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B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
  Johann Gottfried Schnabel
vor 1692 - nach 1750

 
 
   
   



W u n d e r l i c h e
F a t a   e i n i g e r
S e e f a h r e r


1 .   T e i l   ( 1 7 3 1 )
S e i t e   3 4 - 7 0


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     [34] Diese schöne Gelegenheit ergriff ich mit beyden Händen, reisete mit ihm nach Hause, und insinuirte mich durch unermüdeten Fleiß dermassen bey ihm, daß er in kurtzer Zeit ein starckes Vertrauen auf meine Conduite setzte, und mich mit den wichtigsten Commissionen in diejenigen See=Städte versendete, wo er seinen vornehmsten Verkehr hatte.

     Nachdem ich 2. Jahr bey ihm in Diensten gestanden, wurde mir, da ich nach Amsterdam verschickt war, daselbst eine weit profitablere Condition angetragen, ich acceptirte dieselbe, reisete aber erstlich wieder nach Lübeck, forderte von meinem Patron gantz höfflich den Abschied, welcher ungern daran wolte, im Gegentheil mir jährlich mein salarium um 50. Thlr. zu verbessern versprach, allein ich hatte mir einmal die Fahrth nach Ost=Indien in den Kopff gesetzt, und solche war gar nicht heraus zu bringen. So bald ich demnach meinen ehrlichen Abschied nebst 50. Thlr. Geschencke über den Lohn von meinem Patron erhalten, nahm ich von denselben ein recht zärtliches Valet, wobey er mich bath, ihm bey meiner Retour, ich möchte glücklich oder unglücklich gewesen seyn, wieder zuzusprechen, und reisete in GOTTES Nahmen nach Amsterdam, allwo ich auf dem Schiffe, der Holländische Löwe genannt, meinen Gedancken nach, den kostbarsten Dienst bekam, weiln jährlich auf 600. Holländische Gulden Besoldung sichern Etaat machen konte.

     Mein Vermögen, welches ich ohne meines vorigen Patrons Schaden zusammen gescharret, belieff [35] sich auf 800. Holländ. fl. selbiges legte meistens an lauter solche Waaren, womit man sich auf der Reise nach Ost=Indien öffters 10. biß 20. fachen profit machen kan, fing also an ein rechter, wiewol annoch gantz kleiner, Kauffmann zu werden.

     Immittelst führte ich mich so wol auf dem Schiffe, als auch an andern Orten, dermassen sparsam und heimlich auf, daß ein jeder glauben muste: ich hätte nicht 10. fl. in meinem gantzen Leben, an meiner Hertzhafftigkeit und freyen Wesen aber hatte niemand das geringste auszusetzen; weil ich mir von keinem, er mochte seyn wer er wolte, auf dem Munde trommeln ließ. Auf dem Cap de bonne espérence, allwo wir genöthiget waren, etliche Wochen zu verweilen, hatte ich eine verzweiffelte Rencontre, und zwar durch folgende Veranlassung: Ich ging eines Tages von dem Cap zum Zeitvertreib etwas tieffer ins Land hinein, um mit meiner mitgenommenen Flinte ein anständiges stückgen Wildpret zu schiessen, und gerieth von ohngefähr an ein, nach dasiger Arth gantz zierlich erbautes Lust=Hauß, so mit feinen Gärten und Weinbergen umgeben war, es schien mir würdig genung zu seyn, solches von aussen rings herum zu betrachten, gelangete also an eine halb offenstehende kleine Garten=Thür, trat hinein und sahe ein gewiß recht schön gebildet, und wohl gekleydetes Frauenzimmer, nach dem klange einer kleinen Trommel, die ein anderes Frauenzimmer ziemlich Tact=mäßig spielete, recht zierlich tantzen.

     Ich merckte daß sie meiner gewahr wurde, jedennoch ließ sie sich gar nicht stöhren, sondern tantzte [36] noch eine gute Zeit fort, endlich aber, da sie aufgehöret und einer alten Frauen etwas ins Ohr gesagt hatte; kam die letztere auf mich zu, und sagte auf ziemlich gut Holländisch: Wohl mein Herr! ihr habt ohne gebethene Erlaubniß euch die Freyheit genommen, meiner gnädigen Frauen im Tantze zuzusehen, derowegen verlangt sie zu wissen, wer ihr seyd, nächst dem, daß ihr deroselben den Tantz bezahlen sollet. Liebe Mutter, gab ich zur Antwort, vermeldet eurer gnädigen Frauen meinen unterthänigsten Respect, nächst dem, daß ich ein Unter=Officier von dem hier am Cap liegenden Holländischen Schiffen sey, und das Vergnügen, so mir dieselbe mit ihrem zierlichen tantzen erweckt, hertzlich gerne bezahlen will, wenn nur die Forderung mein Vermögen nicht übersteiget.

     Die Alte hatte ihren Rapport kaum abgestattet als sie mir,auf Befehl der Täntzerin näher zu kommen, winckte. Ich gehorsamte, und muste mit in eine dick belaubte Hütte von Wein=Reben eintreten, auch sogleich bey der gnädigen Frau Täntzerin Platz nehmen. Der nicht weniger recht wohlgebildete Tambour, so zum Tantze aufgetrummelt hatte, führte sich von selbsten ab, war also niemand bey uns als die alte Frau, in deren Gegenwart mich die gnädige Täntzerin mit der allerfreundlichsten mine auf geradebrecht Holländisch anredete, und bath, ich möchte die Gnade haben und ihr selbsten erzehlen, wer? woher? was ich sey? und wohin ich zu reisen gedächte, ich beantwortete alles, so wie es mir in die Gedancken kam, weil ich wohl wuste, daß ihr ein wahrhafftes Bekänntniß eben so viel gelten [37] konte, als ein erdachtes. Sie redete hierauf etwas weniges mit der Alten, in einer mir unbekandten Sprache, welche etliche mal mit dem Kopffe nickte und zur Hütte hinaus gieng. Kaum hatte selbige uns den Rücken zugekehret, da die Dame mich sogleich bey der Hand nahm und sagte: Mein Herr, die jungen Europäer sind schöne Leute, und ihr sonderlich seyd sehr schön. Madame, gab ich zur Antwort, es Beliebt euch mit euren Sclaven zu schertzen, denn ich weiß daß aus meinen Ansehen nichts sonderliches zu machen ist. Ja ja, war ihre Gegenrede, ihr seyd in Wahrheit sehr schön, ich wünschte im Ernste, daß ihr mein Sclave wäret, ihr soltet gewiß keine schlimme Sache bey mir haben. Aber, fuhr sie fort, sagt mir, wie es kömmt, daß auf diesem Cap lauter alte, übel gebildete, und keine schönen jungen Europäer bleiben? Madame, versetzte ich, wenn nur auf diesem Cap noch mehr so schönes Frauenzimmer wie ihr seyd, anzutreffen wäre, so kan ich euch versichern, daß auch viel junge Europäer hier bleiben würden. Was? fragte sie, saget ihr, daß ich schöne sey, und euch gefalle? Ich müste, war meine Antwort: keine gesunde Augen und Verstand haben, wenn ich nicht gestünde, daß mir eure Schönheit recht im Hertzen wohl gefällt. Wie kan ich dieses glauben? replicirte sie, ihr sagt, daß ich schöne sey, euch im Hertzen wohl gefalle, und küsset mich nicht einmal? da ihr doch alleine bey mir seyd, und euch vor niemand zu fürchten habt. Ihre artige lispelnde wiewol unvollkommene Holländis. Sprache kam mir so lieblich, der Innhalt der Rede aber, nebst denen charmanten Minen, dermassen entzü=[38]ckend vor, daß an statt der Antwort mir die Kühnheit nahm, einen feurigen Kuß auf ihre Purpurrothen und zierlich aufgeworffenen Lippen zu drücken, an statt dieses zu verwehren, bezahlete sie meinen Kuß, mit 10. biß 12. andern, weil ich nun nichts schuldig bleiben wolte, wechselten wir eine gute Zeit mit einander ab, biß endlich beyde Mäuler gantz ermüdet auf einander liegen blieben, worbey sie mich so hefftig an ihre Brust drückte, daß mir fast der Athem hätte vergehen mögen. Endlich ließ sie mich loß, und sahe sich um, ob uns etwa die Alte belauschen möchte, da aber niemand vorhanden war, ergriff sie meine Hand, legte dieselbe auf die, wegen des tieff ausgeschnittenen habits, über halb entblösseten Brüste, welche, durch das hefftige auf= und niedersteigen, die Gluth des verliebten Hertzens abzukühlen suchten, deren Flammen sich in den kohlpechschwartzen schönen Augen zeigten. Das Küssen wurde aufs neue wiederholet, und ich glaube, daß ich dieses mal gantz gewiß über das 6te Gebot hingestürtzt wäre, so aber war es vor diesesmal nur gestolpert, weil sich noch zum guten Glücke die Alte von ferne mit Husten hören ließ, dahero wir uns eiligst von einander trenneten, und so bescheiden da sassen, als ob wir kein Wasser betrübet hätten.

