wolke sehn?

Er sang's, und das blonde Mädchen glitt
      In der Mitte des Stroms, die Hörner tönten hinter ihr her,
            An den beyden Ufern eilten voran die Begleitenden,
                  Und wogen sich leicht auf der Schärfe des Stahls.

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Wie glatt ist der schimmernde Frost! Schall dort umher
      In den Felsen, nicht hier mit dem Strom' hinab!
            Hau droben im Walde verwüstendes Beil!
                  Sie sangen's, und lehnten sich rechts an den wärmenden Strahl.

O Bahn des Krystalls! Eh' sie am Hufe das Eisen schärft,
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      Eh sie mit dem Eissporn wafnet den Wanderer,
            Erstarre, erstarre du Cyklopenhand!
                  Sie sangen's, und lehnten sich links an die leisere Luft.

Sie sangen der Eisgangs Lieder noch viel
      Von Zephyrus, dem Zerstörer, ach!
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            Wenn die Blume des nächtlichen Frostes welkt!
                  Von der Tüke des verborgenen warmen Quells,

Da der blühende Jüngling sank! er schwung sich herauf, sein Blut
      Färbte den Krystall, denn sank er wieder und starb!
            Von dem Orkan, der in Schwindel sie schleudert vor sich her
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                  Am vorüberfliegenden Felsengestad' hinab.

Schnell wie der Gedanke schwebten sie in weit umkreisenden Wendungen fort,
      Wie die Riesenschlange Mitgards im Ocean sich wälzt!
            Von der bebenden schönen Winelde erstem Tritt auf den Teich
                  Am Hyacinthenbeet. Klein war ihr Fus, und blinkend ihr Stahl.

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Sie hatten des Stahles Band mit silberflokigem Laube
      Und röthlichgesprengten fliehenden Fischen gestikt.
            Sie sangen es izo dem Wiederhalle der Wälder zu,
                  Izo den Trümmern der alten Burg.

Sie tanzten fort, Strophen und Antistrophen,
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      Ruhten selten Epoden aus.
            Sie tanzten den ganzen Pindar durch,
                  Da sank, ach viel zu früh! der Mond am Himmel herab.

Sie kamen zum regelreichen Tanz,
      Im Wachslichtstral,
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            Vor dem lärmenden Kamin
                  Und Hlina vor seinem Spiegel an.

Sie kosteten wenig mit stolzem Zahn,
      Vom regelreichen Tanz,
            Sie schliefen die ganze Nacht, den Tag dazu,
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                  Gesunden Schlaf.