BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Friedrich Schiller

1759 - 1805

 

Der versöhnte Menschenfeind

 

1790

 

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Gegend in einem Park.

 

Erste Scene.

 

Angelika von Hutten. Wilhelmine von Hutten,

ihre Tante und Stiftsdame, kommen aus einem Wäldchen;

bald darauf Gärtner Biber.

 

Angelika. Hier wollten wir ihn ja erwarten, liebe Tante. Sie setzen sich so lange ins Kabinet und lesen. Ich hohle mir meine Blumen beim Gärtner. Unterdessen wirds neun Uhr und er kommt. – Sie sinds doch zufrieden?

Wilhelmine. Wie es dir Vergnügen macht, meine Liebe. (Geht nach der Laube.)

Gärtner Biber. (bringt Blumen.) Das beste, was ich heute im Vermögen habe, gnädiges Fräulein. Meine Hyazinthen sind alle. [101]

Angelika. Recht schönen Dank auch für dieses.

Biber. Aber eine Rose sollen Sie morgen haben, die erste vom ganzen Frühling, wenn sie mir versprechen wollen –

Angelika. Was wünschen sie guter Biber?

Biber. Sehen sie gnädiges Fräulein, meine Aurikeln sind nun auch fort, und mein schöner Levkojenflor geht zu Ende, und der gnädige Herr haben mir wieder nicht ein Blatt angesehen. Da hab ich voriges Jahr den großen Sumpf lassen austrocknen gegen Mitternacht und einige tausend Stück Bäume darauf gezogen. Die junge Welt treibt sich und schießt empor – es ist ein Seelenvergnügen, drunter hinzuwandeln – Ich bin da, wie die Sonne kommt, und freue mich schon im voraus der Herrlichkeit, wenn ich den gnädigen Herrn einmal werde herein führen. Es wird Abend – und wieder Abend – und der Herr hat sie nicht bemerkt. Sehen Sie mein Fräulein, das schmerzt mich. Ich kanns nicht läugnen.

Angelika. Es geschieht noch, gewiß geschiehts noch – haben Sie indes Geduld guter Biber.

Biber. Der Park kostet ihm, Jahr ans Jahr ein, seine baaren Zweytausend Thaler, und ich werde bezahlt, wie [102] ichs nicht verdiene – wozu nütz ich denn, wenn ich dem Herrn für sein vielen Geld nicht einmal eine fröhliche Stunde gebe? Nein gnädiges Fräulein. Ich kann nicht länger das Brod ihres Herrn Vaters essen, oder er muß mich ihm beweisen lassen, daß ich ihn nicht drum bestehle.

Angelika. Ruhig, ruhig lieber Mann! Das wissen wir alle, daß Sie das , und noch weit mehr, verdienen.

Biber. Mit Ihrer Erlaubniß mein Fräulein. Davon können Sie nicht sprechen. Daß ich meine zwölf Stunden des Tags seinen Garten beschicke, daß ich ihm nichts veruntreue und Ordnung unter meinen Leuten erhalte, das bezahlt mir der gnädige Herr mit  Geld . Aber daß ich es mit Freuden thue, weil ich es  ihm  thue, daß ich des Nachts davon träume, daß es mich mit der Morgensonne heraustreibt –  das  mein Fräulein, muß er mir mit seiner Zufriedenheit lohnen. Ein einziger Besuch in seinem Park thut hier mehr als alle sein Mammon – und sehen sie mein gnädiges Fräulein – das eben wars, warum ich Sie jetzt habe. –

Angelika. Brechen sie davon ab, ich bitte. Sie selbst wissen, wie oft und immer vergeblich – Ach! sie kennen ja meinen Vater. [ 103]

Biber. (ihre Hand fassend und mit Lebhaftigkeit) Er ist noch nicht in seiner Baumschule gewesen. Bitten Sie ihn, daß er mir erlaube, ihn in seine Baumschule zu führen. Es ist nicht möglich, diesen Dank einzusammlen von der unvernünftigen Kreatur, und Menschen verloren geben. Wer darf sagen, daß er an der Freude verzweifle, so lange noch Arbeiten lohnen, und Hoffnungen einschlagen? –

Angelika. Ich verstehe sie, redlicher Biber – vielleicht aber waren sie mit Gewächsen glücklicher, als mein Vater mit Menschen.

Biber. (schnell und bewegt) Und er hat eine solche Tochter? (er will mehr sagen, unterdrückt es aber, und schweigt einen Augenblick.) Der gnädige Herr mögen viel erfahren haben von Menschen – der schlecht belohnten Erwartungen viel, der gescheiterten Plane viel – aber (die Hand des Fräuleins mit Lebhaftigkeit ergreifend)  eine  Hofnung ist ihm aufgegangen – alles hat er nicht erfahren, was eines Mannes Herz zerreißen kann – (er entfernt sich) [104]