     Die Alte brachte in einem Korbe 2. Bouteillen delicaten Wein, eine Bouteille Limonade, und verschiedene Früchte und Confituren, worzu ich mich gar nicht lange nöthigen ließ, sondern so wohl als die Dame, welche mir nun noch 1000.mal schöner vorkam, mit grösten Appetit davon genoß. So lange die Alte zugegen war, redeten wir von gantz [39] indifferenten Sachen, da sie sich aber nur noch auf ein sehr kurtzes entfernete, um eine gewisse Frucht von der andern Seite des Gartens herzuholen, gab mir die Dame mit untermengten feurigen Küssen zu vernehmen: Ich solte mir Morgen, ohngefähr zwey Stunden früher als ich heute gekommen, ein Gewerbe machen, wiederum an dieser Stelle bey ihr zu erscheinen, da sie mir denn eine gewisse Nacht bestimmen wolte, in welcher wir ohne Furcht gantz allein beysammen bleiben könten. Weiln mir nun die Alte zu geschwinde auf den Halß kam, muste die Antwort schuldig bleiben, doch da es mich Zeit zu seyn dünckte Abschied zu nehmen, sagte ich noch: Madame, ihr werdet mir das Glück vergönnen, daß Morgen Nachmittags meine Auffwartung noch einmal bey euch machen, und vor das heute genossene gütige Tractament einige geringe Raritäten aus Europa præsentiren darff. Mein Herr, gab sie zur Antwort, eure Visite soll mir lieb seyn, aber die Raritäten werde nicht anders annehmen, als vor baare Bezahlung. Reiset wohl, GOTT sey mit euch.

     Hiermit machte ich ein nochmahliges Compliment, und gieng meiner Wege, die Alte begleitete mich fast auf eine halbe Stunde lang, von welcher ich unter weges erfuhr, daß diese Dame eine gebohrne Princeßin aus der Insel Java wäre. Der auf dem Cap unter dem Holländischen Gouverneur in Diensten stehende Adjutant, Nahmens Signor Canengo, ein Italiäner von Geburth, hätte sich bereits in ihrem 12ten Jahre in sie verliebt, da ihn ein Sturm gezwungen, in Java die außbesserung seines [40] Schiffs abzuwarten. Er habe die zu ihr tragende hefftige Liebe nicht vergessen können, derowegen Gelegenheit gesucht und gefunden, sie vor 2. Jahren im 17den Jahre ihres Alters, auf gantz listige Arth von den ihrigen zu entführen, und auf das Cap zu bringen. Das Lust=Hauß, worinnen ich sie angetroffen, gehöre, nebst dem meisten herum liegenden Weinbergen und Gärten, ihm zu, allwo sie sich die meiste Zeit des Jahres aufhalten müste, weiln er diese seine liebste Maitresse nicht gern von andern Manns=Personen sehen liesse, und selbige sonderlich verborgen hielte, wenn frembde Europäische Schiffe in dem Cap vor Ancker lägen. Er weiß zwar wohl, setzte die Alte letzlich hinzu, daß sie ihm, ohngeachtet er schon ein Herr von 60.Jahren ist, dennoch allein getreu und beständig ist, jedoch, zu allem Uberfluß, hat er mich zur Aufseherin über ihre Ehre bestellet, allein ich habe es heute vor eine Sünde erkannt, wenn man dem armen Kinde allen Umgang mit andern frembden Menschen abschneiden wolte, derowegen habe ich euch, weil ich weiß, daß mein Herr vor Nachts nicht zu Hause kömmt, diesen Mittag zu ihr geführet. Ihr könnet auch morgen um selbige Zeit wieder kommen, aber das sage ich, wo ihr verliebt in sie seyd, so lasset euch nur auf einmal alle Hoffnung vergehen, denn sie ist die Keuschheit selber, und würde eher sterben als sich von einer frembden Manns=Person nur ein eintzig mal küssen lassen, da doch dieses bey andern ein geringes ist. Inzwischen seyd versichert, daß, wo ihr meiner Gebietherin etwas rares aus Europa mitbringen werdet, sie euch den Werth desselben mit [41] baaren Gelde doppelt bezahlen wird, weil sie dessen genung besitzet.

     Ich sahe unter währenden Reden der lieben Alten beständig ins Gesichte, da aber gemerckt, daß dieselbe im rechten einfältigen Ernste redete, wird ein jeder muthmassen, was ich dabey gedacht habe, doch meine Antwort war diese: Liebe Mutter, glaubt mir sicherlich, daß sich mein Gemüthe um Liebes=Sachen wenig, oder soll ich recht reden, gar nichts bekümmert, ich habe Respect vor diese Dame, bloß wegen ihres ungemeinen Verstandes und grosser Höfflichkeit, im übrigen verlange ich nichts, als, vor das heutige gütige Tractament, deroselben morgen ein kleines Andencken zu hinterlassen, und zum Abschiede ihre Hand zu küssen, denn ich glaube schwerlich, daß ich sie und euch mein lebtage wieder sehen werde, weil wir vielleicht in wenig Tagen von hier abseegeln werden.

     Unter diesen meinen Reden drückte ich der Alten 3. neue Spanische Creutz=Thaler in die Hand, weil sie, wie ich sagte, sich heute meinetwegen so viel Wege gemacht hätte. So verblendet sie aber von dem hellen glantz dieses Silbers stehen blieb, so hurtig machte ich mich nach genommenen Abschiede von dannen, und langete, nach Zurücklegung zweyer kleinen teutschen Meilen, glücklich wieder in meinem Logis an.

     Ich muste, nachdem ich mich in mein apartement begeben, über die heute gespielte Comcœdie hertzlich lachen, kan aber nicht läugnen, daß ich in die wunderschöne brunette unbändig verliebt war, denn ich traff bey derselben seltene Schönheit, Klugheit, Ein=[42]falt und Liebe, in so artiger Vermischung an, dergleichen ich noch von keinem Frauenzimmer auf der Welt erfahren. Derowegen wolten mir alle Stunden zu Jahren werden, ehe ich mich wieder auf den Weg zu ihr machen konte. Folgenden Morgen stund ich sehr früh auf, öffnete meinen Kasten, und nahm allerhand Sachen heraus, als: 2. kleine, und 1. mittelmäßigen Spiegel, von der neusten façon. 1. Sonnen=Fechel mit güldner Quaste. 1. Zinnerne Schnupff=Tobacks Dose, in Gestalt einer Taschen=Uhr. 2. Gesteck saubere Frauenzimmer=Messer. 3erley artige Scheeren, 20. Elen Seyden=Band, von 4erley coleur, allerhand von Helffenbein gedresseltes Frauenzimmer=Geräthe, nebst Spiel=und anderen Kinder=Sachen, deren mich voritzo nicht mehr erinnern kan.

     Alle diese Waare packte ich ordentlich zusammen, begab mich nach Anweisung meiner Taschen=Uhr, die ich ihr aber zu zeigen nicht willens hatte, 2. Stunden vor dem Mittage auf die Reise, und gelangete ohne Hinderniß bey dem Lust=Hause meiner Prinzeßin an. Die drey Spanischen Thlr. hatten die gute Alte so dienstfertig gemacht: daß sie mir über 100. Schritte vor der Garten=Thür entgegen kam, mich bey der Hand fassete, und sagte: Willkommen mein lieber Herr Landsmann, (sie war aber eine Holländerin, und ich ein Brandenburger) ach eilet doch, meine Gebietherin hat schon über eine halbe Stunde auf euren versprochenen Zuspruch gehoffet, und so gar das Tantzen heute bleiben lassen. Ich schenckte ihr 2. grosse gedruckte Leinwand=Halßtücher, 2. paar Strümpffe, ein Messer, einen Löffel [43] und andere bagatelle, worüber sie vor Freuden fast rasend werden wolte, doch auf mein Zureden, mich eiligst zu ihrer Frau führete.

     Dieselbe saß in der Laub=Hütte, und hatte sich nach ihrer Tracht recht propre geputzt, ich muß auch gestehen, daß sie mich in solchen Aufzuge ungemein charmirte. Die Alte ging fort, ich wolte meine 7. Sachen auspacken, da aber meine Schöne sagte, es hätte hiermit noch etwas Zeit, nahm ich ihre Hand, und küssete dieselbe. Doch dieses schiene ihr zu verdriessen, weßwegen ich sie in meine Arme schloß, und mehr als 100. mahl küssete, wodurch sie wieder völlig aufgeräumt wurde. Ich versuchte dergleichen Kost auch auf ihren, wiewohl harten, jedoch auch zarten Brüsten, da denn nicht viel fehlete, daß sie vor Entzückung in eine würckliche Ohnmacht gesuncken wäre, doch ich merckte es bey Zeiten, und brachte ihre zerstreueten Geister wieder in behörige Ordnung, und zwar kaum vor der Ankunfft unserer Alten, welche noch weit köstlichere Erfrischungen brachte als gestern.

     Wir genossen dieselben mit Lust, immittelst legte ich meinen Krahm aus, über dessen Seltenheit meine Prinzeßin fast erstaunete. Sie konte sich kaum satt sehen, und kaum satt erfragen, worzu dieses und jenes dienete; da ich ihr aber eines jeden Nutzen und Gebrauch gewiesen, zehlete sie mir 50. Holländische spec. Ducaten auf den Tisch, welche ich, solte sie anders nicht zornig werden, mit aller Gewalt in meine Tasche stecken muste. Die Alte bekam eine Commission, etwas aus ihren Zimmer zu langen, und war kaum fort, da meine Schöne noch einen [44] Beutel mit 100. Ducaten nebst einem kostbaren Ringe mit diesen Worten an mich lieferte: Nehmet hin, mein Aug=Apffel, dieses kleine Andencken, und liebet mich, so werdet ihr vor eurer Abreise von mir noch ein weit mehreres erhalten. Ich mochte mich wegern wie ich wolte, es halff nichts, sondern ich muste, ihren Zorn zu vermeiden, das Geschenck in meine Verwahrung nehmen. Sie zeigte sich dieserhalb höchst vergnügt, machte mir alle ersinnliche Caressen, und sprach mit einem verliebten Seuffzer: Saget mir doch, mein Liebster! wo es herkommt, daß eure Person und Liebe in mir ein solches entzückendes Vergnügen erwecket? Ja ich schwere bey dem heiligen Glauben der Christen und der Tommi, daß meine Seele noch keinen solchen Zucker geschmecket. Ich versicherte sie vollkommen, daß es mit mir gleiche Bewandtniß hätte, welches sich denn auch würcklich also befand. Inzwischen weil mir das Wort Tommi in den Ohren hangen geblieben war, fragte ich gantz treuhertzig, was sie darunter verstünde? und erfuhr, daß selbiges eine gewisse Secte sey, worzu sich die Javaner bekenneten, und sich dabey weit höher und heiliger achteten, als andere Mahometaner; mit welchen sie doch sonsten, was die Haupt=Sätze der Lehre anbelangete, ziemlich einig wären. Ich stutzte in etwas, da in Betrachtung zog, wie ich allem Ansehen nach mit einer Heydin courtoisirte, doch die hefftige Liebe, so allbereit meine Sinnen bezaubert hatte, konte den kleinen Funken des Religion=Scrupels gar leicht auslöschen, zumahlen da durch ferneres Forschen erfuhr: daß sie ungemeine Lust zu dem Christlichen [45] Glauben hegte, auch sich hertzlich gern gründlich darinnen unterweisen und tauffen lassen wolte; allein ihr Liebhaber der Signor Canengo verzögerte dieses von einer Zeit zur andern, hätte auch binnen einem Jahr fast gar nicht mehr daran gedacht, ohngeacht es anfänglich sein ernstlicher Vorsatz gewesen, er auch deßfalls viele Mühe angewendet. Nechst diesen klagte sie über ihres Liebhabers wunderliche Conduite, sonderlich aber über seine zwar willigen, doch ohnmächtigen Liebes=Dienste, und wünschte aus einfältigen treuem Hertzen, daß ich bey ihr an seiner Stelle seyn möchte. So bald ich meine Brunette aus diesem Thone reden hörete, war ich gleich bereit, derselben meine so wohl willigen als kräfftigen Bedienungen anzutragen, und vermeynete gleich stante pede meinen erwünschten, wiewohl straffbarn Zweck zu erlangen, jedoch die Heydin war in diesem Stücke noch tugendhaffter als ich, indem sie sich scheute, dergleichen auf eine so liederliche Art, und an einem solchen Orte, wo es fast so gut als unter freyen Himmel war, vorzunehmen, immittelst führeten wir beyderseits starcke Handgreiffliche Discurse, wobey ich vollends so hitzig verliebt wurde, daß bey nahe resolvirt war, nach und nach Gewalt zu brauchen, alleine, die nicht weniger erhitzte Brunette wuste mich dennoch mit so artigen Liebkosungen zu bändigen, daß ich endlich Raison annahm; weil sie mir theuer versprach, morgende Nacht in ihrem Schlaff=Gemache alles dasjenige, was ich jetzo verlangete, auf eine weit angenehmere und sicherere Arth zu vergönnen. Denn, wie sie vernommen, würde ihr Amant selbige Nacht nicht [46] nach Hause kommen, sondern bey dem Gouverneur bleiben, übrigens wüste sie alle Anstalten schon so zu machen, daß unser Vergnügen auf keinerley Weise gestöhret werden solte, ich dürffte mich demnach nur mit andringender Demmerung getrost vor der Thür ihres Lust=Hauses einfinden.

     Kaum waren wir mit dieser Verabredung fertig, als uns die Zurückkunfft der Alten eine andere Stellung anzunehmen nöthigte, es wurde das Gespräch auf unser Europäisches Frauenzimmer gekehret, deren Manier zu leben, Moden und andere Beschreibungen die Dame mit besonderer Aufmercksamkeit anhörete, zumahlen, da die Alte mit ihren Darzwischen=Reden dieses und jenes bekräfftigte, oder wohl noch vergrösserte. Immittelst hatten wir uns in solchen andächtigen Gesprächen dermassen vertiefft, daß an gar nichts anders gedacht wurde, erschracken also desto hefftiger, als der Signor Canengo gantz unvermuthet zur Laub=Hütte, und zwar mit funckelenden Augen eintrat. Er sagte anfänglich kein Wort, gab aber der armen Alten eine dermassen tüchtige Ohrfeige, daß sie zur Thür hinaus flog, und sich etliche mahl überpurtzelte. Meine schöne Brunette legte sich zu meiner grösten Gemüths=Kränckung vor diesen alten Maul=Esel auf die Erde, und kroch ihm mit niedergeschlagenem Gesichte als ein Hund entgegen. Doch er war so complaisant, sie aufzuheben und zu küssen. Endlich kam die Reyhe an mich, er fragte mit einer imperieusen Mine: Wer mich hieher gebracht, und was ich allhier zu suchen hätte? Signor, gab ich zur Antwort, Niemand anders, als das Glücke hat mich [47] von ohngefehr hieher geführet, indem ich ausgegangen, ein und andere curieuse Europäische Waaren an den Mann zu bringen. Und etwa, setzte er selbst hinzu, andern ihre Maitressen zu verführen? Ich gab ihm mit einer negligenten Mine zur Antwort: daß dieses eben meine Sache nicht sey. Demnach fragte er die Dame, ob sie die auf dem Tische annoch ausgelegten Waaren schon bezahlt hätte? Und da diese mit Nein geantwortet, griff er in seine Tasche, legte mir 6. Ducaten auf den Tisch, und zwar mit diesen Worten: Nehmet diese doppelte Bezahlung, und packet euch zum Teuffel, lasset euch auch nimmermehr bey dieser Dame wieder antreffen, wo euch anders euer Leben lieb ist. Signor, replicirte ich, es ist mir wenig an solchen Bagatell=Gelde gelegen, euch zu zeigen, daß ich kein Lumpenhund bin, will ich diese Sachen der Dame geschenckt haben, euch aber bitte ich, mich etwas höflicher zu tractiren, wo ich nicht gleiches mit gleichem vergelten soll. Er sahe mich trefflich über die Achsel an, die Koller aber lieff Fingers dicke auf, er legte die Hand an den Degen, und stieß die hefftigsten Schimpff=Worte gegen mich aus. Meine Courage kriegte hierbey die Sporen, wir zohen fast zu gleicher Zeit vom Leder, und tummelten uns vor der Hütte weidlich mit einander herum, doch mit dem Unterschiede, daß ich ihm mit einem kräfftigen Hiebe den rechten Arm lähmete, und deren noch zweye auf dem Schedel versetzte. Ich that einen Blick nach der Dame, welche in Ohnmacht gesuncken war, da ich aber vermerckte, daß Canengo sich absentirte, und in Hottentottischer Sprache vielleicht Hülffe schrye, [48] nahm ich meine im Grase verdeckt liegende Flinte, warff noch ein paar Lauff=Kugeln hinein, und eilete durch eine gemachte Oeffnung der Pallisaden, womit der Garten umsetzt war, des Weges nach meinem Quartiere zu.

     Anfangs lieff ich ziemlich hurtig, hernachmahls aber that meine ordentlichen Schritte, wurde aber gar bald inne: daß mich 2. Hottentotten, die so geschwinde als Windspiele lauffen konten, verfolgten, der vorderste war kaum so nahe kommen, daß er sich seiner angebohrnen Geschicklichkeit gegen mich gebrauchen konte, als er mit seiner Zagaye, welches ein mit Eisen beschlagener vorn sehr spitziger Wurff=Spieß ist, nach mir schoß, zu grossen Glück aber, indem ich eine hurtige Wendung machte, nur allein meine Rock=Falten durchwarff. Weil der Spieß in meinen Kleidern hangen blieb, mochte er glauben, mich getroffen zu haben, blieb derowegen so wohl als ich stille stehen, und sahe sich nach seinen Cameraden um, welcher mit eben dergleichen Gewehr herzu eilete. Doch da allbereit wuste, wie accurat diese Unfläther treffen können, wolte dessen Annäherung nicht erwarten, sondern gab Feuer, und traff beyde in einer Linie so glücklich, daß sie zu Boden fielen, und wunderliche Kolleraturen auf dem Erdboden machten. Ich gab meiner Flinte eine frische Ladung, und sahe gantz von weiten noch zwey kommen. Ohne Noth Stand zu halten, wäre ein grosser Frevel gewesen, derowegen verfolgte, unter sehr öfftern Zurücksehen, den Weg nach meinem Quartiere, gelangete auch, ohne fernern unglücklichen Zufall, eine Stunde vor Abends [49] daselbst an. Ohne Zweiffel hatten meine zwey letztern Verfolger, bey dem traurigen Verhängnisse ihrer Vorläuffer, einen Eckel geschöpfft, mir weiter nachzueilen.

     So bald ich in meinem Quartiere, das ist, in einer deren Hütten, welche nicht weit vom Cap, zur Bequemlichkeit der See=Fahrenden errichtet sind arriviret war, kleidete ich mich aus, und gieng in meiner Commoditeé spatzieren, setzte mich am Ufer des Caffarischen Meeres zwischen etlich dick=belaubte Sträucher, machte meine heut erworbene Gold=Bourse auf, und hatte mein besonderes Vergnügen, die schönen gelben Pfennige zu betrachten, indem mir aber die Liebe zu meiner charmanten Brunette darbey in die Gedancken kam, sprach ich: Ach du liebes Geld! wie viel schöner wärest du, wenn ich dich nur mit ruhigen Hertzen besässe. Ich machte meinen Beutel, nachdem ich das Geld hinein, den saubern Ring aber an meinen Finger gesteckt hatte, wieder zu, stützte den Kopff mit beyden Händen, und sonne nach: ob ich meiner hefftigen Liebe ferner nachhängen, und Mittel, selbige völlig zu vergnügen, suchen, oder wegen der damit verknüpfften grausamen Gefährlichkeiten gantz und gar davon abstrahiren wolte.

     Es wolte schon anfangen Nacht zu werden, da ich mich aus meinen tieffen Gedancken zwar in etwas ermuntert, jedoch deßwegen noch gar keinen richtigen Schluß gefasset hatte, stund aber auf, um in meinem Logis die Ruhe zu suchen. Ich hatte selbiges noch lange nicht einmahl erreicht, da ein Officier mit 6. Mann von der Guarnison gegen mich ka=[50]men, und meine Personalität mit Gewalt in die Festung einführeten. Die gantze Nacht hindurch hatte ich eine eigene Schildwacht neben mir sitzen, welche auf meine allergeringsten Movements Achtung gab, und niemanden, weder mit mir zu sprechen, oder an mich zu kommen, erlaubte.

     Wer solte nicht vermeinen, daß ich um der mit dem Adjutanten und den Hottentotten gehabten Händel halber in Arrest kommen wäre, ich zum wenigsten hatte mich dessen in meinem Hertzen völlig überredet, jedoch an der Haupt=Ursache weit gefehlet. Denn, kurtz zu sagen, folgenden Morgens, in aller frühe, ließ mich unser Schiffs=Capitain zu sich bringen, und that mir, jedoch ohne jemands Beyseyn, folgende Proposition: Mein lieber Monsieur Wolffgang! Ich weiß, daß ihr ein armer Teuffel seyd, derowegen mag euch die Begierde, reich zu werden, verleitet haben, einen Diebstahl zu begehen. Glaubet mir, daß ich etwas von euch halte, indem ich mehr als zu viel Commiseration und Liebe vor euch hege, allein, seyd nur auch aufrichtig, und stellet mir den Beutel mit den 100.Ducaten, so dem William van Raac verwichene Nacht entwendet worden, mit freymüthiger Bekändtniß, in meine sichern Hände, ich schwöre bey GOtt, die Sache auf eine listige Art zu vermänteln, und euch völlig bey Ehren zu erhalten, weil es Schade um eure Jugend und Geschicklichkeit ist.

     Ich hätte wegen hefftiger Alteration über diese Reden den Augenblick in Ohnmacht sincken mögen. Mein Gewissen war rein, indem ich mit [51] Wahrheit sagen kan, daß Zeit Lebens vor keinem Laster mehr Abscheu gehabt, als vor der schändlichen Dieberey, dergleichen Verdacht aber ging meiner Seelen gar zu nahe. So bald mich nun von meiner Verwirrung, die der Capitain vor eine gewisse Marque meines bösen Gewissens hielt, einiger massen erholt hatte, war ich bemühet, denselben meiner Undschuld mit den kräfftigsten Betheurungen zu versichern, wie ich denn auch würcklich nichts davon gehöret oder gesehen hatte, daß dem William van Raac, der ein Kauffmann und unser Reise=Compagnon war, Geld gestohlen sey. Allein der Capitain schiene sich über meine Entschuldigungen zu erzürnen, und sagte: Ich hätte nicht vermeinet, Wolffgang, daß ihr gegen mich so verstockt seyn soltet, da euch doch nicht allein euer gantzes Wesen, sondern auch euer selbst eigener Mund zur Gnüge verrathen hat. Sagt mir, ob ihr läugnen könnet: daß ihr gestern am Meer=Ufer in der Einsamkeit das, dem van Raac gestohlene, Geld überzehlet, und diese nachdencklichen Worte darbey gebraucht habt: Ach du liebes Geld! wie viel schöner wärest du, wenn ich dich nur mit ruhigen Hertzen besitzen könte. Mein Herr, gab ich zur Antwort, ich ruffe nochmahls GOtt und das gantze himmlische Heer zu Zeugen an, daß mir dieser Diebstahl unrechtmäßiger Weise Schuld gegeben wird, dasjenige aber, was ihr mir itzo zuletzt vorgehalten habt, befindet sich also, ich habe einen Beutel mit 150.spec. Ducaten bey mir, und gebe denselben zu eurer sichern Verwahrung, biß meine Unschuld wegen des Diebstahls ans Licht ge=[52]kommen. Seyd aber so gütig, eine besondere Avanture von mir anzuhören, und mich eures kräfftigen Schutzes geniessen zu lassen.

     Hiermit überreichte ich ihm den Beutel mit 150. Ducaten, und erzehlte sodann nach der Länge, was ich, als ein junger Amadis Ritter, seit 3en Tagen vor besondere Zufälle gehabt hatte, welches er alles mit ziemlicher Verwunderung anhörete, und letzlich sagte: Ich muß gestehen, daß dieses ein verwirrter Handel ist, und sonderlich wird mir die Affaire wegen des blessirten Adjutanten und der erschossenen Hottentotten gantz gewiß Verdruß machen, doch verspreche ich euch wegen des letztern meinen Schutz, allein was den William van Raac anbelanget, so braucht dieses eine fernere Untersuchung, weßwegen ich euch so wenig als noch andere deßwegen arrestirte drey Personen in Freyheit setzen kan.

     Ich war, und muste auch damit zu frieden seyn, inzwischen verdroß mich die schändliche und so schlecht gegründete Diebstahls=Beschuldigung weit grausamer, als die andere Affaire, jedoch zu meinem grösten Vergnügen lieff gegen Mittag die Zeitung ein, daß William van Raac seinen Beutel mit den 100. Ducaten an einem solchen Orte, wo er ihn in Gedancken selbst hin versteckt hatte, wieder gefunden, und dennoch solches gern verschwiegen hätte, wenn ihn nicht andere dabey ertappt, und sein Gewissen geschärfft hätten. Demnach musten Raac, ich und die 3. andern, Nachmittags bey dem Hauptmann erscheinen, welcher die Sache beylegen wolte, weil die 3. Mitbeschuldigten [53] dem William van Raac den Todt geschworen hatten, es wurde auch glücklich verglichen, denn Raac erboth sich, einem jeden von uns 10. Spanische Thlr. vor den Schimpff zu geben, nächst dem seine Ubereilung kniend abzubitten, welches er auch so gleich in Gegenwart des Capitains bewerckstelligte, doch ich vor meine Person wolte meine Großmuth sehen lassen, und gab ihm seine 10. Thlr. wieder zurück, ließ ihn auch seine Abbitte bey mir nicht kniend, sondern stehend verrichten.

     Da also dieser verdrüßliche Handel zu allerseits ziemlichen Vergnügen geschlichtet war, und wir uns in Freyheit von dem Capitain hinweg begeben wolten, nöthigte mich derselbe, noch etwas bey ihm zu bleiben, bat mit den allerhöflichsten Worten um Verzeihung, daß er auf Angeben eines wunderlichen Menschen fast gezwungen worden, mich solchergestalt zu prostituiren, und versprach mir, in Zukunfft desto grössere und stärckere Marquen seines Estims zu geben, weil er bey dieser Affaire meiner (wie ihm zu reden beliebte) vortrefflichen Conduite erstlich vollkommen überzeugt worden. Er gab mir anbey mit einem freundlichen Lächeln den Beutel, worinnen sich meine 150. Ducaten befanden, wieder zurück, nebst der Nachricht, wie zwar der Gouverneur schon Wissenschafft von einer mit dem Adjutanten vorgefallenen Rencontre erhalten, auch daß die 2. Hottentotten fast tödtlich blessirt wären, der Thäter sey ihm aber annoch unbekandt, und müste man nun erstlich erwarten, was weiter passiren würde. Inzwischen gab er mir den getreuen Rath, alle meine [54] Sachen nach und nach heimlich in sein des Capitains Logis zu schaffen, auch mich selbst bey ihm verborgen aufzuhalten, biß man fernere Mittel erfände, der zu befürchten habenden Gefahr zu entkommen.

     Es wurde noch selbigen Tages, des redlichen Capitains Muthmassungen gemäß, nicht ein geringes Lermen wegen dieser Affaire, man hatte mich als den Thäter dermassen accurat beschrieben, daß niemand zweifelte, Monsieur Wolffgang sey derjenige, welcher den Signor Canengo, als er von ihm bey seiner Maitresse erwischt worden, zu schanden gehauen, zweyen Hottentotten tödtliche Pillen eingegeben, und welchen der Gouverneur zur exemplarischen Bestraffung per force ausgeliefert haben wolte.

     Jedoch der redliche Capitain vermittelte die Sache dergestalt glücklich, daß wir einige Tage hernach ohne die geringste Hinderniß von dem Cap abseegeln und unsere Strasse nach Ost=Indien fortsetzen konten. Ich weiß gantz gewiß, daß er dem Gouverneur meiner Freyheit und Sicherheit wegen ein ansehnliches Præsent gemacht, allein, er hat gegen mich niemahls etwas davon gedacht, vielweniger mir einen Stüver Unkosten abgefordert, im Gegentheil, wie ich ferner erzehlen werde, jederzeit die gröste Consideration vor mich gehabt.

     Inzwischen führete mir die auf dem Cap gehabte Avanture Gemüthe, was vor Gefährlichkeiten und üble Suiten daraus entstehen können, wenn man sich durch eine geile Liebes=Brunst auf verbotene Wege treiben lässet. Meine bräunlich=[55]schöne Prinzeßin klebte mir zwar noch ziemlich am Hertzen, da ich sie aber auf der andern Seite als eine Heydin und Hure eines alten Adjutanten betrachtete, verging mir, zugleich mit Wiedererlangung meines gesunden Verstandes, auf einmahl der Appetit nach solcher falschen Müntze, doch stund ich noch lange nicht in dem gradu der Heiligkeit, daß ich mein bey ihr erworbenes Geld den Armen ausgetheilet hätte, sondern verwahrete es zum Gebrauch, und wünschete ihr davor viel Vergnügen, bedaurete auch zum öfftern der schönen Brunette feine Gestalt, wunderliche fata, und sonderlich das zu mir getragene gute Gemüthe.

     William van Raac mochte, nachdem er mich recht kennen lernen, etwas an mir gefunden haben, das ihm gefiele; weßwegen er sich öffters bey mir aufhielt, und seinen Zeitvertrieb in ein und andern politischen Gesprächen suchte, auch bey Gelegenheit mit besonders guter Manier allerhand Raritäten verehrte. Ich revangirte mich zwar mit diesen und jenen nicht weniger artigen Sachen, verspürete aber doch, daß er nicht eher ruhete, biß er wieder so viel bey mir angebracht, das den Werth des Meinigen vielfältig überstieg.

     Ein gewisser Sergeant auf dem Schiffe, Nahmens David Böckling, mit welchem William vorhero starcke Freundschafft gehalten, seit meinem Arrest aber sehr mit ihm zerfallen war, sahe unser öffteres Beysammensitzen mit gröstem Verdrusse an, brauchte auch allerhand Räncke, uns zusammen zu hetzen, weil er ein sehr wüster Kopff und eben derjenige war, welcher mich am Meer=[56]Ufer, da ich meine Ducaten gezehlet und oberwehnte Worte gesprochen, beschlichen und verrathen hatte, wie mir van Raac nunmehro solches alles offenhertzig gestund. Doch alle seine angestiffteten Boßheiten waren nicht vermögend unsere Freundschafft zu trennen, sondern es schien als ob dieselbe hierdurch immer mehr befestiget würde, ich aber hatte mir fest vorgesetzt dem Sergeanten bey erster bequemer Gelegenheit den Kopff zu waschen, doch ich ward dieser Mühe überhoben, weil er, da wir uns eine Zeitlang in Batavia auf der Insul Java aufhalten musten, daselbst von einem andern erstochen, und ich von dem Capitain an dessen Stelle als Sergeant gesetzt wurde.

     Weiln ich solchergestalt doppelte Gage zoge, konte schon Etaat machen, in wenig Jahren ein ziemlich Capital zu sammlen. Nechst dem so marchandirte zwar so fleißig, doch nicht so schelmisch als ein Jude, und erwarb damit binnen 3. Jahren, ein feines Vermögen. Denn so lange waren wir auf dieser meiner ersten Reise unterweges. Sonsten begegnete mir dabey nichts eben sehr ungewöhnliches, weßwegen auch, um Weitläufftigkeit zu vermeiden, davon weiter nichts gedencken will, als daß wir auf dem rückwege, um die Gegend der Canarischen Insuln, von zweyen Saleeischen Raub=Schiffen attaquiret wurden. Das Gefechte war ungemein hitzig, und stunden wir in gröster Gefahr nebst unserer Freyheit, alles Guth, wo nicht gar das Leben zu verlieren. Endlich wendete sich das Blat, nachdem wir den grimmigsten Widerstand gethan, so, daß sie zwar die Flucht, aber dabey unsere reich beladene [57] Barque mitnehmen wolten; Allein da wir ihre Absicht zeitig merckten, und allbereit in Avantage sassen, ward nicht allein ihre Arbeit und Vorhaben zunichte gemacht, sondern das beste Schiff, mit allen dem, was darauff war, erobert.

     Wenn mein naturell so beschaffen wäre, daß ich mich selbst gern lobte, oder loben hörete, könte bey dieser Gelegenheit schon etwas vorbringen, das einen oder den andern überreden solte: ich wäre ein gantz besonderer tapfferer Mann, allein ich versichere, daß ich niemals mehr gethan als ein rechtschaffener Soldat, dessen Ehre, Leben und Freyheit, nebst allen bey sich habenden Vermögen, auf der Spitze stehet, bey dergleichen Affairen zu thun schuldig ist.

     Jedoch man kan unter dem prætext dieser Schuldigkeit, auch der guten Sache zuweilen zu viel oder zu wenig thun, mein Beyspiel zum wenigsten, kan andern eine vernünfftige Behutsamkeit erwecken; denn als wir uns an dasjenige Raub=Schiff, welches wir auch nach diesen glückl. eroberten angehengt, und bloß noch mit dem Degen in der Faust wider einander agirten, hatte sich ein eintziger Räuber, auf seinem in letzten Zügen liegenden Schiffe einen eigenen Kampff=Platz erwehlet, indem er, durch etliche gegen= und übereinander gesetzte Kasten, seinen Rücken frey machen lassen, und mit seiner Mord=Sense dergestalt hausete, daß alle von unsern Schiffe überspringenden Leute, entweder todt niederfallen, oder sich starck blessirt reteriren musten.

     Ich war unter dem Capitain mit etwa 12. Mann [58] von den Unserigen auf dem vordertheil des feindl. Schiffs beschäfftiget, rechtschaffen Posto zu fassen, merckte aber, daß wir mehr Arbeit fanden, als wir bestreiten konten, indem der eintzige Satan unsern succurs recht übermenschlich abzuhalten schien, derowegen drang als ein Blitz durch die Feinde hindurch nahm meinen Vortheil ohngefehr in Obacht, und vermeynte sogleich meinen Pallasch in seinen Gedärmen umzuwenden; allein der Mord=Bube war überall starck geharrnischt und gepantzert, dahero ich nach abgeglitschten Stosse, mich selbst in der grösten Lebens=Gefahr sahe, doch fassete ihn in dieser Angst von ohngefehr in das weit aufgesperrete Maul, riß die rasende Furie zu Boden, suchte am Unter=Leibe eine öffnung, und stieß derselben meinen Pallasch so tieff in den Rantzen hinein als ich konte.

     Kaum war dieses geschehen, als nach einander etliche 20. und immer mehr von den Unserigen in das Feindl. Schiff gesprungen kamen, mich secundirten, und noch vor völlig erhaltenen Siege, Victoria! schryen. Doch es vergieng nicht eine halbe Stunde, so konten wir dieses Freuden=Wort mit Recht, und in vollkommener Sicherheit ausruffen, weil wir überhaupt Meister vom Schiffe, und die annoch lebenden Feinde, unsere Sclaven waren. Ich vor meine Person hatte zur ersten Beute einen ziemlichen Hieb auf den Kopff, einen über die lincke Schulter, und einen Piquen=Stich in die rechte Hüffte bekommen, darzu hatte der irraisonable Flegel, dem ich doch aus besondern Staats=Ursachen, ins Maul zu greiffen, die Ehre gethan, mir die [59] vordersten Gelencke zweyer Finger lincker Hand, zum Zeitvertreibe abgebissen, und da dieselben, wie man siehet, noch biß dato fehlen, ich dieselben auch auf der Wahlstatt nirgends finden können; so kan nicht anders glauben, als daß er sie par hazard verschlungen habe.

     Ich konte ihm endlich diese theuer genug bezahlte zwey Bissen noch so ziemlich gönnen, und war nur froh, daß an meinen zeithero gesammleten Schätzen nichts fehlete, über dieses wurde ich noch mit dem grösten Ruhm und Ehren fast überhäufft, weiln nicht nur der Capitain, sondern auch die meisten andern Mitarbeiter und Erfechter dieses Sieges, mir, wegen des eintzigen gewagten Streichs, den besten Preiß zu erkandten. Mein Gemüthe wäre der überflüßigen Lobes=Erhebungen gern entübriget gewesen, und hätte an dessen statt viel lieber eine geschwinde Linderung der schmertzenden Leibes=Wunden angenommen, weil ich, als ein auf beyden Seiten blessirter, kaum auf dem Rücken liegend, ein wenig rasten konte, doch ein geschickter Chirurgus, und meine gute Natur brachten es, nächst Göttl. Hülffe, so weit, daß ich in wenig Tagen wiederum auf dem obern Schiffs=Boden herum zu spatzieren vermögend war. Der Capitain, so mir gleich bey meiner ersten Ausflucht entgegen kam, und mich so munter sahe, sagte mit lachen: Monsieur Wolffgang, ich gratulire zum außgange, und versichere, daß nichts als der Degen an eurer Seite fehlet, uns zu überreden, daß ihr kein Patient mehr seyd. Monseigneur, gab ich gleichfalls lächelnd zur Antwort, wenn es nur daran fehlet, so will ich [60] denselben gleich holen? Bemühet euch nicht, versetzte er, ich will davor sorgen. Hiermit gab er seinem Diener Befehl, einen Degen vor mich zu langen, dieser brachte einen propren silbernen Degen, nebst dem Gehencke, und ich muste denselben, meinen Gedancken nach zum Spaß, umgürten. So bald dieses geschehen, befahl er das Schiffs=Volck zusammen zu ruffen, und da selbiges in seiner gehörigen Ordnung war, sagte er: Monsieur Wolffgang! ihr wisset so wohl als alle Gegenwärtigen, daß in letzterer Action unsere beyden Lieutenants geblieben sind, derowegen will euch, en regard eures letzthin erwiesenen Helden=Muths, hiermit als Premieur=Schiffs=Lieutenant vorgestellet haben, jedoch biß auf confirmation unserer Obern, als wovor ich guarantire. Inzwischen weil ich weiß, daß niemand von Gegenwärtigen etwas hierwider einzuwenden haben wird, will auch der erste seyn, der euch zu dieser neuen Charge gratuliret. Hiermit reichte er mir die Hand, ich aber wuste anfänglich nicht wie mir geschahe, doch da ich vermerckte, daß es Ernst war, machte ich das gebräuchliche Gegen=Compliment, und ließ mir immerhin belieben Lieutenant zu seyn.

     Kurtz drauff gelangten wir, nebst unserer gemachten Prise, glücklich wieder in Amsterdam an. Ich bekam nicht allein die Confirmation meiner Charge, sondern über dieses einen unverhofften starcken Recompens, ausser meiner zu fordern habenden doppelten Gage, die mir theils die Feder, theils der Degen verschafft hatte. Die, aus meinen mitgebrachten Waaren, gelöseten Gelder, [61] schlug ich darzu, that die Helffte davon, als ein Capital, in Banco, die andere Helffte aber wandte zu meinem Unterhalt an, nächst diesen, die Equippage auf eine frische Schiffarth anzuschaffen.

     Biß hierher war der Capitain Wolffgang damals in seiner Erzehlung kommen, als er, wegen einbrechender Nacht, vor dieses mal abbrach, und versprach, uns bey erster guten Gelegenheit den übrigen Rest seiner Avanturen wissend zu machen. Es suchte derowegen ein jeder von uns seine gewöhnliche Ruhe=Stelle, hatten aber dieselbe kaum 3. Stunden gedrückt, als, wegen eines sich erhebenden Sturmes, alle ermuntert wurden, damit wir uns gegen einen solchen ungestümen Stöhrer unsere Ruhe in behörige positur setzen könten. Wir verliessen uns zwar auf die besondere Stärcke und Festigkeit des getreuen Paridis, als welchen Nahmen unser Schiff führete; da aber das grausame wüten des Windes, und die einmal in Raserey gebrachten Wellen, nachdem sie nunmehro 2. Nacht und 2.Tage ohne einzuhalten getobet, auch noch keinen Stillstand machen wolten, im Gegentheil, mit hereinbrechender 3ten Nacht, ihre Wuth vervielfältigten, liessen wir die Hoffnung zu unserer Lebensrettung gäntzlich sincken, bekümmerten uns fast gar nicht mehr, um welche Gegend wir wären, und erwarteten, theils mit zitterenden, theils mit gelassenen Hertzen, die erschreckliche Zerscheiterung des Schiffs, und das mehrentheils damit sehr genau verknüpffte jämmerliche Ende unseres Lebens. Allein die Erhaltungs=Krafft des Himmels zeigte sich weit kräfftiger, als die Krafft des Windes, und der [62] berstenden Wolcken, denn unser Schiff muste nicht allein ohne besondern Haupt=Schaden bleiben, sondern auch zu unserer grösten Verwunderung wieder auf die rechte Strasse geführet werden, ohngeacht es Wind und Wellen bald hier bald dorthin verschlagen hatten; denn etwa 2. Stunden nach Mitternacht legte sich das grausame Brausen, die dicken Wolcken zertheilten sich, und bey anbrechenden schönen hellen Tage machten die Boots=Leute ein Freuden=Geschrey, aus Ursachen; weil sie den Pico so unverhofft erblickten, und wir uns gantz nahe an der Insul Teneriffa befanden. Vor meine Person wuste nicht, ob ich mehr Freude oder Erstaunung hegte, da mir diese ungeheure Machine in die Augen fiel. Der biß in den Himmel reichende entsetzliche Berg schien oben herum gantz weiß, weiln er Sommers und Winters hindurch mit Schnee bedeckt ist, man konte den aus seinem Gipffel steigenden Dampff gantz eigentlich observiren, und ich konte mich an diesem hochmüthigen Gegenstande meiner Augen die gantze Zeit nicht satt sehen, biß wir gegen Abend an die Insul anfuhren, um so lange daselbst auszuruhen, bis die zerrissenen und beschädigten Sachen unsers Schiffs wieder ausgebessert wären. Ich fand ein besonderes Vergnügen: die raritäten auf dieser Insul zu betrachten, sonderlich aber den Pico, an dessen Fuß eine Arth von Bäumen stund, deren Holtz in keinem Wasser verfaulen soll. Jedoch die Spitze des Berges mit zu erklettern, und dessen Rauch=Loch, so Kaldera genennet wird, in Augenschein zu nehmen, konte mich niemand bere=[63]den, ohngeachtet es annoch die schönste Jahres=Zeit dazu seyn mochte. Entweder war ich nicht so sehr neugierig, als Cajus Plinius Secundus beym Vesuvio gewesen, oder hatte nicht Lust mich dergleichen fatalitäten, wie er gehabt, zu exponiren, oder war nicht Willens eine Historiam naturalem aus eigener Erfahrung zu schreiben. Kurtz, ich war hierbey entweder zu faul, zu furchtsam, oder zu nachläßig.

     Hergegen kan ich nicht läugnen, daß ich mir bey dem Capitain den Canari=Sect vortrefflich gut schmecken ließ, welcher mir auch besser bekam, als andern der Schwefel=Dampf auf dem Pico bekommen war, wir nahmen eine gute quantität dieses berühmten Getränckes, nebst vielem Zucker und andern delicatessen von dieser Insul mit, und fuhren den 12 7br. recht vergnügt auf das Cabo Verde zu.

     Es war um selbige Zeit ungemein stille See und schönes Wetter, weßwegen der Capitain Wolffgang auf unser hefftiges Ansuchen sich gefallen ließ, seine Geschichts=Erzehlung folgender massen zu continuiren.

     Wo mir recht ist, Messieurs, fieng er an, so habe letztens gemeldet, wie ich mich in Stand gesetzt, eine neue Reise anzutreten, allein weil die Herrn General Etaaten seit kurtzen mit Franckreich und Spanien in würcklichen Krieg verwickelt waren, kriegten alle Sachen eine gantz andere Gestalt, ich hielt mich zwar beständig an meinen Wohlthäter, nemlich an denjenigen Capitain, der mich biß hieher glücklich gemacht hatte, konte aber die Ursache sei=[64]nes Zauderns so wenig, als sein künfftiges Vornehmen errathen. Doch endlich brach er loß, und eröffnete mir, daß er treffliche Pasporte erhalten, gegen alle Feinde der Republique, als ein Frey=Beuter zu agiren, weßwegen er sich auch allbereit, durch Zuschuß anderer Wagehälse, ein extraordinair schönes Schiff mit allem Zubehör angeschafft hätte, so daß ihm nichts fehlete, als genungsame Leute. Wolte ich nun, setzte er hinzu, als sein Premieur=Lieutenant mit reisen, so müste mich Bemühen zum wenigsten 10. biß 12. Freywillige aufzutreiben, wo mir dieses aber unmöglich schiene, oder ich etwa keine Lust zu dergleichen Streichen hätte, als die Frey=Beuter vorzunehmen gemüßiget wären, so wolte er mir zwar bald einen Officiers=Dienst auf einem Kriegs=Schiffe schaffen, allein ob es vor mich eben so profitable seyn möchte, davon wisse er nichts zu sagen. Augenblicklich versicherte ich hierauff den Capitain, allen Fleiß anzuwenden, mein Glück oder Unglück unter und mit ihm zu suchen, auch mit ihm zu leben und zu sterben. Er schien vergnügt über meine Resolution, ich gieng von ihm, und schaffte binnen wenig Tagen an statt der geforderten Zwölffe, drey und zwantzig vollkommen gute freywillige Wagehälse, deren die meisten schöne Gelder bey sich führeten. Mein Capitain küssete mich vor Freuden, da ich ihm dieselben præsentiret hatte, und weil er binnen der Zeit auch nicht müßig gewesen, sondern alles Benöthigte vollends angeschafft, seegelten wir frölich von dannen.

     Wir durfften aus Furcht vor den Frantzosen, den Canal nicht passiren, sondern musten unsere Farth [65] um die Brittannischen Insuln herum nehmen, und ob der Capitain schon treffliche Lust hatte den Spaniern auf der Strasse nach America, ein und andern Possen zu spielen, so wolte er doch vorhero erstlich genauere Kundschafft einziehen, allein ehe dieses geschah, thaten wir einen herrlichen Zug, an einer Frantzösischen nach Irrland abgeschickten Fregatte, auf welcher 16 000. Louis d'or nebst andern trefflichen Sachen, und etlichen Etaats=Gefangenen, unsere Beute wurden. Die vornehmsten Gefangenen nebst den Briefschafften, lieferten wir gegen Erlegung einer billigen discretion an einen Engelländer aus, der lange Zeit vergeblich auf diese Fregatte gelauret hatte, besetzten dieselbe, nachdem wir die übrigen Gefangenen vertheilet, mit etlichen von unsern Leuten, worunter auch ich war, also ein Neben=Schiff zu commandiren hatte, und richteten unseren Cours, in dem Mexicanischen Meere zu kreutzen.

     Auf der Portugisischen Insel Madera, nahmen wir frisches Wasser ein, und fanden daselbst gleichfalls ein Holländisches, doch von den Spaniern sehr übel zugerichtetes Frey=Beuter Schiff, dessen Capitain nebst den besten Leuten geblieben waren, unter dem übrigen Lumpen=Gesinde aber war eine solche Verwirrung, daß niemand wuste wer Koch oder Keller seyn wolte. Wir führeten ihnen ihren elenden Zustand, worinnen sie sich befanden, zu Gemüthe, und brachten sie mit guter Art dahin, sich mit uns zu vereinigen, und unter unsers Capitains Commando alles mit zu wagen, halffen also ihr Schiff wieder in vollkommen guten Stand setzen, und see=[66]gelten voll grosser Hoffnung auf die Bermudischen Insuln zu. Unterweges bemächtigten wir uns eines Spanischen Jagd=Schiffs, welches die Sicherheit der See ausspüren solte, indem sich die Spanische Silber=Flotte bey der Insul Cuba versammlet, und fast im Begriff war nach Europa zu schiffen. Wir nahmen das Wenige, so nebst den Gefangenen auf dieser Jagd gefunden wurde, auf unsere Schiffe, und bohrten die Jagd zu grunde, weil sie uns nichts nützen konte, eileten aber, uns bey Cuba einzufinden, und wo möglich von der Silber=Flotte etwas abzuzwacken. Es vereinigten sich noch 2.Holländische und ein Englischer Frey=Beuter mit uns, so daß wir damals 6. wohl ausgerüstete Schiffe starck waren, und auf selbigen ingesamt 46. Canonen, nebst 482. wohlbewehrten Leuten aufzeigen konten, hiermit konte man nun schon ein Hertz fassen, etwas wichtiges zu unternehmen, wie wir denn auch in der That die Hände nicht in den Schooß legten; sondern die Cubaner, Hispaniolaner, und andere feindliche Insuln starck allarmirten, und alle Spanische Handels=Schiffe Preiß machten, so daß auch der Geringste unter uns, seine deßfals angewandte Mühe reichlich belohnt schätzte, und niemand von Armuth oder Mangel zu reden Ursach hatte.

     Wir erfuhren demnach, daß das Glück den Wage=Hälsen öffters am geneigtesten sey. Denen Herrn Spaniern aber war wegen ihrer Silber=Flotte nicht eben allzuwohl bey der Sache, indem sie sich ohnfehlbar unsere Schiffs=Armade weit stärcker einbilden mochten, rüsteten derowegen, wie [67] wir gar bald in Erfahrung brachten, 10. biß 12. leichte Kriegs=Schiffe aus, um uns, als unangenehme und gefährliche Gäste, entweder, wo nicht Gefänglich einzubringen, doch zu zerstreuen. Der Engels=Mann als unser bißheriger Compagnon, mochte entweder zu wenig Hertze haben, oder aber sich allbereit reich genung schätzen, derowegen trennete er sich mit seinem Schiff und Barque, worauff er ingesamt 120.Mann nebst 12. Canonen hatte, von uns, und war Willens sich zwischen Cuba und Hispaniola durch zu practiciren, von dar, aus gewissen Ursachen nach Virginien zu gehen. Allein man hat uns bald hernach versichert, daß ihn die Spanier ertappt, geplündert und schändlicher weise ermordet haben.

     Unsere Capitains fanden indessen nicht vor rathsam, einen Angriff von den Spaniern zu erwarten, weil ohnedem unsere Schiffe nicht allein eine baldige Außbesserung vonnöthen hatten, sondern auch viele von unsern Leuten, deren wir doch, seit der abreise aus Amsterdam, nicht mehr als 14. eingebüsset, von denen vielen fatiguen sehr merode waren. Wir stelleten demnach unsere Farth auf die unsern Lands=Leuten zuständige Insul Curacao, oder wie sie einige nennen, Curassau zu, machten aber unterweges noch ein mit Cacao, Banille, Marmelade, Zucker und Toback beladenes Schiff, zu angenehmer Beute. Wenig Tage darauff, favorisirte das Glück noch besser, indem gantz von ohngefehr, und ohne vieles Blutvergiessen 3.Barquen mit Perlen=Austern, in unsere Hände fielen, womit wir denen Herren Spaniern die Mühe erspareten, selbige [68] ausmachen zu lassen, und dieser Arbeit, bey müßigen Stunden, uns gar im geringsten nicht zu schämen willens waren.

     Mit allen diesen Reichthümern nun, landeten wir glücklich bey Curacao an, der Gouverneur daselbst empfing uns, nachdem wir ihm unsere Pasporte gezeiget, auch von ein und andern, richtigen rapport abgestattet hatten, mit grossen Freuden, zumahlen da er von uns ein ansehnliches Præsent empfieng. Jedoch nachdem unsere Capitains die damalige Beschaffenheit der Sachen und der Zeit etwas genauer überlegten, befanden wir auf einrathen des Gouverneurs vor nützlicher, die Insul Bonatry zu unserm Ruhe=Platz zu erwehlen, und unsere Schiffe daselbst auszubessern. Es wurde deßwegen aller möglichste Fleiß angewendet, nachhero aber beschlossen, eine rechte Niederlage daselbst aufzurichten, weßwegen wir, mit Hülffe der daselbst wohnenden nicht ungeschickten Indianer, anfiengen, kleine Häuser zu bauen, auch vor den Anlauff eine gar artige Festung anlegten, und dieselbe nach und nach immer zu verbessern willens waren. Die Indianer erzeigten sich ungemein Dienstfertig gegen uns, wir gaben ihnen von dem unserigen, was sie brauchten, und wir entbehren konnten, hergegen waren sie wiederum fleißig das Feld zu bauen, und Mahis, James, Patates, auch Guineisch Korn zu zeugen, welches uns trefflich wohl zu statten kam, nächst dem legten sie sich auch mehr, als sonsten, auf die ordentliche Haußhaltung und Viehzucht, denn es gab daselbst Ochsen, Kühe, Pferde, Schweine, vor allem andern aber Ziegen im Uberfluß, so daß nicht nur wir [69] zulängliche Nahrungs=Mittel hatten, sondern auch unsere Lands=Leute auf den benachbarten Insuln, mit eingesaltzenen Fleische und andern Sachen besorgen konten. Anbey thaten wir manchen Stich in die See, und bereicherten uns nicht allein mit lauter Spanischen und Frantzösischen Gütern, sondern thaten beyden Nationen allen ersinnlichen Schaden und gebranntes Hertzeleyd an.

     Ich vor meine Person, hatte mir einen ziemlichen Schatz an Gold, Silber, Perlen, und andern kostbaren Sachen gesammlet, wovon ich das meiste auf der Insul an unterschiedliche Oerter vergrub, wo ich nicht leicht befürchten durffte, daß es ohne meine Anweisung jemand finden würde. Ubrigens lebten wir ingesamt so vergnügt auf der Insul, daß es, nachdem wir 3. Jahr lang darauff zugebracht, das Ansehen hatte, als sehnete sich kein eintziger wieder nach seinem Vaterlande.

     Nach so langer Zeit wurde Kundschafft eingebracht, daß die Spanier abermals mit einer reich beladenen Silber=Flotte zurück nach Europa seegeln wolten, also machten wir einen Anschlag, etwas davon zu erhaschen, giengen mit zwey der Besten und wol ausgerüsteten Schiffe, auch der resolutesten Mannschafft in See, und laureten um die Gegend der Caribischen Insuln auf dieselbe, brauchten anbey alle möglichste Vorsicht, um nicht entdeckt zu werden. Unsere Bemühung war deßfalls so wenig als sonsten vergebens, indem wir eines Morgens sehr frühe, nach vorhero ausgestandenen ziemlichen Sturme, ein von der Flotte verschlagenes Spanisches Schiff mit List erhaschten, mit Ge=[70]walt eroberten, und an gediegenen Silber, auch andern Kostbarkeiten mehr darauff antraffen, als wir uns fast hätten einbilden können. Die Flotte hatte aus dem hefftigen Donnern des Geschützes, Unrath vermerckt, und errathen, daß eins von ihren Schiffen in Action begriffen sey, derowegen auch zwey von ihren Schiffen zum Succurs dahin geschickt, allein wir waren mit unserer Prise allbereit zur Richtigkeit gekommen, da wir den succurs noch gantz von ferne erblickten, hielten aber nicht vor rathsam dessen Ankunfft zu erwarten, sondern nahmen die Flucht auf recht verwegene Art, bey Porto Ricco hindurch, und gelangeten mit vielen Vergnügen wieder, bey unserer zurückgelassenen Mannschafft, auf der Insul Bonatry an.

     Nunmehro waren wir erstlich eifriger als jemals beflissen, nicht allein unsere Wohnungen, Feld=Bau und Vieh=Zucht, mit Beyhülffe der Indianer, in vollkommen bequeme Form zu bringen, sondern avancirten auch in weniger Zeit mit unsern Vestungs=Bau dermassen, daß wir diese Insul wider alle feindliche Anfälle ungemein sicher machten. Etliche von den Unsern hatten bey Gelegenheit Spanische und Frantzösische ledige Weibes=Personen erwischt, sich mit selbigen verheyrathet, und Kinder gezeuget, dieses erweckte bey vielen andern eben dergleichen Begierde, weßwegen sie unsern Capitain, als selbst erwehlten Gouverneur unserer Insul forcirten, eine Landung auf Hispaniola zu wagen, weil sich daselbst ungemein schönes, so wohl Spanisches als Frantzösisches Frauenzimmer befinden solte.

 
 
 
 
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